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Ottendorfer Zeitung : 23.09.1914
- Erscheinungsdatum
- 1914-09-23
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Privatperson
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-191409230
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19140923
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19140923
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-09
- Tag 1914-09-23
-
Monat
1914-09
-
Jahr
1914
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 23.09.1914
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Der Vorwanä rum Kriege. Die Ansicht des Königs von Belgien. König Albert von Belgien, der anscheinend aus den ernsten Ereignissen der letzten Zeit nichts gelernt hat, gewährte dieser Tage einem englischen Journalisten eine, Audienz, über die im Londoner ,Daily Chronicle' ein Bericht erschienen ist. Der König beweist auch jetzt wieder, daß er taub ist für die gewaltige Sprache, die die Geschehnisse reden, und daß er der einzigartigen Volkserhebung in Deutsch land vollständig iremd gegenübersteht. Nach jenem englischen Blatt erklärte der König: „Es ist meine feste Überzeugung, daß der Krieg kein Zufall, daß die serbische Tragödie nicht die wahre Ursache des Krieges ist." Diese, so meinte der König weiter, sei nur ein Vorwand. Er wisse bestimmt, daß der Krieg das Ergebnis eines wohlüberlegten Beschlusses und eine direkte Folge des Rückschritts und des Militarismus sei, der in den regierenden Kreisen Deutschlands, in der nächsten Umgebung Kaiser Wilhelms vorherrsche. Der König habe das feste Ver trauen, daß der Krieg mit einem Siege der Verbündeten enden werde. Dann fügte er hinzu: „Die parlamentarische Regierungs- sorm hat Fehler, aber kein unabhängiges deutsches Parlament hätte den verhängnis vollen Fehler begangen, Europa in eine derartig furchtbare Katastrophe hineinzu stürzen." König Albert hätte bester geschwiegen. Vielleicht hatte man den Geschlagenen, von feinen Bundesgenossen Verratenen, für einen Philosophen, für eine tragische Größe ge halten, wenn er diese sinnlosen Behauptungen nicht von sich gegeben hätte. Trotz des „Vor wandes" von Serajewo hat die deutsche Re gierung mit dem Kaiser an der Spitze ihren Willen zum Frieden bis zum äußersten be tätigt, während ringsumher, im Osten wie im Westen, die Mobilmachungen schon im besten Gange waren. Vom Rückschritt sollte der Monarch eines Landes, dessen Bevölkerung noch jetzt, im 20. Jahrhundert, den nach Ruß land größten Prozentsatz an Analphabeten ldes Lesens und Schreibens Unkundige) stellt, lieber nicht sprechen, ebensowenig vom Mili tarismus, dessen innerstes Wesen ihm offenbar ein Buch mit sieben Siegeln ist. Und was endlich den Vergleich zwischen der belgischen Kammer und dem Deutschen Reichstag betrifft, so braucht unser Parlament, das auf dem allgemeinen, gleichen, geheimen und direkten Wahlrecht beruht, diesen Ver gleich gewiß nicht zu scheuen. Nie hat der Deutsche Reichstag die ganze Nation in allen ihren Schichten vollkommener verkörpert als in seiner denkwürdigen Sitzung vom 4. August, in der er mit einmütiger Entschlossenheit sich dem Kaiser zur Seite stellte. Die Unabhän gigkeit dieser Haltung zu verdächtigen, steht einem Monarchen besonders gut zu Gesicht, der am Leitseil der englisch - französischen Kriegshetzer sein unglückliches Volk ins Ver derben gestürzt hat! Der König der Belgier, der „Wert daraus legt, daß seine Ansicht weiteren Kreisen be kannt wird-, hat sich damit auf das Niveau der Londoner und Pariser Blätter begeben, in denen noch heute zu lesen steht, das deutsche Volk, eine Masse von Trunkenen, sei über Europa Hergesallen und empfangen nun die verdiente Züchtigung. Deutsche und Öster reicher würden ausgerottet werden, weil für sie im zivilisierten Europa kein Platz sei. Man wird abwarten müssen: denn die Aus rottung ist nicht so einfach und den Ge schlagenen ziert Bescheidenheit. poLMcbe Armälckau. Deutschland. * Der preußische Minister für Landwirt schaft, Domänen und Forsten Dr. Freiherr v. Schor lemer hat sich nach der Provinz Ostpreußen begeben. "Dem Bundesrat ist ein Antrag zuge gangen, deutscherseits Gegenmaßnahmen zu treffen gegen die finanziellen Handlungen Englands gegen D e u tschland, wonach England Zahlungen an deutsche Firmen verbietet und Zuwider handlungen mit Zuchthaus bis zu 7 Jahren bestraft. Der Antrag kommt bereits in der nächsten Sitzung des Bundesrats zur Beschluß fassung. "Der Bundesrat hat eine Verordnung er lassen, nach der eine neue, für die Handlungs gehilfen günstigere Regelung der Be stimmungen über das Wettbewerbs verbot nicht erst, wie ursprünglich beschlossen, am 1. Januar 1915, sondern schon jetzt in Kraft treten soll. "Das preußische Abgeordneten haus wird wahrscheinlich Mitte Oktober zu einer kurzen Tagung zusammentreten, um über Notstandsgesetze zu beschließen. Der Minister des Innern hat ferner dem Präsi denten des Abgeordnetenhauses mitgeteilt, daß die Regierung bis auf weiteres auf die Fort setzung der Beratung der Permanenz kommissionen des Abgeordnetenhauses keinen Wert lege. Infolgedessen werden weitere Sitzungen der Kommissionen vorläufig nicht stattfinden. Es handelt sich, wie erinnerlich, um die Kommissionen zur Vorbereitung des Kommunalabgabengesetzes, des Grundteilungs gesetzes, des Fischereigesetzes und des Fidei- kommitzgesetzes. Frankreich. * Die aus Frankreich in Genf einlangenden Nachrichten berichten über eine fieberhafte Tätigkeit der Geheimagenten der RonaIisten. Nach der Flucht der Regie rung aus Frankreich wurden massenhaft royalistische Ausrufe verbreitet, in denen be tont wurde, die Siege der Deutschen seien in erster Linie auf die Stärke des mon archistischen Gedankens in Deutsch land zurückmführen. Die Proklamationen wurden auch in der Armee verteilt. Der Wechsel in der Pariser Präfektur wird mit dieser royalistischen Bewegung in Zusammen hang gebracht, weil der frühere Pariser Prä fekt mit den Royalisten sympathisierte. Dem Präsidenten Poincars sind viele Drohbriefe zugekommen.Die Mißstimmung gsgen die Regierung wächst und läßt neue Veränderungen im französischen Kabinett er warten. Italien. * Die in Rom erscheinende .Agenzia Stefani' veröffentlicht folgende Regierungserklärung: Zu leicht durchsichtigen Zwecken einer tenden ziösen Polemik legt man besonders einem Blatte die Qualifikation bei, als offiziös und als Vertretung der Gedanken der Regierung über die gegenwärtige internationale Lage zu gelten. Die Regierung hat keinerlei offiziöse Organe und hatniemand auto risiert, sich zumJnterpreten ihrer Absichten und Entschlüsse in der auswärtigen Politik zumachen. Die Re gierung, die während der Tagung der Kammern wiederholte feierliche Beweise des Vertrauens des Parlaments erhalten hat, und die gegenwärtig von dem Gefühl beseelt ist, stark zu sein durch die Übereinstimmung mit der großen Majorität des Landes, ist sich der schweren Verantwortung und der auf ihr lastenden hohen Aufgaben bewußt. Sie wird diese Aufgaben erledigen, indem sie ihrem Gewissen folgt und sich ausschließlich von den italienischen Interessen leiten läßt. Belgien. " Aus Brüssel wird dem Genter ,Bien Public' gemeldet, daß der Verkauf belgi scher und französischer Zeitungen dort strengstens verboten sei. Die deutschen Behörden haben bekanntgegeben, daß, wer im geheimen die der Zensur nicht unterworfenen Zeitungen verkauft, erschossen werde. Feldmarschall von der Goltz eröffnete vier Kioske, in denen deutsche Blätter aus liegen. Marokko. "Unter den Kabylen herrscht eine ganz außerordentliche Gärung. Bilder des deutschen Kaisers und seines Einmges in Tanger werden verteilt. Aus dem Marktplatze von Tanger verlesen Lesenslundige die Meldungen über die Siege der deutschen und öster reichischen Truppen. In der französi schen Zone von Tuza und Muluja ist ein neuer Rogi aufgetreten, der den heiligen Krieg gegen die Franzosen predigt und die Kabylen ausfordert, sich um ihn zu scharen und die Franzosen aus dem Lande zu treiben. Der Umstand, daß die Franzosen einige Positionen in Marokko verlassen haben, hat wesentlich dazu beigetragen, die Zuversicht der Kabylen zu steigern. uncl fern. Hindenburg — vierfacher Ehrendoktor. Sämtliche vier Fakultäten der Albertus- Universität in Königsberg i. Pr. haben ein stimmig beschlossen, dem Generalobersten v. Hindenburg die Wüde eines Ehrendoktors zu verleihen. Eine solche Auszeichnung dürste in der Geschichte der deutschen Universitäten ohne Vorgang sein. Der hundertste Geburtstag. Die Witwe Wietasch in Berlin beging in diesen Tagen ihren hundertsten Geburtstag im Kreise ihrer Kinder, Enkel und Urenkel. Der Kaiser hatte an die Jubilarin 300 Mark gesandt, aus dem Zivtlkabinett war ein Schreiben des Kaisers eingegangen. Oberbürgermeister Wermuth hatte mit einem Glückwünsche im Namen der Stadt Berlin 100 Mark übersandt. Auch ein Kriegsgefangener. Ein vier zehnjähriger Schüler der zweiten Klasse der Hamburger Stiftungsschule von 1815 reiste beim Beginn der Ferien nach Glasgow. Es gelang ihm nicht, bei Ausbruch des Krieges nach Norwegen zu entkommen. Er wurde in Glasgow als Kriegsgefangener Nr. 149 fest gehalten, wo es ihm, nach seinen Angaben, trotz fürchterlicher Langeweile, gut ergeht. Die Nachricht gelangte auf dem Umwege über die Schweiz nach Hamburg. Schwerer Unfall beim Freudenschiesren. Als die Siegesnachricht von der Gefangen nahme der 30 000 unverwundeten Russen in Adorf i. V. eintraß entschlossen sich die von der dortigen Schützengesellschaft beauftragten Männer, den Sieg den Bewohnern der Stadt durch Böllerschüsse bekannt zu geben. Hierbei zersprang der Böller, und von der Bedienungs mannschaft wurden fünf verletzt, drei davon schwer. In der Nachbarschaft wurden sämt liche Fensterscheiben zertrümmert. Nach einer weiteren Meldung erfolgte das Freudenschießen auf dem nahe der Stadt gelegenen Pforten berg. Der Sticker Krauß wurde derart ver wundet, daß ihm im Krankenhause das eine Bein bis zum Oberschenkel amputiert werden mußte. Ein ehemaliger Fremdenlegionär mit dem Eisernen Kreuz. Eine besondere Aus zeichnung wurde dem in einem Lazarett in Rastatt (Baden) liegenden Gefreiten Äreiden- broich zuteil. Er wurde wegen besonderer Tapferkeit vor dem Feinde zum Unteroffizier befördert und mit dem Eisernen Kreuz deko riert. Bevor B. in das 110. Infanterie-Regi ment eintrat, hatte er sieben Jahre in der Fremdenlegion gedient und es dort ebenfalls zum Unteroffizier gebracht. Seine in der Legion erworbenen Kenntnisse des französischen Kriegswesens ermöglichten es ihm, im Auf- klärungsdienst Hervorragendes zu leisten. Er verkleidete sich als sranzösischer Soldat und gelangte inmitten des feindlichen Lagers. Dort erfuhr er die gewünschten und sehr wichtigen Nachrichten über den Feind und konnte sie unserer Heeresleitung unbeschadet zurückbringen. Der tapfere Bayer. Ein Bayer, der sich zurzeit im Lazarett in Heidelberg befindet, bekam dort auf seiner Stube das Eiierne Krein nachgesandt. Der Wackere erzählt über die Ursache dieser Auszeichnung folgendes: Seine Batterie sei in einem Walde heftig be schossen worden und habe ihre Stellung ändern müssen, ohne die Munition mitnehmen zu können. Als der Hauptmann Freiwillige aufrief, um die Munition aus dem Walde herauszuholen, habe er sich gemeldet und fünf mal den Weg von der Batterie nach dem Wald und zurück im dichtesten Kugelregen unversehrt mit einer Last von etwa anderthalb Zentnern zurückgelegt. Beim sechsten Male sei ec verwundet worden. Der Oberst des Regi ments, der zufällig in der Nähe war, habe sich nach dem Namen des Wackern erkundigt, und seine Tapferkeit ist nun durch das Eiserne Kreuz ausgezeichnet worden. General Delarey — erschossen, über den Tod des Generals Delarey wird aus Kapstadt desnäherengemeldet: Delarey kehrte in Begleitung des Generals BeyerS im Auto mobil nach Hause zurück, wobei er einem Automobil mit Polizisten begegnete, das Lie Straße gegen räuberische Überfälle bewachte. Als das Automobil des Generals Delarey aus Anruf nicht hielt, feuerte die Polizei. Der Schuß traf Delarey ins Herz. kriegsereignisse. 12. September. Bis gestern waren 220 000 französische, russische, englische und belgische Kriegsgefangene in deutschen Gefangenen lagern untergebracht, darunter 2 französische und 25 russische (zwei kommandierende) Ge nerale. — Dampferoerkehr England-Ostende eingestellt. 13. September. Die Zahl der Gefangenen beträgt jetzt 300 000. Andauernde Kämpfe auf dem französischen Kriegsschauplatz. — Drei Divisionen Belgier, die einen Ausfall aus Antwerpen versuchen, werden zurückge worfen. — Die durch Generaloberst von Hindenburg geschlagene russische Njemen- Ärmee flieht in Auflösung, 20 000 bis 30 000 unverwundete Gefangene und über 150 Ge schütze in den Händen der Deutschen zurück lassend.. — Die große Schlacht bei Lemberg zwischen Österreichern und Russen wird ab gebrochen und die Österreicher nehmen eine neue Stellung ein. 14. September. Mitteilung des deutschen Reichskanzlers an das offiziöse dänische Bureau Ritzau: der Kanzler tritt darin energisch den falschen Darstellung der eng lischen Regierung über Ursachen und Aus bruch des Krieges entgegen. — Der deutsche kleine Kreuzer „Hela" wird von einem feind lichen Unterseeboot durch einen Torpedo zum Sinken gebracht, die Mannschaft konnte größtenteils gerettet werden. — Schwere Kämpfe im Westen, ein von den Franzosen versuchter Durchbruch wird siegreich zurück geschlagen. Im Osten schreitet die Ver nichtung der russischen Armee vorwärts. Das russische Gouvernement Suwalki wird unter deutsche Verwaltung gestellt. 15. September. Die österreichischen Armeen Dankt und Auffenberg haben ihre Vereini gung mit der westlich von Lemberg in neue Stellung gegangenen Hauptarmee vollzogen. — Von dem durch einen feindlichen Torpevo- schuß gesunkenen kleinen deutschen Kreuzer „Heia" sind 172 Mann gerettet. Die Be satzung betrug 191 Mann. — Ausdehnung der Kämpfe des Westheeres bis Verdun, Teilerfolge der deutschen Waffen. — Die Verfolgung auf dem östlichen Kriegsschau platz ist beendet. — Die Serben werden aus Slawonien und Ungarn zurückgeschiagen. Syrmien und Bernat sind vom Feinde (rei. 16. September. Die Engländer geben zu, daß ihr Hilfsheer in Frankreich in den letzten Kämpsen 15 000 Tote und Verwun dete gehabt hat. — Meldungen von einem Aufstand in Indien, den japanische Hilfs kräfte jür die Engländer bekämpfen sollen. Zerschneidung des Kabels zwischen Japan und China. — Die Lage auf Lem westlichen Kriegsschauplatz unverändert. 17. September. Die österreichischen Truppen beginnen erneut den Vormarsch gegen die Serben und drängen diese zurück. — Aus Buenos Aires kommt die Nachricht, der englische geschützte Kreuzer „Glasgow" sei von einem deutschen Kreuzer in den Grund gebohrt worden. — Bei Oise und Maas be ginnt die Widerstandskraft des Gegners zu erlahmen. Ein französischer Durchbruchs versuch auf dem äußersten rechten deutschen Flügel brach in sich selbst zusammen. Die Mitte der deutschen Armee gewinnt lang sam, aber sicher Boden. Ausfälle aus Verdun wurden zurückgewiesen. Erinnerungen aus großer Zeit. „Es gibt nichts so Perfides, so Gefährliches als offizielle Unterredungen mit englischen Diplomaten." Napoleon auf St. Helena. Angeber und Zwischenträger sind das er bärmlichste Gesindel, Las Gottes Erdboden trägt. Benedix. Wie viel teurer und inniger als selbst die Bande der Bruderliebe sind die Bande der Wahrheit. Engel. darein, soldatische Ordnung auf seinem Besitz tum zu halten. Doch seine Sorgfalt erstreckte sich nur auf rein äußerliche Dinge. Wenn er diese nur in Ordnung fand, dann kümmerte er sich um den wichtigeren Teil der Wirtschaft nicht; den überließ er seinem Oberinspektor und dem Verwalter, die sich denn auch den Vorteil ihrer Stellungen wohl zunutze machen ver standen. Franz Martini, der mehrere Jahre nicht in Hammersau gewesen, war erstaunt über alles, was er sah. Der Gutshof war neu aufgebaut, aus dem alten Herrenhause war eine große, schloßähnliche Villa geworden, die von einem herrlichen Park umgeben war. Die innere Ausstattung des Hauses war nach modernem Geschmack reich eingerichtet — kurz, man sah, daß hier ein Reichtum herrschte, der mit den verkommenen Verhältnissen in Mar tinikenfelde in vollkommenem Gegensatz stand. Das gab Franz denn doch zu denken. Sein schlauer Vater hatte wahrhaftig nicht unrecht mit seinem P.an: es lohnte sich schon, eine Zeitlang den braven Sohn zu spielen, um die Tochter des reichen Besitzers von Hammersau heimzuführen. Dabei war ja die Trude ein liebes, nettes, gutmütiges Mädchen, nicht gerade eine Schönheit, aber auch nicht häßlich. Man würde mit ihr schon aus kommen können. Franz nahm sich vor, gleich heute Abend seine Rolle des verliebten Ju gendfreundes anzuiangcn. Als Trude wieder eintrat, näherte Franz sich ihr. ein höfliches Lächeln auf den Lippen. .Ich bin erstaunt über die vielen Verände rungen, die hier stattgefunden haben, Fräulein Gertrud," sagte er. „Ja," entgegnete sie, „Vater hat in den letzten Jahren viel gebaut." „Wo ist denn eigentlich mein alter Freund Herbert?" fragte er. „Ich hoffte, ihn be grüßen zu können . . ." Trude warf einen raschen erschreckten Blick nach der Seite ihres Vaters. „Sprechen Sie nicht von Herbert," flüsterte sie. „Er ist nicht hier . . ." „Ja, aber. . ." „Er hat sich mit Vater überworfen." „Ah? — Aber das kann doch so schlimm nicht sein?" versetzte Franz mit heuchlerischer Teilnahme. „Ich habe mich mit meinem alten Herrn schon oft gezankt." „Herbert ist fort — Vater will ihn nicht Wiedersehen . . ." „Unmöglich! Erzählen Sie mir doch." „Nicht hier — nicht jetzt. . ." „Ich nehme den regsten Anteil an dem Schicksal Herberts . . . wir waren doch Spiel gefährten in unserer Knabenzeit. Sagen Sie mir nur..." „Lassen Sie uns in den Garten gehen - dort will ich Ihnen alles erzählen. Vielleicht können Sie Helsen ... ach! ich habe ja nie manden, mit dem ich über Herbert sprechen könnte. Sie sind sein Freund, Sie werden ihm gewiß helfen." „Was jn meiner Macht steht, will ich gern tun, Fräulein Gertrud." entgegnete Franz heuchlerisch. Er hatte mit gro'em Geschick die Stelle herausgefunüen, von der aus er sich in das Vertrauen des arglosen und geängstig ten Mädchens einfchleichen konnte. Trude sehnte sich nach einer vertrauten Aussprache, sie hoffte in Franz einen Freund gefunden zu haben, der ihrem armen Bruder von Nutzen sein konnte. Sie selbst vermochte ja so wenig zu tun. Selbst die Korrespondenz mit Herbert konnte sie nur mit der größten Vorsicht fort führen, da ihr Vater jetzt auch ihre Korrespon denz überwachte. Da erschien ihr Franz geradezu als Helfer in der Rot. „Im Garten sieht es allerdings schon sehr herbstlich aus, aber ich werde Ihnen gern die neuen Anlagen zeigen, Herr Martini," sagte sie so laut, daß ihr Vater sie hören mußte. Franz versicherte, es werde ihm eine große Freude machen, diese neuen Anlagen zu sehen; nachdem Herr Hammer seine Erlaubnis ge geben, gingen Franz und Trude in den Park. „Na, was sagst du zu meinem Jungen, Hammer," fragte Martini mit schlauem Lächeln, nachdem die beiden jungen Leute das Zimmer verlassen hatten. „Er scheint wenigstens kein Duckmäuser zu sein." „Nein — er ist ein frischer, strammer Bursche — hat freilich etwas über die Stränge geschlagen auf der Universität, hat dafür aber auch das Seinige gelernt. Ein famoser Land wirt ist er." „Kannst du brauchen, Martini," brummte Hammer. „Aus Martinikenfelde sieht's er bärmlich aus." „Ja, du weißt, ich bin kein Landwirt, und die Inspektoren . . ." „Die Kerle muß man ordentlich unter Auf sicht halten!" „Dazu ist Franz der richtige Mann. Hättest ihn hören sollen, wie er den Wagner an schnauzte, als er in den Viehstall kam." „Ich hab' dir immer gesagt, Martini, daß du Leinen Viehstand verbessern müßtest." „Siehst du, das hatte Franz auch sofort erkannt. Ich mußte ihm zweitausend Mark zur Aufbesserung des Viehstandes bewilligen." „Da scheint der Franz allerdings mehr von Landwirtschaft zu verstehen als du, Martini." „Ganz gewiß. Er soll jetzt auch die Wirt schaft führen." „Hm . . ." machte Hammer und schenkte die Gläser aus der Rotweinflasche voll, die wie gewöhnlich vor ihm auf dem Tische stand. Eine Weile schwiegen beide. Dann sagte Martini plötzlich: „Wie weit bist du denn mit deinem Sohn Herbert?" Herr Hammer bekam einen roten Kopf. „Wie kommst du darauf?" sagte er auf fahrend. „Ich bekümmere mich nicht um ihn." „Na, ich glaubte, du wolltest ihn wieder zu dir nehmen." „Niemals!" „Ja, dann wird von deinem Plan, in die Stadt zu ziehen, auch nichts. Schade! Wenn ich meinem Franz die Wirtschaft übergebe, ziehe ich in die Stadt. . ," „Was? Du willst mich verlassen?" „Was soll ich dann noch in Martiniken felde? Wenn Franz die Wirtschaft übernimmt, bin ich hier überflüssig. Wir hätten so ge mütlich in der Stadt zusammenleben können: jeden Abend unsere Partie im Kasino — es leben da noch mehrere alte Freunde von uns, wie du weißt." 10 (F-rtsetzung folgt.)
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