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Das laue bnglanä. In Frankreich mehren sich die Siimmen, die auf Englands laue Unterstützung schelten. Ein hoher Diplomat hat an den Herausgeber einer englischen Zeitung einen Brief gerichtet, in dem er diesen allgemein erhobenen Vor wurf begründet und der fetzt in verschiedenen Londoner Blättern veröffentlicht wird. Darin heißt es u. a.: »England muß Anstrengungen machen, die seiner Sache und der Anstrengungen seiner Verbündeten würdig lind! Darf ich Ihnen sagen, daß eine große Mehrheit der Franzosen täglich dasselbe sagt? Frankreich lebt nur für den Krieg. Sein Volk, sein Geld und seine Verkehrsmittel stehen alle im Dienste des Krieges. Unsere Fabriken sind geschlossen, unser Handel ist gleich null. Wir haben nur einen Gedanken, nämlich, daß unsere 2 600 000 Mann Deutschland zu Boden schlagen. Was tat England? England sandte uns 200 000 Mann und erließ einen Aufruf an leine Söhne. Das auf dem Festlands kämpfende englische Heer stellt noch nicht die Hälfte der Franzosen dar, die bereits kampfunfähig sind. Ihr Ausruf für Rekruten erreichte, daß von der Bevölkerung von 40 000 000 bis jetzt 600 000 kriegstaugliche Männer meinen, das Leben auf dem Schlachtfelds riskieren zu sollen, wo das Schicksal ihres Landes auf Lem Spiele sieht. Jeden Tag proklamierte die englische Presse die absolute Notwendigkeit, Deutschland zu vernichten. Die Zeitungen sagen in glänzenden Artikeln, England werde ein, zwei, drei, und wenn es nötig, zwanzig Jahre kämpfen und eine, zwei, sogar drei Millionen Soldaten ausbringen. Die Erklä rungen verraten die besten Absichten. Aber wenn Sie viel Soldaten auibringen können, so tun Sie es sofort im Interesse Ihres und unseres Landes. Der Verfasser des Briefes entwirft sodann An Bild der Kriegslage und sagt, die Nieder lage der Verbündeten hätte für England schwerere Folgen als für Frankreich. Eng land müsse wissen, daß seine Flotte Deutsch land und Österreich nicht hindern würde, durch neutrale Nachbarländer Lebensmittel zu erhalten. Es müsse wissen, daß der Krieg nicht länger als ein Jahr dauern könne, da die Staaten nicht Mittel haben würden, die Lasten zu tragen. England sei unfähig, den Krieg allein fortzusetzen, den es nicht ohne Frankreich und Rußland führen könne, da die Entscheidung zu Lande und nicht zur See fallen werde. Was solle also England tun? Es solle die allgemeine Wehrpflicht für das Alter von 19 bis 48 Jahren in England und den Kolonien einsühren. Dann könne England hoffen, Berlin zu erreichen und Deutschland zu vernichten. Aber dazu gehörten Opfer. Sie mögen selbst urteilen, so schließt der Ver fasser des Brieses, ob es recht ist, daß Ihre Handlungsgehilfen an ihren Pulten bleiben, Ihre Landwirte auf den Feldern, daß Ihre Fabrikanten die Zeit benutzen, sich des deut schen Handels zu bemächtigen, daß Ihre Theater und Musikballen offen bleiben, während in Frankreich alle Männer von 19 bis 48 Jahren im Kriege sind und die französi schen Familien ohne Ausnahme Trauer tragen. Ich wiederhole: Wenn die Unsrigen im Feuer stehen, warum nicht die Ihrigen?" ^on LMÄ fern. Engländer gegen Engländer. Die eng lische Kolonie in Frankfurt a. M. hat an Lord Roberts und das .Home Office' in London folgendes Telegramm gerichtet: Im Namen Ler zahlreichen in Frankfurt und Umgebung sich aufkaltenden britischen Untertanen, die sich ungehindert hier bewegen dürfen, erheben wir Einspruch gegen jede harte und unbe rechtigte Behandlung der Deutschen in Eng land. die gegen alles Herkommen in unserem Lande verstoßen würde. Zum zweiten Male das Eiserne Kreuz. Generalmajor Oscar Sachs hat sich zum zweiten Male das Eiserne Kreuz erworben. Schon 1870/71 wurde er damit ausgezeichnet. In den langen Friedensjahren hatte er das Schwert mit Pinsel und Palette vertauscht, aber gleich zu Beginn dieses Krieges erwachte der alte Soldatengeist wieder in ihm: er griff von neuem zum Degen und kämpfte dann unter Hindenburg an der Spitze einer Brigade so tapfer gegen die Ruffen, daß er jetzt mit dem Eisernen Kreuz erster Klaffe und vom Kaiser Franz Joseph durch das Militärver- dienstkreuz mit der Kriegsdekoratton ausge zeichnet worden ist. Kricgssammlung einer Opernsängerin. Die Münchener Hosopernjängerin Frau Char les Cahier hatte sich an die Einwohner der amerikanischen Stadt Indianapolis, in der sie ausgewachsen ist, gewandt und in einem Artikel Ler dortigen Zeitungen ihren Lands leuten von unserem gerechten Krieg, von den Haß und der Grausamkeit unserer Feinde er zählt und um Unterstützung der Frauen und Kinder unserer Soldaten gebeten. Dieser Aufruf ist von Erfolg gewesen. Bisher sind 36 000 Dollar gesammelt worden. zahlenzulaffen, bis diebetreffenden Kriegsteilnehmer in den Genuß einer Militärrente treten, d. h. bis zu dem Zeitpunkte, zu welchem sie den ersten Betrag der Militärrente tatsächlich abheben. In gleicher Weise soll auch den Hinterbliebenen der im Kriege Gebliebenen oder infolge einer Ver wundung oder Kriegsdienstbeschädigung Ver storbenen die Kriegs- amilienunterstützung weiter gewährt werden, bis die Bewilligungen auf Grund des Militär-Hinterbliebenengejetzes tat sächlich zur Hebung gelangen. Bei einer ver späteten Zahlung der Militärbezüge soll von einer Rückforderung der Familienunterstützungen abge sehen werden. Entschädigungen der Ostpreußen. Die vielfachen Schädigungen der Ost preußen haben es notwendig gemacht, ganz bestimmte Richtlinien aulzustellen, nach denen die Entschädigungen durchgeführt werden Veuticke Gruppen in einer 8tra6e von Rlankenbergbe. An der belgischen Nordseeküste stehen jetzt deutsche Truppen auf der Wacht, dis in Ostende, der berühmten Königin der Seebäder, und in dem freundlichen Fischerstädtchen Blankenberghe, das nächst Ostende Belgiens besuchtester Kurort ist, als kriegerische Badegäste Einzug gehalten haben. Schärfer Ausguck wird auch auf englische Minen gehalten, von denen schon mehrere, die sich von ihrer Verankerung losgeriffen hatten, an den Strand aelpült worden sind. Zurückgcnommene Ausweisung. Der sozialdemokratische Schriftsteller Dr. Adolf Braun, der im Jahre 1898 als Redakteur am .Vorwärts' aus Preußen ausgewiesen worden war, hat die Mitteilung erhalten, daß seine Ausweisung nunmehr zurückgenommen sei. Dr. Adolf Braun leitet zurzeit ein sozial demokratisches Blatt in Nürnberg. Auf dem Liebesgabentransvort ge tötet. Der aus Recklinghausen stammende Tiefbauunternehmer Franz Karl hatte einen Liebesgabentransport nach Frankreich gebracht und besichtigte einen Teil des erst vor einigen Tagen vom Feinde geräumten Schlachtfeldes. Mehrere Herren standen in einer Gruppe zu sammen, als plötzlich eine französische Granate herangesaust kam und den Unter nehmer auf der Stelle tötete. V olksWirtsedLMiLbes. Zahlung von Familieunnterstützungen. Der preußische Minister des Innern hat sich veran laßt gesehen, auf die Bestimmungen des vierten Absatzes des § 10 des Gesetzes, betreffend die Unterstützung von Familien in den Dienst einge tretener Mannschaften, vom 28. Februar 1888 (4. August 1904) hinzuweisen, wonach die Unter stützungen dadurch nicht unterbrochen werden, daß die in den Dienst Eingetretenen als krank oder verwundet zeitweilig in die Heimat beurlaubt worden sind. Handelt es sich um Kriegsteilnehmer, die nichl wieder felddienstfähig geworden sind, so unterliegt es keinem Bedenken, die Familienunter stützungen im Falle des Bedürfnisses solange weiter können. In erster Reihe kommen die vielen Brandschäden in Betracht, die sowohl an Ge bäuden als auch an beweglichen Sachen von den Russen ausgeführt wurden. Die Ent schädigungen werden eines Teils durch die Kriegshilssauszüge geschafft, soweit nicht eine Ersatzpflicht Lurch die Feuerversicherung besteht. In diesem Falle erfolgt der Ersatz durch die Feuersozietät. Für die landwirt schaftlichen Betriebs mußten nach der be sonderen Art der durch den Krieg hervor- gerusenen Verhältnisse ganz eingehende Richt linien ausgestellt werden. Es werden nur denjenigen Betrieben Vor schüsse bewilligt, die infolge der geringen Be° 'schädigung imstande sind, den Betrieb noch vor Eintritt des Winters wieder aufzunehmen. Darum werden Vorschüsse für Arbeitspferde und für Düngung der Wintersaat, ebenso wie für Pflüge bewilligt. Dagegen sind Vor schüsse jür Scheunenvauten, die augenblicklich nicht notwendig sind, nicht zu geben. Für die Wiederbesetzung der Provinz Ostpreußen mit Vieh hat die ostpreußische Landwirtschasts- kammer Vorsorge getroffen. Es wurden un gefähr 28 000 Stück Rindvieh in mehreren Sammelstellen unlergebracht. Die Verteilung ist bereits erfolgt. Auf dieie Weise wird der jenige Teil der landwirtschaftlichen Betriebe, die ihre Arbeit wieder aufnehmen können, in die Möglichkeit versetzt, auch im Winter tätig zu sein. Auch für die gewerblichen Betriebe sind umfangreiche Vorkehrungen getroffen worden, für Lie solgende Richtlinien in Betracht kommen: Für die kleineren Betriebe können Geldmittel durch die Kriegskreditbank ge währt werden, wenn es sich um Bezahlung der nötigen Waren zur Fortsetzung der Be triebe handelt. Auch für Erhaltung des Haus halts können Vorschüsse gewährt werden. Für Verpflichtungen, die vor dem Kriege ent standen sind, sollen in der Regel Vorschüsse nicht gewährt werden. Größere Betriebe wie Fabrikanlagen usw. werden im allgemeinen bis zur späteren Feststellung der Schädigung ruhen müssen, wenn es sich um erhebliche Kosten handelt. Bei Betrieben, die im all gemeinen Interesse liegen, wie z.Ä. bei Hotels, können Mittel zur notwendigen Anschaffung bewilligt werden. Die Abschätzung der Schäden erfolgt unter Zuhilfenahme von Sachverständigen. So erhält jeder Kreis einen landwirtschaftlichen Wanderlehrer. Erwerbsschwierigkeiten, die nicht mit dem feindlichen Einbruch Zusammen hängen, werden ausgeschaltet. Im allge meinen ist als oberster Grundsatz anzusehen, daß nur das Notwendigste zur Fortfahrung der Gewerbe- und landwirtschaftlichen Be triebe und der anderen Erwerbszweige ge währt werden soll. Vorzugsweise sollen die Unterstützungen in der Verabreichung der not wendigen Betriebsmittel bestehen. AriegsereignMe. 24. Oktober. Schwere Kämpfe am Mer-Dpern- kanal. Deutsche Streitkräfte überschreiten den Kanal. — Englische Schiffe beschießen Ostende. — Russische Angriffe bei Augustow zurückgeschlagen. 25. Oktober. Weitere starke Kräfte derDeutschen haben den Dserkanal an der belgisch-fran zösischen .Küste überschritten. Auch an andern Stellen dringen die Unseren vor. SOO Engländer, darunter 29 Offiziers, wer den gefangen. — Die vereinten deutsch österreichischen Streitkräfte machen bei Iwan gorod 1800 russische Gefangene. 26. Oktober. Französische Angriffe in den Südvogesen werden von den Deutschen zurückgeschlagen. — Zusammenbruch eines französischen Angriffs bei Arras. —Englische Kriegsschiffe beschießen vor Nieuport die kämpfenden deutschen Truppen, werden aber durch deutsche Artillerie vertrieben. Drei englische Schiffe erhalten Volltreffer. — Bei Lille haben die Engländer große Verluste. — Große Verluste der Belgier und Fran zosen in den Kämpfen an der französisch- belgischen Küste, die Deutschen dringen langsam vor. — Deutsche Luftschiffe bom bardieren Warschau. 27. Oktober. Die Deutschen dringen auf dem östlichen Kriegsschauplatz westlich von Au- gustow vor. Die Angriffe der Ruffen süd westlich von Warschau werden zurückge wiesen. — Bei Iwangorod machten die Österreicher bisher 10 000 Russen zu Gefan genen und erbeuteten 19 Maschinengewehre. — Bet den Kämpfen zwischen Toul und Verdun verlieren die Franzosen über 40 000 Mann. 28. Oktober. Die Kämpfe an der belgisch- französischen Küste werden mit großer Heftigkeit fortgesetzt. Englische Kriegsschiffe suchen ohne Erfolg vom Meere aus einzu- greifen. Westlich Lille erringen die Unfern Erfolge. Im Argonner Wald werden feind liche Schützengräben erstürmt und die Be satzungen gefangen. — Aus Petersburg kommt die amtliche Meldung, daß ein russi sches Torpedoboot durch eine Mine vernichtet wurde. 29. Oktober. Deutsche Fortschritte im Ar gonnen-Wald und bei Nieuport und Upern. Zahlreiche Engländer werden zu Gefangenen gemacht, vier Geschütze erobert. — Bei Verdun wird ein französischer Angriff zu- rückgewoven. Dabei wird eine französische Hauptnellung unter starken Verlusten der Franzosen genommen. — Die Kathedrale von Reims muß unter deutsches Feuer ge nommen werden, da die Franzoien dort Artillerie aufgesahren haben. — Auf dem nordöstlichen Kriegsschauplatz (ostpreußische Grenze) sind die Unseren im Angriff. Wäh rend der letzten drei Wochen machten die Deutschen dort 13 SOO Rutzen zu Gefangenen und eroberten 30 Geschütze und 39 Maschinen- ihm, als würde im Wohnzimmer nebenan ge sprochen. Dann ward es wieder still und dann klopfte es leise an die Tür. Er öffnete. Herbert stand vor der Tür und winkte ihm, in das Wohnzimmer einzutreten. In dem herrschenden Zwielicht des Morgens sah er Franz Martini am Fenster sitzen, die Stirn in die Hand gestützt, versunken scheinbar in finsteren Gedanken. Herbert schloß die Tür. »Was macht mein Vater?" fragte er. „Er befindet sich gut, Herr Hammer," ent gegnete Krebs. „Er hat die ganze Nacht ge schlafen. Vor einer Stunde erwachte er, ich reichte ihm zu trinken, darauf ist er wieder eingetchlafen. . ." „Gut, Herr Krebs. Ich wollte Ihnen nur sagen, daß wir ihre Dienste nicht mehr ge brauchen ..." „Aber, Herr Hammer . .." „Ihren Lohn werden Sie richtig ausgezahlt erhalten — dort auf dem Tische liegt er — in einer halben Stunde müssen Sie das Haus verlassen haben," sagte Herbert streng. „Aber . .." Herbert trat dicht an ihn heran und sah ihm fest in die Augen. „Soll ich Ihnen noch nähere Erklärungen geben, Herr Krebs ?" sprach er. und der Wärter hörte erschreckt den drohenden Ton der Worte. -Ich könnte die Polizei rufen und Sie wegen Vernachlässigung Ihrer Pflichten und Be trügerei zur Anzeige bringen — ich verzichte darauf, um Sie nicht ins Unglück zu stürzen. ^>ie werden wohl wissen, weshalb ich Sie torisch icke — Sie und das Frauenzimmer, die Köchin, die mit Ihnen das Haus verläßt. Wollen Sie also gutwillig gehen?" „Gewiß, Herr Hammer. Wenn Sie mich nicht mehr brauchen — ich will mich nicht aufdrängen," entgegnete Jeremias mit ver stecktem Trotz. „Wenn Sie mir aber mit der Polizei drohen, so hat ein anderer wohl mehr vor der Polizei zu fürchten als ich ..." „Das ist nicht Ihre Sache," schnitt ihm Herbert das Wort ab. „Gehen Sie jetzt, holen Sie Ihre Sachen und verlaffen Sie das Haus. Da — nehmen Sie Ihr Geld — und jetzt haben wir weiter nichts mehr mit Ihnen zu schaffen." „Sehr wohl, Herr Hammer — ich gehe — vielleicht hat Herr Martini noch etwas zu sagen. . Franz fuhr auf. „Lasten Sie mich — ich will nichts von Ihnen sehen und hören," sagte er mit dumpfer, heiserer Stimme. Ein trotzig-höhnisches Lächeln zuckte über das schlaue Fuchsgesicht des Krankenwärters. „Na — ist gut," stieß er lachend heraus. »Ich gehe schon . . ." Er strich das Geld ein und wandte sich zum Gehen. An der Tür blieb er noch ein mal stehen. „Wenn Sie mich wieder einmal nötig haben sollten, Herr Martini," sagte er spöttisch, „so werden Sie mich in Amerika suchen müssen. Oder gehen Sie selbst über das große Master?" „Fort mit Ihnen!" rief Herrert. „Auf Wiedersehen. Herr Martini, drüben im Lande der Freiheit. . ." Er lachte leise und höhnisch auf und ent fernte sich rasch. Herbert atmete auf. „Wie konntest du dich mit diesem Menschen eintasten, Franz?" fragte er. „Er hatte sich mir angeboten," entgegnete Franz düster. „Ich dachte es mir wohl. Aber nun gilt es die Vorbereitungen zu deiner Abreise zu treffen. Du bist mit Geld genügend ver sehen ?" „Ja — vorläufig . . ." „Ich werde dir nach Hamburg noch eine Summe überweisen lassen, die dich vor Not schützen soll. Dann aber mußt du arbeiten, Franz. . ." „La, das will ich." „Nun denn — dein Zug nach Hamburg geht in zwei Stunden, von Hamburg aus gibst du weitere Nachricht." „Soll ich von Trude nicht Abschied nehmen ?" „Ich halte es für besser, du reisest ohne einen solchen Abschied ab. Die Erörlerung der Gründe deiner Abreise könnte nicht ver mieden werden — Truds würde sehr unglück lich darüber sein, sie würde erschrecken, und du weißt, daß ihr Zustand keine schmerzlichen, aufregenden Szenen verträgt. Ich werde sie, soweit es nötig ist, auftlären, dein Brief aus Hamburg muß dann meine Worte ergänzen. Aber beschränke dich auf wenige herzliche Worte . . ." „Ich werde sie um Verzeihung bitten." „Tue das. Sie wird dir verzeihen, und der Himmel möge dich einst als geretteten Mensch in ihre Arme zurüchühren. Und nun leb' wohl, Franz — wir wollen als Männer, als Freunde, als Brüder scheiden, ohne Groll und ohne Hatz — vertrauend einer dem anderen. Leb' wohl — ich kann dich leider nicht zum Bahnhof begleiten, ich muß bei meinem Vater bleiben — also nochmals — leb' wohl . . ." Er reichte ihm beide Hände hin, doch Franz fiel ihm weinend um den Hals. „Ich danke dir, Herbert," schluchzte er. „Du hast mich gerettet. . ." „Nichts mehr davon. Leb' wohl.. . und gib mir bald Nachricht .. ." Er geleitete den Unglücklichen bis zur Haus tür: noch einmal drückten sie sich die Hände, dann trat Fran, in den grauen, nebligen, naßkalten Morgen hinaus und schlich langsam davon, mit gebeugtem Hauple, mit gekrümmten Schultern, scheuen Auges — hinaus in die Welt, hinaus in ein neues Leben. - Herbert begab sich zu seinem Vater. Er setzte sich still an die Seite des BetteS, be trachtete sinnend des Schlafenden welkes und leidendes Gesicht und lauschte auf seine leisen, aber regelmäßigen Atemzüge. Sein ganzes Leben zog in dieser einsamen, ernsten Stunde an seiner Seele vorüber: die fröhlichen, sorglosen Kinderjahre im Schuye der treuen, sanften, so oft traurigen Mutter — jetzt wußte er, weshalb ihre Augen so oft von Tränen gerötet gewesen waren, die wilden Jünglingsjahre, in denen er in das Leden hinausgestürmt war, nicht mehr behütet von üer sorgenden Mutterhanü, verleitet und oer- sührt durch die immer stärker hervortretende Leidenschaft seines unglücklichen Vaters, gegen dessen Härte und Tyrannei er sich oft in wildem Trotz aufgelehnt, so daß es zu heftigen Szenen gekommen war. Dgg 26 (Fortsetzung folgt.)