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Wilsdruffer Tageblatt W für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter Nationale Tageszeitung für die ^andwirtschast. di° 8seix°II-nc Raxmzkfte 20 Rpfg., die «gespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen «v Reicha. gelchLne^ N-klamezeUe ,m textlichen Teile 1 RMK. 9!°chw°i,nngag-büh. 2d Neich-psennige. L 7nn7kmedk-°7rm°iZlb7 Fernsprecher- Amt Wilsdruff Nr. 6 Postscheck: Dresden 2640 Telegr.-Adr.: ^Amtsblatt" boten und unsere Aus. Wochenblatt für Wilsdruff u. Umaeaend ftellungen entgegen. Im nehmen zu jede- Zeit D" ,ur tt. Leu sonstiger B-- annahmeb,svorm.10Uhr. — die" bnÄ' d-iu Anipeuw au, Lieserung de> Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. — Rücksendung durch FernrusÜbermittelten Anzeigen übern, wir keine Baranlie. Jede. Rabattantpruch erlischt, wen» der Betrag durch triedsstürungen I einge,andter Schriftstücke ersolgt nur, wenn Porto beiliegt. Klage eingczogen werden muß oder der Auftraggeber in Konkurs gerät. Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meisten, des Amts gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forfirentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. Nr 5 — 91. Jahrgang Telegr.-Adr.: ^Amtsblatt"Wilsdruff-Dresden Postscheck: Dresden 2640 Donnerstag, den 7. Januar 1932 Fördert die Ortspresse Diplomatische Geheimküche«. Man kann so etwas mit dem Ausspruch des großen französischen Staatsmannes Talleyrand zum Ausdruck bringen: .Worie sind dazu da, um die Gedanken zu ver bergen", — nian kann es aber auch deutsch und deutlicher sagen: »Man darf nur schwindeln, wenn es den Zweck er füllt, geglaubt zu werden." Wenn allzu durchsichtig ge logen .wird, dann ist die Zumutung, es glauben zu sollen, schon fast eme Beleidigung. Was für einen Zweck bat es also, tvenn der Öffentlichkeit allerhand Geschichten über ^iplomatenbesuche, über ganz harmlose Reisen von Staatsmännern erzählt werden, — als ob die Herren Diplomaten zurzeit nichts anders zu tun haben, als z. B. auf die Fasanenjagd nach England zu fahren, wie der französische Finanzminister es vor kurzem tat, oder wenn der Direktor des Auswärtigen Amtes in Paris Plötzlich das Bedürfnis empfindet, nach London zu eilen, dort eine französische Kunstausstellung zu eröffnen und gleich ein paar Bilder zu kaufen. Auch bei dem ameri kanischen Botschafter in Paris, Edge, ist ganz plötzlich der Wunsch zum Ausdruck gekommen, seinem guten Freunde Poncet, dem französischen Botschafter in Berlin, einen Gegenbesuch zu machen. Dieses scherzhafte Reisespiel der Diplomaten ließe sich noch fortsetzen und es sollte uns nicht Wundern, wenn „amtlich mitgeieilt" wird, daß der fran zösische Ministerpräsident einer Einladung Macdonalds nach Schottland Folge leisten würde, lediglich, um dort mit dem englischen Kollegen zusammen Mooshühner zu schießen. Derartige Worte genügen denn doch nicht, um die Gedanken bzw. das eigentliche Tun zu verbergen; denn schließlich sind in einer politisch bis zum Platzen gespannten Zeit selbst die Diplomaten mit der Ausübung ihres Hand werks beschäftigt und man sollte der Öffentlichkeit nicht zumuten, an Jagd- oder Besuchsreiscn glauben zu sollen. Eine solche „Gcheimdiplomatie" tät damit nichts als den berühmten Schritt zum Lächerlichen. Namentlich dann, wenn man doch unmittelbar hinterher erfährt, daß selbstverständlich mehr oder weniger ausgiebige diplo matische Verhandlungen stattgesunden haben, wie von vornherein auch jedermann ahnen konnte. Es steht jetzt ja eine g a n z e M e n g e vo n T o p f en in der Diplomatenküche auf dem Feuer der Ver handlungen und man hat dort genug damit zu tun, den Inhalt ordentlich herumzurühren und zu würzen, ihn den Völkern schmackhaft zu machen, die draußen, von Hunger zerquält, darauf warten, welchen — Brei man ihnen vor setzen wird. Schon scheint es, als ob der ^.opf mit der Aufschrift „Neparationskonferenz" ganz vom Feuer ge nommen werden soll oder daß man darin eine nur sehr dünne, aber gerade deswegen sehr gefährliche Suppe zu- sammcnkochen will, weil die hier notwendigen Ingre dienzien so schlecht zueinander passen. Mau würde damit aber den lunger der Völker nach einer endgültigen Lösung dieser Frage nicht stillen, sondern nur noch mehr reizen, ihnen noch weitere Kräfte entziehen. Und sie der Verzweiflung in die Arme treiben, wenn die Kochkünste der Diplomaten wieder einmal versagen und höchstens eine dünne Brühe von Versprechungen und Vertröstungen, von „neuen Verhandlungen" und Vertagungen das Produkt der zwar „geheimnisvollen", aber wieder einmal erfolglosen „Tätigkeit" der Staatsmänner wäre. Nur ein kräftiges, einfaches Gericht könnte den Hungernden wieder Lebensmut und Lebenswillen, Energie und Kraft ein- slößen. Aber vielleicht gibt es gar nur Steine statt Brot. Ob auch in der Jägerstratzc in Berlin in den Räumen der Reichsbank, wo die Wirtschafter und Bankiers ihre Küche aufgeschlagen haben, um aus dem bisher recht übel genießbaren Gericht des Stillhalteabkommens über die deutschen Privatschulden eine neue Speise herzurichten, die wir verzehren können, ohne daran uns den Mund zu verbrennen oder daran zu ersticken — auch darüber weiß man noch nichts Authentisches. Allerdings dürften dort Köche mit etwas nüchterneren, weniger „diplomatischen" Kopsen arbeiten, die über die Zweckmäßigkeit und An wendbarkeit der von ihnen mitgebrachten oder vor geschlagenen Kochrezepte besser mit sich reden lassen als gewiße Staatsmänner, Diplomaten und sonstige Politiker. Doch auch hier geht es mit den Privat- und den „poli tischen" Schulden in ihrem Verhältnis zueinander gerade so wie mit der theoretisch geleugneten, praktisch aber vorhandenen Verbindung zwischen den deutschen Tribut- und den interalliierten Schuldenverpflichtungen: es geht alles aus demselben Topf. Und da her will die Stillhaltckommission gern wissen, wie tief unsere „Reparationsgläubiger" die Hände hineinstcckcn Wenn plötzlich ein starker Optimismus hmstchtltch des Erfolges der Stillhaltcvcrhandlungen austrat, ,o Ware es überaus erfreulich, falls dieser Opti- wlsmus auch vom deutschen Standpunkt aus geteilt d°?bcn konnte Aber erst müssen wir für diesen Zweck un? ^hen und schmecken, das man Und müssen auch erst wissen, ren^ ,, Rachspeise man auf der Reparationskonfe- vorbe^r 'N einer diplomatischen Geheimküchc — schon ""ler sur uns zusammenkocht. Lösung der „endgültigen Lösung" Aor Zwischenlösung in Lausanne? Für Ende Januar und Anfang Februar sind die drei großen politischen Versammlungen, die Lausanner Tributkonserenz, die Tagung des Völker bund rals und die Abrüstungskonferenz ge plant. Die Festsetzung ihrer genauen Anfangstermine und die ungefähre Schätzung ihrer Dauer macht bedeu tende Sorgen nichi nur deswegen, weil einzelne der Hauptvertreier der beteiligten Staaten tn allen drei Konferenzen tätig sein sollen, und man deswegen ein Überschneiden oder Parallellaufen der Tagungen ver meiden will, sondern auch deswegen, weil sachlich die Verhandlungen und Entscheidungen, besonders der Tributkonferenz, von dem Verlaus der Abrüstungskonfe renz in nicht geringem Matze abhängig ist. Die Regelung der Tribute kann nicht ohne eine Stellungnahme Amerikas zu dem Problem der interalliierten Schulden erfolgen, die Vereinigten Staaten haben sehr nachdrücklich erklärt, daß ein Nachlaß der Schulden für ein Europa, das fortfährt, sein Geld in unproduktive Rü st ungen zu stecken, nicht in Frage kommt. Infolge dessen wird eine Entscheidung Amerikas erst erfolgen können, wenn feststehl, daß die kommende Abrüstungs konferenz nicht nur eine Abrüstung für Deutschland, wie es der Wunsch Frankreichs ist, bringt, sondern eine allgemeine Minderung der Rüstungen, zu der sich lm Versailler Vertrag ausdrücklich die Signatarmächte verpflichtet haben. Es machen sich daher die Stimmen, die einer nur kurzen Dauer der ersten Tributkonferenz das Wort reden und einer nur vorläufigen Entscheidung, um dann n a ch der Abrüstungskonferenz, also in etwa einem halben Jahr, eine neue Regierungskonferenz anzusetzen, die in eine durchgreifende Revision der Tributfraae ein treten soll. Endgültige Beschlüsse könnten dann also erst im Herbst gefaßt werden. Die Tendenz einer proviso rischen Lösung der Tribulfrage würde sich decken mit den Entschließungen der S 1 i l l h a l t e k o m m i s s i o n in London über die privaten Schulden, die jetzt bekanntlich eine endgültige Lösung auch verschoben haben und nur noch über eine Verlängerung des Moratoriums um ein Jahr verhandeln. Der Gedanke einer Zwischenlösung in Lausanne wird hauptsächlich von dem Gouverneur der Bank von England, Montagu Norman, befürwortet, der damit, wie es in einem französischen Bericht heißt, Zeit gewinnen wolle, um die Diskussion über die Endlösung erst nach den Neuwahlen in Frankreich im Sommer dieses Jahres zu eröffnen. Da inzwischen in Deutschland die Präsidenten wahl und die Preußen mahlen stattgefunden haben dürften, so ist es auch nicht unmöglich, daß eine hinaus geschobene Tributkonferenz veränderte innen politische deutsche Verhältnisse antreffen wird. Zum Generalsekretär ver Tributtonserenz ist der Engländer Sir Maurice Hankey ernannt worden. Hankey hat schon mehrfach aus internationalen Konferenzen als Generalsekretär fungiert. Deutschlands Forderung: Endlösung! Gegenüber den Meldungen, daß die bevorstehende Re gierungskonferenz in Lausanne blotz eine Art kurzfristige oder längerfristige Verlängerung des bestehenden Zu standes anstrebe, verlautet an zuständiger Berliner Stelle, daß die Reichsregierung nach wie vor eine endgültige Lösung erwarte. Der Nachdruck, mit der von deutscher Seite eine solche Endlösung immer wieder gefordert wird, dürfte dem Ernst der Lage entsprechen, der anscheinend bei den Regie rungen der Gläubigerländer noch immer nicht genügens erkannt wird, der aber jeder deutschen Regierung das Ge setz des Handelns vorfchreibt. Goerdcler für Beseitigung der Tribute. In der Sitzung der Leipziger Stadtverordneten er griff Oberbürgermeister Dr. Goerdcler, der Reichs kommissar für Preisüberwachung, das Wort. Nach den Erfahrung, die er als Preiskommissar in Berlin gemacht habe, sei das erste Erfordernis für die wirtschaftliche Ge sundung in Deutschland die völlige Beseitigung der Tribute. Wenn die Tribute im Jahre 1932 nicht endgültig aus der Wirtschafts- und Zahlungsbilanz des deutschen Volkes verschwänden, dann könne weder bei den Arbeitnehmern noch bei den Arbeitgebern wirtschaftlicher Mut wieder- kchren. Auch England zweifelt an Dauerlösung. Unmöglich, wenn auch wünschenswert. Der deutsche Botschafter in London, Freiherr von Neurath, stattete dem englischen Außen minister Sir John Simon einen Besuch ab. Der deutsche Botschafter wies seinerseits auf die Notwendigkeit einer baldigen zufriedenstellenden, möglichst dauern- Sen Lösung der Tributfragc im Interesse der Erhal tung der Kreditwürdigkeit und Wiederbelebung des Wirt schaftslebens in Deutschland hin. Der englische Außenminister erkannte voll an, daß auch die englische Negierung eine dauernde Lösung an sich für die wünschenswerteste hielte, wies aber aus die ver änderten Umstände hin, die eine derartige Lösung nicht möglich machten. Im Zusammenhang mit dieser Äußerung des engli schen Außenministers gewinnt die Nachricht ein be- sonderes Gesicht, daß man in gut unterrichteten französi schen Kreisen damit rechnet, daß es dem französischen Ministerpräsidenten angesichts der bevorstehenden Haus haltsberatungen in der Kammer unmöglich sein werde, dem Wunsch des englischen Ministerpräsidenten Mac donald nachzukommen und sich nach London zu be geben. In diesem Fall, so betont man, werde die beabsichtigte Aussprache der beiden Negierungsführer voraussichtlich in Paris stattfindcn, wenn sich die englische Abordnung über die französische Hauptstadt nach Lausanne begeben werde. Französische Verschleypungsmanöver. Die französische Regierung würde gern eine Hin ausschiebung des Konferenzbeginns bis zum 25. Januar sehen, wie eine halbamtliche französische Meldung besagt. Dieser Wunsch wird begründet mit der Tagung der französischen Kammer, die am 12. Januar sich versammelt. Da Laval an den parlamentarischen Be ratungen gern teilnehmen wolle, wäre es ihm aus innen politischen Gründen angenehm, wenn er erst gegen Ende des Monats nach Lausanne reisen müßte. Die französische These, die Laval auf der Konferenz vertreten wolle, sei dem deutschen Botschafter vom Finanz minister Flandin bei seiner letzten Unterredung so präzi siert worden: Die französische Regierung wäre grundsätzlich geneigt, Deutschland ein Moratorium zu gewähren, jedoch nicht über den 1. Januar 1934 hinaus, unter der Bedingung, daß die ungeschützten Annui täten des Noung-Planes von Deutschland während dieser Zeit weiterbezahlt würden, wobei Deutschland wie beim Hoover-Moratorium die Möglichkeit hätte, über diese Summe in der Form garantierter Anleihen an die Reichs bahn zu verfügen. Dieser französische Vorschlag bringt nichts wesentlich Neues, er kann aber unmöglich der deutsche Standpunkt werden. Die deutsche Negierung will, wie oft genug be tont wurde, eine endgültige Bereinigung der Reparations frage und sie wird diese Forderung hoffentlich in Lausanne mit allem Nachdruck vertreten. Sie Tribut- und Abrüstungskonferenz. England hält am 18. Januar fest. Die Vereinigung der ausländischen Presse in London gab im Savoy-Hotel dem englischen Außenminister Sir John Simon ein Frühstück, auf dem Simon über die politische Lage sprach. Innerhalb der nächsten vier Wochen, so führte der Außenminister aus, würden drei große Konferenzen zu- sammcntreten. Der Zeitpunkt für die Tributkonferenz ser noch nicht endgültig scstgclcgt. Die englische Negierung würde es als eine große Erleichterung bcgrüsten, wenn d»e Konferenz sobald wie möglich eröffnet werden könne, da auch in England die Wiedereröffnung des Parlaments vor der Tür stehe. Wenn cs nicht gelinge, einen früheren Zeitpunkt, als den 18. Januar, oder einen Zeitpunkt etwa um den 18. Januar herum sichcrzustcllen, so würden einige der Minister schwerlich tcilnehmcn können, obwohl sie den Wunsch dazu hätten.