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vor großen Entscheidungen. Die Kampftage im Osten und Westen hat sch jetzt so gestaltet, daß die grossen Ent- 'cheidungen, denen unzählige deutsche Herzen ioffnungsfreudig entgegenschlagen, zur Er- üllung herangerückt sind. Aus den nur .pärlich uns übermittelten Botschaften von .ortdauerndem Ringen, kleineren Fortschritten Md schönen Teilerfolgen unserer Kriegführung gewinnen wir zwar keinen genauen Einblick, wann die sehnsuchtsvoll erwarteten großen Schläge erfolgen könnten, sie aber können nicht ousbleiben, weil die Kampflage sich so zugespitzt hat, daß eine Entscheidung als un mittelbar bevorstehend angesehen werden muß. In Polen nimmt unser Angriff normalen Lerlauf. Die russischen Umklammerungsver- Uche sind durch die beispiellose Tapferkeit der deutschen Truppen vereitelt worden; wir sind gegenwärtig die Angreifer, und als normal gilt uns nur ein Kampf, durch den wir die .kindlichen Verteidigungslinien mehr und nehr zurückdrängen. Geschieht das aber, so muß der Zeitpunkt binnen kurzem eintreten, wo wir das furchtbare Spiel gewonnen haben verden. Im Nordwesten geht allem Anschein nach die Zeit unentschiedener Stellungskämpfe gleichfalls ihrem Ende entgegen. Nach den Beobachtungen ausländischer Berichterstatter werden in Nordflandern und im ganzen Gebiet des Dserkanals von den Deutschen um fassende Vorbereitungen getroffen, die darauf hindeuten, daß Operationen großen Stils im Gange sind. Längs der von den Deutschen besetzten Seeküste sind Verschanzungen ange legt und mit schweren Geschützen gegen einen Angriff von der Seeseite her ausgerüstet. Im nordöstlichen Frankreich soll den Deut schen zu statten kommen, daß die Wasserfluten, welche ihrem Vormarsch arge Hindernisse be reiteten, teilweise verschwinden. Englische Nachrichten berichten, daß es den deutschen Pionieren gelungen sei, die zerstörten Dämme und Deiche wiederherzustellen und zu schließen, so daß das Wasser verschwinde und die Über schwemmung unwirksam werde. Wenn nun noch Frostwetter hinzutrete, würde es den deutschen Truppen möglich sein, überall das Überschwem mungsgebiet in breiter Front zu über schreiten. Dies würde für die Engländer und Franzosen den großen Nachteil haben, daß sie stärkere Kräfte zur Besetzung dieses Ab schnittes verwenden müßten. Bei den starken Verlusten, die sie in der letzten Zeit erlitten haben, und bei dem Mangel an verfügbaren Reserven wäre dies aber nur durch eine Schwächung der übrigen Teile der Schlacht- sront zu erreichen. Die Deutschen dagegen vären infolge der zahlreichen in der letzten Zeit eingetroffenen Verstärkungen ohne weiteres in der Lage, diesen Vorteil ganz auszunützen. Aber auch auf den anderen Kriegsschau plätzen stehen die Dinge für den Dreiverband und seine Gefolgschaft nichts weniger als günstig. Serbien kämpst zwar noch mit dem Mute der Verzweiflung, aber nach dem Fall von Belgrad ist seine Lage unhaltbar ge worden. Dazu kommt, daß die Stimmung in Bulgarien mit jedem Tage sich ent schlossener zum Kriege gegen Serbien zeigt. Zur Einnahme von Belgrad sagt das bul garische Regierungsblatt ,Kambana": „Der Fall Belgrads bedeutet nicht bloß den Unter gang einer räuberischen Dynastie und eines unwürdigen Staates, sondern zugleich das Fallen von Schranken, welche die west europäische Kultur bei ihrem Vordringen nach Osten jahrzehntelang aufgehasten haben. Für Bulgarien bedeutet der Fall Belgrads die Aushebung eines alten Ver schwörernestes, in welchem zahllose Attentate gegen Bulgarien und Mazedonien ausgeheckt worden sind. Außerdem bedeutet der Fall Belgrads einen schweren Fall für die russische Diplomatie, welche an allen erwähnten Ver schwörungen beteiligt war. Darum hört man im bulgarischen Volke kein Wort des Mit leids für das schreckliche Schicksal Serbiens, sondern allgemein nur Freude. Ruhm sei den Helden, die Belgrad eingenommen!" Rechnet man hinzu, daß die Türkei in ihren Vorstößen gegen Ägypten und gegen den Kaukasus erfolgreich ist, und daß die Staaten des Dreiverbandes in ihren Kolonien durch die Ausbreitung deS Heiligen Krieges bedroht sind, so ergibt sich, daß die Ent scheidung in dem Völkerringen nicht mehr lange auf sich warten lassen kann und daß wir dieser Entscheidung zuversichtlich entgeaen- harren können. * * verschiedene Nriegsnachrichten. Der „Erschöpfungskrieg". Ein Augenzeuge schreibt aus dem eng lischen Hauptquartier: Die Deutschen sind kein unwürdiger Feind. Trotzdem sie mit Anstrengung den riesenhaften Kampf an zwei Fronten führen, setzen sie ihre Angriffe mit einem Mut fort, der durch Fehlschläge kaum geschwächt wird. Es ist ihnen nicht ge lungen, die Meerenge von Dover zu erreichen: aber eine neue Armee, die sie Mitte Oktober ins Feld setzten, ermöglichte ihnen, ihre Stellung zu befestigen und Belgien mit seiner wichtigen Küstenlinie bis auf einen ganz kleinen Teil im Besitz zu behalten. Dieser Krieg ist ein Erschöpfungskrieg. Wenn die regulären Armeen der Kriegführenden ihre Arbeit vollbracht haben werden, wird der schließliche Erfolg von Maßnahmen ab hängen, die getroffen wurden, um die unaus gebildeten Mannschaften zur Kriegführung vorzubereiten und zu benutzen. * Die schweren Verluste der englischen ' Marine. Die englische Admiralität veröffentlicht eine neue Verlustliste, aus der ersichtlich ist, daß die englische Flotte bisher 308 Offiziere und 7038 Mann verlor. Davon wurden 220 Offiziere und 4170 Mann getötet. * Rustlands letzte Reserven. Das Wiener ,Fremdenblatt" meldet: Jene russischen Truvven, die an den letzten Kämpfe» teilnahmen, bestehen grösttenteils aus asiatischen Mon golen, Kalmücken, Tschungusen und Tataren. Auch dies deutet darauf hin, dast Rustland seine letzten Reserven heran gezogen hat. Türkische Erfolge. Unaufhaltsam drängen dis Türken gegen die russische Stadt Bat um heran. Die Russen wurden in verschiedenen Gefechten zurückgeworsen. — Wie der.Secolo' aus Ägypten berichtet, haben die Engländer bei Port Said den Ostdamm des Suezkanals durchstochen und das trockengelegte Gelände überschwemmt. Es handelt sich um eine Strecke von 83 Kilo meter längs des Kanals bis nahe an Kantara, und die zu verteidigende, schon durch die Bitterseen und die Seen von Balah und Timsah abgekürzte Strecke des Kanals wird dadurch weiter wesentlich abgekürzt. — Bei den Kämpfen am Tigris er litten die Engländer eine schwere Nieder lage. Sie verloren viele Tote und Ge fangene und mußten ein Maschinengewehr und eine große Menge Munition in den Händen der Türken lassen. * Der Heilige Krieg am Tschadsee ? Wie der '.Deutschen Tagesztg,' aus Rom gemeldet wird, befindet sich das ganze fran zösische Tschadgebiet in Aufruhr, so daß die französischen Unter nehmung en g e g en Kamerun hierdurch gescheitert sind. Politische Kunclsckau. Deutschland. 'Der Re i ch s kanzler v. Bethmann Hollweg hat Berlin wieder verlaffen. 'Wie die.Braunschw. Landeszeitung" er fährt, sind in sämtlichen besetzten sranzösischen Departements vom 1. Dezember ab deutsche Ziv il Verwaltungen eingerichtet worden * Das Mitglied despreußischen Herrenhauses Frhr. v. Zeülttz-Leipe ist im Alter von fast 91 Jahren verstorben. Spanien. * Der frühere Finanzminister Navarro Reoerter wurde vom König Alfons in Audienz empfangen, um über die wirtschaftliche Lage Spaniens Bericht zu ersiatten. Er erklärte, daß eine ernste wirtschaftliche Krisis nur zu befürchten sei, wenn sich der Krieg in die Länge ziehe. Er hoffe jedoch, daß durch geeignete Vordeugungsmaßregeln der Eintritt einer Krists vermieden werden könne. — Die Allgemeinheit teilt dieses Vertrauen Reverters nicht, da nach aller Voraussicht die Statistik über den Außenhandel Spaniens für den Monat Oktober einen Rückgang der Wert ziffer um viele Millionen Pesetas aufweisen werde. baten unvermutet auf bulgarische Posten ein scharfes Feuer, das etwa zehn Stunden dauerte. Die Bulgaren er widerten das Feuer nicht. Die Regierung beauftragte den bulgarischen Gesandten in Athen, unverzüglich die nötigen Schritte beim griechischen Kabinett zu unternehmen, um gegen diesen absolut ungerechtfertigten Angriff zu protestieren. Amerika. * Der neue Präsident von Mexiko, Gutierraz, soll nach Meldungen französischer Blätter demnächst seinen Posten übernehmen. Er wird von General Villa unterstützt, der mit etwa 30 000 Mann die Hauptstadt besetzt hält. Die Armee Carranzas steht in der Gegend von Veracruz. Entsendung des Fürsten Bülow nach Rom. Die Entsendung des Fürsten von Bülow nach Rom wird in den weitesten Kreisen des deutschen Volkes mit großer Genugtuung begrüßt werden- Damit ist einer der weitaus fähigsten deutschen Staatsmänner auf einen der gegenwärtigen schwierigsten Posten unserer diplomatischen Ver ¬ tretungen im Auslande berufen. Die italienische Politik von ihrem, soeben erst aus berufenem Munde erklärten, gesunden Egoismus abzu bringen, kann nicht Aufgabe des Fürsten Bülow sein, er könnte sie auch nicht erfüllen. Die poli tische Lage in Italien ist jetzt schwieriger als noch vor Wochen, und wir dürfen nicht zu viel, er warten. Jedenfalls aber wird es dem ungewöhn lich geschickten Manne gelingen, den Treibereien der in Rom beglaubigten Diplomaten der uns feindlichen Staaten wirksam entgegenzutreten. Was er sonst erreichen kann, hängt viel von dem Gang der großen historischen Ereignisse ab, die sich vor unseren Augen abspielen. Rustland. * Die russische Regierung hat entdeckt, baß aus einigen Gouvernements LieBauern heimlich weg ziehen. Viele solche Flücht linge haben den Weg über Sibirien gewählt. Die russische Regierung erließ daher den Be fehl an die sibirischen Behörden, solche Bauern flüchtlinge anzuhalten. Balkanstaaten. ' ,Tanin" hört, daß die ganze griechi sche Flotte Mitte Dezember große Flotten man ö v e r halten werde, um die gemeinsame Verwendung großer und kleiner Schiffe zu üben. ,Taswir-t-Efkiar'meldet große griechische Trupp enzusammenziehungen an der bulgarischen Grenze und bei Jania. Aus Skutari berichtet dasselbe Blatt, dort be ständen lebhafte Feindseligkeiten zwischen den Malissoren und den mohammedanischen Al baniern. Die Parteien bewohnten ganz ge trennte Stadtteile, aus denen sie sich beschießen. Tagsüber herrsche Ruhe, doch gingen die Be wohner Skutaris nur nachts noch in Gruppen auf die Straße. * Bei St. Constantin und Stergatsch er öffneten griechische Grenzwachsol- Vie Verluste unserer feinäe. In einem Teil der ausländischen Presse werden die deutschen Angaben über die Ver luste unserer Feinde angezweifelt. Wir müssen uns bei unseren Mitteilungen — bei der An zahl der Gefangenen — natürlich auf die be treffenden Nachrichten der fremden Zeitungen verlassen. Um aller die Sachlage für uns nicht günstiger darzustellen, als sie tatsächlich ist, verwenden wir nur die Mitteilungen, die Blätter wie .Times", .Corriere de la Sera" und andere Zeitungen bringen, die wegen ihrer offenbaren Abneigung gegen Deutschland durchaus unversänglich sind. Die Angaben dieser Zeitungen sind höchstens für unsere Feinde günstig, sodaß uns kein Mensch den Vorwurf machen kann, wir hätten zu viel gesagt. Den hauptsächlichsten Verlust erlitten bis her die Russen. Heute, nach den letzten schweren Verlusten, die die Russen in Polen gehabt haben, beträgt die Gesamtzahl der russischen Verluste fast anderthalb Millionen Menschen. In den beiden großen Schlachten Ostpreußen verloren sie 127000 Gefangene, davon in Tannenberg 92000 und bet den masurischen Seen 36 000. Bei den anderen Gefechten in Ostpreußen wurden 11 000 Ge fangene gemacht. In den letzten drei Wochen machten wir 80 000 Gefangene und in den Vorgefechten mehr als 26 000. Die Verluste an Toten und Verwundeten waren ungeheuer, betrugen sie doch in der Schlacht bei Tannen berg allein 150000 Mann. Falsch ist Lie An schauung. daß in dieser Zahl bereits die Ge fangenen eingerechnet sind. Die Gefangenen müssen besonders berechnet werden. Gegen Österreich haben die Russen in den Schlachten bei Lemberg, bei Vrzemysl, bei. Iwangorod und bei Czenstochau zusammen mehr als 125 000 Gefangene verloren. Allein die letzten Kämpfe in Polen kosteten den Russen ungefähr 115000 Gefangene, wenn man die österreichische Beute mit einberechnet. Be sonders groß waren die Verluste bei der ersten Bestürmung von Przemysl. Sie betrugen rund 60 000 Mann. Nimmt man all diese Kämpfe zusammen, dann ergibt sich an^Ge- fangenen, Toten und Verwundeten v/- Million Mann. ,- Über die französischen Verluste berichtet "Corriere Lella Sera', daß das französische Heer bisher mindestens 50 Prozent an Toten, Verwundeten und Gefangenen hatte. Es sollen fast eine Million sein, wenn man Lie Gefangenen abrechnet, die sich aus rund 200 000 Mann belaufen. Die belgischen Verluste betragen mehr als 100 000 Mann. über die englischen Verluste berichtet die .Times" in ihrer Nummer vom 2, Dezember, daß allein in der Schlacht in Flandern Eng land einen Verlust von 50 000 Mann auf zuweisen hat. Wir wissen, daß die Verluste Englands in dieser Schlacht größer sind, da besonders die indischen Truppen ungeheure Verluste hatten. Aber selbst die Angaben der .Times" als wahr angenommen, hat England schon 130 000 Mann verloren. Das ist für die geringe Anzahl von Truppen recht beträchtlich. Insgesamt kann man annehmen, daß unsere Feinde bisher einen Gesamtverlust von 2Vi Millionen Mann gehabt haben, der allerdings wieder durch die Heilung einer großen Anzahl Verwundeter eine Einschränkung erfahren hat. 6s braust ein Kuf. 13s Erzählung von Max Arendt-Denart. lAorlsetzuNA.f „Sie bedürfen deren brum," antwortete Herr von Carsten kühl. „Denn selbst, wenn ich sie Ihnen verweigere, so können Sie mit Gewalt erzwingen, was ich Ihnen versage." „Herr Baron sind nicht Elsässer?" „Doch!" „Und haben Ihre alte Heimat in den Jahren der Bedrückung vergessen?" klang es scharf von Len Lippen des Offiziers. „Meine Heimat, Herr Leutnant, ist Deutsch land ! Die andere Heimat, die Sie andeuten, kenne ich nicht, denn ich habe die Zeiten der Wandlung im Auslande verlebt und war, so lange ich hier lebe, glücklich, so glücklich, wie niemand unter diesem Himmelsstrich war, als das Elsaß noch französisch war." „Man muß sich also vor Ihnen hüten, Herr Baron?" „Sie wollen Ihre Maßregeln treffen und im übrigen versichert sein, daß mir nichts ferner liegt, als mich gegen die Gewalt der Tatsachen zu stemmen." „Ihre Söhne sind Offiziere im deutschen Heere. Wollen Sie mir sagen, wo sie sich mit Ihren Truppenkörpern augenblicklich be finden ?' „Solche Auskünfte zu geben, verbietet mir mein'Gefühl als Vater dieser Söhne, die jetzt gegen Frankreich kämpfen, aber auch Lie Re gierung des Landes. Sollte ich den Verräter spielen?" „Man könnte Ihr Schweigen als eine feindliche Handlung gegen die Jnoafions- armee deuten. In diesem Falle würde sie außerordentliche Folgen nach sich ziehen." „Niemand von der französischen Armee kann mich zwingen, meine Heimat zu verraten. Im übrigen steht Ihnen frei, diejenigen Maß regeln gegen mich zu ergreifen, die Sie nach Lage der Sache für geboten halten." „Ich sehe vorläufig davon ab, Sie der Freiheit zu berauben, indessen muß ich ver langen, daß Sie das Schloß nicht ohne meine Erlaubnis verlaffen." Er verbeugte sich, und dem hinter ihm stehenden Mehlhändler einen Wink gebend, verließ er mit jenem das Zimmer. Der Hohenlindower stand bochaufgerichtet am Fenster. Seine Augen gingen hinüber zum Vogesenkamm, von wo jetzt immer neue französische Truppen den Übergang bewerk stelligen mochten. Doch keine Verzagtheit kam über den alten Mann. Wohl ballte sich die Faust, aber kein Wort des Schmerzes kam über die eisenharten Lippen. „Jetzt sollst du zeigen, Deutschland, was du kannst I" Mit diesen Worten wandte er sich um und ging hinunter zu seiner Frau, um ihr Mitteilung von den Dingen zu machen und ihr Mut zuzusprechen. 7. Es war ganz klar: die französische Heeres leitung hatte nach einem wohlvorbereitelen. in Friedenszeiten in allen Einzelheiten erwoge nen Plane ihren Einmarsch bewerkstelligt, dessen stärkste Stütze, wie man in Paris an nahm, einerseits der russische Einmarsch in Preußen, anderseits aber die Erhebung im Elsaß sein sollte. So hatte sie sich denn mit aller Macht auf das Elsaß geworfen, und es wäre schwer zu sagen gewesen, ob in einigen Ortschaften zunächst der Grenze nicht die jenigen in der Minderheit waren, die dem Reiche, dem sie Ruhe und Fortschritt, Ord nung und Aufstieg verdankten, jetzt die Treue zu halten entschlossen waren. Selbst in den Dörfern des Hohenlindowschen Besitztums ward jetzt so recht deutlich, daß es immer Menschen gibt, denen die Freiheit nichts be deutet, wenn an ihren Vorteilen auch die anderen teilhaben. Nur der Hohenlindower und sein Freund auf der Einöde, das waren die beiden starken Stützen des Deutschtums in diesen schweren Tagen. Im Hohenlindower Schloß hatte sich der französische Stab festgesetzt, und es hatte wie bitterer Hohn geklungen, als der Ober kommandierende dem Besitzer eröffnet hatte, Laß der Stab mit Rücksicht auf die Gefühle des Schloßherrn nur wenige Tage im Schlosse verweilen werde. Aber er hatte auch hinzu gefügt, daß Herr v. Carsten sofort verhaftet werden würde, falls er auch nur im ge ringsten eine feindselige Haltung zeige. Das fiel natürlich Herrn von Carsten durchaus nicht ein, aber er ließ sich von den fremden Offizieren auch zu keinerlei Geselligkeit zwingen. Wenn sie unten in dem großen Empfangsraum saßen, in dem sonst die Familie ihre Gäste empfangen hatte, kam wohl der eine oder der andere auf den Ge danken, den Schloßherrn herunter zu bitten. Doch der Hohenlindower hatte stets mit Höf lichkeit aber Entschiedenheit gedankt. Nicht so gelassen hatte man sich in die Dinge unten in den Dörfern gesunden. Die Menschen da, die überhaupt Interesse an der Frage nahmen, ob das Elsaß in deutschen oder sranzösischen Händen war, waren vom ersten Tage des französischen Einzuges in eine heimliche, aber erbitterte Feindschaft ge raten. Und am schlimmsten sah es auf dem Buchwaldhof aus. Kaum hatte nämlich Martin Wehrlin erfahren, daß das Elsaß bis nach Mülhausen in französischen Händen war. als er sich auch schon beeilte, den neuen Machthabern seine Ergebenheit zu beweisen. Geschäftig lief er von einem Offizier zum andern, um ihnen seine Dienste anzubieten. Zu seiner großen Freude merkte er bald, daß man ihn besonders ins Herz geschlossen hatte, und außer sich war er. als man ihm von feiten eines Generals versprach, ihn mit de» Verwaltung der ganzen Gemarkung Hohen- lindow zu betrauen, falls sich die Notwendig keit einer Zwangsverwaltung herausstellen sollte. Es war unter diesen Umständen nicht weiter verwunderlich, daß eines Tages ein Offizier auf dem Buchwaldhofe vorsprach, der von Martin Wehrlin ohne Umschweife eine Liste derjenigen Personen verlangte, die als be sonders deutschfreundlich galten. Martin Wehrlin sah den Besucher im ersten Augenblick erstaunt an, als ob er ihn nicht verstände, dann aber stieg eine leise Scham in ihm auf. So weit war es also ge kommen, daß man ihn als Spion gebrauchen wollte. Und mit grellem Blttzschein fuhr die Erkenntnis über ihn hin, daß er den Franzosen nur nachgelausen war, um eines Tages mit ihrer Hilfe seine Rache an Anton Ferch-