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Ottendorfer Zeitung : 18.11.1914
- Erscheinungsdatum
- 1914-11-18
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Privatperson
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-191411180
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19141118
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19141118
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-11
- Tag 1914-11-18
-
Monat
1914-11
-
Jahr
1914
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 18.11.1914
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^sack Libirien verschickt. Deutsche und österreichische Kriegsgefangene. — Das russische Gesetz. Zu der Verschickung Deutscher und Öster reicher nach Sibirien schreibt ein mit den russischen Verhältnissen genau vertrauter Balte: In einem Schweizer Blatt — das sich neben anderen russischen Maßregeln über die Ver schickung von kriegsgefangenen Deutschen und Österreichern und sonstigen beim Ausbruch der Feindseligkeiten zufälligerweise in Rußland weilenden Angehörigen dieser beiden Nationen «ufhielt — erschien eine Richtigstellung der russischen Gesandtschaft zu Bern, worin diese mitteilte, „daß laut den Gesetzen des Zaren reiches nur gerichtlich dazu Verurteilte nach Sibirien verschickt werden". Dieser Äußerung der Zarenverlretung trat eine der deutschen Gesandtschaft in Bern nahestehende Stelle ent gegen und führte in dem gleichen Blatte, das die russische Richtigstellung gebracht, neben anderem aus: «Daß nach russischem Gesetz nur gerichtlich Verurteilte nach Sibirien ver schickt werden, wird wohl zutreffend sein.- Aus dieser Tatsache den Schluß zu ziehen, daß die deutschen Festgehaltenen sich nicht aus dem Wege nach Sibirien befinden, dürste federn Kenner russischer Verhältnisse einiger maßen kühn erscheinen." Die Richtigstellung der russischen Gesandt schaft zu Bern entspricht durchaus den Tat- fachen, nur hat sie den einen Fehler, leicht irre zu führen. Nach den Gesetzen des Zaren reiches können nämlich wirklich nur Personen nach Sibirien verschickt werden, die das Gericht dazu verurteilt hat, also überführte Verbrecher. Das sind aber unsere und unserer Bundesgenossen Volksangehörige, die das Unglück haben, setzt in Rußland weilen zu müssen, doch selbstverständlich nicht, sondern nur Kriegsgefangene, und wie man noch so schön zu sagen pflegt, zurückgehaltene Ange hörige feindlicher Staaten. Ihnen könnte also demnach unmöglich Sibirien droben. Das Gesetz aller, durch das ausschließlich den ordentlichen Gerichten und nicht der Ad ministration, wie es übrigens bis vor ein paar Jahren der Fall war, das Recht'zur Verhängung, der Strafe oder Maßregel der Verschickung einräumt, bezieht sich nur aus „ruhige Zecken". Solche glücklichen Verhält nisse gibt es aber eigentlich nie - in Rußland : fast ständig herrscht dort, schon wegen der „inneren Feinde", „verstärkter Schutz" öder sogar „Kriegszustand". "In Petersburg, Polen, dem Kaukasus Und noch in verschiedenen anderen Gebieten.immer.. Dann aber ist die Administration allmächtig, kann ohne weiteres di? Verschickung und ähnliche Strafmaßregeln verhängen. 7 . - - . Daß jetzt in Rußland keine sogenannten „ruhigen Zeiten" sind, da sich das Reich im Kriegszustand befindet, ist selbstverständlich. Deshalb find alle dort befindlichen Personen, und somit auch unsere und un erer Bundes genossen Angehörige rechtlos, unterstehen voll- ständig der Willkür der Administration. Von Mb unÄ fern. Englische Schlauberger. Nachdem die Maßregeln bekannt, geworden waren, die die deutsche Regierung gegen die Engländer aus- zuführen beabsichtigte, hatten sich 16 Eng länder aus Frankfurt a. M. bei der Regie rung in Wiesbaden gemeldet, um sich ein bürgern zu lassen. Die Behörde hat dieses Gesuch übgelehnt. Infolgedessen wurden in Franlsurt 16 weitere Engländer verhaftet und nach dem Gefangenenlager in Ruhleben ge bracht. Beschlagnahme deutschen Eigentums. Unter dem von der französischen Regierung beschlagnahmten Eigentum des deutschen Juweliers Nachmann in Paris soll sich der kostbare Perlen- und Edelsteinschmuck der Köni gin von Portugal, Maria Pia, der Großmutter Manuels, befinden. „Ersatz Emden." Die .Magdeburgische Zeitung' veröffentlicht einen Aufruf zugunsten einer Nationalspende zum Ersatz der „Emden". Als Grundstock wurden fünfhundert Mark ge zeichnet. Kriegssvende der deutschen Turner. Der Betrag der von der oeutfchen Turner schaft gesammelten Beiträge, die dem Roten Kreuz und anderen Wohlfahrtseinrichtüngen zugute kommen, beträgt' über eine Viertel million Mark. Außerdem Haven viele Turn vereine ihre eigenen Turnhallen dem Roten Kreuz zu Lazarettzwecken zur Verfügung ge stellt. Andere Vereine haben für die Ein richtung gesorgt. Keine militärischen Ehren für ver storbene Engländer. Der Landeskrieger verband Lübeck bat beschlossen, den in Lübecker Lazaretten verstorbenen Soldaten die mili tärischen letzten Ehren zu erweisen. Sterben in den Lazaretten Kämpfer der französischen, belgischen oder russischen Armee — im großen Barackenlager und in den Lazaretten liegen neben Engländern viele Verwundete dieser VolkswirtlNaMickes. Gesundes Wasser auf der Eisenbahn. Die Abgabe eines einwandfreien Trinkwassers auf der Eisenbahn hat jetzt der Minister der öffentlichen Arbeiten durch eine besondere Ver fügung an die Eisenbahndirektionen und die Eisenbahnkommissare sichergestellt. Wegen des Krieges muß, sagt die Verfügung, mit allem Nachdruck auf die strengste Befolgung aller Vor schriften hinaenur t werden, die der Entstehung und Ausbreitung gemeingefährlicher oder sonstiger ansteckender Krankheiten oorbeugen. Dazu ge hört die Verloroung mit Trinkwasser des reisenden Publikums wie der Bediensteten der StaatseiienbahnverwaltuNg. Das Wasser muß überall völlig einwandfrei sein. Der Minister bringt deshalb ältere Vorschriften über die Er- Tum dntergäng cier „bmäen". Franz Josef Prinz von Hohenzollern Fregattenkapitän von Müller Bei allem Schmerz, der uns bei der Kunde vom Untergang unserer „Emden" erfaßte, ist es doch ein Trost, daß ihr tap erer Kommandant, Fregattenkapitän v. Müller, zu den Geretteten gestört. 200 brave Seeleute haben zu Deutsch lands Ruhm und Ehre ihr Leben eingebüßt, 30 sind verwundet worden. Sie sind ihrer Pflicht getreu geblieben bis in den TM, das dankbare Vaterland wird sie für alle Zeiten zu seinen besten Helden öhnen zählen. Auch der Feind versagt den Tap eren feine Anerkennung nicht, die englische Admiralität hat angeordnet, saß den überlebenden der „Emden" alle mili tärischen Ehren zu erweisen sind, und daß der Kapitän sowie die Offiziere ihre Säbel behalten. Auch Leutnant zur See Franz Joseph Prinz von Hohenzollern, der auf der „Emden" diente, ist gerettet worden. Er war Offizier vom 15. No vember 1913 und ist als drittes Kind und zweiter Sohn des Fürsten von Hohenzollern aus girier Ehe mit' der Prinzessin Maria Theresia von Bourbon-Sizilien am 30. August 1891 geboren. Nationen -,.io soll auch solchen ein letztes militärisches Geleit gegeben werden. Einstim mig adgelehnt wmde eine Beteiligung des Landeskriegerverbandes bei der Beerdigung verstorbener Engländer. ' Der jüngste Leutnant der Armee ver wundet. Der 1ö'/t Jahre alte Leutnant Kubaschek wurde durch einen Granatlchu': ver wundet und mit einem Transport aus Frank reich nach Heidelberg gebracht. . Sein Bursche wurde neben ihm von der' gleichen Granate Zerrissen. Der junge Leutnant trägt seine Verwundung mit gutem Humor und sprach die Hoffnung aus. 'mlt 39 Jahren schon General zu sein. -- - Ein Zigeuner — Ritter des Eisernen Kreuzes. Auch ein Zigeuner hat sich das Eiserne Kreuz erworben. Es ist dies' der Zigeuner Paul Diek aus Neukölln, der im Reserve-Jntanterie-ReLiment N^ reich gekämpft hat. . . Durch „Kriegsschrvätzer" in den Tod getrieben. Eine traurige Folge haben die Gerüchte gehabt, die iw der letzten Zeit über die angeblichen Verluste des Bunzlauer Land sturms in Russisch-Polen verbreitet worden sind. U. a. wurde auch erzählt, daß ein In stallateur aus Bunzlau gefallen sei. Obgleich eine amtliche Bestätigung dieser Nachricht nicht vorliegt, nahm sich dessen Schwieger vater, ein hochbetagter Rentenempfänger, die Trauerbotschaft derart zu Herzen, daß er Selbstmord durch Erhängen beging. richtung von Bahnmasserwerken und die Wasser- untersuchung in Erinnerung. Die Eiftnbahn- direktionen. werden angewiesen, in iürzefier Frist sich darüber von neuem Gewißheit zu verschaffen, daß Vie Abgabe von einwandfreiem Trintwaiser sichergestellt ist. Ergeben sich irgendwelche Zweifel an einzelnen Stellen, so soll ohne Verzug lür eine Abstellung Sorge getragen werden. Die Ei en- hahnkommissare sind angewiesen, die Privatbahnen mit gleicher Weitung zu versehen. GerMtSkaile. Köslin. Die hiesige Strafkammer verurteilte -den früheren Heinrich Th 01man n, der sich mit gesät chten Zeugnis abschriften und mit gleichfalls gefälschten Emp fehlungen als angeblicher ' Gerichtsaffefsor Dr. Alexander lm Jghre 1913 die Stelle eines zwecken Bürgermeisters in Köslin zu er schleichen verstanden hat, wegen Belruaes und Urkundensälschunq zu einem Jahr vier Monaten Gefängnis: ThvrmMkn hatte in RöHlin die Jugendpflegesachen zu bearbeiten. Die Stadt Köslin plänjehM Jugendheims am städtbckem Gelände, und. vom Magistrat war zu dieem Zweck eiste größere Summe zur Ver fügung bestellt worden. Thormann hat zweimal mit Auwei ungen, die er iür einen angeblichen „Architekten Johannsen aus Stettin" ausstellen ließ, der aber weder in Stettin nach anderswo existiert, von der Köstmer Stadtkasse einmal 346 Mark und dann 500 Mark .. abgehoben und zur Bezahlung privater Schulden verwendet. Der „fälsche Bürge, meister" hatte zunächst sämtliche Richter des Landgerichts Köslin wegen Befangenheit abgelehnt. Er begründet Lies damit, daß er während seiner amtlichen Tätigkeit in Köslin dienstlich und außerdienstlich mit den Kösliner Richtern zu tun gehabt habe und daß dNe nun gegen ihn erbittert seien. Das Ab- lehnungsgeiuch wurde vom Oberlandesgericht Stettin als unbegründet zurückgewiesen, da sämt liche Rickster erklärt hatten, daß sie sich nicht be fangen fühlten. Gegen den Untersuchungsrichter, Landrichter Henschel, stellte Thormann noch einen besonderen Ablehnungsantrag, der aber auch ver worfen wurde. TM" spielte der Exbürgermeister in der Untersuchungshaft den „wilden Mann". Er wurde schließlich sechs Wochen lang auf seinen Geisteszustand untersucht. Die Vrovinzialheil- anstalt Stralsund bezeichnet ihn aber als Simu lanten. — Wegen feiner vielen anderen Schwin deleien wird sich Thormann - Alexander vor dem Schwuraericht zu verantworten haben. Ariegsereignisle. 7. November. Tsingtau fällt nach drei monatigem Widerstande in die Hände der Japaner und Engländer. - Am We rand der Argonnen wird eine wichtige Höhe bei Vienne le Chateau, um die wochenlang ge- -kämp i worden isst genommen. Dabei wer- , den zwei Geschütze und zwei Maschinen- aewebre erbeutet. — Im Raume von Krupanj erstürmen die Österreicher mehrere Sckanzen. 8, November. Die Türken überschreiten die ägyptische Grenze. — Die Österreicher er- stüimen den Kostainik. — Feindliche Schiffe beschießen unseren rechten Flügel, werden aber durch unsere Artillerie vertrieben. — Unsere Angriffe bei Upern schreiten vor. — Im Osten wiid ein Angriff starker russischer Kräkte nördlich des Wysztyter Sees unter schweren Verlusten für den Feind zurückge» . schlagen. Die Rusten lassen über 4900 Mann als Gefangene und 10 Maschinengewehre in unseren Händen. — An der kaukasischen Grenze wird oie russische Armee nach zwei tägigem Kampie voll ommen geschlagen. 9. November. Bet Vpern werden 500 Fran zosen, Farbige und Engländer gefangenge nommen. — In Russpch-Polen bei Koriin zersprengt unsere Kavallerie ein russisches Bamuton, 500 Mann gelangen, acht Maschinengewehre erbeutet. 10. November. Der ausnändiscke General Dewet schlägt eine englische Regierungs- - truppe in Süvasrika. — Die Österreicher dringen weiter in Serbien vor. 11. November. Die Deutschen nehmen Dix- muiden im Sturm und machen 500 Ge- sangene. — Westlich Langemark werden 2000 Franzosen ge angengenommen. — Süd lich Dpcrn w'rd der Feind aus St. E>oi ge- worien. 1000 Gegangene werden dabet ge macht. — Gegenangriffe der Engländer bei Armentiöres scheitern, ebenfalls Vorstöße der Franzosen in den Argonnen unter großen Verlusten für sie. — Die Türken dringen im englischen Agypien vor, be etzen Scheck Sor, den befestigten Hafen El Ariih und nehmest vier Feldgeschütze. — Die Österreicher «chlagen die Rusten unter großen russischen Verlusten bei Czernowitz zurück. — Der deutsche kleine Kreuzer „Emden" wird von der Besatzung bei einem Kampf mit über legenen seindlicken Kräften bei den Kolos« insetn auf Land geletzt und verbrannt. — Der deutsche kleine Kreuzer „Königsberg" wird von einem großen englischen Kriegs- fchiff im „Rufidschi-Flutz" (Deutsch-Ostafrika) blockiert. — Untergang eines japanischen Torpedoboots vor Kiautschou durch Auf laufen auf eine Mine. — Österreichischer Steg gegen die ServeN. 4300 Gefangene gemacht, 16 Maschinengewehre, 28 .Ge schütze erbeutet. 12. November. Das östliche Dserufer bis zur See ist vom Feinde geräumt. — Äuf dem östlichen Kriegsschauplatz wirft deutsche Kava.erie überlegene russische Kavallerie östlich von Kalisch zurück. - Ein demjcheH Unterseeboot vernichtet tm Kanal aus ocr Höhe von Dover das englische Kanonen-' boot „Niger" — In Konstantinopel er scheint das Jtade des Sultans, in dem die s Türkei den Krieg mit Rußland. Frankreich und England verlündigt und alle Moham medaner zur Krtegsfolge ausgesorüert mich ehrenvoll; aber es erschwert mir den Ab schied und — kann doch an meinem Entschluß aichts ändern." „Etwas langsam, Verehrtester, wenn ich bitten darf. Zunächst ist also festgesiellt, dxrß Sie nach wie vor gern Offizier sind. Dennoch kann nichts ihren Ent schluß ändern, das Ehrenkleid auszuziehen. Das ist eine merkwürdige Geschichte. Ich habe natürlich nicht das Recht, in Sie zu dringen und Ihnen Ihr etwaiges Ge heimnis zu entreißen. Wenn Sie nicht sprechen wollen, kann niemand Sie zwingen. Aber, Herr Leutnant, ich bin nicht nur Ihr Vorgesetzler, und sehe Sie als solcher ungern scheiden, wie jeden tüchtigen Soldaten, ich bin auch Ihr Freund, bin ein Mensch,,dem nichts Menschliches fremd ist, der selber durch eine harte .Leidensschule ging und der erst mühsam lernen mußte, sein heißes Blut zu zügeln und sich auf Kandare zu reiten." Und da der andere noch immer schwieg, drängte er: „Carsten, wollen Sie nickt einem väterlichen Freund vertrauen, was Sie dem Vorgesetzten verschweigen zu müssen glauben?" Unier diesen Worten fiel es wie eine Last voy der Seele des jungen Osstziers. Ihm war, als hätte er plötzlich dennoch einen Weg entdeckt, auf dem sich Pflicht und Liebe ver einigen ließen. Und wo widrige Schatten diesen neuen Weg überdunkelten, konnte ihm der Mann da vor ihm ein Führer, Helfer und Berater sein. Mit der ganzen Hoffnungs- lähigkeit der Jugend glaubte er plötzlich an einen Ausweg aus dem Labyrinth, in das Leichtsinn, Lebenshunger und Leidenschaft ihn verstrickt hatten. Und so begann er: „Herr Oberst wollen mir liebenswürdigst gestatten, weit auszuholen, um meine jetzige Lage zu erklären." Und als der joviale Graulopf mstimmend nickte, fuhr Eowm fort: „Wie Herr Oberst wissen, waren wir vier Brüder." „Ich weiß, der Zweitiüngste, der wohl zwei oder drei Jahre jünger war als sie, stand bei den reitenden Jägern," warf Herr von Rauppach ein. „Ganz recht! Es ist in umerm Hause uralte Familienlradition, dem Kaiser zu dienen. Mit Stolz blicken wir Hohenltnvower im großen Empmngssaale unseres Herrenhauses aus 17 Bildnisse von Helden aus der Familie Carsten, die ihre Vaterlandsliebe und ihr Pflichtgefühl mit dem Tode aus Ler Wahlstait besiegelten. Die Carstens waren — so heißt es bei uns daheim — immer musterha t im Dienst. Auch mein Bruder Theo. Bis dann eines Tages das große Erlebnis der Liebe Über ihn kam. Und da gav's kein Halten mehr. Die Enttäusckung verwand er innerlich nicht, und so ward er äußertich ein völlig anderer. Er begann über jein Leben nack- zuüenken und empfand plötzlich seine ihm einst so liebe Garnison an der Grenze als einen Ort der Verbannung. Gewiss, er fügte sich auch jetzt noch der eisei nen Strenge des Dienstes; aber irgend ein Ts opfen nicht rasse reinen Blutes ward in ihm lebendig. Der Lebenshunger, an dem man früher oder später scheitert, kam über ihn. Und erstes Tages halte er abgewirtschastet. Niemand wusste es. Nur wir-daheim. Tränen sind nicht die Art der Carsten. Aber obwohl er an jenem Lage hart blieb wie unsere Vor-' fahren im feindlichen Feuer, in feiner Stimme, zitierte elwas von einem uneingestandenen! Geheimnis. Nicht aus Mitleid mit ihm, son-^ dern um den Namen makelfret zu halterst ward alles gedeckt: aber den Abschied sollte er nehmen. Er erbat eine Frist; sie wurde ihm gewährt. — Vier Wochen später war er im Duell gekästen. Blut wäsckt alles ab. Aber, Herr Oberst, daheim blieb die Sorge zurück, die — Sorge um mich." Er schwieg einen Augenblick, als müsse er sich sammeln, um nun von sich zu reden. „Auch ich war schon, als ich noch zur Schule ging, einer, der sich nicht mit Car lewchem Geiste vertrug. Kurz vor der Reifeprüiung, als mein Vater mit mir zum erstenmal von meiner Offiziersmusbahn svrach, wagte ich ihm den Wunsch auszusprecyen, er solle mich Maler werden lassen. Nie werde ich sein Gesicht ver gessen, nie den Ton, mit dem er sagte: »Was, du ein Carsten Karbenkleckser ? Unmöglich l" Ich habe den Traum begraben una alle Wünsche erstickt durch tägliche Mahnung zur Pflicht. Ich ward Soioat und lernte meinen Beruf lieben. Heute lann ich mir kaum ein Leben ohne ihn denken. Aber, Herr Oberst, auch üoer mich ist jener Dämon unbesonnener LevenssehNiUckt und zugleich jenes große Er lebnis der Liebe gekommen." „Carsten l" unterbrach ihn der Oberst. „Sie, der Mann, den ich zu meinen verläßlichsten zähle?" Edwin nickte. „In einsamen Nächten habe ich Mick aus meinem Lager gewälzt und mit mir gerungen. Aber irmmr und immer wieder zog es mich zum grünen Tisch. Bis " auch das letzte verspielt war, bis ich einmal. zweimal, dreimal Schulden gemacht habe, die von, denen daheim gedeckt wurden. Und dazu , kam, daß mich die Leidenschaft meiner Liebe vollst indig gefangen nahm und — noch ge fangen, hält," fügte er rögernd hinzu. Der Oberst war an das Fenstet getreten und sah hinaus, Mdie Landschaft^ Horizont, jenseits des Höhenzuges, der sich ' hier vom Gebirge zum Flußtal hinabsenkte, lag das französische Spei nort. Sinnend blieb das Auge des Kommandeurs auf den Licht-. reflexen haften, die die Sonne auf die weite Ebene warf. In das bange Schweigen kiang das Tuk-tack der silbernen Standuhr aut dein Kamin. Endlich wandte sich der Oberst um. „Carsten," sa fte er, und es klang all die . Weichheit aus seinen Worten, die Herr von Rauppach unter seiner rauhen Außenseite barg, „das alles find Dinge, die wohl ein jeder einmal durchgemacht hat. Den einen packt eS heftiger wie den anderen. Nur das Herz muß rein und die Seele unbe rührt und das Schild der Ehrenhaftigkeit un befleckt bleiben. Daraus, daß Sie hier sitzen und so ungeschminkt gebeichtet hauen, sehe ich, daß das alles noch intakt ist; denn ehrlos kann kein deutscher Offizier leben. , Warum also wollen Sie sort?" „Es ist der unwiderrufliche Entschluß der Meinen, Herr Oberst." Herr v. Rauppach strich fich über die Stirn, als wollte er da eine Wolke des Unmuts verscheuchen. Ein leises Unbehagen beschlich ihn; denn er witterte UnemgestandeneS. n» « (Fortsetzung solgi.)
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