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Ottendorfer Zeitung : 20.12.1914
- Erscheinungsdatum
- 1914-12-20
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Privatperson
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-191412202
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19141220
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19141220
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-12
- Tag 1914-12-20
-
Monat
1914-12
-
Jahr
1914
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 20.12.1914
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^eu-Skanämavien. Auf Einladung des Königs von Schweden werden in diesen Tagen die Könige von Nor wegen. Dänemark und Schweden eine Zu sammenkunst in Malmö haben. Diese Zu sammenkunft ist. so erklärt das amtliche schwedische Telegrammbureau, ein Ausdruck für das gute Verhältnis zwischen den drei nordischen Reichen und für die zwischen ihnen bestehende vollständige Einigkeit, ihre bis jetzt beobachtete Neutralitätspolitik ausrechtzu erhalten. Das Zusammentreffen bezweckt ins- befondere den beteiligten Regierungen Ge legenheit zu geben, sich über die Mittel zu be raten, die in Frage kommen könnten, um die wirtschaftlichen Schwierigkeiten, die der Kriegs zustand sür die drei Länder mit sich bringt, zu begrenzen und zu hemmen. Aber die Zusammenkunft hat doch wohl eine weitergehende Bedeutung. Die drei Herrscher lassen ihre Minister des Äußeren an den Beratungen tetlnehmen, und gerade die Tatsache dieser gemeinsamen Zusammen kunft und Beratung gibt dem Ereignis welt geschichtliche Bedeutung. Als sich 1905 Nor wegen von Schweden trennte, hat ein schwedischer Minister seinen Souverän mit dem Hinweis trösten wollen, der Monarch werde beide Mächte noch eines Tages wieder ver eint sehen. König Oskar, der den Schlag nicht verwand, hat die Vereinigung nicht mehr erlebt. Nun ist seinem Sohn und Nachfolger größeres zu schauen deschieden: das Werden des großen skandinavischen Reiches, von dem einst (vor mehr denn 500 Jahren) Margarete, die Schwedenkönigin, träumte. In all den Jahrhunderten hat der Ver einigungsgedanke nie geruht. Schon im Jahre 1869 kam es am 28. Juli in Stockholm zu einer begeisterten Kundgebung für eine Vereinigung Dänemarks mit Schweden und Norwegen zu einem .nordischen Dreibund". Es war aus Anlaß der Vermählung der ein zigen Tochter Luise des damaligen Schweden königs mit dem damaligen Kronprinzen Christian Friedrich oon Dänemark, dem Vater des jetzigen dänischen Königs. Seit jener Zeit ruhten die Bestrebungen nicht, die be sonders in der letzten Zeit sehr stark von den Unionisten der drei Länder betrieben wurden. Die Note des Krieges haben wohl die Früchte früher reifen lasten, als manche glaubten. Zwar soll die Zusammenkunft nur der Wahrung der wirtschaftlichen Interessen dienen und die Einigkeit der drei Länder bezeugen. Man wird aber wohl in der Ansicht nicht fehl gehen, daß aus diesem wirtschaftlichen Zu- sammenschluß auch ein politischer entstehen dürfte, der für alle drei Staaten von gleich großer Bedeutung ist. Sowohl nach England wie nach Rußland haben die drei Staaten ihre Selbständigkeit zu verteidigen. Wenn es auch den Staaten bisher gelang, von dem Kriege fern zu blelben. so ist es doch fraglich, ob Schweden nicht im Lause des Krieges durch Finnland gezwungen sein wird, sich Rußlands zu erwehren. In jedem Falle be deutet die Zusammenkunft in Malmö den Grundstock zu der Bildung des.nordischen Dreibundes", eines neuen Zusammenschlusses germanischer Völker gegen das Bündnis der Slawen, Franken und Briten. Zunächst bedeutet Lie Zusammenkunft der drei Könige, die den ungeteilten Beifall der Völker des Nordens findet, daß sie unterein ander — wie auch immer sich die Lage Europas gestalten möge — sich nicht bekriegen werden. Der neue skandinavische Bund kann sich also eines Tages nur vor die Entscheidung gestellt sehen: alle drei gegen oder sür den Dreiverband. Die Entscheidung kann, ihnen da nicht schwer sallen. Denn gerade Englands Vorgehen gegen die Neutralen, besonders gegen die Nordstaaten hat auch den Ver trauensseligsten die Augen geöffnet, was sie von England zu erwarten haben. Zugleich aber zeigt das Schicksal Finnlands, wohin die Wünsche Rußlands zielen. Der Bau der neuen finnischen Eisenbahn, die ins Herz Norwegens vorstoßen toll, zeigt ganz deutlich, wohin Rußland seiner Sehnsucht Brücken schlagen will. Wie das Schwarze Meer und den Hellespont, so will es auch die Ostsee beherrschen. Das ist ja die Krone der russischen Großmachtswünjche: Das Schwarze Meer, wie die Ostsee zu russischen Binnenmeeren zu machen. Darum der Kampf gegen Deutschland, darum die Intrigen und jetzt der Krieg gegen die Türkei. Wie die Türkei nur mit der Einsetzung ihrer ganzen Kraft jetzt auf Leben und Tod den Enticheidungskampf mit dem sie gierig umklammernden Zarismus wagen mußte, so wird auch bald die Stunde kommen, wo Schweden und Norwegen diesen Kampf führen müssen. Ja, es ist nicht unmöglich, daß Schweden in absehbarer Zeit der finnischen Wirklichkeit ins unbarmherzige Auge sehen und — von Rußland Rechenschaft sür die Vertragsver letzungen fordern muß, die zum Zusammen bruch des finnischen Staatsgedankens, zur Vernichtung des finnischen Volkstums geführt haben. Es läßt sich noch nicht übersehen, ob die Zusammenkunft von Malmö so weit gehende politische Bedeutung haben wird, aber das wäre ihr letzter und tiefster Sinn; denn ohne politischen engsten Zusammen schluß der Länder, der aus ihrer Wehrmacht einen beachtenswerten Wertfaktor macht, gibt es sür sie keinen wirtschaftlichen Schutz gegen England, keine Abwehr gegen die Ländergier Rußlands, die nach dem Besitz der Gebiete um die Ostsee strebü Ll. v. verschiedene Uriegsnachrichten. Günstige Lage im Westen. Die Franzosen und Engländer machen immer wieder verzweifelte Anstrengungen, unsere Front im Westen zu durchbrechen. Dabei erleiden sie nicht nur große Verluste, sondern die Zuversicht der Truppen wird auch herabgestimmt, je mehr sich zeigt, daß die deutsche Mauer undurchdringlich ist. Aus den letzten Berichten des deutschen Generalsiabes läßt sich entnehmen, daß wir unaufhaltsam, wenn auch infolge des zähen feindlichen Widerstandes langsam vorwärts kommen. Inder im deutschen Heere. In einem Feldpostbriefe aus Lille teilt ein Offizier seinen Angehörigen mit, daß mehr fach Inder in die deutschen Schützengräben übergelaufen seien und sich sofort an dem Feuer auf die Engländer be teiligt hätten. Seitdem die Verkündigung des Heiligen Krieges bekannt geworden ist, haben sich diese Fälle häufiger ereignet. Über Antwerpen wird gemeldet: Der baye rische Landsturm bildet die Antwer pener Garnison. Die Außenforts seien in zwischen wieder gut instand gebracht, tiefe Lauf gräben seien angelegt und zahlreiche Kanonen in den Außenstellungen aufgestellt worden. Erweiterung der französischen Militär- Vslicht. Nach Kopenhagener Blättern will der fran zösische Kriegsminister ein Gesetz vorlegen, wonach jeder waffenfähige Fran zose zwischen 18 und 52 Jahren dienstpflichtig ist. Diese Maßregel scheint nötig geworden zu sein, weil die Ein reihung früher Zurückgesteüter in die Armee in ganz Frankreich eine scharfe Kritik er fahren hat. Der Pariser ,Malin' macht folgende Angaben über die Ausdehnung der französischen Front: Sie erstreckt sich von Armentieres bis zum Col Sainte Marie in den, Vogesen und beträgt 440 Kilometer in der Luftlinie. Das französische Ge biet, das von den deutschen besetzt ist, hat 20 100 Quadratkilometer Flächeninhalt. In Belgien sind nur noch 40 Quadratkilometer (von 29 456 Quadratkilometern) von den deutschen Truppen nicht besetzt. Im Anschluß daran berichtet dasselbe Blatt, Belgien wolle ein neues Heer aufstellen und zwar aus allen Belgiern von 18 bis 30 Jahren. Die Kräftigen werden je nach ihrer Fähigkeit auf die Dauer des Krieges in die Armee eingereiht oder zu mili tärischen Arbeiten nach Calais geschickt, und zwar in Begleitung der Gendarmerie. Die belgische Gendarmerie und die französischen Behörden werden diejenigen belgischen Untertanen, die sich dielen Vorfchriften widersetzen, verhaften. Die belgischen Untertanen, die auf dem von Deutschen besetzten Gebiet wohnen, wird man kaum bei dieser Rekrutierung sehen, trotz aller französischen und belgischen Gendarmen. Serbiens letzter Widerstand. Die Mächte des Dreiverbandes — beson ders England und Frankreich, wo man das Versagen Rußlands immer noch nicht fassen kann — jubeln über die freiwillige Räumung Belgrads und meinen, Österreichs Schlagkraft sei geschwächt. Daß das nicht der Fall ist, zeigt der Sieg über Rußland in W e st- galizien. Serbiens Schicksal muß sich doch bald erfüllen, zumal ihm jetzt noch ein neuer Gegner erstanden ist. 23000 Albaner sind über die Dibra in Serbien ein gedrungen. * Die Senufsi in Ägypten. Die Senussi haben bereits die ägyptische Grenze überschritten und die englische Vorhut, die ihren Marsch aufhalten wollte, geschlagen. Man darf nun mit einem er neuten kräftigeren Vorstoß der Türken auf der Sinai-Halbinsel rechnen, so daß sich die eng lisch-ägyptischen Streitkräfte nach zwei Fronten verteidigen müßten. — Der Aufstand in Marokko breitet sich immer weiter aus. Nachdem Fez und Tanger von den Franzosen geräumt worden ist, sind sie jetzt auch vor den überlegenen marokkanischen Streitkräften aus Marrakesch abgezogen. Mit der Franzofenherrschaft im Scherifenreich, um die so heiß gestritten worden ist, dürfte es bald zu Ende sein. Vie Bedeutung der russischen Niederlage bei Lodz. Jede Siegesnachricht hat, wenn sie nicht von Anfang an mit eingehenden Angaben über die Kriegsbeute versehen ist, die wunderlichsten Gerüchte zur Folge. In diesem Falle, dem Siege umerer Armeen bei Lodz, kam nun noch dazu, daß der so vorsichtige Feld marschall Hindenburg selbst auf die große Be deutung des Sieges hinwies und damit den Laien, ohne es zu wollen, Hoffnungen auf Die Schlachtlinie in Weftgaltzie« und Südpolen. ungeheure Siegesbeute erweckte, nach deren Größe von gewissen Seiten nun einmal die Tragweite eines Sieges bemessen wird. Es wäre daher nicht wunderlich, wenn die bis herige Siegesbeute von 5000 Gefangenen und 16 Geschützen die Kriegsbeuteüurstigen ent täuscht hätte. Dem ist nur hinzuzuiügen, daß die Verluste der Russen „ungewöhnlich stark" und „blutig" waren, und daß wir dem „schnell zurückweichenden Feinde" unmittelbar folgen. Damit sagt Hindenburg, daß die Niederlage der Russen eine außerordentliche war, und daß er ihnen durch kräftiges Nachstoßen keine Gelegenheit bietet, sich zu erholen. Das ist mehr wert als eine große Masse von Ge fangenen. Auch der weglaufende Feind ist für uns von Wert, besonders wenn es ge lingt, ihn im Laufen zu erhalten. Daß dazu alle Aussichten vorhanden sind, lassen auch die großen Erfolge der Österreicher aus Len letzten Tagen erkennen. Die ganze russische Front in Westgalizien und Südpolen ist inS Wanke» gekommen und Warschau ist aufs äußerste bedroht. Politische Aunälchau. Deutschland. * General Bronsart von Schellen dorf, der einstige preußische Kriegs mini st e r, ist in Marienhof bei Krakow in Mecklenburg gestorben. Er war am 21. Dezember 1833 in Danzig geboren, hätte somit in wenigen Tagen sein 81. Lebens jahr vollendet. Im Jahre 1896 schied er aus der letzten militärischen Wirksamkeit als Kriegs minister. England. "Ein neues Einbürgerungsgesetz, das am 1. Januar 1915 in Großbritannien in Kraft tritt, gibt dem Staatssekretär des Innern Vollmacht, Einbürgerungsscheine, bei denen der Verdacht besteht, daß sie unter Vor spieglung falscher Tatsachen erlangt wurden, zurückzuziehen. Das neue Gesetz erkennt Per sonen, die innerhalb des britischen Weltreiches geboren wurden, sowie Personen, die im Aus lande geboren wurden, deren Väter jedoch britische Untertanen sind, ferner auf britischen Schiffen Geborene als britische Untertanen an. Als für die Einbürgerung geeignet zu be trachten sind Personen, die nicht weniger als fünf Jahre auf britischem Gebiete gelebt oder im Dienste der britischen Krone gestanden haben. Eine solche Person muß unbescholten sein, genügende Kenntnisse des Englischen be- sttzen und die Absicht haben, wenn die Ein bürgerung gewährt wird, auf britischem Ge biet zu wohnen oder in den Dienst der Krone zu treten, beziehungsweise diesen Dienst fort« zuietzen. Eine eingebürgerte Person besitzt alle Rechte eines britisch geborenen Untertanen, kann jedoch nicht Mitglied des Parlaments werden und ist auch von verantwortlichen bürgerlichen und militärischen Ämtern ausge schlossen. Schweiz. "Das schweizerische Handelsdepartement veröffentlicht eine Tabelle, die zeigt, wie sehr die Einführ in den ersten drei Kriegs monaten zurückging. Die Ziffern weisen über zeugend nach, daß die Schweiz ihre eignen Bedürfnisse nicht decken konnte und daß dahei die Behauptung, sie bezöge Waren für andere Staaten, gänzlich unhalt bar ist. Die Tabelle weist auch darauf hin, wie schwer die schweizerische Volkswirtschaft unter den Einfuhrschwierigkeiten leidet, die bei Fortdauer zur Arbeitseinstellung in den verschiedensten Industrien führen würden. Portugal. "In Lissabon ist es zu neuerlichen Unruhen gekommen. Mehrere Personen wurden verletzt, die Führer der Arbeiter- fyndikats verhaftet. Für die Regierung wurde in der Abgeordnetenkammer ein Vertrauens votum mit 63 gegen 39 Stimmen, dagegen ein Mißtrauensvotum im Senat mit 27 gegen 26 angenommen. Balkanstaaten. " Mit großer Genugtuung verzeichnen die Konstantinopeler Blätter die Kundgebung der Albanesen, welche es nach der Ver kündigung des Dschihad als nationale und religiöse Pflicht bezeichnet, den Kamps gegen Serbien an der Seite Osterreich- Ungarns aufzunehmen und die Heiligen Denkmäler von Kossowa vor den Serben zu schützen. Man hofft, daß diese Stimmung da zu beitragen wird, die inneren Zwistigkeiten beizulegen, und man ist gewillt, die Ver gangenheit zu vergessen und den Albanesen die Hand zu reichen, wenn sie am Waffengang gegen den gemeinsamen Feind teilnehmen. Amerika. * Der Präsident von Meriko, Carranza, erklärte, daß die Anwendung oon Gewalt durch die Ver. Staaten infolge der Zustände an der Grenze als ein unfreund licher Akt betrachtet werden würde trotz der freundschaftlichen Motive, in die ein solcher Akt gehüllt wäre. Diese Erklärung stellt die Antwort Carranzas auf eine vom Staats departement in Washington an ihn ergangene Verwarnung dar. Cs braust ein Kuk. 17j Erzählung von Max Arendt-Denart. lForbebn»«.! .Ferchhammer! Wie könnt ihr nur immer wieder —" »Still, still, Anionie! Nimm an, ich hätt' ihn lieb I Wenn einst die Siunde kommt, auf die ich seit so langen Jahren hoffe, wo er sein Unrecht einsieht, werde ich leinen bessern Freund haben als ibnl", »Aber bis dahin?" »Bis dahin werde ich meine Pflicht tun. wie er die seine zu tun glbubt. Pflicht erfüllung ist eine seltsam — heilsame Trö sterin." Der Wächter verkündete die erste Morgen stunde. Hinter Hohen-Neuendorf wogte noch immer der Kampf, und ohne Unterlaß zogen deutsche Truppen in Grabow ein. dem ungewissen Schicklal, dem Steg oder dem Heldentod ent gegen. Was waren alle die Einzelschicksale, die sich hier wie wo anders erfüllten, gegen das Schicksal, um das jetzt der Kampf mit dem eingedrungenen Feinde geführt wurde? über Anton Ferchhammer kreiste, als er über den Hang schritt, ein deutsches Flugzeug, das mit der Erde Lichtsignale tauschte, an scheinend mit den Truppen, die jenseits Neuen dorf in der Ebene im Kampfe standen. „Das Sinnbild der neuen Zeit! —" dachte Anton Ferchhammer. 8. Es war ein trauriger Rückzug, den die .Grande Armee" aus Lem Elsaß antrat, noch ehe die französische Verwaltung zeigen konnte, wie ganz anders sie die Leute an Len Vogesen- abhängen glücklich machen wollte, als es nach ihrer Meinung die deutsche Regierung tun konnte. Ein Armeekorps mit einer Reservediviston hatte in Hohen-Neuendorf im Kampf ge standen. und nun war ihre Stellung, die mit allen Hilfsmitteln der Natur und der Strategie befestigt worden war, von den Deutschen mit stürmender Hand genommen worden. Zwar stand die Schlacht noch in breiter Front, die sich südlich von Remiremont jenseits der Grenze bis nach Mülhausen hinzog, das die Franzosen noch besetzt hielten. Aber die vordere Linie» besonders der linte Flügel, der in das Elsaß eingefallenen Armee war ge schlagen und befand sich hier auf dem Dreieck Neuendorf, Grabow, Hohenlindow in flucht artigem Rückzug. Zunächst waren Infanteriekolonnen ange rückt in endlosem Zuge, wie sie aus den Schützengräben zurückgenommen worden waren: denn noch immer, als bereits die Bayern im Handgemenge um einige Befesti gungen waren, versuchte die Kavallerie, die zu spät angesetzt worden war, das Gefecht zu halten. Aber alle Anstrengungen waren ver geblich. Der Artillerie blieb nichts übrig, als den Rückzug der Abteilungen zu decken. Aber auch sie erlitt ungeheure Verluste, und von 62 Geschützen mußte sie neun auf dem Schlachtfeld lassen, und die Sieger eroberten noch dreißig. Erst weit hinter Alt-Tornei kam der end lose Zug mm Stehen. Der Oberbefehlshaber hatte Las Kommando zum Sammeln Ler Kolonnen gegeben — Hohenlindow und die Dörfer sollten gehalten, zugleich aber die Kreis stadt und die nahegelegene kleine Garnison in aller Eile befestigt werden, um den An marsch größerer Streitkräfte aus Belfort zu verschleiern. Ermüdet von dem langen Kampfe, zer rüttet durch Lie Niederlage, voller Wut auf die Sieger und — auf die eignen Führer, so hielt die geschlagene Armee auf der Land straße zwischen Ält-Tornei über Grabow hin aus bis nach Hohenlindow. Aus der Ferne scholl regelmäßig der Kanonendonner herüber, ein schwerer Nebel senkte sich auf die Niede rung und es regnete — zum ersten Male seit nahezu drei Wochen. An irgendwelche Ord nung in den Truppenmassen war nicht zu denken. Weder der kommandierende General, der auf höheren Befehl mit dem Stabe in Hohenlindow geblieben war, noch die Offiziere dachten daran, daß diese Menschenmasse nur gezügelt und gebändigt werden konnte, wenn sie selbst mit gutem Beispiel vorangingen. Sie waren nicht mehr Herren ihrer selbst. Der gepriesene französische Elan, der an der deut schen Tapferkeit und Wachsamkeit zerschellt war, hatte sich fast in das Gegenteil ge wandelt. Die Eitelkeit der Franzosen hatte, als der Einfall in das Elsaß so glatt vonstatten ge gangen war, schon mit dem Vordringen auf Berlin gerechnet. Wer seine Hoffnungen über spannt, muß mit Enttäuschungen rechnen, soll nicht Mutlosigkeit ihn beim geringsten Miß erfolg befallen. Die Heeresleitung hatie in daS Elsaß ihre besten Truppen geworfen, weil man sich von einer Besetzung der im Frankfurter Frieden verlorenen Gebiete einen besonderen morali schen Erfolg versprochen hatte. Wie einst vor 44 Jahren scholl es aus den Reihen der Sol daten, klang es unter den Offizieren wider: »Wir find verraten!" Auf Lem Kiesweg, der durch den Hohen« lindower Park führte, stand Major d'Esträe, der Vetter jenes Chevaliers, der die französische Regierung in dem Glauben ge wiegt hatte, daß das ganze Elsaß sich gegen die deutsche Herrschaft erheben würde, wenn Frankreichs Truppen die Grenze überschreiten würden. Aber die Rechnung stimmte nicht. So kam es, daß die Ent täuschung sich zu dem Gedanken verdichtete, daß Verrat im Spiele gewesen sein müsse, als man hinter Hohen-Neuendorf auf dem Wege nach Berlin auf deutsche Streit kräfte traf. Major d'Esträe sann nach. Er dachte an seine schöne Verwandte, die ihm noch Ende Juli geschrieben hatte, daß die kleine Kreis stadt ahnungslos sei, und daß sie es durch gesetzt hatie, die Schlüssel der kleinen nahe gelegenen Festung, die die Vogesenpässe sicherte, von »dem kleinen Husarenleutnant" zu er halten. Der Major stampfte mit dem Fuße auf. Amelie hatte sicher die Franzosen hinter- gangen; denn die Besetzung der Kreisstadt war zwar gelungen, aber die Festung war auf den Überfall vorbereitet gewesen, und an ihre Eroberung war ohne eine langwierige Be lagerung nicht zu denken.
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