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Ottendorfer Zeitung : 06.09.1914
- Erscheinungsdatum
- 1914-09-06
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-191409068
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19140906
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19140906
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-09
- Tag 1914-09-06
-
Monat
1914-09
-
Jahr
1914
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 06.09.1914
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Ver Sieg oknegleicken. Vor einem Monat wurde die Mobil machung des deutschen Heeres und der Flotte befohlen, und schon sind mehrere siegreiche, für die Gegner vernichtende Schlachten ge schlagen, schon stehen die deutschen Heere mit ihren Spitzen vor Paris, nachdem im Vor überstürmen mehrere Festungen erobert wor den sind. Welch eine wunderbare Leistung dieser Marsch von Berlin nach Paris! Die Weltgeschichte hat einen solchen Siegeszug noch nicht gesehen, wie sie noch niemals ver zeichnete, daß ein Erdteil sich wider zwei Völker zu ihrem Untergang verschwor. Niemand in deutschen Landen hat mit Zagen dem Ausgang dieses unerhörten Völker ringens, in dem sich Millionen gegenüberstehen, entgegengesehen. Unser Herz war hoffnungs- froh, weil wir an die Gerechtigkeit glaubten, unsere Zuversicht war unerschütterlich, weil wir wußten, daß der Feind vielleicht eine Armee schlagen kann, daß er aber wehrlos ist gegenüber einem Volke von 65 Millionen, das beherrscht wird von dem einen einzigen gemein samen Willen: Wir müssen siegen! Wie wäre der Sturmmarsch Aachen—Lüttich, wie das schnelle Oordringen von Maubeuge in die Nähe von Paris ohne diesen Gesamtwillen möglich ge wesen! Man lebt wie in einem Traum. Die Mobilmachung und der Aufmarsch des Millionenheeres vollzog sich ohne jedwede Störung nach dem in Friedenszeiten genau bis in alle Einzelheiten aufgestellten Plan. In 16 Tagen stand das deutsche Westheer an der französisch-belgischen Grenze, um sofort die Operationen mit einem Nachdruck aufzu nehmen, der von vornherein die ungeheure Kraft der Führung und die Tapferkeit unserer Truppen zeigte. Nur im Elsaß war den Franzosen der Einbruch gelungen. Wie bald aber waren ihre drei Divisionen aus dem heißbegehrten Mülhausen geworfen. Nur im Osten beherrschte einige Tage Sorge die Gemüter. Aber nachdem der über wältigende Sieg von Gilgenburg—Tannen berg erfochten ist, der nach dreitägigem Ringen die russische Narew-Armee vernichtete, können wir uns uneingeschränkt des Sieges erfreuen, der einzig in der Weltgeschichte dasteht. Ein Erdteil hat sich wider den germanischen Gedanken erhoben und ein Erdteil zittert nun vor seinem Siege. Der Zar be reitet seine Flucht aus Petersburg vor, der Sitz der französischen Regierung ist gegen wärtig unbekannt, König Georg harrt in London vergeblich auf die Lorbeeren, die seine Getreuen im Kampfe gegen Deutschland er ringen sollten. Fürwahr, es ist ein Gottesgericht über die Friedensstörer hemiedergegangen, und wie sie auch immer mit der Kunst der Lüge, durch Völkerrechtsbruch und durch Scheußlichkeiten, deren ein Wilder sich schämen würde, den Erfolg an ihre Fahnen besten wollen, die strafende Gerechtigkeit kommt über sie wie der Sturmwind, dem keiner wehren kann. Sie riefen die Schwarzen und Geiben um Hilfe an in dem wahnwitzigen Glauben, wir müßten unter all dieser Niedertracht zusammenbrechen, sie belogen ihre Völker und die ganze Welt: aber die Wahrheit wird Lurch der Kanonen eisernen Mund verkündet. Darum dürfen wir uns der Siege doppelt freuen, denn sie sind nicht nur gegen eine Übermacht erfochten, sondern gegen alle dunklen Mächte, die mit unseren Feinden im Bunde sind. Die Siegeszeichen aber, die jetzt in deutschen Landen eintreffen, die erbeuteten Kanonen und Fahnen sind leuchtende Wahr heitskünder. sind beredte Zeugen davon, daß ein Volk mit gigantischer Krait sein Daseins recht erkämpft, daß es durch Blut und Eisen sich eine neue Zukunft schmiedet. Zugleich aber auch, daß dieses Volk den Erdteil neu zu gestalten berufen ist, weil es „rein und bereit zum Aufschwung in die Sterne" ist. K. .V. v. verschiedene Uriegsnachrichten. Eine Kundgebung des Herzog vou Koburg-Gotha. Herzog Karl Eduard von Sachsen-Koburg« Gotha, der als Sohn des Herzogs Leopold von Albany bis zu seiner Thronbesteigung den Titel eines Herzogs von Albany trug, hat an den gothaischen Staatsminister v. Bafse- witz folgendes Telegramm gerichtet: „Ich ermächtige Sie, öffentlich bekannt zu geben, daß ich die Stelle als Chef des Regi ments Seaforth Highlanders aufgebe, da ich es nicht als deutscher Truppenchef in Ein klang bringen kann, Chef eines Regiments zu sein, dessen Land uns in schändlichster Weise überfallen hat. Karl Eduard." Zehn französische Armeekorps geschlagen. W. T. B. meldet aus dem Großen Hauptquartier unterm 2. September: Die mittlere Heeresgruppe der Fran zosen — etwa zehn Armeekorps — wurde gestern zwischen Reims und Verdun von unseren Truppen zurückgeworfen Die Verfolgung wird heute fortgesetzt. Fran zösische Vorstöße aus Verdun wurden abgcwiescn. Ter Kaiser befand sich während des Gefechts bei der Armee des Kronprinzen und verblieb die Nacht in Mitte der Truppen. Der Generalquartiermeister v. Stein. 70 000 gefangene Russen. Nack weiteren Mitteilungen des Hauptquartiers ist die Zahl der Ge fangenen in der Schlacht bei Gilgenburg- Ortelsburg noch größer gewesen als bis her bekannt. Sie beträgt 70 OVO Mann, darunter 300 Offiziere. Das gesamte Artillcriematerial der Russen ist ver nichtet. (W. T. B.) Die Anzahl der vernichteten Geschütze be trägt nach Ausführungen von Sachverständigen 516 Stück. Warnung für überängstliche. Großen Unannehmlichkeiten setzten sich die Leute aus, die ohne Grund und ohne be hördliche Anweisung fluchtartig ihren Wohnsitz verlassen. Das König!. Garnisonkommando in Braunsberg macht nämlich diesbezüglich bekannt: Es ist bekannt geworden, baß Kaufleute, Fleischer, Bäcker, Banken und sonstige Gewerbe treibende ihren Betrieb, welcher für bas wirt schaftliche Leben der Stadt und Umgebung unbe dingt notwendig ist, eingestellt haben oder in nächster Zeit einzustellen gedenken. Das Garnison- Kommando macht hiermit bekannt, daß die vor bezeichneten Geschäftsinhaber ihren Geschäftsbe trieb ausrecht zu erhalten haben, andernfalls sie gewärtig sein müssen, daß seitens der Militärbe hörde ihr Geschäftsbetrieb auf ihre Kosten fort gesetzt resp. wieder eröffnet werden wird. Keine telegraphische Verbindung Paris-London. Nach einer Londoner Meldung des Amster damer Telegraaf haben die Deutschen an scheinend die telegraphische Verbindung Paris-London vernichtet. Bis 7 Uhr abends ist am Montag kein Pariser Telegramm in London eingetroffen. Vernichtete englische Schiffe. Wie in der ,Nordd. Allgem. Ztg.' mitge teilt wird, brachten gleich nach der Kriegs erklärung zwischen England und Deutschland amerikanische Blätter eine, anscheinend amt liche, sehr vielsagende Meldung aus Eng land, in der gesagt wurde, daß man sich durch anfängliche unglückliche Er eignisse zur See nicht in der festen Zu versicht wankend machen lassen dürfe, daß England schließlich doch den Sieg davon tragen müsse. Der Ausdruck „unglücklicher Ereignisse" war so gebraucht, daß man daraus entnehmen mußte, es seien bereits tatsächlich Ereignisse eingetreten, die für die Engländer peinlich waren. In Amerika wurde denn auch von der Presse gemeldet, daß am Humber an der Ostküste Englands, in der Nähe des be rühmten Hafens Hull, in den ersten Tagen nach der Kriegserklärung 2 bis 3 größere englische Kriegsschiffe durch unsere an der englischen Küste vorgedrungenen leichten Streitkräfte vernichtet worden seien. Die .Deutsche Tageszeitung' erfährt jetzt durch Persönlichkeiten, die in den letzten Tagen noch aus England nach Deutschland zurück gekehrt sind, daß tatsächlich im Humber Wracks mehrerer Schiffe liegen sollen. — Eine Kontrolle dieser Nachricht ist natür lich unmöglich. Immerhin besteht die Mög lichkeit, daß diese Meldung einen tatsächlichen Kern enthält, und daß das vor einiger Zeit berichtete schneidige Vordringen unserer Unter seeboote bis an die Küsten Schottlands damit im Zusammenhangs steht. Deutsche und Österreicher in Lodz. Aus Mailand wird berichtet: Nach amt lichen Mitteilungen aus Petersburg gibt die russische Regierung zu, daß in Südpolen außer Petrikow, Konak, Radom und Opatow auch die wichtige Fabrikstadt Lodz von den deutsch-österreichischen Truppen besetzt ist. — Die Russen scheinen demnach das Land westlich der Weichsel be reits geräumt zu haben. Österreich besetzt wieder den Sandschak. Wie aus Serajewo gemeldet wird, haben die österreichischen Truppen den Sandschak Novidazar — (den Österreich im Beginn des Türkenkrieges mit Rücksicht auf Serbien ge räumt hat) — wieder besetzt, nachdem die serbi schen Truppen in die Flucht geschlagen worden waren. Zittre Rußland! Trotz der strengenZeitungszensur im Zaren reiche kommen immer wieder Nachrichten aus verschiedenen Teilen des Landes, wonach die Revolution bedrohliche Fortschritte macht. In Polen, in Finnland und in der Ukraine herrscht eine russenseindliche Stimmung, die von den revolutionären Elementen eifrig ge schürt wird. In der Nähe Warschaus wurde ein Bombenattentat auf einen vollbesetzten russischen Militärzug verübt. 150 Mann, dar unter viele Offiziere, wurden getötet. Es gab zahlreiche Verwundete. Die meisten Attentäter entkamen, einige wurden erschossen. Die bei diesen gefundenen Schriftstücke beweisen deut lich, daß der Anschlag auf Anordnung des revolutionären Komitees in War schau erfolgte. Englischer Völkerrechtsbruch. Der Handelssachverständige bei der deut schen Gesandtschaft in den zentral-ameri kanischen Staaten Dr. Wilhelm Gerlach ist, wie verlautet, am 25. August in eng lische Kriegsgefangenschaft geraten. Er befand sich auf der Rückreise nach Deutsch land an Bord eines holländischen Schiffes und wurde kurz vor dem Eintreffen in Rotter dam von den Engländern, die das Schiff angehalten hatten, in Hast genommen. — Ebenso wenig wie die Franzosen sich um die völkerrechtlich gewährleistete Unverletzlichkeit unserer diplomatischen Vertreter in Marokko kümmerten, haben die Engländer also vor der gleichen Eigenschaft Dr. Gerlachs halt gemacht. Fürwahr, diese Bundesgenossen sind einander wert und würdig! Nach Londoner Blättern hat der englische Handelsminister amtlich einen Ausschuß ein gesetzt, der beraten soll, wie der früher auf die deutsche Industrie entfallende Teil des Welthandels besonders in chemischen Pro dukten auf England übergeführt werden könnte. Es wird in den Blättern öffentlich dazu aufgefordert, dem Sekretär des Aus schußes zweckentsprechende Mitteilungen zu machen. Lord HaIdane, der große Deut schenfreund, hat sich nicht gescheut, den Vorsitz zu übernehmen. Dieser Schritt wirft ein be zeichnendes Licht auf Englands Gründe zur Kriegserklärung. und flotte. — Der Deutsche Kaiser hat über die Begnadi gung der wegen Wehrpflichtverletzung Verurteilten am 1. September folgende Bestimmung getroffen: Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preußen usw., wollen allen Personen, die sich bis zum heutigen Tage der Verletzung der Wehrpflicht (Z 140 Reichsstrafgesetzbuch) oder der unerlaubten Auswanderuag (Z 360 Ziffer 3 Reichssirafgesetz- buch) schuldig gemacht haben, soweit Uns das Begnadigungsrecht zusteht, den Erlaß der ver wirkten Geldstrafe, Freiheitsstrafe und Kosten in Aussicht stellen, wenn sie während des gegen wärtigen Krieges unverzüglich, jedoch spätestens innerhalb dreier Monate vom heutigen Tage an gerechnet, im Deutschen Reich, in einem deutschen Schutzgebiet oder auf einem Schiffe der Kaiser lichen Marine sich zum Dienst stellen, und ihr Wohlverhalten während ihrer Abwesenheit glaub haft nachweisen. Ausgeschlossen davon bleiben diejenigen, die 1) das 45. Lebensjahr vollendet, 2) die deutsche Reichsangehörigkeit verloren haben und Staatsangehörige eines ausländischen Staates sind, 3) als dienstunfähig befunden werden, sofern sie wegen ihres körperlichen Zustandes ihre der zeitige Dienstfähigkeit nicht annehmen konnten. poliiikcbe Kunälckau. Deutschland. * Der Kaiser hat als König von Preußen die noch der königlichen Bestätigung harrenden Todesurteile preußischer Schwurgerichte von einer Unterzeichnung ausgeschlossen und das Justizministerium mit der späteren Vorlegung zum Zwecke einer Umwandlung der Todesurteile in lebenslängliches Zucht haus beauftragt. *Dem Chef der deutschen.Zivil« v erw altung in den besetzten Teilen Bel giens sind außer den früher schon ge nannten Personen beigegeben worden: der deutsche Gesandte v. der Lancken, der Ge heime Oberfinanzrat Pochhammer aus dem preußischen Finanzministerium, sowie der Re- gierungs- und Baurät Degener vom Ober präsidium in Koblenz. Der zum General- gouoerneur von Belgien ernannte General feldmarschall Freiherr v. der Goltz hat bereits seinen Wohnsitz in Brüssel aufgeschlagen. Vermutlich wird auch die in Bildung begriffene, dem General gouverneur beigegebene Zioilverwaltung in der nächsten Zeit von Aachen nach Brüssel übersiedeln. * Die im Wahlkreise Fraustadt-Lissa infolge Ablebens des bisherigen Landtagsabgeordneten Wolff-Lissa auf den 28. September anberaumte Ab g eord netenw ah l ist wegen des Krie ges aufunbestimmteZeitverschoben worden. * Von den zuständigen Refforts sind die Einkommensteuer - Veranlagungskommissionen darauf hingewiesen worden, daß der beim Ableben einesBeitragspflichtige» noch nicht gezahlte Wehrbeitrag unverzüglich von den Erben einzuziehen ist. Die Zahlung des Beitrages in drei Raten, sowie etwaige Stundungen sind per sönliche Vergünstigungen des ein zelnen Beitragspflichtigen, die bei feinem Tode erlöschen und den Erben nicht zukommen. Bei letzteren wird durch die Zahlung ohne weiteres die Erbmasse gekürzt. Hiernach dürfen von den Erben auch keine Zinsen nach 8 5 zweiter Absatz des Wehrbeitragsgesetzes in Abzug ge bracht werden. England. *Jm Unterhause erklärte Premierminister Asquith bei Vertagung des Hauses bis zum 9. September, er hoffe, daß es möglich ge macht werden könne, ohne Wiederauf leben der Streitigkeiten (? Dis Red.) durch Verhandlungen zu einem Ab kommen über Homerule zu kommen, — Ferner teilte Lloyd George mit, daß die Regierung beschloßen habe, das Mora torium in der gegenwärtigen Form um mindestens noch einen Monat zu verlängern. Rußland. * Durch einen Befehl des Zaren ist Pe tersburg in „Petrograd" umge tauft worden. (Diese „Tat" des „Herrschers aller Reußen" wird bei uns natürlich nur schallende Heiterkeit auslösen. Die Erinnerung daran, daß der Name Petersburg bisher ein Symbol für das bedeutete, was Rußland der deutschen Kultur zu verdanken hat, dürfte allerdings „Väterchen" jetzt ziemlich peinlich sein. Die Red.) Valkanfiaate». * Zwischen den muselmanischen albanisch«, Aufständischen und der. Bevölkerung von Valona ist ein Übereinkommen erzielt worden. Die rot-schwarze Fahne wird gehißt. Die Aufständischen ziehen als Freunde in die Stadt ein, nachdem die Absetzung des Fürsten und der Regierung aner kannt worden ist. Notabeln von Valona haben unter großer Begeisterung von der Stadt Besitz genommen. Vock glücklick geworden. 8l Roman von Otto Elster. Nach einem üppigen Abendessen ging man in einen Sportklub, wo ziemlich hoch gespielt wurde. Herbert, durch die Gesellschaft und den Wein erregt, ließ sich verleiten, mitzuspielen, und das Ende vom Liede war, daß er einen beträchtlichen Teil seines kleinen Vermögens verlor. Als er am andern Tage spät erwachte, ging er mit sich ernstlich zu Rate. Aus diese Weise konnte er nicht weiterleben, in wenigen Wochen würde sonst sein kleines mütterliches Erbteil verbraucht sein. Er beschloß, sich von jenem Kreise fern zu halten, sich eifrig den landwirtschaftlichen Studien hinzugeben und sich nach deren Beendigung ernsthast um eine Stellung zu bewerben. Zugleich keimte auch eine leise Hoffnung in ihm auf, daß sein Vater seine Heftigkeit bereuen und ihn zurück rufen werde. Aber Tage und Wochen vergingen, und der alte Herr Hammer ließ kein Sterbens wörtchen von sich hören. Nur einmal erhielt Herbert eine kurze Nachricht von Trude, die ihm schrieb, daß der Vater unversöhnlicher und unzugänglicher sei denn je: er habe ihr ver boten, mit Herbert in Verbindung zu bleiben. Herberts Name dürste im Hause überhaupt nicht mehr genannt werden. Der alte Martini Hetze den Vater mehr und mehr auf; tage lang säßen die beiden Alten zusammen, der Vater befände sich ganz in den Händen Martinis. Da erwachten in Herbert der Stolz und der Trotz von neuem. Er wollte sich seinen Weg allein durch das Leben bahnen, er wollte seinem Vater zeigen, daß er ihn nicht brauche, und er warf sich mit Eifer auf seine Studien. Aber wie das im Leben und in der Jugend geht — ganz konnte er sich dem Kreise seiner früheren Bekannten nicht entziehen, namentlich Artur Wernicke suchte ihn öfter auf und lud ihn zu diesem und jenem Feste ein, fuhr mit ihm zu den Serbstrennen, führte ihn in Lie Gesellschaft ein, Einladungen folgten, da man an die unglückliche Lage des Sohnes eines so reichen Mannes nicht glauben konnte, kurz, es fanden so manche Ablenkungen statt, daß seine guten Vorsätze sehr oft durchbrochen wurden. Sein kleines Vermögen schwand dahin wie der Schnee in der Frühlingssonne, und als das Jahr zu Ende ging, da sah er sich dem Nichts gegenüber. Und was das Schlimmste war, seine Gläu biger bekamen jetzt Wind von seiner ungünstigen finanziellen Lage und von seinem Zwist mit dem Vater und drängten auf Bezahlung. Es war unverständig von den Leuten, jetzt Be zahlung zu verlangen, nachdem sie früher, als sie in Herbert noch den Erden des reichen Mannes sahen, geduldig gewartet hatten. Aber man wollte sich wenigstens seine An sprüche sichern, und so folgte eine gerichtliche Klage nach der anderen. Herbert war erstaunt über dieses hart näckige Vorgehen seiner sonst so geduldigen Gläubiger: er wußte nicht, daß der alte Martini dahinter steckte und die Leute auf- hetzte: er ahnte nickt, daß selbst sein Vater die Gläubiger veranlaßte, gegen seinen Sohn vorzugehen. Diesem unerquicklichen Zustande mußte ein Ende gemacht werden! An einem trüben, regnerischen Vorfrühlings tage trat Herbert bei Artur Wernicke ein. Er hatte den Freund seit einigen Wochen nicht gesehen, da er sich in der letztenZeit ganz von dem früherem Bekanntenkreis ferngehalten hatte. Er traf Artur mit den Vorbereitungen zu einer Reise beschäftigt. „Läßt du dich auch einmal wieder sehen?" fragte Artur, indem er Herbert zwei Finger feiner rechten Hand zum Gruße reichte. „Siehst fchlecht aus, Herbert. Warst du krank?" „Nein, ich habe angestrengt gearbeitet, und diese dumpfe Stadtluft bekommt mir nicht." „Dann geht es dir gerade wie mir. Siehst mich mit den Vorbereitungen zu einer Reise beschäftigt, ich kann es hier nicht mehr aushalten." „Wohin willst du reisen?" „Nach der Riviera, ich mache die Tour in meinem Automobil. Solltest mitkommen." „Ich habe dazu weder Zeit noch Geld." „Bah" — machte Artur und sah Herbert mißtrauisch von der Seite an. Die Erschei nung des Freundes schien ihm seltsam ver ändert. Sein Gesicht war blaß und ernst: sein Außeres nicht mehr so gepflegt wie früher: sein einfacher grauer Anzug schien auch schon ein Jahr alt zu sein. „Offen gestanden. Artur," fuhr Herbert fort, dem es große Überwindung kostete, den Freund mit seiner trostlosen Lage bekannt zu machen, „komme ich mit einer großen Bitte ..." „Schieß los!" entgegnete Artur, indem er eine elegante Reisetasche aus rotem Juchten leder verschloß. „Ich bin in Geldverlegenheit — um es kurz zu sagen — und wollte dich bitten, mir zu helfen." «Wieviel brauchst du?" „Nur — tausend Mark —" „Alle Wetter, das ist ein bißchen viel! Ich würde dir gern aus der Verlegenheit helfen, aber siehst du, mein Lieber, ich bin gerade im Begriff, eine längere Reise anzutreten, und da braucht man Geld — nicht wahr? Kannst du das Geld nicht von deinem Vater erhalten?" „Nein — du weißt ja, wie ich mit ihm stehe." „Ja —, der scheint ein halsstarriges Bursche zu fein, hat nicht einmal auf meinen Brief geantwortet. Weißt du. Herbert, kannst du dich nicht an den jungen Ostheim wenden? Der hat ja stets flüssiges Kapital." „Ich kenne Siegfried Ostheim kaum." „Wahr! Ich vergaß, daß du dich in der letzten Zeit ganz zurückgezogen hast — das war ein Fehler von dir ! Man darf seine alten Freunde nicht vernachlässigen. Du tust mir wirklich leid, lieber Herbert. . ." „Laß das. Du brauchst dich nicht zu ent schuldigen. Ich muß sehen, wie ich allein fertig werde," sprach Herbert finster, während in seinem Herzen ein bitterer Groll emvor- stieg, vermischt mit dem Gefühl der Scham, daß er sich dieser Demütigung ausgesetzt hatte. „Na, begehre nur nicht gleich auf, mein Lieber," entgegnete der junge Wernicke. „Iw will dkr eine Adresse geben, wo du Geld er halten kannst — allerdings gegen hohe Zinsen..." „kch danke dir. Doch das ist nichts für mich."
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