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Ottendorfer Zeitung : 06.11.1914
- Erscheinungsdatum
- 1914-11-06
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Privatperson
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-191411069
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19141106
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19141106
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-11
- Tag 1914-11-06
-
Monat
1914-11
-
Jahr
1914
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 06.11.1914
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Oie brkebung äer Türkei. Auf dem Schwarzen Meer bat die Türker die ersten Schüsse gelöst: in Abwehr neuer russischer Übergriffe, wie ihre Negierung sagt, zu schnödem Überfall, wie Rußland behauptet. Es ist im Augenblick ziemlich gleichgültig, wer angefangcn hat. England hat ja seinerzeit auch in Wien durch seinen Botschafter erklären lassen, daß es sich seit »gestern Abend," als mit der Donaumonarchie im Kriegszustand befindlich betrachte. Sultan Mohammed V. kann also dieses Verfahren nachclhmen. oder er kann oum ganz auf eine Kriegserklärung verzichten; denn seine Gegner vom Dreiverband werden sich kaum über einen Bruch des Völkerrechts beklagen können. Gibt es doch keine inter nationale Vereinbarung, die die drei Mächte noch nicht in diesem Kriege gebrochen hätten: von Frankreichs Kampf gegen das Rote Kreuz bis zum englischen Kaperkrteg, von Englands Dum-Dum-Geschossen bis zum Kriege Ruß lands gegen wehrlose Nichtkämpser in Ost« vrenßen. Es ist also töricht, sich an dem allge meinen Geschrei zu beteiligen: „Rußland hat angefangen! Die Türkei hat zuerst geschossen !" Stellen wir die Tatsache in unsre Rechnung, daß die türkischen Kriegsschiffe im Schwarzen Meer einen Teil der dort (im Gegensatz zum Variier Frieden, der das Meer ausdrücklich neutralisiert) rechtswidrig befindlichen russischen Schiffs angegriffen, geschlagen und versprengt bat. Die türkische Regierung erklärt zu dem Vorfall: „Während ein kleiner Teil der tür kischen Flotte am 28. Oktober im Schwarzen Meere Übungen vornahm, eröffnete die russische Flotte, nachdem sie längere Zeit diesen Übungen gefolgt war und sie zu stören suchte, am Donnerstag die Feindselig keiten. indem sie die türkischen Schiffe angriff. Im Verlauf des sich nunmehr entsptnnenden Kampfes gelang es unserer Flotte durch die Gnade des Allmächtigen, den Minendampfer „Prut", der 6000 Tonnen verdrängte und un gefähr 700 Minen trug, zu versenken, einem der russischen Torpedoboote schwere Beschädi gungen beizubringen und einen Kohlen- Lampfer zu kapern. Ein vom türkischen Torpedoboot „Hattet-Millie" abgeschossener Torpedo hat den russischen Torpedojäger .Kubanez", der 1100 Tonnen verdrängte, ver senkt, und ein anderer, vom Torpedoboot „Mouaoenet-Millie" abgeschossener Torpedo hat einem andern russischen Küstenwachtschiff sehr schweren Schaden zugefügt." Die türkische Flotte hat bei dem Vorfall keinerlei Beschädigungen erlitten. Natur gemäß hat daS Vorgehen der Türkei in der ganzen Welt ungeheures Aufsehen gemacht, wenngleich man in England, Rußland und Frankreich behauptet, die türkische Erhebung sei bedeutungslos. Wie man aber in Wahr heit denkt, geht daraus hervor, daß man noch setzt die Türkei einzuschücktern sucht. Schreibt doch das Petersburger Regierungsblatt, die .Nowoje Wremja': „In diesem nicht nur sür die Türkei, sondern auch für die anderen Balkanländer wichtigen Augenblick schauen wir auf die Völker, die leben und atmen, nur weil Rußland ihnen die Erlaubnis zum Atmen gab. Wir fragen sie, ob sie ihre Ver gangenheit, ihr früheres Sklaventum, vergeßen haben. Der Augenblick, die Maske zn lüften, ist für sie gekommen. Eine Politik des doppelten Bodens ist nicht mehr möglich. Die zarten und halben Worte haben keinen Wert mehr. Wirerklären laut, daß, wer nicht mit «ns ist, gegen uns ist. Das von uns befreite Bulgarien kann in diesem europäischen Krieg nicht Zuschauer bleiben. Der kleinste Versuch eines Zusammengehens mit den Feinden Rußlands wird als ein Akt von Verrat, als die schimpflichste Verleugnung des Slawentums angesehen werden. Bul garien muß zwischen der Türkei und Rußland wählen. Nach dem Kriege, wenn die Lorbeeren geerntet werden, werden zu dem Bankett nur die Teilnehmer an dem riesenhaften Krieg geladen. Wer glaubt, am reichbesetzten Tisch mitsitzen zu können, um einen Biffen wegzuschnappen, ohne die nötigen Opfer gebracht zu haben, der irrt sich. Die Großmacht Rußland braucht sich über die neuen Kämpfe nicht sehr zu beun ruhigen. Es handelt sich um einen neuen Feind, der in seinem Wahn die Begebenheiten der Vergangenheit vergessen hat." Man legt also dem Eingreifen der Türkei keinerlei Bedeutung bei und will doch unter Drohungen und Beschwörungen die Bulgaren als Prellblock gegen den neuen Feind ge winnen. Nun, nach den Vorgängen in den beiden Balkankriegen, nach der Haltung, die Rußland gegen Bulgarien eingenommen hat, kann dessen Stellungnahme fall nicht zweifel haft sein. Es müßte seltsam zugehen, wenn sich Bulgarien, zur Entscheidung mit aller Gewalt gedrängt, auf die Seite der Russen stellen sollte. Wie sich aber auch die Dinge gestalten mögen, in der Türkei hat man Vor sorge getroffen und man ist auf alle möglichen Gruppierungen der Balkanmächte gefaßt. Man rechnet diesmal mit einer Erhebung der gesamten mohammedanischen Weit. Und man hat dam guten Grund. In den letzten Jahren, als Marokko unterjocht und die Türket fast aus Europa verdrängt wurde, ist immer wieder vom „heiligenKrieg des Islam" gesprochen worden. Wie aber konnten sich die in zwethundertjähriger Knechtschaft müde ge wordenen Mohammedaner unter der Fahne des Khalisen von Stambul erheben, so lange ihre Bedrücker im Vollbesitz ihrer Macht waren? Jetzt aber ist die Lage wesentlich anders? England, Rußland und Frankreich sind vollauf mit sich beschäftigt, und niemand kann jetzt die Muselmanen hindern, das Joch des Dreiverbands abzuschütteln. In Persien und Afghanistan haben die Russen bereits ihre militärischen Posten zu-' rückziehen müssen. Sie werden sich auch in Kaukasien nicht halten können. Die Gouverne ments am Schwarzen Meer — die Korn kammern und Erzlager Rußlands — sind dem türkischen Angriff ausgeliefert, wenn nicht Rußland starke Kräfte dorthin bringt. Woher aber nehmen? Die russische Schwarze Meer- Flotte ist unter den verlotterten Einrichtungen des Zarenreiches die veriottertste — es müssen also Streitkräfte aus dem Innern an die Küste geworfen werden. Die aber fehlen naturgemäß beim Ersatz an der Front von Suwalki bis Czernowitz, wo Deutsche und Österreicher im Kampfe mit Väterchens Mannen stehen. Es ist also leicht zu errechnen, welche Folgen das „bedeutungslose" Eingreifen der Türkei für Rußland haben muß. England und Frankreich können kaum helfen: denn es ist fraglich, ob es ihnen auch unter größten Opfern gelingt, die Einfahrt in die Darda nellen zu erzwingen. Wir aber dürfen, ohne die kriegerische Bedeutung des neuen Gegners der Russen zu überschätzen, bekennen, daß wir uns dieser Wendung der Dinge freuen. Wir haben keinen Bundesgenossen gesucht. Wenn nun dennoch welche an unsere Seite treten, so tun sie es in dem Bewußtsein, für das Recht gegen das Unrecht und für ihre Unab hängigkeit zu kämpfen. Wir wünschen des halb den Türken von ganzem Herzen Erfolg. Die Feinde unserer Feinde sind notwendiger weise unsere Freunde. LI. v. * » * Verschiedene Uriegsnachrichten. Tsingtaus Heldenkampf. Aus Tokio wird amtlich mitgeteilt, daß der allgemeine Angriff auf Tsingtau von der Land- und Seeseite am 31. Oklober be gonnen hät. Er wurde gleichzeitig vom Lande und von der See aus unternommen. — Aus London wird berichtet, daß sich eine Ab teilung indischer Truppen den englisch-japa nischen Truppen von Tsingtau angeschlossen hat. * Russische Offizicrsverluste. Wir wissen aus unseren Gefangenenlisten, daß die Verluste der Russen an Osftzieren un geheuer sind. Jetzt aber wird diese Tatsache auch in Petersburg amtlich bestätigt. Der Zar hat nämlich, als er die Pagen und Junker ins Feld entließ, ihnen ausdrücklich zur Pflicht gemacht, ihr L eben zu schonen. Der Offtziersmangel ist also anscheinend bereits zu einer ernsten Kalamität geworden. — Im serbischen Heer richten Seuchen aller Art fürchterliche Verhee rungen an. — Die Österreicher, die vor einigen Tagen die Save und die Drina überschritten haben, sind auf serbischem Gebiet weiter vorgedrungen und haben mehrere ser- btsche Ortschaften besetzt. Die Serben wurden überall nach verzweifelter Gegenwehr in die Flucht geschlagen. Es wurve festgestellt, daß in der serbischen Armee auch Griechen in der Uniform ihrer Truppenteile fechten. Verhandlungen zwischen Rumänien und Bulgarien. Wie von unterrichteter Seite verlautet, schweben zwischen Rumänien und Bul garien Verhandlungen sür ein et waiges gemeinsames Vorgehen. Dieses werde sich nicht gegen Österreich richten. — Griechische Diplomaten erklären, Griechenland werde nach dem Eingreifen der Türket neutral bleiben, solange Bulgariens Haltung eine solche Neutralität zuläht. Die Aufstandsgefahr in Ägypten. Ein aus Ägypten nach Rom zurückgekehrter Redakteur des Neapeler .Mattino' gibt seinem Blatte eine überaus düstere Darstellung der dortigen Lage. Hiernach wäre eine furcht bare Explosion des Engländer hasses in Ägypten nicht zu vermeiden. Be sonders die Küstengebiete des Roten Meeres seien für den Aufstand völlig reif. Der Aufstand werde sich allen arabischen Ele menten im Sudan und in Ägypten mitteilen; auch die von den Engländern seinerzeit reich lich mit Waffen und Munition versehene Sekte derSenussi sei im Einverständ nis. Das Bedenklichste sei aber, daß die nach Ägypten geschickten Hindutruppen mit ben Aradern gemeinsame Sache machen. Die eng lischen Behörden wissen sich nicht mehr zu helfen und greifen zu den brutalsten Gewalt mahregeln, die das Volt nur noch mehr er regen. Das Verderben lasse sich nicht mehr aushalten. dm Sem unä Mcktlem. Englische Bekenntnisse. Bis zum Fall von Antwerpen hat England triumphiert; denn der Krieg kostete im wesent lichen das Blut der andern, bedrohte ihre Existenz und führte sie (vornehmlich Belgien und Frankreich) militärisch, finanziell und wirtschaftlich ins Verderben. Jetzt aber, nach dem die Deutschen rastlos auf Calais vor rücken, ist der Krieg auch Herzenssache der Engländer geworden. Sie wollen die unbe schränkte Beherrschung des Kanals nicht aus geben. Mit ihr sieht und fällt Englands Herrschaft zur See, Englands ganze Welt herrschaft. Jetzt zum erstenmal empfindet man in London den ganzen Ernst der Lage. Das zeigt am besten ein Artikel der .Times", in dem es u. a. heißt: „Der gewaltige Streit, dev jetzt an der belgischen Grenze ausgefochtey . wird, wird sicher unter die größten Schlachten der Ge schichte gerechnet werden. Große Fragen hängen davon ab. Die Engländer geben ihr Leben dahin in einer Anzahl, die wir nur vermuten können, um die Deutschen zu ver hindern, den beherrschenden Standpunkt an der Straße von Dover zu gewinnen. Dies ist eine englische Sache; sie betrifft zwar auch das Lebensinteresse von Belgien und Frank reich, aber vor allem England. Wir glauben, daß der Feind die Folgen eines Einmarsches'' in Calais falsch einschätzt, aber es iskströtzdem von grundlegender Bedeutung für unser ganzes Reich, daß ihm sobald wie mög lich Einhalt getan wird. Die künftige Entwicklungdes g a n zen Krieges kann abhängen von diesem Kampf, dem die Deutschen einen entscheidenden Cha rakter verleihen. Unsere Truppen waren in der ganzen, langen, stolzen Geschichte Eng lands nie in einen schrecklicheren Kampf verwickelt als diesen, der trotz gelegentlicher Pausen seit mehreren Tagen be ständig an Heftigkeit zunimmt. Das Blutbad ist beispiellos und übertrifft die Ereignisse in der Mandschurei. Die Deutschen opferten todesmutig ihre Männer, und unsere eigenen Verluste und die der tapferen Verbündeten waren surchtbar schwer. Zu Lande, auf der See, in der Lust und unter dem Meeresspiegel dauert der ver zweifelte Kampf fort, ohne endgültiges Er gebnis. Die Welt hat bisher keine solche Schlacht gesehen, sie ist ohne Vorgang hinsichtlich der Bedeutung der Folgen, der modernen Kampsesbedingungen und der gewaltigen Verluste. Der Kampf ist voll trotzigen, ausharrenden Heldenmutes aus beiden Seiten, voll verbissener Entschlossen heit und höchster Selbstaufopferung. Wenn der ganze Verlauf bekannt sein wird, werden wir uns besser als je zuvor vergegenwärtigen können, welcher Art der englische Soldat ist, und wir werden zugleich dem Geist und dem hingebungsvollen Patriotismus, der unsere Mannschaften und den Gegner beseelt, den ver dienten Ruhm zusprechen können. Wir halten an dem Glauben fest, daß die Deutschen nicht nach Calais durchbrechen werden, aber wir fügen hinzu, daß sie den Versuch noch keineswegs aufgegeben haben. Der Ausgang ist von Lebenswichtigkeit für uns. bedeutet aber auch alles für Deutschland. Wir glauben, daß das englische Publikum den Charakter und die Folgen dieser großen Schlacht noch nicht völlig begriffen hat. Gleich viel, ob wir gewinnen oder verlieren, wird nachher der Bedarf an Männern dringender sein als vorher." Politische Aunälcdau. Deutschland. *Das Mitglied des preußischen Herren hauses, Graf AdolfvonHohenthal, ist in Posen an einer Lungenentzündung gestorben. Ein weiteres Herrenhausmitalied, Oberbürger meister Ortmann aus Koblenz ist einer .Blinddarmoperation erlegen. "Der Kaiser hat der durch den König von Bayern ausgesprochenen Bitte sämtlicher deutschen Bundesfürsten entsprochen und das Eiserne Kreuz erster und zweiter Klasse angelegt. König Ludwig von Bayern bat außerdem dem Kaiser das Großkreuz des Militär-Max-Joseph-Ordens verliehen. Spanien. * Die in der Kammer vom Marineminster eingebrachte Vorlage zurReorganis ation der Flotte umfaßt den Bau von vier schnellen Kreuzern, sechs Zerstörern,. 28 Unter seebooten, drei Kanonenbooten, 18 Küsten wachtschiffen, Minen und andere Unterseeoer- teidigungsmittel, Bau von Bassins, Kais, Depots usw. in El Ferrol, in Cadix und in Carthagena. Ruhland. * General RadkoDimttri. ew hat nach seinem Mißerfolg vor Przemysl das Kom mando des 8. russischen Armeekorps abgegeben und seinen Austritt aus dem russi schen Heere erklärt. Dimitriew begibt sich nach Bulgarien. Nach einer Petersburger amtlichen Meldung ist Dimitriew seines Amtes enthoben worden. Balkanstaate». * Die türkischen Zeitungen geben eilten Artikel des Teheraner Blattes.Reschad' wieder, der die Überschrift trägt: „Der Deutsche Kaiser und die mohammedanische Welt". Es wird -in ihm beroorgehoben, daß dereinzige FreundderMohammedanerDeutsch» land sei, nach dem sich die Blicke aller Muselmanen wenden. Die Tatsache, daß Deutschland innner mit dem Sitz des Kali fates herzliche und freundschaftliche Beziehungen unterhielt, habe ihm. die Sympathien aller Muselmanen gewonnen. Asien. * Die Behörden von Hongkong und anderen englischen Besitzungen in Ehina haben die Auswe i sung aller deutschen und österreichisch-ungarischen Unter tanen aus dem englischen Gebiet verfügt, mit Ausnahme derjenigen, die im wehrpflich tigen Alter stehen. Diese sollen verhaftet werden. Die Verfügung wird am 1. Novem ber rechtskräftig. * Nach einer Konstantinopeler Meldung soll eine Art allgemeiner Mobilisierung in China beoorstehen. Eine Kommission unter Vorsitz Juanschikais arbeite an der Fertigstellung Ler Mobilisierungsoorschriften. Dock glücklick geworäen. 2Sf Roman von Otto Elster. Herbert dachte daran, wie es schließlich zu seiner Lossagung vom väterlichen Hauke ge kommen, die Zeit seines Aufenthalts im Zirkus Bernatzky und die letzten Jahre der inner lichen und äußerlichen Umkehr, die Zelt des ernsten Strebens, drS Fleißes und der Arbeit, auf die er sich ein neues Leden aufgebaut hatte cm« eigener Kraft. Und vor seiner Seele tauchte das Bild des Mädchens auf, dessen herbes Wort ihm diese Kraft verliehen, dessen Andenken ihn während dieser Zett kein« Stunde verlassen, und das ihm beute Nacht wiederum so Hehr und rein, so groß und stolz entgegengetreten war. Ader ihr Bild hatte jetzt noch einen andern Zug erhalten I Demütig und sanftmütig stand sie vor ihm, der Kuß ihrer warmen Lippen schien noch auf seiner Hand zu glühen, und die Er innerung daran durchzitterte seine Seele mit freudiger Erregung. Die saft schon erstorbene Hoffnung blühte wieder in seinem Herzen empor; er wußte jetzt, er hatte einen gerechten, einen guten Kampf gekämpft. Und den Sieg wollte er in diesem Kampfe erringen. Der Reichtum, den ihm das Testa ment seines VaterS verhieß, sollte ihn nicht locken: zur Scholle, die er sich durch eigene Kraft, durch eigene Arbeit erkämpft, wollte er zurückkehren — ein gefestigter Mann, seiner eigen«: Kraft, feiner eigenen Arbeit vertrauend. Dann hatte er das Versprechen eingelöst, das er sich selbst in jener Stunde gegeben, als die herbe Stimme des Mädchens, das er liebte, ihm zugerufen: „Werden Sie ein Mann..." Sein Vater rührte sich und erwachte. Er staunt sah er zu Herbert auf; dann erkannte er ihn und ein freundliches Lächeln erhellte seine verkümmerten Züge. „Ah, Herbert, du! — Hast du dein Geschäft gut adgewickelt?" fragte er. „Ja. Vater," entgegnete Herbert. „Es ist alles in Ordnung . .." „Wo ist Krebs? Er soll mich anziehen und in das Eßzimmer rollen. Wir wollen zusammen frühstücken." „Du mußt heute mtt meinem Dienst sürlieb nehmen, Vater. Ich mußte Krebs fortschicken, er hatte sich eine Ungehörigkeit zuschulden kommen lassen. Im Laufe des Tages besorge ich dir einen anderen Wärter." „Weißt du, Herbert, ich bin froh, daß Krebs fort ist. Ich habe dem Menschen nie so recht getraut, er hatte ein solch schleichendes Wesen." „Du hast recht, Vater. Krebs war kein Mensch, dem man Vertrauen schenken konnte." Sinnend schaute der Atte vor sich hin. Dann sagte er, sich scheu umdlickend: „Herbert, ich hatte diese Nacht einen schweren, häßlichen Traum — man wollte dich und mich bestehlen — ich weiß nicht, was ich denken soll . .. fass' einmal unter mein Kopfkissen . .. findest du da einen Schlüssel?" „Ja, Vater. .." „Es ist der Schlüssel zu meinem Schreib tisch. Schließ ihn am, Herbert — in dem Schubfach links liegt ein Schriftstück — es ist mein Testament, Herbert! Sieh zu, ob es noch daliegt . . ." Ein Gedanke kam Herbert! Jetzt ward ihm die Gelegenheit gegeben, das Testament seines Vaters wieder an seinen Platz zu legen, und so das Vergehen Franzens ungeschehen zu macheu. So brauchte sein Vater und Trude nichts davon zu erfahren. Freilich war das Schriftstück er brochen, aber dqs machte ja nichts, ging das Testament doch Nur ihn und seine Schwester an. „Ich werde nachsehen, Vater," sagte er und begab sich zu dem Schreibtisch, den er öffnete. Unbemerkt von seinem Vater legte er das Testament wieder an seinen Platz. „Ist das Testament noch da, Herbert?" fragte sein Vater, sich im Bett aufrichtens. „Ja, Vater — es liegt hier ein Schriftstück mit der Aufschrift von deiner Hand „Mein letzter Wille"," entgegnete Herbert. „Gott sei Dank," atmete der Alte auf. „So habe ich in der Tat nur geträumt. Schließe den Schreibtisch und gib mir den Schlüssel wieder." Herbert tat, wie er wünschte. Er selbst atmete erleichtert auf, er hatte die Spur des Verbrechens des Gatten seiner Schwester ver wischt. „Soll ich dir jetzt helfen, dich anzuziehen, Vater?" xJa, sei so gut. . ." Mit Herberts Hilfe kleidete sich der ge brechliche alte Mann notdürftig an, dann jührte ihn sein Sohn zu dem Rollstuhl und schob ihn in das Eßzimmer. Die Sonne hatte die Nebelwolken durch brochen und erjüllte Las Gemach mtt strah lendem Glanz. Der Alte lachte fröhlich auf. „Ich fühle mich heute so wohl, Herbert -- ich merke, der Frühling kommt . . ." „Ja, Vater, der Frühling ist gekommen," entgegnete Herbert. „Wir sollen noch einmal glücklich werden . . ." 23. Herbert stand in dem Tor seines Hofes und schaute sinnend und gedankenvoll auf die blühenden Fluren, die im Sonnenglanz des Sommers dalagen. Auf den Wiesen lag das duftende Heu schon bereit zur Einfahrt und aus den Feldern reiste das Korn im warmen Sonnenschein der Ernte entgegen. Es sollte ein gesegnetes Jahr werden, so hoffte Herbert. Wiesen und Felder standen vortrefflich, kein Hagelschlag hatte die Frucht des Fleißes und der Arbeit vernichtet, kein Regenwetter die Wiesen verschlammt oder das Korn zur Erde gedrückt. Im Obst garten beugten sich die Bäume unter der Last der Früchte, die unter dem Strahl der Sonne sich schon in die Farben der Reise zu kleiden begannen. Ein Wagen rollte auf der Straße vom Walde her. Herbert erkannte den Jagdwagen des Oberamtmanns Krüger, der» neben dem Kutscher sitzend, die Pferde selbst lenkte. Auf dem Hintern Sitz saßen zwei Damen, Herbert erkannte mit freudigem Schreck Else und Rosa, die Tochter des Oberamtmanns. „Da sind wir einmal wieder!" rief der Oberamtmann lachend Herbert zu, indem er in den Hof einsuhr. „Ich habe Rosa soviel von dem „Glück im Hasenwinkel" erzählt, Laß sie es sich einmal ansehen wollte."
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