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Ottendorfer Zeitung : 21.01.1910
- Erscheinungsdatum
- 1910-01-21
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Privatperson
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-191001211
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19100121
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19100121
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1910
-
Monat
1910-01
- Tag 1910-01-21
-
Monat
1910-01
-
Jahr
1910
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 21.01.1910
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Beschlüsse der Bundesrats. Vor einigen Tagen ist dem Reichstage eine Zusammenstellung der Enisch«düngendesBundes rats über die Beschlüsse des Reichstages zu gegangen. Daraus ist folgendes Hervorzu beben: Dem Beschlusse, Baukontrolleure aus der Arbeiterklasse zuzulassen, konnte keine Folge gegeben werden; über die bisherigen Wirkungen des Erbbaurechts sind Erhebungen eingeleitet worden; die Er wägungen über Errichtung eines besonderen Reichsarbeitsamies, auf das die Obliegenheiten der arbeiterstatistischen Abteilung des Statistischen Amtes übergehen sollen, sind noch nicht abge schlossen ; ein Entwurf betr. die Unfallfkrsorge bei Arbeiten, die freiwillig zur Rettung von Personen und zur Bergung von Gegenständen vorgenommen werden, ist ausgearbeitet, konnte aber mit Rücksicht auf die im Werke befindliche Umgestaltung der übrigen Versicherungsgesetze noch nicht abschließend festgestellt werden; die Berufung einer Sachverständigen-Konferenz zur Vereinheitlichung der deutschen Kurzschrift ist in Aussicht genommen; Erhebungen über die Frage der Gewährung von Darlehen für gemeinnützigen Wohnungsbau im Interesse der minderbemittelten Volksklassen haben stattgesunden, doch können gesetzliche Maßnahmen auf diesem Gebiete wegen der er heblichen Mittel zur Durchführung des Ge dankens nicht in Aussicht gestellt werden; die Anstellung von Militärzahnärzten ist nicht beab sichtigt, dem Bedürfnisse der Zahnpflege in der Armee wird durch für dieses Sonderfach ausge bildete Sanitätsoffiziere genügt. Die Frage, den Abgeordneten das Recht des Berufsgeheimnisses für Dinge ihrer parlamentarischen Tätigkeit an zuerkennen, ist noch in der Schwebe; im Inter esse der Sonntagsruhe für Postbeamte hat die Postverwaltung verschiedene den Wünschen des Reichstags entsprechende Anordnungen getroffen; die Erwägungen über einen Entwurf betreffs Privatbeamtenversicherung schweben noch; der Erlaß eines Reichsberggesetzes einschließlich der Regelung deS Knappschaftswesens wird nicht beabsichtigt, ebensowenig die reichsgesetzliche Einführung der geheimen Wahl der Knapp- schaftSältesten; die eingeleiteten Erörterungen über einen Entwurf betr. Besserstellung der Gehilfen der Rechtsanwälte und der Angestellten von Krankenkassen und Versicherungsanstalten betr. Arbeitszeit, Kündigung usw. find noch im Gange. Die Frage einer allgemeinen Regelung des Strafvollzug- kann nur in Verbindung mit der Reform des Strafrechts entschieden werden; dem Ersuchen, die Konirollversammlungen nur einmal im Jahre abzuhalten, konnte im Interesse einer geordneten militärischen Kontrolle nicht entsprochen werden; eine Reform des militärischen Beschwerderechts ist nicht in Aussicht genommen, eine Umarbeitung des Militärstrafrechts ist erst angängig, wenn das Ergebnis der Reform des bürgerlichen Strafgesetzbuches vorliegt; die Vorarbeiten zur Revision des Patentgesetzes sind eingeleitet worden; die Erhöhung der Soldatenlöhnung kann aus finanziellen Bedenken vorläufig nicht stattfinden. Politische Kunäscbau. Deutschland. * Bei dem Krönungs- und Ordens feste, das am Sonntag im Schlosse zu Berlin stattfaud, hat Kaiser Wilhelm insgesamt 4220 Orden- und Ehrenzeichen verliehen. Staats sekretär Dernburg hat den Roten Adler- srden 1. Klasse erhalten. * Bei dem Staatssekretär Dernburg fand , am Sonntag ein Festmahl statt, dem auch! Kaiser Wilhelm beiwohnte. Bei dieser! Gelegenheit lernte der Monarch den gleichfalls j eingeladenen Südpolarforscher Shackleton! kennen, der einen Vortrag über seine Südpolar- reise hielt. *Der Fürst von Monako trifft dem ¬ nächst in Berlin ein, um Kaiser Wilhelm persönlich zur Eröffnung des Ozeanographischen Instituts in Monako einzuladen. Die in glän zendem Stil gehaltenen Eröffnungsfeierlichkeiten, denen wahrscheinlich auch der Präsident der französischen Republik, Falliöres, beiwohnen wird, finden vom 29. März bis 2. April statt. *Jn Berlin und den Vororken fanden am Sonntag 61 Wahlrechtsver sammlungen statt, die von den Sozial demokraten einberufen worden waren. In allen wurde in einem Beschluß das allgemeine, gleiche, geheime und direkte Wahlrecht für den preuß. Landtag gefordert. Ruhestörungen haben sich nirgends ereignet. England. LR Wie verlautet, hat letzt König Eduard selbst zu den anaeblichen Äußerungen Kaiser Wilhelms Stellung genommen. Es ist nämlich den leitenden Personen der Marine und des Landheeres vertraulich mitgeteilt worden, daß es Wunsch des Königs sei, nach Kräften zu vermeiden, die Ansicht oder die angebliche Meinung eines fremden Staatsoberhauptes über Heer - und Marinefr agen in den Kreis der Betrachtungen zu ziehen und vor die Öffent lichkeit zu bringen. Dieser vertrauliche Wink wird in Zusammenhang gebracht mit der kürz lichen Rede des Admirals Sir Bowden-Smith, in der Äußerungen Kaiser Wilhelms über das englische Landheer wiedergegeben waren, die sich nachher als aus der Lust gegriffen heraus stellten. * Auch der zweite Wahltag hat den Unio - nisten, die den Hochjchutzzoll und den beschleunigten Flottenbau auf ihr Programm geschrieben haben, neue Erfolge ge bracht. Dennoch wird der große Wahlkampf mit einem Siege der Liberalen enden, es ist ober zweifelhaft, ob sie in so großer Anzahl ins Parlament kommen werden, daß sie, wie bisher (ohne die Nationalisten und die Arbeiter partei) eine Mehrheit bilden. Ist dies nicht der Fall, so dürsten trotz des Wahlsieges die Tage des liberalen Kabinetts gezählt sein. Belgien. kL Der englische Hof ist vor einigen Tagen davon in Kenntnis gesetzt worden, daß König Albert von Belgien im Laufe dieses Sommers seinen Antrittsbesuch beim König Eduard abzustaiten gedenke. Für den Auf enthalt in England sollen zwei Tage in Aus sicht genommen sein. *Die Brüsseler Bank hat jetzt die ersten Teilzahlungen aus dem Nachlaß König Leopolds gezahlt. Zwischen den Rechts beiständen der Prinzessin Luise und ihren Gläubigem ist ein Vergleich zustande ge kommen, wonach die unbestrittenen Forderungen 1V- Millionen und die bestrittenen ebensoviel betragen. Die Bank hat sich bereit erklärt, so fort einen Vorschuß von fünf Millionen auf das Erbteil der Prinzessin Luise zu leisten, wovon drei Millionen für die Gläubiger der Prinzessin Luise hinterlegt bleiben und zwei Millionen zur Verfügung der Prinzessin gehalten werden sollten. Diese zwei Millionen hat ihr ehemaliger Gatte, Prinz Philipp von Koburg, durch einen hiesigen Advokaten mitBeschlag belegen lassen, und zwar mü der Begründung, er habe seit seiner Scheidung von der Prinzessin für diese Schulden in Höhe von zwei Millionen bezahlt, die er nun wieder haben will. Somit ist die Prinzessin jetzt wieder völlig mittellos und muß von neuem ihre Zuflucht zu privaten Geldleihern nehmen. * Nachdem in Frankreich der neue Zoll tarif genehmigt worden ist, hat man auch in Belgien die Vorarbeiten zur Erhöhung des Tarifs begonnen. Die damit betraute Kom mission beschloß zunächst den Zoll für Wein zu erhöhen, um dann an eine Umarbeitung des ganzen belgischen Zolltarifs zu gehen. So sperren sich die Länder immer mehr durch hohe Zollgrenzen voneinander ab. Afrika. * Man befürchtet in beteiligten politischen »kreisen bei oem Ableben des Negus Menelik von Abessinien den Ausbruch von Unruhen, die sich leichl gegen die Fremden nchten können. Nach der Meldung italienischer Blätter wird in Neapel daher eine größere Truppen-Abteilung zur Ausreise nach Abessinien bereitgehalten, die dort mit den gleichzeitig dorthin abgehenden französischen und englischen Truppen gemeinsam handeln müßte. Man betrachtet die Lage allge mein als sehr ernst. Asten. *Das Bestreben der Ver. Staaten, den Frieden in Ostasien durch Neutralisierung der mandschurischen Eisenbahn zu sichern, findet nicht nur bei Japan, sondern auch bei Rußland energischen Widerstand. Diese beiden Staaten, denen ein großer Teil der Bahn gehört, haben den Vorschlag der Ver. Staaten abgelehnt. Damit dürste diese Frage endgültig erledigt sein. Hus c!em Keickstage. Der Reichstag überwies am 15. d. die Novelle zum Strafgesetzbuch nach kurzer Debatte, in der nur die Sozialdemokratie die Vorlage bekämpfte, der zur Beratung der Justizgesetze zu wählenden Kommission. Der Gesetzentwurf betr. die Haftung des Reiches für seine Beamten, für den sich grundsätzlich auch die äußerste Linke erklärte, ging nach gleichfalls unbe deutender Diskussion an eine besondere Kommission von 21 Mitgliedern. Am 17. d. stehen aus der Tagesordnung Inter pellationen. Zunächst die des Zentrums und der Nationalliberalen bett, den Stand der Vorarbeiten für eine Pensions-Versicherung der Privatbeamten. Staatssekretär Delbrück erklärt sich zur so fortigen Beantwortung bereit. Äbg. Sittart (Zentr.) begründet die Inter pellation seiner Partei. In den letzten Monaten sind allerlei Gerüchte durch das Land gezogen, über deren Untergrund wir etwas wissen mochten. Danach soll der neue Staatssekretär des Innern eine unfreundliche Stellung zu der Frage der Ver sicherung der Privatbeamten einnehmen. Dazu kommt, daß die Reichsversicherungsordnung aus diese Frage nicht Bezug nimmt. Alle Parteien des Hauses haben ihre Sympathie für die Wünsche der Privat beamten ausgesprochen und desgleichen die Regierung. Es herrscht eine auch die Beteiligten niederdrückend wirkende Unklarheit bei den Beteiligten. Auch die Unternehmer sind bereit, die Zukunft ihrer Ange stellten zu sichern. Wir wollen einer unnötigen Verzögerung entgegentreten, die Beunruhigung hindern und die feste Erwartung zum Ausdruck bringen, daß die Wünsche der Privatbeamten wenigstens bis zu dem Augenblick in Erfüllung gehen, wo die Reichsversicherungs-Ordnung in Kraft tritt. Abg. Stresemann (nat.-lib.s: Es ist schon lange her, daß diese Frage aus dem Stadium der ersten Erwägungen in den Kreis fester Arbeit ze tteten ist. Die überwiegende Mehrheit der Ange stellten verlangt die Versicherung. Wenn wir immer warten wollen, bis in allen Einzelfragen Klarheü herrscht, dann werden wir überhaupt keine neuen Vorlagen bekommen. Auch die finanziellen Be denken sind ungerechtfertigt, denn die Beamten organisationen haben selbst auf eine Zusteuer des Staates verzichtet. Wir wünschen, daß noch in dieser Session eine Vorlage auf Grundlage der Denkschrift eingebracht werde. Staatssekretär Delbrück: Meine beiden Amts vorgänger haben anerkannt, daß die Versicherung der Privatangestellten eine Aufgabe ist, zu deren baldiger Lösung wichtige wirtschartliche und politische Erwägungen drängen. Ich habe diese von meinen Vorgängern in nicht ganz vollendetem Zustande vor- egfundenen Aufgaben mit derselben Aufmerksamkeit und mit demselben Ernst zu fördern gesucht, wie die vielen andern Aufgaben, die mir bei der Übernahme meines neuen Amtes in die Hände fielen. Aber die technischen Schwierigkeiten, die sich bei der Lösung dieser Aufgabe zeigen und sich der Ausarbeitung des Materials entgegenstellen, sind doch größer, als dis beiden Vorredner anzunehmen scheinen, sie sind so groß gewesen, daß trotz des Eifers, mit denen meine beiden Vorgänger diese Angelegenheit betrieben haben, die Arbeiten im vorigen Sommer nicht der artig sortgsführt wurden, daß ich in der Lage ge wesen wäre, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der den Grundzügen der Denkschrift entspricht. Ich habe nicht nur diese Lösung, sondern auch eme Reihe von andern noch einmal erwogen und durchgeprüst. Ich habe erwogen, ob es etwa möglich wäre im Rahmen f der Reichsvcrsicherungsordnung in einer minder volt- : tommenen Form, als die Denkschrift cs Vorsicht, die Wünsche der Prwatangestellwn zu erfüllen. Ich bin aber zu dem Ergebnis gekommen, dag eine solche Lösung niemand befriedigen lönnte, daß es unzweck mäßig sein würde, den Privatangestsüten weniger zu bieten, ihnen gewissermaßen eine Abschlagszahlung auf das zu gewähren, was in der Denkschrift ver sprochen ist. Ich bin zu dem Ergebnis gekommen, daß es unzweckmäßig wäre, die an sich schon außer ordentlich schwierige Versicherungsordnung auch noch mit dieser schweren Frage zu bclanen. Aus diesen rein sachlichen Gründen hat sich für mich die unab wendbare Notwendigkeit ergeben, die Vorlage eines Gesetzentwurfs über die Versicherung der Privat angenellten zurückzustellen. Ich werde mich bemühen, die Angelegenheit weiter zu fördern und werde be strebt sein, sobald ich dazu in der Lage bin, einen Gesetzentwurf vorzulsgen. Es wird Besprechung der Interpellation beschlossen. Abg. Dröscher (kons.j: An unsrer stets wohl wollenden Stellungnahme den Privatbsamten gegen über hat sich nichts geändert. Es ist uns nicht recht verständlich, warum man nicht endlich den Mut der Entschlossenheit ha:, an den Reichstag mit einer Vorlage hcranzntreten. Wir wün'chen nicht eine Verquickung mit der Reichsvcrsicherungsordnung. Wir bitten um eine beschleunigte Einbringung eines entsprechenden Gesetzes, damit der Reichstag noch in dieser Session dasselbe erledigen kann. Abg. Hormann streik. Vv.): Wir stehen nach wie vor auf unserm alten Grundsatz, daß diese Ver sicherung eine Notwendigkeit ist. Wir wollen keine Überhastung, aber wir wünschen dringend, daß die Vorlage noch in dieser Session kommt. Abg. Heine stoz.): Wir stehen auf dem Stand punkte, daß man diese Privatbeamtenversicherung an die allgemeine Arbeiterverkicherung hätte angliedern müssen. Abg. L i n z streik.): Es ist nicht richtig, daß eine größere Zahl von Pcivatbeamten oder gar Privat beamtenvereinigungen gegen eine Versicherung ist. Wir halten die Sicherung gegen Krankheit, Alter und Invalidität für unbedingt erforderlich und wünschen eine baldige Regelung. Nachdem sich noch die Abgg. Brejski (Pole), Burckhardt (wirtsch. Vgg.) und Nacken (Zentr.) in gleichem Sinne äußerten, wird die Bewrechung geschlossen. Es folgt die sozialdemokratische Interpellation über die Unterstützung arbeitsloser Tabakarbeiter. Sie fordert ein Gesetz, wo durch die im Tabaksteuergesetz ausgeworfene Unter stützungssumme von vier Millionen erhöht wird. Abg. Geyer stoz.) begründet die Interpellation. Die schlimmsten Befürchtungen hätten sich verwirk licht. Vor vier Wochen waren schon 34 000 Unter stützungsgesuche eingelauien, seitdem sei die Zahl aus 40 000 gestiegen. Also rund 20 Prozent der be teiligten Arbeiter seien arbeitslos geworden. Die Krise dauert noch an. Die Zollbehörden haben in unerhörter Weise die Arbeiter benachteiligt und, am Fonds gespart. In kleinlichster Weise schloß man unter den nichtigsten Gründen die Arbeiter von der Unterstützung aus. Der Ausschluß der Zigarren- arbeiter von der Unterstützung ist gesetzwidrig. Reichsschatzsekretär Wermuth: Die hier vor gebrachten Fälle kann ich natürlich nicht falle prüfen. Der Herr Interpellant scheint ganz außer acht gelassen zu haben, daß inzwischen definitive Ausführungs-Anordnungen erlassen worden find. Ich habe jedenfalls mir Berichte zugehen lassen, und auch sonst alles getan, um die Ausführung der gesetzlichen Anordnungen zu sichern. Ich werde auch künftig alles zu dem Behuf tun. Bis Ende Dezember sind ausgegeben w'orden 1 615 000 Mk. Die Zahl der Untsrstützungsgesuche bis Ende 1909 betrug fast 54 000. Davon sind aber nur ein Fünftel dauernd arbeitslos geworden. Von diesen Gesuchen sind 46 000 anerkannt, abgeiehnt 4393 und unerledigt 2474. Ist das ein lodderiger Geschäfts gang, wie der Vorredner es nannte? Die Be wegung aus dem Tabakmarlte sei diesmal längst nicht so weitgreifend und so tiefgreifend wie bei früheren gleichartigen Anlässen, jo 1870, 1879, 1905. Namentlich 1879 sei die Voreinfuhr enorm und deshalb hinterher die Einfuhr stark schwankend ge wesen. Bei dem gegenwärtigen Anlässe seien die Einfuhrschwankungen nicht entfernt so groß aus gefallen. Das Haus beschließt die Besprechung der.Inter pellation. Abg. GieSberts (Zentr.): Daß die Zigaretlen- arbeiter leer ausgehen würden, haben wir nicht erwartet. Sollte der 4 Millionen-Fonds nicht aus- reichen, so sind wir zur Neuauffüllung bereit. Abg. Sielermann lkons.): Es scheinen Mißverständnisse gegenüber den Ausführungs bestimmungen vorzuliegen und in der ersten Zeit sind offenbar Verzögerungen in der Auszahlung der Unterstützungsgetder eingelreten. Wo Unterstützungen notwendig sind, müssen sie auch gewährt werden. Auch die Abgg. Eontze (nat.-lib.), Hormann (sri. Vp.), v. Ortzen (sreikons.) und Brejski (Pole) erklären sich zur Neubewilligung bereit, sofern der Fonvs nichi zureiche, ebenso Abg. Burckhardt (Mrl>ch. Vgg.) 'Nach kurzer weiterer Bewrechung vertagt sich vas Haus. O 6ntwIrrte fääen. 42) Roman von Johannes Emmer. lFortlehungn „Ich glaube nicht recht an dieses Leiden, und dann darf man ja auch auf eine Heilung Höffen. — Mut, lieber Heinrich, verzage nicht und hoffe!" Eromer drückte dem Freunde die Hand. .Du hast recht, man soll nicht verzweifeln, so lange man noch hoffen kann." Er sprang jetzt auf. „Ich will sofort Gabriele besuchen, kommst du mit? Fian sah auf die Uhr. „ES ist schon spät, lieber Freund, und ich zweifle, ob die Haus ordnung des Sanitätsrates eS gestattet — immerhin versuchen können wir es ja. Wenig stens erfährt Gabriele deine Ankunft, wenn du auch heute nicht vorgelafsen wirst." Die beiden fuhren nach der Anstalt. Der Diener, der ihnen öffnete, wollte sie nicht ein lassen, um diese Stunde dürften die Pfleglinge keine Versuche mehr empfangen, erklärte er. Nach längerem Verhandeln — ein Geldstück tat seine Wirkung — ließ er sich endlich herbei, den Herrn Sanitätsrat von dem Begehren der beiden Herren zu verständigen, und führte sie in den kleinen Empsangssalon. Nach einigen Minuten erschien der Sanitätsrat, dem Fian, der von seinen früheren Besuchen her jenem schon bekannt war, Cromer als Verlobten Gabrielens vorstellte und dann die Bitte vor brachte, die junge Dame heute noch sprechen zu dürfen. Der Sanitäisrat betrachtete vrüfend Cromer und sagte dann mit eigentümlichen Lächeln: „Sie sind also auch mit Fräulein Gabriele Band verlobt? Man hatte mir einen andern Namen genannt. Ich bedauere, den Herren erklären zu müssen, daß ich einen Be such nicht gestatten kann. Auch Sie, mein Herr," er wandte sich an den Maler, „darf ich nicht mehr vorlassen." „Wie? Ich soll überhaupt Fräulein Vand nicht mehr sehen dürfen?" rief Cromer aus. „Ich darf es nicht zugeben, mein Herr; ich bin aufmerksam gemacht worden, daß gerade Ihr Erscheinen für die Ruhe der meiner Fürsorge anvertrauten Dame bedenklich werden könnte, und meine Pflicht gebietet mir daher, Ihre Bitte abzuweilen." „Und ich?" fragte Fian. „Nach Ihrem letzten Besuche fand ich Fräu lein Land etwas verstört und trübsinnig, der selbe hat also jedenfalls auch eine ungünstige Einwirkung ausgsübt." „Wenn ich Ihnen aber erkläre —" fing Cromer an; der Sanitätsrat unterbrach ihn: „Ich bitte, mein Herr, nicht weiter in mich zu dringen, es ist nutzlos. Ich kann es nicht gestatten, und Sie müssen sich gedulden, bis ich die Dame für genügend kräftig erachte, Ihren Besuch annehmen zu können." Der SanitätSrat verbeugte sich höflich und damit war die Sache beendet. Die beiden ver ließen den Salon, bestürzt und verwirrt durch den unerwarteten Bescheid. Stumm, mit zu sammengekniffenen Lippen stürmte Cromer die Straße hinab, bis endlich Fian, ha'b atemlos, ihn unter den Arm faßte. „Wohin läufst du?" Cromer sah ihn an, als verstände er die I Worte nicht, dann schlua er sich vor die Stirne. „Wohin? Ja, wohin!?" „Ich möchte nur den guten Freund kennen, der dem Sanitätsrat diesen mmosen Ratschlag gegeben hat," murmelte der Maler. Cromer hatte es nicht gehört. „Ich muß Gabriele befreien, rief er jetzt, „man hält sie ja wie eine Gefangene! So kann es nicht bleiben! Weißt du denn gar nichts, was da helfen könnte?" Er schüttelte Fians Arm. „Hm! Was oder wer soll helfen? In unserm zivilisierten Europa kann man sich nur an die Polizei wenden, wenn man keinen Nat mehr weiß." „Du hast recht; gehen wir," und eilig lief Cromer wieder dahin, sodaß der Maler ihm kaum folgen konnte. Unter dem Tore des Polizeigebändes hätte Cromer beinahe einen Herrn niedergerannt, der eben das Haus ver lassen wollte. Mit einer gemurmelten Ent schuldigung wollte Cromer vorüber, als er in dem Herrn jenen Rat erkannte, dem er damals Dr. Biathons Brief anveriraut hatte. Rasch ent schlossen trat er ihm wieder in den Weg und grüßte. „Verzeihen Sie, Herr Rat, ich hatte bereits einmal dis Ehre —" Der Beamte hatte Cromer gleichfalls scharf ins Auge gefaßt und sich seiner erinnert. „Wenn ich nicht irre, Herr Cromer?" „Jawohl; ich bin sehr froh, daß ich Sie treffe. Sie, Herr Rat, sind der einzige, den ich hier kenne, und da ich schon einmal —" Der Rat unterbrach ihn. „Sie wünschten mich zu sprechen? Ich stehe zur Verfügung, bitte mir zu folgen." Ec kehrte wieder m das Haus zurück. „Verzeihung, wenn ich Sie noch nach Bureauschluß belästige —" „Für die Pflicht gibt es keine Amtsstunden," erwiderte kurz der Rat. Sie stiegen die Treppe binauf und der Beamte schloß sein Bureau auf. Fian war auch nach gekommen und den beiden gefolgt, und als der Rat jetzt Cromer ein treten ließ, wollte er schon einen Schritt vor wärts tun, aber höflich und bestimmt klang es ihm entgegen: „Bitte gefälligst hier zu warten." „Auch recht!" brummte der Maler, trocknete sich die Stirne, denn es war ihm bei dem Dauerlauf warm geworden uud suchte dann eine Bank auf, die an der Wand des Ganges stand. Der Rat legte Überrock und Hut ab und setzte sich an seinen Schreibtisch. „Haben Sie etwas über Fräulein Mathon in Erfahrung ge bracht?" fragte er. „Ja, ich habe sie gefunden. Doch nicht deshalb bin ich gekommen, ich wollte mir Rat und Hilfe erbitten in einem Falle —" „Davon wollen wir später sprechen. Zu nächst bitte ich mir zu sagen, wo Sie Fräulein Mathon fanden." „Drüben in England, unweit von Whitby. Ich will hernach —" Ungeduldig wollte Cromer von seinem An liegen sprechen, aber der Rat war hartnäckig. „Bleiben wir zunächst bei dieser Sache, mein Herr," sagte er bestimmt, uud Cromer iab ein, daß er sich fügen müsse. So erzählte er denn, wie er mit Berta Mathou zusammengstroffen
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