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Vie rote Oole unä äie w^ike fecler. Als Frankreich in den Jahren 1870/71 bei Sedan und Paris zusammenbrach, wurde als bald der Ruf laut: „Wir sind verraten!" Der Kaiser, die Kaiserin, das Kaisertum, die Gene rale — allesamt batten das Volk und die Armee verraten. Es naht nun die Zeit für Frankreich, wo es auch jetzt wieder allgemein diesen Ruf anstimmen wird. Hier und da wird schon der Ruf laut, und bald wird er sich über ganz Frankreich verbreiten: „Wir sind verraten!" Diesmal aber gibt man weder Herrn PoincarS die Schuld, noch dem Schürer des Brandes, dem russischen Bot schafter Iswolski), heut ist einzig und allein der Verräter — die rote Hose. Alle gefangenen Offiziere stimmen darin überein, daß Frankreich vom Beginn des Krieges an bätte siegen müssen, wenn nicht die Armeeverwaltung hartnäckig an der über lieferten alten roten Hose festgehalten hätte. „Die unvergleichliche Tapferkeit unserer Truppen hätte auch dem schlimmsten Angriff wider standen, wenn nicht die verwünschten roten Hosen ein so gutes Ziel für die Deutschen wären." Freilich, hier und da sickert allmäh lich auch die Erkenntnis durch, daß auch Ruß land einen nicht kleinen Anteil der Schuld daran trägt, daß sich alles so anders gestaltet hat, als die Herren Iswolsky und Delcassö, Sasonow, Poincarö und der famose Grey am grünen Tisch es berechnet hatten. Und in der Tat! Jedem, der sehen will, ist längst klar, daß Frankreich von seinem Bundesgenoffen Rußland in schamlosester Weise gefoppt worden ist. 20 Milliarden steckte Frankreich in die russischen Rüsiungen, damit am großen Tage der Revanche Väterchen seine Millionen über Ost- und Westpreußen, über Posen und Schlesien nach Berlin führen möge, nicht nach Galizien, um nach Wien zu gelangen. Und jetzt, wo man für England und Rußland verblutet, erweist sich der eine unfähig als Bundesgenosse, weil er keine Soldaten aufbringen kann, und der andere will zunächst Osterreich-Ungarn zerschmettern, um in Ruhe und Gemächlichkeit die Früchte seines Sieges auf dem Balkan zu sammeln. Noch freilich will man in Frankreich nicht sehen, oder besser gesagt, kann man nicht sehen. Man starrt noch immer wie hypnoti siert auf das Vogesenloch, in das man ein dringen wollte und aus dem man so schnell verjagt worden ist. Man rechnet noch immer auf Väterchens Hilse und leidet gern, weil man sicher ist, daß die Russen drauf und dran sind, den Stoß in das Herz des Feindes zu führen. Man wiegt sich in dem holden Traum, daß zm selben Zeit, da die verhaßte« Deutschen in Paris einziehen, Väterchens Horden auf dem Schloßplatz in Berlin para dieren werden. Und nicht nur das allein: Der englische Freund verspricht ja. daß auch Inder und Kaffem, Kanadier und Australier an dieser Parade teilnehmen! Für diese herr liche Rache blutet man gern. Armes verblendetes Volk! Es gibt seinen Ruhm, der einst zu den Sternen strahlte, jetzt dem Fluche der Lächerlichkeit preis, es schmückt sich mit allen fremden Farben, ohne doch verhüllen zu können, daß seine Reize dahin sind. Und um nicht aus dem eitlen Traum erwachen zu müssen, tröstet es sich auch mit dem plumpsten Schwindel, den seine Bundesgenossen erfinden. Jetzt sind Eng lands Frauen aufgefordert worden, den Männern, die daheim bleiben, die weiße Feder (das Zeichen der Schmach) zu reichen. Nun, so hofft das verblendete Frankreich, muß sich alles wenden. Und man glaubt diesen unzeitgemäßen Reporterwitz mit derselben Inbrunst, die das Märchen von den grün- gestrichenen Kosakenpferden fand, die den Deutschen unsichtbar, das Land überfluten sollten. Nur wenige Aufrechte verabscheuen den Selbstbetrug und die Firlefanzerei solchen Be ruhigungsschwindels. Sie wissen, daß die rote Hose ebensowenig schuld an den Miß erfolgen ist, wie die weißen Federn der eng- - lischen Frauen und die grünen Kosakenpserde etwas helfen können. Sie ahnen die Zukunft Frankreichs und beschuldigen — England. Diese Stimmen mehren sich. Nicht nur in Frankreich, sondern auch in Rußland, wo sich langsam die Kunde von der Vernichtung der ostpreußischen Armee Bahn bricht. Warum schont England seine Kräfte zur See? So fragt man und findet am Seine- wie am Newastrande nur die Antwort, daß England in diesem Kriege keine Opfer mehr bringen will. Man beginnt Englands frivoles Spiel zu durchschauen. Wehe dir, stolzes England, wenn du nicht siegst! Deine Bundesgenossen werden dann deine schlimmsten Feinde sein, wie du es verdienst. Ll. v. * * verschiedene ttriegsnachrichten. Prinz Friedrich Karl von Hessen ver wundet. Prinz Friedrich Karl von Hessen, der Schwager des Kaisers, wurde durch einen Schutz in de» Oberschenkel verletzt. Prinz Friedrich Karl von Hessen ist seit 1893 mit Prinzessin Margarete, der jüngsten Schwester des Kaisers, verheiratet. Er steht im 47. Lebensjahre. In der Armee bekleidet er den Rang eines Generalleutnants und ist Chef des 81. Infanterie-Regiments. * — Nach Berichten schwedischer Blätter unternehmen im Gegensatz zu den Behaup tungen der Franzosen die deutschen Flieger täglich Flüge über Paris, wobei sie verschiedentlich schweren Schaden anrichteten. — Dem,B. B.-C.' wird aus Amsterdam berichtet, die belgische Heeresleitung in Ant werpen habe zugegeben, daß die belgischen Truppen bei dem Ausfall aus Ant werpen schwere Verluste erlitten haben. Der Verwüster Ostvreutzens vor dem Kriegsgericht. Der russische General Martos, der be fahl, die besetzten Ortschaften Ostpreußens zu verbrennen und die männlichen Einwohner zu erschießen, wurde in Halle a. S. gefesselt eingebracht. Er kommt vor ein Kriegs gericht. — über Konstantinopel kommen aus Ruß land Meldungen, die von großer Miß stimmung über die bisherigen Ergebnisse des Krieges berichten. Trotz aller Maßregeln der Regierung, trotz der Sieqesbulletins sickert all mählich die Wahrheit durch. Man weiß, daß die russischen Truppen in Ostpreußen schwere Nieder lagen erlitten haben, und daß es der russischen Armee nicht gelungen ist, das österreichijch- ungarische Heer, wie man bestimmt gehofft hatte, zu schlagen. Die ungeheuren Vertu st e in den bisherigen Kämpfen tragen dazu bei, die Stimmung zu verdüstern. In Moskau allein sollen viele Tausende Verwundete liegen. * — Die.Köln. Ztg.' melde) aus Agram, daß der östcrrcichisckie Sieg über die Serben wesentlich größer sei, als anfangs angenommen wurde. Mehrere heiße Kämpfe wurden durch gefochten, die Serben völlig aufgerieben und in wilder Flucht über die Sawe zurück geworfen. Eine große Anzahl von Gefange nen wurde gemacht. Sehr viele sind ertrunken. Der Bezirk von Ruma, der von Serben namentlich bedroht war, ist nunmehr wieder in österreichischem Besitz. In Agram wurden großartige Freudenkundgebungen veranstaltet. Die serbische -Meldung vom Vormarsch ser bischer Truppen nach Budapest ist nur Er findung. * Englands Kampf gegen die Wahrheit. Sämtliche Dampfer, die von Holland nach Amerika gehen, werden auf hoher See von englischen Schiffen angehalten und durch sucht. Die Passagiere werden einer genauen Untersuchung unterzogen und müssen sämtliche deutschen Briefe und deutschen Zeitungen ab geben. Die deutsche Post sowohl als auch deutsche Zeitungen werden über Bord ge worfen. Die englische Admiralität, die schon die beiden für die Türkei erbauten und bezahlten Dreadnoughts beschlagnahmte, hat jetzt auch zwei der noch auf englischen Werften für Rechnung Chiles im Bau befindlichen Riesenpanzerschiffe, „übernommen" und zwar trotz des Protestes des chilenischen Marine- bevollmächtigten in London. Damit aber nicht genug, fordert England gleichzeitig auch noch Brasilien heraus, indem es ferner soeben drei für den Dienst auf dem Amazonen strom bestimmte, in England erbaute brasilia nische Flußkanonenboote, die schon im August unter eigenem Dampf nach Rio de Janeiro abgehen sollten, der eigenen Flotte einver leibt hat. Die Türkei sucht Anlehnung. Die .Köln. Volksztg.' veröffentlicht einen Bericht aus Jerusalem, wonach der Komman dant die einheimischen Notabeln versammelte und ihnen auseinandersetzte, daß durch die Kriegswirren auch der Bestand des türkischen Reiches gefährdet sei, das sich notwendig an befreundete starke christliche Mächte anlehnen müsse. Man sollte sich über alte Vorurteile hinwegsetzen und mit wohlgesinnten Christen verhandeln. Auf dem Tempelplatz wird allabendlich von den zu Hunderten versammelten Mohammedanern das allgemeine Gebet für Erhaltung Deutschlands und Österreichs in der würdigsten und erhebendsten Weise wieder holt. Dis Begeisterung für Deutschland ist allgemein. Oie amtlicken ^leläungen. Zu den Kämpfen im Westen meldet W. T. B. amtlich aus dem Großen Hauptguartierunterm 18. September: Das französische 13. und 4. Armeekorps und Teile einer weiteren Division sind gestern südlich Noyon entscheidend geschlagen und haben mehrere Batterien verloren. Feindliche Angriffe gegen verschiedene Stellen der Schlachtfront sind blutig zusammenge brochen. Ebenso ist ein Vorgehen französischer Alpenjäger am Vogesenkamm im Breuschtal zurückgewiesen. Bei Er stürmung des Chateau Grimont bei Reims sind 2600 Gefangene gemacht worden. Auch sonst wurden in offener Feldschlacht Gefangene und Geschütze erbeutet, deren Zahl noch nicht zu übersehen ist. Das Ostheer setzt seine Operationen im Gouvernement Suwalki fort. Teile gehen aui die Festung Osowiec vor. Oie fieilckversorgung Oeutleklanäs. Eine neue Bundesratsverordnung. Das preußische Landwirtschaftsministerium macht folgendes bekannt: Seit einiger Zeit ist Deutschland mit Schlachtvieh, namentlich mit Schweinen, sehr reich versorgt. Nach dem Kriegsausbruch hat sich das Angebot noch er heblich dadurch gesteigert, daß zahlreiche Vieh halter übereilt ihre Bestände zum Schlachten abgeben, obwohl diese oft noch weit von der Schlachtreife entfernt sind. Unter den ab gegebenen Rindern befinden sich häufig jüngere wertvolle Zuchtkühe, deren Erhaltung für die Nachzucht nicht nur erwünscht, sondern not wendig ist. Eine Fortdauer dieser Mißstände muß trotz des jetzigen Überflusses auf dem Fleischmarkt die Fleischversorgung künftig be einträchtigen und den Nachwuchs gefährden. Deshalb hat es der Bundesrat für not wendig gehalten, vorsorgend einzugreifen. Durch eine von ihm beschlossene Verordnung werden Schlachtungen von Kälbern, die weniger als 75 Kilogramm Lebendgewicht haben, und von w.eiblichen, noch nicht sieben Jahre alten Rindern für die Dauer von drei Monaten seit dem Jn- kraittreten der Verordnung verboten. Das Verbot findet keine Anwendung auf Weide mastvieh, auf das aus dem Auslande einge führte Schlachtvieh und auf Notschlachtungen, Aus. innen von ihm können in Einzelfällen beim Vorliegen eines dringenden wirtschaft lichen Bedürfnisses zugelassen werden. Das Verbot wird gewisse unvermeidliche Härten für die Viehhaltung mit sich bringen. Sie werden aber wesentlich durch seine zeit liche Beschränkung sowie dadurch gemildert, daß es nur Schlachtungen und nicht auch den Weiterverkauf von Vieh umfaßt. Die günstige Ernte an Rauhfutter und die jetzige Weide gelegenheit werden den Viehhaltern im all gemeinen die Durchfütterung der von dem Verbot betroffenen Bestände ohne besondere Schwierigkeiten ermöglichen. Der Handel und die Bevölkerung braucht für sich keine Nachteile von der Verordnung zu befürchten. Ihr,Zweck ist allein, auch für das kommende Jahr die Fleisch versorgung zu erträglichen Preisen nach Möglichkeit zu sichern. Eine Einschränkung des allgemeinen Fleischbedarfs wird das Schlachtungsoerbot schon aus dem Grunde nicht bewirken, weil jetzt schlachtreife Schweine im Überfluß zu haben sind. Auch an Kaib und Rindfleisch wird ein fühlbarer Mangel kaum eintreten. Denn das Verbot gestattet die Schlachtung non Kälbern über 75 Kilo gramm und unbeschränkt dis Schlachtung von männlichen Rindern sowie von Weidemast vieh. Ferner wird die bisherige Zuführung und Schlachtung von ausländischem Kalb- und Rindfleisch nicht berührt. Zur Erleichterung der Durchführung des Verbotes für die Viehhalter, besonders für die bäuerlichen, sowie zur Unterstützung seines Zweckes, wird in Preußen von dem Landwirt- schaftsminister für die Kriegsdauer eine be sondere Hilfsmaßnahme unter Mitwirkung der Landwictschaftskammern geplant. Ferner sind die Verwaltungen der größeren preußischen Städte angeregt worden, jür einen baldigen und möglichst umfang reichen Aufkauf von Schweinen zur Verarbeitung zu Dauerware, besonders zu Speck, Pökelfleisch, Schinken und Wurst, zu sorgen. Bei städtischen Schlachthäusern mit Kühlräumen kann das Schweinefleisch auch in rohem Zustande geraume Zeit aufbewahrt werden. Durch solche Vorräte würde sich eine etwaige spätere Knappheit an frischem Schweinefleisch teilweise ausgleichen lassen. In ähnlicher Richtung beabsichtigt die preußische Heeresverwaltung mitzuhelfen, in dem sie in ihren Konservenfabriken Schweine fleisch in größerem Umfange als bisher ver arbeiten lassen wird. Auch will sie zur Schonung der Rrnderbestände darauf hin wirken, daß der Fleischbedarf für die Truppen im Jnlande in gesteigertem Maße durch Schweinefleisch gedeckt wird. Bei dem Zusammenwirken des beschränkten Schlachtungsverbots mit diesen besonderen Maßnahmen wird es der heimischen Land wirtschaft gelingen, die Fleischversorgung für den Heeres- und Marinebedarf sowie für die bürgerliche Bevölkerung auf längere Zeit aus eigener Kraft sicherzustellen. Die deutschen Landwirte werden zur Erfüllung dieser be deutsamen vaterländischen Aufgabe ohne Murren die mancherlei wirtschaftlichen und geldlichen Erschwerungen hinnehnien, die ihnen das Schlachtungsverbot bringen wird. In gleicher Weise wird auf die verständige Mithilfe der übrigen Bevölkerungskreise ver traut werden dürfen. Jede Haushaltung ver mag zur Sicherung der Fleischversorgung während der Kriegsdauer dadurch beizutraäen, daß sie den Verbrauch an Kalb- und Rind fleisch bis zum Jahresschlüsse möglichst ein- fchränkt und Vorräte von Dauerware aus Schweinefleisch für das nächste Frühjahr an- iammelt. Auch hier wie in allen das Wohl des Vaterlandes betreffenden Fragen müssen Stadt und Land Hand in Hand zu den un vermeidlichen Opfern sich bereitfinden., Oeer «ncl Motte«. - — Die im Dienste des deutschen Heeres ver wendeten Luftschiffe haben die großen Hoffnungen, die man auf sie gesetzt hat, bis. her durchaus erfüllt. Die unvermeidlichen Beschädigungen, die einzelnen von ihnen auf ihren gefahrvollen, weiten Fahrten zugestoßen sind, haben in keinem Falle zum Verlust des Schiffes geführt. KeinLuftschiffist in Feindes Hand gefallen. — Prinz Maxvon Sachsen, der Bruder des Königs Friedrich August, ist als katholischer. Feldprediger bei der sächsischen Armee eingetreten. Oock giticklick geworäen. 10f Roman pon Otto Elster. (Fortsetzung.) „Zum Henker mit Ihrem Vieh!" Ich will mein Geld nicht zum Fenster hinausschmeißen." „Davon ist keine Rede, Herr Martini. Ein guter Viehstand bringt Segen ins Haus . . „Ja, aber erst in Jahren." „Freilich — so rasch geht's nicht. Geduld muß man haben." „Und dann hat man kaum zwei Prozent Zinsen von dem aufgewandten Kapital," lachte Martini spöttisch. „Nee, mein Lieber, da hab' ich eine bessere Anlage für mein Geld." „Herr Martini," entgegnete der Inspektor ernst, „ich muß Ihnen offen sagen, daß ich in dieser Weise nicht weiter wirtschaften kann." „So gehen Sie zum Kuckuck!" „Ich bin jetzt zwanzig Jahre auf Mar- tinilenseldc," sagte der Inspektor traurig. „Als Ihre Gattin noch lebte, da war es eine Freude, hier zu wirtschaften — sie verstand die Wirtschaft — sie half mir, wo sie konnte — um ihretwillen bin ich geblieben — und um Fräulein Elses willen . . ." „Nennen Sie den Namen nicht!" schrie Martini. „Weshalb sollte ich ihren Namen nicht nennen? Sie haben Fräulein Else aus dem Hause getrieben, Herr Martini — wollen Sie auch mich jetzt sortschicken?" „Ja — das tue ich, wenn Sie nicht auf hören, mir die Ohren voll zu stöhnen!" »Vielleicht will Ihr Sohn di« Wirtschaft führen — na, da wünsch' ich viel Glück. Also — wann kann ich gehen?" Dem alten Martini schoß der Gedanke durch den Kopf, daß es einen schlechten Ein druck machen würde, wenn er seinen ehrlichen, bewährten Inspektor so plötzlich entlassen würde. Auch sagte er sich, daß dann der Ver fall seines Gutes noch weit rascher vor sich gehen würde als jetzt. Wagner war ein ehr licher Mensch, fleißig von früh morgens bis spät abends; er allein hielt die Wirtschaft noch zusammen, er wirtschaftete so gut und sparsam, daß bei genügender Unterstützung das Gut binnen kurzer Zeit wieder instand gebracht werden konnte. — Der Inspektor war der einzige, der sich mit aller Kraft gegen den Verfall des Gutes stemmte. Die Zeit, wo er entbehrlich war, war noch nicht ge kommen. „Sie sind ein Hitzkopf, Wagner," sagte Martini darum einlenkend. „Sie müssen nicht jedes Wort von mir auf die Wagschale legen. Sie kennen doch meine Art und Weise. Ich denke gar nicht daran. Sie fortzuschicken. Und damit Sie sehen, daß ich für Ihre Gründe zugänglich bin, sollen Sie tausend Mark erhalten, um den Viehstand aufzu- bessern." „Damit reichen wir nicht weit. Herr Martini." „Na, dann sagen wir fünfzehnhundert Mark. Im Frühling können wir dann wieder einige Ankäufe machen. Sind Sie nun zu frieden ?" „Ich muß es wohl. Herr Martini." „Na. dann geben Sie mir die Hand und lassen Sie uns wieder Freundschaft schließen. Zum Henker, Wagner, wir werden uns doch jetzt nicht trennen, nachdem wir zwanzig Jahre zusammen gewirtschaftet haben?" „Ja, Herr Martini — Sie müssen aber auch Vernunft annehmen." „Will ich auch, mein Lieber. Warten Sie nur noch einige Wochen und alles hier soll besser und schöner werden. Und nun bestellen Sie mir den Wagen, wir — mein Sohn und ich — fahren nach Hammersau hinüber. Das Korn können Sie verkaufen und die fünfzehn hundert Mark gleich einbehalten." „Schön, Herr Martini — das ist doch etwas." Und der Inspektor entfernte sich, während Martini spöttisch hinter ihm drein lächelte. 8. „Freut mich, daß Sie endlich wieder da heim sind und nun hier bleiben wollen. Da haben wir doch den dritten Mann sür unsere Skatpartie gleich zur Hand und brauchen nicht erst nach dem Kantor oder dem Revierjörster zu schicken." Mit diesen begrüßenden Worten schüttelte Herr Hammer dem jungen Martini die Hand, der sich höflich verbeugte und entgegnete: „Ja, es trieb mich nach Haus, ich sehne mich nach einer ernsthaften Beschäftigung und denke, Vater in der Verwaltung Martiniken- felde's zur Hand zu gehen." „Ist auch die höchste Zeit," brummte Herr Hammer. „Diese Inspektoren betrügen uns an allen Ecken und Enden. Wenn ich noch jünger wäre, hätte ich meinen Inspektor schon längst davon gejagt. — Trude," wandte er sich an seine Tochter, „sage der Köchin, daß die beiden Herren zum Abendessen hier bleiben; sie soll für ein ordentliches Effen sorgen." Trude wollte gehen, doch Franz Martini trat ihr entgegen. „Sie entsinnen sich des alten Spielkame» radey wohl nicht mehr, Fräulein Gertrud?" fragte er, ihr die Hand reichend. „Sie haben sich allerdings sehr verändert," entgegnete Trude mit leichtem Lächeln, „und aus bem wilden Buben ist ein großer Herr geworden." „Die Kinderschuhe hab' ich allerdings längst ausgezogen," sagte Franz lachend. „Aber ich denke, wir können doch gute Freunde bleiben." „Ich will es hoffen, Herr Martini," er widerte Trude ernst und verließ das Zimmer, um mit der Köchin Rücksprache zu nehmen. Die beiden alten Herren hatten im Sofa Platz genommen und schienen in ein wirt schaftliches Gespräch vertieft. Franz stand am Fenster, trommelte leise mit den Fingern auf die Scheiben und blickte gedankenvoll auf den wohlgepflegten Hof hinaus, der sich vor dem Herrenhause ausbreitete. So wüst der alte Hammer für seine Person dahinlebte, mit solch peinlicher, ja übertriebener Sorgfalt achtete er darauf, daß sein Haus und sein Gut in tadel losem Zustande sich befand. Wehe dem In spektor, wenn Herr Hammer am Wochenschluß einen Strohhalm auf dem Wirtschäftshofe fand, oder wenn die Ackerwagen nicht in ge nauer Richtung dastanden! Wehe dem Gart ner, wenn die Wege des Parkes und der Schloßlwf nicht sauber geharkt waren. Ter alte Hammer war in seiner Jugend Kavallerie- Offuier gewesen und er letzte seinen Sta