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„Ein Judas Jschariot bin ich nicht", sagte Peter kalt, „öennso kann ich ja reisen." Das Licht verschwand, es war wieder Nacht in der Stube. „Dierk, Dierk, du kannst und kannst ihn nicht missen", stöhnte Jan, „beim Pflügen nicht und beim Torfstechen nicht und beim Mähen nicht..." „Das brauchst du mir gar nicht alles zu erzählen", knurrte Dierk, „das Weitz ich selber just so gut wie du." „Und mein alter Rücken kann das krumme Sitzen unter den Kühen auch nicht mehr aushalten, und das Waschen fällt mir auch sauer genug. Ich hab's mir diese Nacht immer wieder durch den Kopf gehen lassen und bin zuletzt doch zu dem Schluß gekommen: Besser, wir versuchen es mal mit der Person, als daß wir beiden alten Leute hier von Gott und der Welt verlassen verkommen... Hör', er zieht seine Stiefel schon an! Ist ja möglich, daß seine Braut keine von den Allerfchlimmsten ist, und wenn sie dir nicht gefällt — herausschmeißen kannst du die beiden jeden Tag, denn du bist ja der Bauer. Soll ich hinlaufen und sagen, du wolltest es mal mit ihnen probieren?" „Tu, was du nicht lassen kannst, altes Weib! Aber gib mir nachher nicht die Schuld, wenn der Deubel los wird in unserem Hause!" Jan war bereits halb über den Bruder wcggckrochen und schoß in die nötigste Kleidung. Ein Paar Augenblicke später hörte Dierk seine Holzschuhe über den frostharten Hof klappern und seine Weiberstimme kreischen: „Peter, Pe—ter!" „Viel gute Stunden soll das Frauensmensch hier auf meinem Hof nicht haben", brummte Dierk, „dafür will ich sorgen!" Und dieses Vorhaben gab seinem Gemüt einige Ent lastung. Mitte Dezember rückte der junge Ehemann ein, nicht mit einem Frauensmensch, sondern gleich mit zweien. Seine Karen war nämlich Kriegerwitwe und brachte ihm eine fünfjährige Ingeborg in die Ehe. Den alten Jungs hatte er diese Zu gabe, um den Fall nicht noch schwieriger zu machen, weislich verschwiegen. Dies gestand er feiner Frau, als er sie mit dem altmodischen Kastenwagen vom Bahnhof abholte — ei war nämlich um einen Tag vorausgcreist —, und machte sic schonend darauf aufmerksam, daß es wohl erst ein bißchen Spektakel geben werde. Eben hatte er das vom Herzen herunter, da wurde er von dem Postboten, der unter einer schweren Last den Birkenweg entlang keuchte, angerufen: „Peter, du bist Wohl so gut und nimmst dies Paket deinem Bruder Dierk mit." Als Peter den Namen des Absenders gelesen hatte, wurde sein Herz fröhlich und guter Dinge. „Karen", sagte er, „nun brauchst du gar nicht mehr bange zu sein. In diesem dicken Paket sind lauter New Aorker Staatszeitungen, und wenn Dierk die hat, lebt er in Amerika und hat zu Hause für nichts Auge und Ohr. Und den guten Jan-Ohm werdet ihr beiden klugen Frauensleute schon um deu Finger wickeln. Wir haben wirklich Glück gehabt!" Als der Wagen vor dem Hause hielt, trat Jan heraus. Erschrocken starrten seine Augen auf das Kind. „Was wird Dierk dazu sagen?" bebte es über die Lippen des alten Knaben. „Dem werd' ich den Mund stopfen", rief Peter zuversicht lich und verschwand mit seinem Paket im Hause. Als er in die Dönze trat, saß Dierk hinter dem Ofen, die Füße am Jakobsbrunnen, und machte sein finsterstes Ge sicht. „Zum erstenmal nach dem Kriege Zeitungen von Bruder Iakob!" rief er ihm entgegen. Dierks Züge belebten und erhellten sich, er stand auf und streckte beide Arme aus, die so lange entbehrte brüderliche Gabe in Empsang zu nehmen. Einige Minuten später hatte er eins der Riesenblätter entfaltet, und wie ein Segel entrückte ihn das seinem Heidehof und dem häuslichen Ungemach. — Am Abend, als Jan seine Füße auf die Hochzeit zu Kana schickte, brachte er dem Bruder vorsichtig bei, daß Peter eine kleine Stieftochter habe. „Auch das noch?" brummte Dierk. „Na, meinetwegen macht, was ihr wollt!" Er vergrub das Gesicht wieder in seine Zeitung. Nach einer Weile schaute er hinter ihr hervor und sagte: „Jan, wir Leide bleiben aber ganz für uns, auch mit dem Essen. Ich will mit dem fremden Volk nichts zu tun haben. Und dann sieh bloß zu, Jan, daß du die Hofen anbehältst. Peter seine Frau ist deine Magd, und dabei muß es bleiben." Jan versuchte alfo, wie befohlen, die Hosen anzubehalten. Aber wenn das nur fo leicht gewesen wäre! Als er am nächsten Tage den Schleef, mit dem Karen im Suppenkessel rührte, ihr aus der Hand nehmen wollte, gab sie ihn einfach nicht her, und es fehlte nicht viel, so hätte sie ihn mit dem Ellbogen vom Herd weggestoßen. Am Tage darauf wollte er Brot backen, was doch in jedem ordentlichen Bauernhause Vorrecht der Bäuerin ist. Aber die Brote standen schon fertig da; er konnte nichts tun, als sie in den Ofen schieben. Kurz und gut, die Magd schwang sich im Handumdrehen zur Bäuerin auf, und das auf eine so natürliche Weise, daß Jan einfach machtlos dagegen war. Null konnte er aber mit Wafserpumpen, Torfholen, Kar toffelschälen und anderen Handlangerdiensten, die ihm ge stattet blieben, die Zeit nicht recht ausfüllen und würde einer bösen Langenweile anhsimgefaÜen sein — wenn die kleine Inge nicht gewesen, wäre. In Ermangelung besserer Spiel kameraden machte sic sich an Jan-Ohm heran, der, nach an fänglichem Sträuben, auch willig auf ihre Einfälle und Wünsche einging. Wenn das kleine Mädchen ihm auf die Knie kletterte, mit den Weichen Händchen die RaühborpigkeiL seiner Bartstoppeln zu Prüfen oder seine paar Zahnruinen zu zählen, wurde ihm nicht nur ums Herz herum ganz warm, sondern auch die kalten Füße bekamen ihr Teil ab. So wurde Weihnachten. Als die Dämmerung des Hei ligen Abends herabsank, fand Jan sich auf seinem alten Platz am Ofen, dem er fast untreu geworden war, einmal wieder ein, druckste und druckste, und endlich war's heraus, was er auf dem Herzen hatte. Sie hätten drüben einen Christbaum ge putzt und wollten ihn gleich anzünden; ob Dierk sich den nicht auch mal ansehen möchte? Dierk blickte von der Schil derung eines gräßlichen Mordes in New Jork ernst mißbilligend auf und sagte: „Jan, wenn du eine Ahnung hättest, wie's in der Welt zugeht, würdest du zu solchem Kinderkram auch keine Lust mehr haben." Und er vertiefte sich in die Einzelheiten seiner Mordgeschichte. Jan machte sich nach einer Weile still von dannen. Bald hörte Dierk sie drüben singen: „O du fröh liche, o du selige..." Jans Altweiberstimme war deutlich her» auszuhören. Er ließ die Zeitung auf seine Knie sinken. Wie war es an früheren Christabenden hier behaglich gewesen, wenn alle drei Brüder in Eintracht und Frieden um den Ofen saßen und die Füße gegen die angestammten Platten stemmten! Dierk fühlte sich sehr vereinsamt. Wenn ich meinen Bru der Jakob in Amerika nicht hätte, der mir jede Woche die Zeitungen schickt, dachte er trübselig, dann wüßte ich wirklich nicht, was ich aus der Welt noch fall... Im Spätwinter zog die Grippe durch das Land und wußte auch den abgelegenen Hof in der Heide zu finden. Dierk wurde heftig von ihr gepackt, und da er sich zeit seines Lebens einer guten Gesundheit erfreut hatte, war er ein sehr schwie riger Kranker, mit dessen Pflege Jan seine liebe Not hatte. Aber eines Tages bekam auch dieser einen heißen Kopf und fing sogar an, dummes Zeug zu reden. Dierk schrie nach Peter, der denn auch angetrappt kam, aber meinte, davon verstände er nichts, auch müsse er heute Dünger fahren, und verließ brummend das Zimmer. Gleich darauf steckte Karen den Kopf zur Tür herein und fragte bescheiden: „Dars ich Jan-Ohm eben mal besuchen?" „Man herein!" knurrte Dierk. Sie trat an die Schlafbutze, sah Jan besorgt in das Ge sicht, legte ihm den Handrücken an die Backe und ging. Nach ein Paar Minuten kam sie mit einer Obertasse zurück, hob Jans Kopf in den Kissen an und ließ ihn trinken. „Was ist das für Zeug?" fragte Dierk, der zu Beginr seiner Krankheit an die Butzenwand übergefiedelt war, aus dem Hintergründe. „Ich hab' von meinen Eltern eine kleine Apotheke ge erbt", sagte die junge Frau freundlich. „Hm... auf die Homöopathie hat mein Vater selig auch immer große Stücke gehalten... Karen, du bist Wohl nicht so gut und gibst mir auch ein Paar Tropfen?" „Von Herzen gern!" sagte sie und führte, über Jan sich hinbeugend, ihm die Tasse an die Lippen. „Besten Dank auch!" „Da nicht für... Was ich noch sagen wollte, Dierk- Ohm, meine Mutter hat lange Jahre zu Bett gelegen, und da hab' ich's ein bißchen gelernt, mit Kranken umzugehen. Hast du was dagegen, wenn ich euch beide verpflegen tu'?" „Hm, ich hatte gedacht, Peter..." Ein lenkbarer Ballon. wurde auf dem Flugplatz Neu - Phaleron bei Athen vorgeführt. Der Ballon kann nur einen Passagier tragen, dem es Möglich sein soll, den Ballon zu lenken. „Der versieht zu wenig davon, und wenn bei der Grippe einer nicht gut verpflegt wird ..." „Ja... wenn's denn nicht anders geht und du's mit Gewalt willst..." „Besten Dank, Schwager... Ich glaube, du könntest ganz g'.^ ein weiches Ei vertragen. Soll ich dir eins kochen?" „Ja, wenn du das für gut hältst..." — Es waren anderthalb Wochen vergangen, seit Dierk sich gelegt hatte, da sagte Karen eines Morgens, und ihre'wasser blauen Augen glänzten: „Dierk und Jan, ich hätte es manch mal nicht geglaubt, aber nun krieg' ich euch alten Kerls mit Gottes Hilfe doch noch mal wieder auf die Beine. Wie mich das freut, das kann ich euch gar nicht sagen!" „Wir leben ja auch ganz gern noch ein bißchen", griente Dierk. „Karen, dort auf dem Bört liegt der letzte Großvater apfel vom vorigen Jahr, den kannst du deiner kleinen Deern mitnehmen. Und dann krieg' mir mal aus dem Koffer den Strumpf, der ganz unten links in der Ecke liegt." Karen brachte das Gewünschte, und Dierk langte hinein. „Da!" Die junge Frau hielt ein blankes Zehnmarkstück in der Hand. Es fehlte nicht viel, und Dierk hätte eins del beiden Zwanzigmarkstücke genommen. — Als die alten Jungs in der Genesung weitere Fortschritte gemacht hatten und eines Abends wieder die Füße gegen ihre Ofenbilder stemmten, sagte Dierk plötzlich: „Was meinst du, Jan? Soll ich Peter den Hof zuschreiben lassen?" „Wenn Peter nicht im Kriege gewesen wäre", meinte Jan, „und wenn er die fixe Frau nicht mitgebracht hätte,! würde es Wohl nicht gehen. Aber nun kannst du's dreist riskieren. Und du sollst sehen, wir beiden alten Burschen! kriegen es auf dem Altenteil besser, als wir's in unserem ganzen Leben gehabt haben." „Das verlange ich nicht", brummte Dierk. „Aber daß wir's gerade schlecht kriegen, glaube ich auch nicht... Seine' Frau fst 'n ganzen lüttjen Satan und weiß alten Kerls ver- deubelt um den Bart zu gehn." Reue AEGe M CiüMtte-UMß. Die Ellern der „gefütterten" Kinder sollen vernommen werde» Im Caimette-Prozetz stellte Rechtsanwalt Dr. Witter» den Antrag, sämtliche Eltern der erkrankten und ge storbenen Kinder darüber zu vernehmen, woran ihre Kinder gelitten hätten. Er beantragte weiter, die in dem Ermittlungsverfahren vernommenen Zeugen wegen veH Fehlens der Krankheitsgeschichte Menze und Jenn el zu vernehmen, sie sollen angeben, wo sich die Kranken geschichten befinden, und — falls diese nicht aufgefunde» werden können — wie ihr Verschwinden zu erklären sek Zusammenstoß zwischen Dr. Wittern und dem Vorsitzenden. Zwischen dem Rechtsanwalt Dr. Wittern und dem Vorsitzenden kam es dann zu einem erregten Zusammen'' stoß, als Dr. Wittern sich darüber beschwerte, daß es ihm unmöglich gemacht worden sei, Einsicht in die Gerichtsakten zu nehmen, da die Akten vom Gericht sofort zur Staats anwaltschaft zurückgegangen seien. Der Vorsitzende richtete an den Rechtsanwalt die Frage: „Wollen Sie be haupten, daß es unwahr ist, wenn ich gesagt habe, ick hätte die Akten von A bis Z verlesen lassen?" Bei deM weiteren Wortwechsel wollte der Vorsitzende Dr. Witter» das Wort entziehen. Dieser beantragte, einen Gerichts' beschlutz darüber herbeizuführen, daß ihm das Wort er teilt werde. Der Vorsitzende bemerkte, daß'er gesetzlich das Reck^ habe, Dr. Wittern die Worterteilung zu verweigern. i Professor Kleinschmidt wünschte Auskunft vo» Professor Klotz, wieweit er seinerzeit über den Sta»° der Literatur unterrichtet gewesen sei. Professor Klo? erklärte, er habe damals auf Grund der Literatur nick' annehmen können, daß die Krankheit auf die Wirkung der Fütterung zurückznsührcn gewesen sei. Die Verhandlung wurde auf Dienstag vertagt. Bücherschau. Die Nummer 1 des Steuer-, Rechts- und WirtschaftsblaE tes „Hagens Natgebsr-Hefte" vom Jahrgang 1932 ist wiedf' rum ein unentbehrliches Hilfsmittel für Handel, Industrw, HarA wert und Gewerbe. Ls enthält u. a.: Umsatzsteuer, Haftung L Steuern bei Erwerb eines Grundstückes, Gesetz gegen den u»' lauteren Wettbewerb, Arbeitsrecht, Gehaltszahlung in Kram heitsfällen, Betriebsstillegung, Der Verzug und seine Folge»; Bilanz, Reichsabgabenordnung. Die Hefte erscheinen sechsMsf im Quartal. Bezug durch die Post oder vom Verlag zum Press von 470 Mark vierteljährlich zuzügl. Porto oder Bestellge^ einfchl kostenloser Rechts- und Stveuerberatung laut Bedingt» gen. Verlag H. Friedrich Frommhagen, Berlin W. 35, Lützo'-»' straße 105. Mellen Sie das Wilsdruffer TMMk Die „Vlcilochtalspcrrc" fcrtiggcstcllt. Nach mehr als sünfjähriger Bauzeit ist die Sperrmauer am Bleiloch vollendet worden, die das Wasser der Saale aufstauen soll. Diese Saaletalfperre ist mit 225 Metern Länge und 65 Metern Höhe bei einem Fassungsvermögen von 215 Millionen Kubikmetern die größte Talsperre Deutschlands. Die Preußische Hochschule für Leibesübungen wird geschlossen. Der Sparnotverordnung der Preußischen Regierung fällt auch die Preußische Hoch schule für Leibesübungen in Spandau zum Opfer. Sie wird mit Ablauf dieses mesters geschlossen werden. Das , frei boten nehm Falle trieb« Da ger Nr. viel Staa stabe: groß: den i man „vers land: Grun alles mii Tätig »groß Rhei: nichts Feier ihm r aus wirku L mehr Waru ziehen tionen mehr, und x franz: Sie is Parte kühl-n AufscI geschlc Repar allein Entge, erreich das ? 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