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Ottendorfer Zeitung : 21.10.1914
- Erscheinungsdatum
- 1914-10-21
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Privatperson
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-191410215
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19141021
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19141021
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-10
- Tag 1914-10-21
-
Monat
1914-10
-
Jahr
1914
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 21.10.1914
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Der Mrstenmord in Zerajewo. Scrajewo, im Oktober. Die öffentliche Verhandlung gegen die an dem Morde des österreichischen Erzherzogs- Thronfolgers und seiner Gemahlin beteiligten Personen hat begonnen. Neben dem Mörder Princip, der die todbringenden Schüsse abge geben hat. und dem Bombenwerfer Cabrino- witsch, stehen noch eine Anzahl anderer Mord gehilfen vor den Richtern, ihrer Aburteilung entgegensehend. Man hat den Prozetz teilen müssen und wird ihn zunächst gegen dis direkt Beteiligten zu Ende führen. Erst dann soll gegen die anderen Angeklagten verhandelt werden, die Len Mördern heimliche Hilfe ge leistet oder das serbische Volk aufgehetzt haben. Ein besonderes Licht auf das Attentat warf die Vernehmung des Angeklagten Cabrinowitsch, der erklärte, für seinen Anschlag sei die Überzeugung maßgebend gewesen, daß der Erzherzog-Thronfolger der Verwirklichung der Idee der Vereinigung aller Slawen durch Ne Lostrennung der von Serben bewohnten und zu Österreich - Ungarn gehörenden Pro vinzen entgegenstehe und deshalb vernichtet werden müsse. Die Vereinigung aller Serben sei das Ziel des serbisch-nationalen Vereins Narodna Odbrana gewesen, der diese Vereini gung auf dem Wege der Revolution erreichen wolle. Ein gleiches Ziel habe auch der Belgrader Studentenverein Omladost verfolgt, und zwar tm Wege eines Krieges mit Osterreich-Ungarn. Auch in Bosnien bestehende revolutionäre Organisationen haben im Falle eines Krieges mit Serbien einen Ausstand zugunsten Ser biens erregen wollen. Mit der Erklärung, daß er seine Tat nicht be reue, begann Princip.seine Aussage. Er bebaup- tete, Österreich zu hassen, weil er von ihm Böses für die Südslawen erwartete. Deshalb be schloß er, zusammen mit Cabrinowitsch und Grabez den Erzherzog Franz Ferdinand zu töten, ven er als die größte Gefahr für die Vereinigung der Serben und Südslawen über haupt unter serbischer Vorherrschaft betrachtet habe. Serbiens Mission sei, Bosnien und Lie Herzegowina von Österreich loszureißen. Die benutzten Browningpistolen seien von dem serbischen Major Tankost gekauft worden. Princip gab auch zu, daß er von Ciganowitsch, der als Komitatschi-Führer für Narodna Oü- brana arbeitete, eine Empfehlung an den serbischen Major Popowitsch in Losnica erhielt. Letzterer empfahl Princip und seine Genossen dem Grenzhauptmann. Gleich diesen beiden behaupten auch die anderen Angeklagten Anhänger der groß serbischen Idee zu sein. Grabez bezeichnet die Vereinigung der südslawischen Länder unter serbischer Vorherrschaft und die Losreißung Bosniens von der Monarchie durch Krieg oder Revolution als sein Ideal. Nach seiner Ansicht ist Ciganowitsch der Hauptschuldige, der Führer dagegen Princip gewesen. Den Erzherzog-Thronsolger Hatzte er, weil er nach Ansicht der Belgrader Kreise der Ver einigung aller Serben im Wege stand. Von einem Attentat hat Grabez zuerst mit Princip gesprochen, später auch mit Cabrinowitsch. kleer rmä Motte. — Prinz Wilhelm zu Wied ist als Major L la suite dem Generalstab zugeteilt worden und bereits zur Front abgegangen. — Mit Rücksicht auf den Mangel an Ärzten in einigen Teilen Deutschlands hatte die Leitung des Leipziger Ärzteverbandes an das preußische Kriegsministerium eine Eingabe ge richtet, in der um Befreiung von approbierten Ärzten und nichtapprobierten Medizinern von der Landsturmpslicht gebeten wurde. Darauf erhielt Lie Verbandsleitung vom Reichs amt des Innern folgende Antwort: „Nach einer Mitteilung des königlich preußischen Herrn Kriegsministers ist nach den bestehenden gesetz lichen Bestimmungen nicht zulässig, eine allgemeine Anordnung dahin zu treffen, daß alle appro bierten Arzte und nichtapprobierten Mediziner, soweit sie als Vertreter der zu den Fahnen ein berufenen Ärzte unabkömmlich sind, von ihrer Landsturmpslicht befreit werden. Es erscheint unter allen Umständen geboten, zunächst den Be- Lars an Ärzten für die Armee zu decken; eine Befreiung von der Einberufung kann daher nur ausnahmsweise im Einzelfalle unter Berücksichti ¬ gung der örtlichen und ärztlichen Verhältnisse in Frage kommen. — Das Generalkommando des 1. Armeekorps (Ostpreußen) hat einen neuen Weg zur Be schaffung landwirtschaftlicherArbeiter gefunden. Nach einer Anordnung des Kommandos werben nämlich die Land sturm pflichtigen, die zur Einstellung in die Truppe untauglich sind, nicht entlassen, sondern zu landwirtschaftlichen und unter Umständen auch anderen Arbeiten zur Ver fügung gestellt. Die Überweisung solcher Land stürmleute erfolgt auf Grund besonderer Anträge, doch muß der Antragsteller sich verpflichten, diesen Hilfsarbeitern außer Kost und Wohnung auch einen angemessenen Tagelohn zu gewähren. Aus letzteren ist von den Landsturmleuten im Hinblick auf die große Not in Ostpreußen bisher allgemein verzichtet worden. Deutsche Briefmarken für Belgien. Im Bereich des Kaiserlich Deutschen General gouvernements in Belgien ist schon seit längerem eine dem Reichspostamt in Berlin unterstellte Post- und Telegraphenverwaltung eingerichtet worden. Neuerdings gelangen für den dortigen Verkehr nun auch Postwertzeichen des Deutschen Reiches zur Verwendung, die zu diesem Zweck mit dem Überdruck „Belgien" und der Wert angabe in belgischer Währung versehen wurden, und zwar sind dies, Freimarken zu 3, S, 10 und 20 Psg. (gleich 3, 6, 10, 25 Centimes), sowie ein fache und Weltpostkarten zu 5 und 10 Pfg. (5 und 10 Centimes). Politische Armcllcbau. Deutschland. * Der Kaiser hat mit seiner Vertretung bei den Betsetzungsfeierlichkeiten des Königs Karol von Rumänien den Fürsten Wedel, Len früheren Statthalter von Elsaß-Lothringen, beauftragt. * Reichskanzler v. Bethmann Holl weg, Ler in Brüssel weilte, hat auch Ant werpen einen Besuch abgestattet und ist dann ins Hauptquartier zurückgereist. * Die sozialdemokratische Fraktion des sächsischen Landtages ersuchte die Regierung, schleunigst einen außerordentlichen Landtag zur Beschaffung von Mitteln für Kriegshilfe und Regelung der Arbeitslosen unterstützung einzuberufen. Die Regiemng be absichtigt, die Einberufung Anfang nächsten Jahres vorzunehmen, und hält daran fest. England. * Die Admiralität gibt bekannt, daß der Verkauf erbeuteter Schiffe, ausge nommen kleinere Segelschiffe, nur an eng lische Käufer oder wirklich englische Ge sellschaften stattfinden darf. * Die Regierung hat neue strenge Bestim mungen über die Ausfuhr von Wolle und Woll waren erlassen. Dadurch wird die Ausfuhr von Wolle und Wollgarn und allem wollenen Tuch, das für Uniformen brauchbar ist, sowie die Ausfuhr von aus Merinowolle hergestellter Waren und einer Menge wollener Kleidungsstücke nach allen ausländischen Bestimmungsorten außer den englischen Besitzungen verboten. Die Folge wird eine wesentliche Einschränkung des Handels auf den bedeutenden neutralen Märk ten sein. Italien. * Generalmajor Vittorio Elia ist zum Unterstaatssekretär im Kriegs ministerium ernannt worden. — Das Be finden di San Giulianos ist dauernd so schlecht, daß man, wenn auch eine Katastrophe nicht unmittelbar nahe ist, doch mit einem Wechsel in der Leitung des Ministeriums des Äußeren rechnen muß. Tatsächlich sührt schon jetzt Salandra die Geschäfte. Bei allen Kombinationen erscheint eine längere Vertre tung Salandras in der Konsulta am wahr scheinlichsten. Balkanstaaten. * Während der Überführung der Leiche König Karols wurde in Bukarest auf den PräsidentendesenglischenBalkan- komitees ein Revolverattentat aus geführt. Ein junger Türke, namens Paschil Hassan, feuerte vier Revoloerschüsse auf die Insassen des Automobils ab. Der eine der Brüder Buxton erhielt zwei Schüsse in die linke Brustseite, so daß an seinem Aufkommen gezweifelt wird. Der andere Bruder ist durch einen Schuß in die Kinnlade schwer verletzt. Ein dritter Fahrgast hat eine leichte Kopf wunde. Der Täter wurde von dem Chauffeur zu Boden geschlagen. * Nach Mitteilungen der persischen Kolo nien in der Türkei nimmt die Agitation gegen den Dreiverband in Persien große und gefahrdrohende Dimensionen an. Sie stützt sich hauptsächlich auf das englisch- russische Abkommen von 1907. Von und fern. Der Brüsseler Bürgermeister im deut schen Gefangenenlager. Der frühere Bürgermeister Max aus Brüssel, der bekannt lich wegen Widersetzlichkeit bei der Be gleichung der der Stadt Brüssel auserlegten Kriegsschatzung seines Amtes entsetzt und als Gefangener nach Deutschland transportiert wurde, ist in das Gefangenenlager auf dem Truppenübungsplatz Ohrdruf in Thüringen eingeliefert worden. Das einstige Brüsseler Stadtoberhaupt wird dort zwar alle den übrigen Gefangenen bewilligten Freiheiten genießen, sonst aber einer besonders strengen Beaufsichtigung unterstehen. Französische Rekruten in Darmstadt. Hundert gefangene französische Rekruten, die noch nicht eingekleidet waren, sind in Darm stadt eingetroffen. Sie wurden von den Deutschen gefangengenommen, als sie sich an ihren Gestellungsort begeben wollten. Testamentarische Stiftung für ein neues Stadttheater. Der in Koblenz verstorbene Stadtverordnete Bücher hat in seinem Testa ment eine für das Koblenzer Kunstwesen be deutungsvolle Stiftung gemacht: er hat der Stadt Koblenz 400 000 Mk. vermacht zum Bau eines neuen Stadttheaters. Koblenz be darf eines neuen Bühnenhauses schon seit langem. Antwerpens Diamanten gerettet. Zu Beginn des Krieges waren zahlreiche öster reichische Diamantenhändler unter Zurück lassung ihren Waren aus Antwerpen geflüchtet. Wie nun aus Antwerpen gemeldet wird, sind die Sicherheitsfächer in der Diamantenbörse und im Diamantenklub völlig intakt und die Millionenwerte unversehrt geblieben. Englische Schiffsverluste. Über die eng lischen Schiffsverluste liegt jetzt eine amtliche Statistik vor. Es sind im Monat September insgesamt 54 englische Handelsschiffe mit 31106 Tonnen Inhalt verloren gegangen. Davon wurden 18 mit 22581 Tonnen Inhalt durch deutsche Kriegsschiffe in den Grund gebohrt, 9 Dampfer liefen auf Minen auf, die übrigen 27 wurden durch andere Kriegsursachen, Brand oder Zusammenstoß, zum Sinken gebracht. Deutsche Gctrcidedamvfer im Bos- vorus. Fünf mit Getreide beladene Dampfer der deutschen Levantelinie: „Kerkyra", „Chios", „Rethymno", „Erisos", „Leros", die seit Kriegsausbruch aus Besorgnis, von der russischen Flotts gekapert zu werden, in Burgas und Sulina verblieben, sind nunmehr wohlbehalten im Bosporus eingelaufen. Werftbrand in Triest. Durch ein heftiges Feuer wurde auf der Werst von Monsalcons in Triest schwerer Schaden angerichtet. Der Brand dauerte sünf Stunden. Die Hitze entwicklung war so stark, daß die Schiffs platten am Bug der Schiffe gekrümmt und die Schiffskörper im Innern stark beschädigt wurden. Kriegsereignille. 9. Oktober. Ein russischer Angriff in der Gegend von Wirballen wird blutig zurück gewiesen. — Die Österreicher gehen in Galizien gegen die Russen siegreich vor. 10. Oktober. Amerika sammelt seine Kriegs flotte bei den Philippinen. — Zwei franzö sische Torpedoboote im Mittelmeer gesunken. — Englische und belgische Truppen treten auf holländisches Gebiet über. — Deutsche Kavallerie schlägt bei Hazebrouck zwei fran zösische Kavalleriedioisionen. — Angriffe der 1. und 10. russischen Armee werden zurück gewiesen. 11. Oktober. 30 000 Belgier in Antwerpen ge fangen, darunter der Festungskommandant. 13 000 Engländer über die holländische Grenze gedrängt und entwaffnet. — Die Russen geben die Belagerung von Przemysl auf, österreichische Truppen besetzen sie. Der Verlust der Russen an Tolen und Verwun deten wird auf 40 000 Mann geschätzt. — Nach zweitägiger Schlacht werden die Russen von den Österreichern bei Jaroslaw zurückgedrängt. — Jaroslaw und Lezaisk in österreichischem Besitz. 12. Oktober. Deutsche Truppen besetzen Gent. — Deutsche Kavallerie streift vor Ostende. 13. Oktober. Der russische Panzerkreuzer „Pallada" durch ein deutsches Unterseeboot zum Sinken gebracht. — Die Franzosen werden bei SoissonS geschlagen, die Deut schen besetzen Len Wald von Argonne. — Ein Umfassungsversuch der Russen bei Schir- windt abgewiesen. - Deutsche Torpedoboote erbeuten in der Ostsee eine größere Anzahl Handelsdampfer mit Konterbande für Eng land und Rußland. 14. Oktober. Die Deutschen besetzen Lille. — Die Russen werden aus Lyck und Bialla geworfen. — Die belgische Regierung ver legt ihren Sitz nach Le Havre in Frankreich. — Ausbruch einer Rebellion in der Kap- kolonie gegen England. — Der deutsche Reichskanzler ist in Brüssel eingetroffen. — Die Deutschen nähern sich Ostende. 15. O tober. Bei Antwerpen sind im ganzen 4000 bis 5010 Gefangene gemacht, 20000 bel gische und 2000 englische Soldaten nach Holland übergetreten. Die Kriegsbeute ist groß. — Angriffe der Franzosen bei Albert werden zurückgeschlagen. — Der russische Vorstoß auf Ostpreußen ist als gescheitert anzusehen. — Unsere Truppen stehen vor Warschau. — Ein Vorstoß acht russischer Armeekorps aus Linie Iwangorod-Warschau über die Weichsel wurde zurückgescklagen. Vermischtes. Russische Kamvisittc». Ein junger Offi zier berichtet aus Ostpreußen in die Heimat: „Die Russen haben sich hier toll benommen. Am Sonnabend kamen wir durch ein Dorf. Als wir gerade den Eingang erreichten, ertönte wenige Schritte von uns ein Schuß, und ein russischer höherer Offizier, etwa Major, brach tot zusammen. Er hatte am Tage vorher die Dorfbewohner gezwungen, sich mit in die Schützenlinie zu begeben, um diese unseren Truppen stärker erlckeinen zu lassen. Dann hatte er Frauen als Deckung für die russischen Soldaten vor die Maschinengewehre legen lassen. Kurzerhand wurde er erschossen." — Gewiß ein genügsam bezeichnender Beitrag für die Art, in der unsere würdigen Gegner das Kriegshandwerk treiben! Ter Wunsch des Kaisers. Als kürzlich der Kaiser mit dem Kommandieren General des 1. bayrischen Armeekorps Ritter von Tylander und dessen Generalstabschef General major von Nagel zusammenlraf, sagte er nach Anerkennung der hervorragenden Tapferkeit der Bayern: „Ich wünsche nur den Engländern, daß sie einmal mit den Bayern zusammen kommen!" „Weshalb hast du ihn geheiratet?" fragte er. „Weshalb? — Um deinetwillen, Herbert." „Um meinetwillen?! Ich verstehe dich nicht." In diesem Augenblicke bewegte sich der Kranke. Er stöhnte letse, ein Zucken flog durch seine kraftlosen Glieder, er schlug die Augen auf und stierte die Geschwister ver ständnislos an. Herbert ergriff seine Hand. „Vater — erkennst du mich nicht? — Ich bin es — Herbert. . ." Ein Heller Schein, wie ein flüchtiges Lächeln, glitt über Las Antlitz des Kranken, das leicht errötete. In seinen starren Augen tauchte ein Schimmer des zurückkehrenden Verständnisses auf. „Du — du" — rang es sich in abgerissenen Lauten über seine bläulichen Lippen. Herbert küßte die Hand des Vaters; die Tränen rannen ihm über die Wangen; er fühlte sich tief in der Schuld des Vaters. „Ich werde bei dir bleiben, Vater," sprach er, sich über den Kranken beugend. „Du wirst wieder gesund werden — Trude und ich, wir werden dich pflegen — siehst du Trude, Vater? Sie ist auch da . . . ." Des Kranken Augen richteten sich auf die an seinem Lager niedergesunkene Gestalt seiner Tochter, die ängstlich bittend zu ihm aufschaute. „Du — du" — flüsterte er abermals. Er versuchte, seine Hand auf Trudes Haupt ZU legen, Herbert half ihm, und ein Lächeln der Be rieLigung huschte über des Kranken Glicht. Der Wärter erschien wieder. Er sah die Veränderung, die mit dem Kranken vorge gangen war und flüsterte Herbert zu: „Das ist sehr günstig; nun dürfen sie ihn aber nicht noch mehr erregen. Bitte, gehen Sie nur. Ich gebe Ihnen Nachricht, wenn irgend eine Veränderung einiritt." „Wir werden stets in deiner Nähe sein, Vater," sagte Herbert, des Kranken Stirn streichelnd. „Beunruhige dich nicht — ver suche zu schlafen." „Ja — ja" — kam es röchelnd aus des Kranken Munde. „Er versteht Sie," flüsterte der Wärter. „Das ist ein gutes Zeichen. Nun gehen Sie!" Herbert strich noch einmal zärtlich über das Haupt des Vaters, Trude küßte seine Hand, dann entfernten sie sich. Des Kranken Auge folgte ihnen mit einem wehmütigen Ausdruck, wie ihn das Auge Les sterbenden Wildes zeigt. In dem Wohnzimmer angekommen, sank Trude aufschluchzend in einen Sessel. „Ist es nicht schrecklich, Herbert?" „Es ist allerdings ein sehr trauriger Zu stand," entgegnete Herbert ernst. „Aber mir scheint noch nicht alle Hoffnung ausge schlossen." „Ja, er hat uns erkannt — zum ersten Male hat er Zeichen des Bewußtseins ge geben!" „Siehst du, das kann mit der Zeit immer besser werden. Freilich, seine frühere Kraft und Gesundheit wird er nicht wieder erlangen." „Ach, wenn er nur am Leben bleibt!" „Ja — damit ich ihn um Verzeihung bitten kann." „Ach, Herbert, weshalb bist du nicht früher gekommen!" Er gab keine Antwort; er stand am Fenster und sah mit trübem Blick auf die verschneite Straße hinaus. Nach einer Weile fragte er in rauhem Tone: „Weshalb hast du mir niemals geschrieben, Trude?" Trude erschrak. „Ich habe dir doch einige Male geschrieben," entgegnete sie erstaunt. „Vor meiner Ver lobung und dann, als ick mich mit Franz ver lobt hatte." „Ich habe keinen Brief erhalten." „Herbert?!" rief sie erschreckt. „Du hast keinen Brief von mir erhalten?' „Nein." „Auch den Brief nicht, den ich in den Brief von Franz mit einlegte, in dem ich dir unsere Verlobung mitteilte?" „Nein — ich habe nur einen kurzen Brief von Franz erhalten." Trude schlug die Hände vor das Gesicht und stöhnte in namenloser Pein auf. Jetzt war ihr alles klar. Franz, ihr Gatte, hatte sie von Anfang an be logen und betrogen. Ihm hatte sie ihre Briefe anoerlraut, er hatte sie einfach unterschlagen. Er hatte mit Absicht jede Verbindung zwischen ihr und Herbert verhindert. Der Gedanke war schrecklicher als die Rohesten, die sie in ihrer Ehe zu ertragen hatte. Sie hatte bislang noch an seine Liebe glauben können, die sich dann und wann in brutaler Zärtlichkeit Bahn zu brechen schien, jetzt sah sie ein, daß sie nur seinen schlauen, habsüchtigen Plänen hatte dienen müssen. Sie Mite sich entwürdigt, erniedrigt, be schmutzt! Sie ließ die Hände von dem Gesicht sinken und saß da — bleich, wie eine Irr sinnige vor sich hinstarrend. „In der ersten Zeit wunderte ich mich, daß ich niemals eine Antwort auf meine Briefe er hielt," fuhr Herbert fort. „Dann gab auch ich das Schreiben als nutzlos auf und ging meinen eigenen Weg. Ich glaubte mich auch von dir verlassen und vergessen, Trude." „O, Herbert» wenn du wüßtest . . ." Sie stockte. Sie brachte das Wort nicht über die Lippen, das die ganze Schändlichkeit von Franz enthüllte — war er doch ihr Gatte und der Vater ihres Kindes! Durste sie ihn verraten? Durfte sie ihn als Schurken, als Lügner, als Betrüger hinstellen? War seine Ehre nicht ihre Ehre? War sein Name nicht der Name ihres Kindes, und würde seine Schande nicht auf ihr Kind zu rückfallen? Plötzlich sprang sie empor. Die Helle Glut schlug ihr in die Wangen. Wie konnte Herbert es wagen, ihr mit solcher Stirn entgegenmtreten? Lastete nicht auch auf seinem Gewissen eine schwere Schuld? War er nicht schuldiger als ihr Gatte? Hatte sie nicht; um ihn vor Schmach, Schande und Strafe zu retten, sich selbst zum Opfer ge bracht? Hatte sie nicht um seinetwillen dem ungeliebten Manne die Hand zum Ehebunde gereicht? Und jetzt stand er da, als sei kein dunkler Punkt in seinem Leben! Jetzt sprach er, als sei ihm ein großes Unrecht geschehen, La^ man seine Schuld mit dem Mantel des Vergessens zudecken wollte? D« (Fortsetzung folgt.)
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