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Ottendorfer Zeitung : 20.12.1914
- Erscheinungsdatum
- 1914-12-20
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Privatperson
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-191412202
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19141220
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19141220
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-12
- Tag 1914-12-20
-
Monat
1914-12
-
Jahr
1914
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 20.12.1914
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Inäockma. — Japans GroßmachtsplSne. — Von verschiedenen Blättern ist unwider sprochen berichtet worden, das; Japan 10 Armee korps nach Europa senden wolle, wenn Frank reich dafür Indochina äbtreten wolle: Frank reich soll dieses eigenartige Tauschgeschäft ab- gelelmt haben, worüber man in Japan nicht weiter verärgert ist, weil man die Überzeugung hegt, das; Indochina früher oder später von den Franzosen nicht mehr zu halten und eine leichte Beute für Japan sein wird. Es handelt sich hier um ein großes und sehr aussichtsreiches französisches Kolonial gebiet, um das sich die .Verbündeten" Frank reichs, die Japaner, bewerben. Ganz Indo china hat einen Flächeninhalt von rund 664 000 Quadratkilometern und eine Bevölke rung von zwanzig Millionen Menschen. Unter den einzelnen Staaten sind die bedeutendsten Anam, Tonkin. Cochinchina und Kambodscha. Besonders Tonkin, das Vorland der metall reichen chinesischen Südprovinzen hat sicher eine große Zukunft, die ganze Ostküste aber mit ihren reichen Waldungen und dem frucht baren Kulturland ihrer Täler wird gleich dem glücklicheren Siam erfolgreichen Anteil an der Produktion für den Weltmarkt nehmen können. Es fehlt den Anamiten nicht an tüchtigen Eigenschaften, sie werden als den Südchinesen verwandt, als intelligent und arbeitsfähig ge schildert. Cochinchina ist eine militärische Nieder lassung, die sich Frankreich im fernen Osten gegründet hat, aber es läßt sich nicht in Ab rede stellen, daß ihre Entwicklung bisher eine recht günstige gewesen. Das Gebiet ist über aus fruchtbar, und die von Frankreich ange bahnten geordneten Zustände, verbunden mit einem guten Wegenetz, Aushebung der Sklaverei, Einführung milder Gesetze haben die Exportfähigkeit des Landes ungemein ent faltet. Die mit allen europäischen Einrich tungen versehene Hauptstadt Saigon wird von verschiedenen großen Dampferlinien regel mäßig berührt. Das Klima ist aber un günstig und stellt europäischer andauernder Tätigkeit fast unüberwindliche Hindernisse ent gegen. selbst der Handel fällt aus diesem Grunde immer wieder den unermüdlichen Chinesen in die Hände, die z. B. das sehr umfangreiche Reisgeschäst fast ganz monopoli sieren. Vom Dach des Palastes .Seiner Majestät des Königs"' von Kambodscha in Panompin flattert schon lange die Fahne Frankreichs. Der alte Glanz des Wunderlandes, wie die chinesischen Chroniken es nennen, ist unwider ruflich dahin, und als einziges Zeichen seiner einstigen Größe und Macht, die vor Jahr hunderten ganz Hinterindien erfüllte, sind die Ruinenstätten von Ongka geblieben, Trümmer felder, die tatsächlich nach dem Urteil aller Reisenden auf der ganzen Welt ihres Gleichen nicht haben und uns eine hohe Bewunderung vor der Fähigkeit des einstmaligen Kultur volkes, das sie erbaute, abnötigen. Steinerne Pseilerbrücken von über 100 Meter Länge und 16 Meter Breite bereiten den Besucher schon auf einige Entfernung auf das vor, was er schauen soll — endlich steht man vor den Ruinen des Nakkon Wat, des großartigsten Tempelbaues, den Asien wohl je befaß. Aus dichtem Waldgestrüpp tritt man auf einen Vorhof, der mit großen wohlgefügten Steinplatten belegt und der ganzen Länge nach auf jeder Sette von einer Treppe ein gefaßt ist, die eine dieser Treppen führt auf einem über 200 Meter langen Wege zum Ein gänge des Hauptgebäudes, eines stufenartigen Terra'ienbaues aus Sandstein, in dem drei umlaufende Säulengänge mit zahlreichen Höfen liegen. Es ist nicht möglich, die Herrlichkeit des Tempels, der ein Rechteck von etwa 200 zu 140 Meter Seitenlänge einnimmt und über 100 Meter hoch ist. in Worten zu schil dern. üoer 1600 Säulen tragen seine mächti gen Galerien, an den wie Marmor geschliffe nen Wänden zählte man wett über hundert tausend einzelne Figuren in weit überlebens großer wunderbar vollendeter Ausführung: die Tore, die Kapitäle der Säulen, die Träger und Ecksteine sind von einer Feinheit der Arbeit, die bewundernswert ist. Viele Meilen weit ist jene ganze Gegend mit ähnlichen Ruinentrümmern erfüllt. Uber ihre Erbauer findet sich keine historische Überlieferung. Von stak unä fern. Keine Entlassung des Landsturms. An den unausgebildeten Landsturm 2. Aufgebotes wendet sich solgende amtliche Bekanntmachung: .Durch Allerhöchste Verordnung vom 27. v. Mts. ist der unausgebildete Landsturm 2. Aufgebotes ausgerufen worden. Der Auf ruf bedeutet keine Einstellung in die Truppe, sondern bezweckt lediglich die Herbeiführung der Eintragung der Landsturmpflichtigen in die sog. Landsturmrolle. Es liegt demnach kein Grund vor, die Stellung und die Arbeit zu kündigen oder gar ohne Kündigung zu verlaffen. Auch die Arbeitgeber sollten den Aufruf nicht zum Anlaß nehmen, Kündigungen oder Entlastungen auszusprechen." Gleich zeitig wird hierbei darauf hingewiesen, daß Entlastungen aus dieser Ursache für ungültig erklärt werden könnten. Ei« Sohn des Reichskanzlers verwun det und gefangen. Der älteste Sohn des Reichskanzlers ist bei einem Patrouillenritt im Osten verwundet worden und in russische Ge fangenschaft geraten. Die Verwundung ist ziemlich schwerer Natur, da es sich außer um eine Verwundung am Bein um ein Kopfschuß handelt. Frauen mit dem Eisernen Krenz. Die freiwillige Helferin Karoline Bührer aus Durlach, sowie eine aktive badische Kranken schwester erhielten das Eiserne Kreuz, weil beide gemeinsam bei Upern Nächte hindurch bei schwerstem Granaten- und Geschützfeuer Verwundete aus den vordersten Schützen gräben geborgen haben. Bringt das Gold zur Reichsbank! Das erste deutsche Schiff „Hindenburg". Die deutsche Handelsflotte hat ein Schiff, das den Namen des Befreiers von Ostpreußen trägt. Es ist ein in Geestemünde gebauter Fischdampfer, für denderGeneralseldmarschall der Reederei die Erlaubnis gegeben hat, das Schiff .Hindenburg" zu nennen. Mißglückter Fluchtversuch aus England. Ein Deutscher namens Otto Koehn, der ver sucht hatte, in einer Kiste aus England zu entkommen, wurde bei der Einschiffung in Tildary auf einem Dampfer der Batavia- Linie entdeckt und nach dem Konzentrations lager in Dorchester gebracht. Es heißt, daß Koehn Offizier der deutschen Handels marine ist. Zugzusammenstok. Im München-Glad bacher Bahnhof stieß der Kaldenktrchener Per- sonenzug mit einer Rangierlokomotive zu sammen. Zwei Wagen entgleisten. Sieben Reisende, sowie der Heizer und der Lokomotio- sührer des Personenzuges wurden verletzt. Grofffcuer in einer Mühle. In Luifen- hain bei Posen ist die Biunnersche Kunst mühle, die erst vor zwei Jahren nieder- brannte, abermals ein Raub der Flammen geworden. Viele Getreidevoriäte sind mit verbrannt. Der Schaden beziffert sich auf 600 000 Mk. Petersburg ohne Wasser. Infolge der Sperrung der Wasserleitung und durch Ver eisung der Newa ist Petersburg völlig ohne Wasser. Seit 1893 ist es das erstemal, daß Fabriken, Teestuben und Badeanstalten wegen Wassermangels ihren Betrieb eingestellt haben. Gericktskalle. Apolda. Der Lagerhalter des Konsumver eins Niederroßla, Hieronymus Seidel hatte Anfang August in bezug auf den ausgebrochenen Krieg geäußert, „es könne gar nichts schaden, daß die Deutschen die Fr. . . . mal richtig voll be kämen; es wäre ihm auch egal, ob er Franzose oder Deutscher wäre, Steuern müsse er hier und dort bezahlen. Später hat er ähnliche, das deutsche Nationalgefühl verletzende Reden auch in einer Gastwirtschaft geführt, dafür allerdings krä»tige Ohrfeigen erhalten. Das Schöffengericht; das sich jetzt mit der Sache zu beschäftigen hatte, verurteilte den Schwätzer wegen groben Unfugs zu zwei Wochen Haft. Die Strafe hätte für den Herrn Lagerhalter noch viel härter ausfallen müssen, es wäre nur eine bessere Lehre für ihn gewesen. Vie Einnahme von Lüderitzbucht. Von einem deutschen Kaufmann, der eben aus Lüderihbucht zurück gekehrt ist und die Einnahme der Kolonie durch die Engländer mit erlebte, erhält das,B. T.' folgende Schilderung der Ereignisse, die sich vor und während der Einnahme ab spielten : Am 14. September erschienen zum ersten mal die Engländer vor Swakopmund. Ein Kreuzer bombardierte die Stadt, ohne jedoch größeren Schaden anzurichten. Truppen wurden nicht gelandet, und der Kreuzer fuhr nach Walfischbai und ging dort vor Anker. Dies war natürlich ein Zeichen, daß die Eng länder nach Lüderitzbucht kommen wollten. Die deutschen Behörden bereiteten darauf alles vor, um die Bahnlinie'in die Luft zu sprengen. Am 17. September zeigten sich die Engländer wieder, diesmal mit mehreren Schiffen, vor Swakopmund. Nun schien es Ernst werden zu wollen. Die Deutschen sprengten den Funkenturm in die Lust, und als am nächsten Tage nachmittags das Ge schwader, bestehend aus drei Kreuzern und neun Transportschiffen, sich in Schußweite näherte, fuhr der Bezirkshauptmann mit den Beamten und den Militärpersonen mit der Bahn in das Innere des Landes. Nur fünf Soldaten wurden zurückgelasten, denen die Aufgabe zufiel, streckenweise die Bahnlinie zu sprengen. Unterdessen waren die Engländer vor Anker gegangen und hatten in der Prinzenbucht eine Patrouille gelandet, die die Soldaten angriff, um die Bahniprengung zu verhindern. Dies mißlang jedoch, und nach kurzem Gefecht zog sich die Patrouille nach Lüderitzbucht zurück und die Soldaten sprengten rubig weiter. Sofort nachdem die Schiffe verankert waren, kam ein Boot mit einer Parlamentärflagge an Land. Bürgermeister Krepiin, Reda'teur OtzeN und Dr.Dommer empfingen als deutsche Vertreter die Engländer. Die Frage, ob die Stadt Widerstand leisten wollte, wurde natür lich verneint. Darauf wurden die genannten Herren als Geiseln festgennmmen. Sie blieben bis zum 19. mittags in Gefangenschaft. Am nächsten Morgen, dem 18. September, erfolgte die ' eigentliche Besetzung von Lüderitzbucht. Am 19. September wmde das Kriegsrecht proklamiert. Der Bevölkerung wurde ver boten, in der Zeit von 6 Uhr abends bis vormittags 11 Uhr die Straße zu betreten. Am 21. und 22. September begann, während gleichzeitig der Befehl zur Deportierung der Bevölkerung gegeben wurde, eine allgemeine Plünderung von Lüdentzbucht. Etwa 16 bis 20 Häuser wurden zerstört. Die Einwohner wurden in ihren Häusern festgehalten und ihrer Barmittel beraubt. Das sämtliche Ge flügel wurde eingefangen und geschlachtet. Unterdessen wurde mit der Deportierung be gonnen, die am 25. beendet war. Die ganze deutsche Bevölkerung wurde als Gefangene fortgeführt. Die Männer wurden nach Johannisburg und Pretoria, die Frauen und Kinder nach Pietermaritzburg gebracht. Die Nichtdeutschen wurden in Kapstadt freigelasfen. Ganz ohne Kampf ging es aber doch nicht ab. Am 26. September kam es zu einem Gefecht bei der Kolmanskuppe, wobei 80 Deutsche 160 Engländern gegenüberstanden. Die Verluste waren auf beiden Seiten gleich, je fünf Tote und drei Verwundete. Die Engländer zogen sich dann nach Lüdentzbucht zurück. Am 3. Oktober erhielten wir den Bescheid, daß wir ausgewiesen seien. Wir dursten nur das Notwendigste mit uns nehmen und mußten sofort an Bord gehen. Am 6. Oktober kamen wir in Kap ladt an. Während ich noch dort weilte, kam am 16. Oktober die Nachricht von der Erhebung des Obersten Maritz. Die Nachricht rief große Bestürzung hervor: es wurde sofort über die ganze Kapkolonte der Belagerungszustand verhängt. Als ich am 17. Oktober von Kapstadt abreiste, war die Lage noch ziemlich ungeklärt. Aber die allge meine Stimmung in den ehemaligen Buren- staaten war gegen die Engländer und überall war die Meinung verbreitet, daß es nicht lange dauern werde, bis eine allgemeine Re volution im Gange sein wird. Die Engländer schienen die Gefahr auch richtig einaeschätzt zu haben, denn sie zogen sofort am Oramefluß 15 000 Mann und in Lüderitzbucht 6000 biS 7000 Mann gegen die Südwester zusammen. Lüderitzbucht wird jetzt schwer befestigt. Die dortigen Diamantenfelder werden von den Engländern abgebaut. V olksnirtlckaftlickes. Nicht vollstreckbare RäumungSurtcile« Gegen die Ehefrau und die Kinder eines Kriegs' teilnehmers kann ein Räumungsurteil nicht voll streckt werden. So hat kürzlich die neunte Zivilkammer des Landgerichts I in Berlin in einem Beschlusse festgestellt. Gegen die Ehe frau eines Kriegsteilnehmers hatte ein Hauswirt ein Räumungsurteil erwirkt, der Gerichtsvoll zieher aber hatte mit Rücksicht auf das Notgesetz vom 4. August § 2 die Vollstreckung des Urteils gegen die Schuldnerin verweigert. Die hiergegen erhobene Erinnerung ist durch Beschluß abge wiesen worden und die hiergegen eingelegte Be schwerde hat keinen Erfolg gehabt. Vermisstes. Ein Friedensvrophet. Wohl in allen kriegführenden Ländern fragt man sich, wie lange der Krieg noch dauern wird. Bis zum 27. April 1915. so glaubt der „Figaro" ver sichern zu können. An diesem Tage nämlich wird, wie ihm ein Italiener, Graf Ugo Baschieri, geweissagt bat, der Friedensschluß vollzogen werden, und Graf Ugo Baschieri ist ein Prophet, der schon einmal ein großes Ereignis richtig geweissagt hat. Es war das Erdbeben von Saniiago de Chile. Am Morgen des Tages, als die Katastrophe ein trat, weissagte er, daß abends die Stadt ver nichtet sein würde. Wahrscheinlich lachte man ihn da aus: aber als sich abends zeigte, wie recht er gehabt hatte, dankte man ihm mit einer kräftigen Tracht Prügel. .. Ein Zeppelin als Gefangenenbefreier. Einem Feldpostbrief aus dem Osten ent nimmt die .Rhein. Wests. Ztg.' folgende launige Schilderung, wie ein Zeppelin deutsche Zivilgefangene von den Komken befreite: Kurz vor Beendigung der Russenwirtschaft im Kreise Insterburg hatten die Kosaken alle männlichen Einwohner von Burveln, Kreis Insterburg, zusammengetrieben, um sie nach Rußland zu verschleppen, als plötzlich ein Luftschiff auftauchte. Sofort rannte das ganze Ruffenpack in die nächsten Häuser, um sich nur nicht sehen zu lassen. Das iah aus, wie wenn ein Habicht in einen Taubenjchwarm stößt. Inzwischen waren auch schon die ersten flüchtenden Russen von Insterburg her an gekommen, barfuß, um bester laufen zu können. Hier und da hatte mancher, der bis dahin noch gestiefelt war, die Fußbekleidung nur „so sortgeschlenkert", damit es schneller ging als bei den „Pruß", die ihnen im Nacken saßen. Ein sürchtertiches Rennen ging los, voran ein Olfisier, der einige Tage vorher die paar Meilen nach Berlin Halle machen wollen, um Kaiser Wilhelm zu besuchen. In dieser be greiflichen Aufregung hatte man vergehen, die gefangenen Burbetner mitzunehmen. Das unterbrochene Konzert. Kürzlich hatte in einem Vorort von 'teims eine iran- zö sche Militärkapelle eine Musikaufführung in einer zum Konzertlokat umgewandeiten Halle veranstaltet. Die Aufführung wurde von einem Konzertmeister des Pariier Opern- orchesters geleitet, der zurzeit in der Kom pagnie dient. Als Zuhörer wohwen de» Konzert eine gro e Anzahl höherer O fiziere und der Brigadetommandeur bei. Gerade als die Musiker ein Konzertstück in schwung voller Ausführung zu einem künstlerischen Höhepunkt herausardeueten.schtug eine Granate in das aus einem Zementwall gebildete Podium und begruv dle Mu ker unter den Trümmern. Sie kamen zwar alle heil davon, aber das Konzert hatte sein un reiwilliges Ende erreicht, und feine Fortsetzung mußte auf einen günstigeren Zeupuntt verschoben Durch die Nacht tönte plötzlich ein lang gezogenes Hornsignal. „lllauckitv," murmelte der Offizier, „schon wieder Alarm. Kommt man denn nicht mehr zur Ruhe?" Er begab sich schnell in das Schloß. Auf der Terrasse reichte ihm die Ordon nanz einen versiegelten Brief. „Oberkommando Epinal", las er. „Die Division zieht sich sofort auf Münsterol zurück und erwartet dort Verstärkung aus Belfort." Darunter als Bemerkung des Divisionärs: „Major d'Eströe sichert mit seiner Abtei- lung den Rückzug und läßt überall, wo es nötig und tunlich erscheint, Wachkommandos zurück." „Wieder so ein Befehl, den man unter Umständen richtig ausführen kann," brummte der Offizier. „Wo ist es tunlich, und wo ist es nötig?" Er trat in die Halle ein und ließ sich beim Henn des Hauses melden. Der Hohenlin- dower empfing ihn mit der gemessenen Höflichkeit, die er in all den Tagen der fran zösischen Besatzung erwiesen batte. „Herr von Carsten," begann der Maior, „der Stab und meine Abteilung rückten heute noch ab. Ich muß von Ihnen fordern, daß sie dafür Sorge tragen, daß niemand von Ihren Leuten sein Fenster öffnet oder seine Stube verläßt. Niemand darf wissen, wohin sich unsere Trupgen begeben. Ich habe nun noch einige Fragen an Sie zu richten." Er zögerte einen Augenblick, als ob er eine Äußerung erwarte. Indes, der Hohen- lindower stand unbeweglich, das Auge fest auf den Offizier gerichtet. Major d'Estre durch die Haltung Carstens etwas unwillig geworden, fuhr fort: „Wir wissen, daß die Bevölkerung Verrat verübt hat. Man hat uns in Markirch, Münsterol. Mühlhausen als Retter empfangen, man hat die Trikolore aufgezogen, das Elsaß grüßte seine Befreier. Ader einige waren in all den Städten und Dörfern, die unser sieg reiches Heer besetzte, die Verrat sannen. Ihnen ist es zuzuschreiben, wenn wir in unserm Siegeszuge aufgehalten wurden. Ihre Per sonen festzustellen, ist von größter Wichtigkeit. Sie, Herr Baron, wissen ohne Zweifel, welcher Art die Gesinnung Ler Einwohner in Ihrer Gemarkung ist. Sie weroen uns also Aus kunft geben können, welche der Einwohner Ihnen verdächtig erscheinen." „Mein Herr!" Der Hohenlindower stand hochaufgerichtet, „ich habe es an nichts fehlen lassen, so lange Sie in meinem Hause waren. Ich hätte füglich erwarten dürfen, baß Sie die Gesinnung ehren, die ich mich niemals zu verbergen bemühte. Sie muten mir einen niedrigen Angeberdienst zu, einen Dienst, den wir in unserer Heimat für ehrlos halten." Major ü'Estrse wollte bei diesen Worten auffahren: indes er bezwang sich noch einmal, nur ein böses Leuchten glimmte in seinen Augen auf. „Ich muß meine Pflicht tun und ersuche Sie, sich die Folgen zu überlegen, Lie unbe dingt im Falle Ihrer Weigerung eintreten müßten." „Ich bin bereit, sie zu tragen." Der Major wandte sich zur Tür, vor der eine Ordonnanz stand. Ein kurzer Befehl, Lann trat Ler Offizier wieder in das Zimmer. „Herr von Carsten, Sie sind mein Ge fangener. Wir müssen Geiseln haben, um uns gegen Verrat und Tücke zu sichern. Der Priester und der Lehrer werden ebenfalls ver haftet." Der Hohenlindower war nicht überrascht. Nur als er vernahm, baß auch ber ehrwürdige Priester und der alte Lehrer als Geiseln aus ersehen waren, durchzuckte ihn tiefes Weh. Seinen Zorn meisternd und seinen Stolz über windend, sagte er: „Warum die beiden? Warum den Seelen- hirlen der Gemeinden? Warum den Lehrer?" Da fuhr der andere auf und die gan-e Leidenschaft der gallischen Natur sprudelte in seinen Worten: „Gerade diese beiden. Sie sind die Hüter und Lehrer, Lie Bewahrer und Verbreiter Les Gedankens im Elsaß, den wir mit Stumpf und Stiel auszurotten gekommen sind. Hat nicht noch vor wenigen Tagen der Priester von der Sendung des deutschen Volkes gesprochen, das ausersehen sei, die Kultur Europas zu verliefen und über den Erdvall zu tragen? Und die Lehrer sind die Ver führer der Jugend, sind diejenigen, die in deutschem Solde die Liebe zu Frankreich in der Heranwachsenden Generation töten sollen. Vorwärts!" wandte er sich an zwei ein tretende Dragoner, «diesen und die beiven andern unter strengster Bewachung nach Mülhausen." Herr von Carsten widersprach nicht mehr. Er fragte nicht nach seinem Weive, nicht nach der Ordnung seiner Angelegenheiten — er dachte nur an das Vaterland und daß es jetzt galt, zu beweisen. Laß man bereit sei. Ler Heimaterde wiederzugeben, was man von ihr empfing. Als er in die Halle trat, war die gegen überliegende Tür geöffnet und Frau Maria trat herein. Mit einem Aufschrei klammerte sie sich an den alten Diener, Ler hinter 0« stand. Da drang ein Ton zu ihrem Ohr, der wie ein Wunder wirkte: „Haltung, Maria!" Der Hohenlindower hatte es gerufen. Frau von Tarnen richtete sich auf und mit ruhigen Schritten kam sie auf die Gruppe der Soldaten zu, in deren Mitte ihr Mann stand. Kein Wort würbe zwischen ihnen ge wechselt. Nur die Hände drückten sie sich und sahen einander in die Augen. Aber sie wußten alles, was sie sich hätten in Stunden jagen können. Vom Park erklangen aufs neue Horn signale. Major d'Eströe trieb seine Mann schaften zur Eile an. Auf der Chaussee wälzte sich noch immer die Masse der rück wärts drängenden Trupp-n. Durch die jagenden Nachtwolken, die sich von Zeit zu Zeit vor den Mond schoben, surrten zwei Flieger, gepenstischen Vögeln gleich, die mit ihren Scheinwerfern ab und zu Lie Fluren von Neuendorf ableuchteten. Aber auch am Rande der Ebene, dort, wo noch ununterbrochen der Kampf tobte, blitzten die Scheinwerfer aut, und mit einem umagvaren Hochgefühl beobachtete der Hohenlindower, wie die französischen Flieger unter LaS deutsche Kreuzseuer kamen. »u » (Fortsetzung folgt.)
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