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Ottendorfer Zeitung : 18.08.1914
- Erscheinungsdatum
- 1914-08-18
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Privatperson
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-191408182
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19140818
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19140818
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-08
- Tag 1914-08-18
-
Monat
1914-08
-
Jahr
1914
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 18.08.1914
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Vie kerne steken... Neutral bleibe ich nicht, und still schweigend zuzusehen, wenn es sich um die Interessen des Landes handelt, ist nicht meine Ausgabe. Bismarck. Dieses fundamentale Bismarckwort gewinnt m unseren Tagen erhöhte Bedeutung. Wir haben uns, als noch der — wenn auch dauernd bedrohte — Friede uns umfing, mit dem Ge danken vertraut gemacht, daß eines Tages auf Anstoß Englands ein Krieg losbrechen würde, der endgültig über die Machtverhält- nisse zwischen dem Dreibund und dem Drei verband entscheiden sollte. Nun aber die grauenvolle Wirkli i keit über uns herein gebrochen ist, sehen die Dinge nicht nur anders aus, sie find in der Tat auch anders. Es handelt sich nicht um einen Krieg Englands, Rußlands und Frankreichs gegen Deutschland, Österreich und Italien, sondern um einen Entschetdungskampf zwischen Deutschland und Österreich gegen die stärksten Mächte Europas, denen sich Belgien, Serbien und Montenegro zugesellen. Zwei gegen sechs! Es ist in Wahrheit ein europäischer Krieg, um nicht zu sagen ein Weltkrieg. Ge wiß hat eine Anzahl von Staaten ihre strikte Neutralität erklärt. Aber es ist doch sehr fraglich, ob sie ihre Zurückhaltung bewahren werden können; denn schon heute muß mit der Tatsache gerechnet werden, daß der Sieger in diesem gigantischen Kampfe sich das Recht nicht nehmen lassen wird, nicht nehmen lassen darf, im alten Europa eine neue Machtverteilung vorzunehmen. Der Kampf, den Deutschland und Oster reich-Ungarn Schulter an Schulter gegen eine Welt von Feinden zu sühren gezwungen sind, ist im edelsten Sinn des Wortes ein Freiheits krieg, ein Befreiungskampf; aber der Sieg in diesem Kampfe wäre zwecklos und das helden hafte Ringen sinnlos gewesen, wenn nicht bei Abschluß des Friedens Garantien dafür ge schaffen würden, daß die germanische Kultur arbeit in absehbarer Zeit nicht wieder durch böswillige Feinde unterbrochen wird. Ganz gewiß wird der Krieg weder von Deutschland noch von Österreich als Eroberungskrieg ge führt; aber die eherne Notwendigkeit wird dazu führen, daß dieser heilige Krieg auch ein Kampf um reale Güter wird. So wenigstens glaubt man bei den Neu tralen. Es ist ein Wunder, daß in dem Augenblick, wo es um die geschichtliche Grund lage eines Erdteiles geht, noch so viele Staaten neutral sind, oder wenigstens neutral scheinen. In Wahrheit warten sie ja — viel leicht mit Ausnahme der Schweiz und Hollands — alle darauf, an diesem Völkerringen teil zunehmen, allen voran Rumänien, Bulgarien und die Türkei. Das vielgepriefene Gleich gewicht der Kräfte, um deffentwillen man Verträge. Übereinkommen und Abmachungen schloß, ist ja längst gestört; denn während England fünf Helfer um sich zu scharen wußte, um Deutschland zu erdrücken, stehen Deutsch land und Österreich-Ungarn allein. Bald aber wird sich die Zahl unserer Feinde noch vermehren. Denn schon ist Ägypten von England gezwungen worden, Deutschland den Krieg zu erklären, und gleich falls unter Englands Druck hat Portugal bereits durch seine Minister erklärt, daß es zwar zurzeit noch in Neutralität verharre, daß es aber unter keinen Umständen die Ab machungen seines Vertrages mit England verletzen werde. Eduards VII. Einkreisungs politik trägt also immer weitere Früchte. Es will indessen scheinen, als ob nun wohl die Zahl unserer Feinde erschöpft sei: denn außer Spanien (dessen Haltung schwankend ist) und möglicherweise Griechenland (das auf Eng lands Sieg und damit für sich auch Vorteile im Mittelmeer hofft), dürfte sich wohl kein weiterer Staat finden, der seine Fahne für die serbischen Königsmörder ins Feld führt. Es fragt sich also, wie sich die Staaten auf dem Balkan und auf der skandinavischen Halbinsel verhalten werden. Es ist kaum an zunehmen, daß einer von ihnen sich auf die Seite Englands und Rußlands schlagen wird. Zwar versucht Väterchens Vertreter in Sofia, Bulgarien davon zu überzeugen, daß seine Stellung unbedingt auf der Teste Serbiens sein müsse, aber Bulgarien bleibt fest. Für die bulgarischen Patrioten gibt es keinen sehnlicheren Wunsch, als die Niederlage Ruß lands, keine heißere Sehnsucht als die Ver nichtung des verräterischen Serbiens. Zieht also Bulgarien das Schwert, so kann es nur gegen Serbien und damit gegen Rußland und jeine Hintermannen gerichtet sein. Und Rumänien? Wenn man auch von den Presse-Äußerungen und der Meinung einiger Minister absteht, so verweisen die Landesinteressen die Regierung, wird sie zur Entscheidung ausgerufen, energisch auf den Zweikaiserbund, dessen Siege allein Bessarabien wieder an Rumänien, und seine Grenzen vielleicht wieder bis an den Djnestr dehnen können. Auch in der Türkei wird man sich keinen Augenblick besinnen, wenn man zu einem Für oder Wider gezwungen wird, die Fahne des Propheten für den heiligen Kampf gegen Rußland zu entrollen, um Konstanti nopel ein sür allemal vor den Ansprüchen Rußlands sicherzustellen. Es ist als sicher anzunehmen, daß Däne mark sich nicht in den Kampf verwickeln lassen wird, der gegen Deutschland geführt wird. Mag man auch hier und da noch einen alten Groll (aus dem Jahr 1864) hegen, so kennt man andererseits doch viel zu gut die eng lische Treulosigkeit, um sich für die Pläne des Jnselreiches einfangen zu lassen. Ist die Haltung Norwegens ungewiß, so darf als sicher gelten, daß Schweden, wenn es über haupt an diesem Weltkriege teilnimmt, sich auf Rußland werfen wird, um Finnland aus dem schweren Joch zu erlösen, in das es durch russische Barbarei gespannt ist. Bleiben nur noch die Ver. Staaten und Japan. Das letztere ist zwar durch seinen Bündnisvertrag an England gebunden. Kann ihm aber daran liegen, durch sein Eingreisen Rußlands Macht in Europa fretzumachen, damit sie sich auf Ostasten weisen kann? Japan braucht seine Kräfte, um sie eines Tages mit Amerika im Kampf um die Be herrschung des Stillen Ozeans zu messen. Die Ver. Staaten aber, die mit England noch das Kanadakonto zu begleichen haben, werden kaum ihrem gefährlichsten Nebenbuhler auf dem Weltmarkt die Kastanien aus dem Feuer holen. Kämpft aber Japan auf der einen, Amerika auf der andern Seite, so wäre aus dem europäischen Krieg der Weltkrieg gewor den, in dem es keine Neutralen mehr geben könnte, der Krieg aller gegen alle, der Zu sammenbruch einer Welt. * * verschiedene ltriegsnachrichten. Ein Reiterstückchen des Prinzen Heinrich von Bayern. In einem der letzten Gefechte hat Prinz Heinrich von Bayern mit seiner Eskadron eine Abteilung französischer Dra goner angegriffen und vernichtet. Prinz Heinrich Luitpold ist der Neffe des Königs Ludwig. Er wurde am 24. Juni 1884 in München geboren und ist Ritter des Schwarzen Adlerordens. Keine deutschen Minen in der Nordsee. Einneuer englischerSchwindel. Gegenüber anders lautenden Nachrichten des englischen Auswärtigen Amtes wird von maßgebender Stelle erklärt, daß keines wegs in der Nordsee deutsche Kon to ktm inest gelegt sind, die den neutralen Handel gefährden, sondern einzig und allein in unmittelbarer Nähe der englischen Küsten. Das erste Eiserne Kreuz. Dem württembergischen Hauptmann im Großen Generalstab Herm. Geyer, der an dem Sturm auf Lüttich teilnahm, ist nach dem .Schwäb. Merkur' das Eiserne Kreuz verliehen worden. Elsässische Kriegsbegeisterung. Der Gestütswärter Hemberger, geboren in Hochfelden, mußte sich als Reservist am ersten Mobilmachungstage beim Husarenregiment Nr. 9 in Straßburg stellen. Sein Vater, der als französischer Kürassiertrompeter 1870 zur Attacke bei Morsbronn geblasen hat und in der ganzen Gegend von Hochfelden als der „Trompeter von Morsbronn" bekannt ist — seine Brust ziert neben französischen Medaillen auch das deutsche allgemeine Ehrenzeichen — kam sofort nach Straßburg, um von seinem Sohne Abschied zu nehmen. Stolz standen sich Vater und Sohn gegenüber, als der Vater sprach: Joseph, sei mir tapfer, und immer bei den Vordersten, zeig', daß du ein Elsässer bist; es fliegen,bei meiner Seele, nicht mehr Kugeln über dich, als über mich gepflogen sind. — Wie der Vater, so der Sohn. Als am nächsten Tag der Rittmeister bekannt machte, daß sich zehn Freiwillige zu einer Fernpatrouille mel den können, war Hemberger der erste, der vortrat, und als die Patrouille gebildet war, ergab es sich, daß alle zehn Reiter sämtlich Elsässer waren. — Zu der Zahl von 1200 000 deutschen Kriegsfreiwilligen hat übrigens EI- saß-Lothringen nicht weniger wie 90 000 bei geiragen. In allen reichsländischen Garniso nen und größeren Ortschaften war der Andrang von Freiwilligen ganz ungeheuer, ja selbst in den französisch gesinnten deutschen Grenzorten meldeten sich Freiwillige in großen Massen zum Kriegsdienst. Die französisch gesinnten Zeitungen sind wie mit einem Zauberschlage deutschnational geworden, weil sie den Geist der „ritterlichen Nation" nicht mehr verstehen, die sich an die Seite der Schützer bes Fürsten mordes gestellt hat. Durch die deutsche Flotte aufgebracht. Nach einer Mitteilung des Kaiserlichen Prisenamtes sind von deutschen Kriegsschiffen 16 Segelschiffe und ein Dampfer ausgebracht worden. Es sind dies durchweg unter russischer Flagge fahrende finnische Schoner, Dreimast schoner und Barken, größtenteils mit Holz beladen. Sie führen die russische weiß-blau- rote Flagge. Der österreichische Vormarsch in Polen. Die österreichisch-ungarischen Truppen sind in Russisch-Polen weiter vorgerückt. Ungefähr siebenhundert russische Deserteure wurden nach Linz, Salzburg und Innsbruck eingebracht. Bezeichnend sür den Geist der österreichisch-ungarischen Truppen ist die Tat sache, daß ein in Gefangenschaft geratener Husar am nächsten Tage auf einem Kosakenpferde zu seiner Abteilung ein - rückte. England erklärt Österreich den Krieg. Der englische Botschafter in Wien hat im Namen seiner Regierung die Erklärung ab gegeben, daß sich England, da Österreich gegen Frankreich das Deutsche Reich unterstütze, als mit Österreich im Kriegs zustände befindlich betrachte. Unmittelbar nach der Kriegserklärung be fahl die englische Admiralität die Eröffnung der Feindseligkeiten gegen Österreich. Bemerkenswert an dieser etwas spät er folgten Kriegserklärung ist die Tatsache, daß Frankreich in den Vordergrund gerückt wird. England ergreift das Schwert, weit Österreich an Frankreich den Krieg erklärt hat. Die Folge davon wäre, daß auch England Frieden schließt, wenn seinem Freunde eines Tages die Waffen entwunden sind. Kriegsfeindliche Kundgebungen in England. Daß die englischen Hochschullehrer, die eine gemeinsame Erklärung gegen den Krieg Eng lands gegen Deutschland erlassen haben, nicht vereinzelt dastehen, wird von deutschen Flücht lingen bestätigt. Fast täglich finden Umzüge statt, an denen sich Tausende beteiligen. Die Regierung ist nicht in der Lage, durch Gegen kundgebungen den gewaltigen Eindruck zu ver löschen, den diese flammenden Kriegsproteste allgemein Hervorrufen. Keine Neutralität Ägyptens. Ägypten hat nun auf Geheiß Englands seine Neutralität aufgegeben. Der Ministerrat erklärte Ägypten mit Deutsch land im Kriegszustand und vertraute das Land dem englischen Schutze an. Die englischen Streitkräfte können daher im ganzen Lande und in den Häsen Kriegsrechte aus üben. Portugal für England. Die Kammer und der Senat, die zu einer außerordentlichen Tagung versammelt sind, ge nehmigten einstimmig einen Gesetzentwurf, wo durch die ausführende Gewalt in jeder Hinsicht ermächtigt wird, die öffentliche Ordnung und die nationalen Interessen zu sichern und für alle wirtschaftlichen und finanziellen Bedürf nisse Sorge zu tragen. — Der Ministerpräsi dent erklärte unter allgemeinem lebhaften Beifall, daß Portugal in keinem Falle den Pflichten des Bündnisses mit England untreu werden würde. Diese Erklärung habe jedoch nicht die Bedeutung, daß Portugal beabsichtige, seine neutrale Hal tung zu verlaffen. Die Russen öffnen die Zuchthäuser. Die russischen Behörden haben in allen polnischen Städten vor dem Verlaffen alle Kerker geöffnet. Unter den Freigelasse nen befinden sich viele Mörder und Ban diten. Ein holländischer Dampfer von der russische» Flotte zerstört. Der holländische Dampfer „Alcor" ist nicht, wie anfänglich angenommen wurde, infolge eines Unglücks, sondern, wie sich jetzt heraus stellt, von der russischen Flotte in der Ostsee zum Sinken gebracht worden. Die Mut maßung ist gerechtfertigt, daß die Russen das Schiff zu irgendeinem Zweck brauchten und es also einfach wegnahmen, um es, nachdem die Mannschaft in Sicherheit gebracht morde» war, zu versenken. Prinz Georg von Serbien verwundet. Wie erst jetzt bekannt wird, ist Prinz Georg von Serbien, der frühere Kronprinz, der schon feit 1909 zum Kriege gegen Österreich hetzte, bei der Verteidigung von Belgrad leicht verwundet worden. Die Meldung ent stammt einem serbischen Blatt, das im übrigen fast ausschließlich saustdicke Lügen verbreitet. Es weiß von schweren österreichischen Nieder lagen an der Drina unb Donau zu melden und berichtet von den „herrlichen Erfolgen" der Russen und Franzosen gegen Deutschland. Die Aufbringung deutscher Handelsschiffe. Eine beruhigende Erklärung. Der Verein der Hamburger Reeder ver öffentlicht folgende Mitteilung: Die in den Zeitungen erschienenen Mel dungen, daß vereinzelte deutsche Schiffe von englischen Kriegsschiffen ausgebracht worden seien, hat zur Beunruhigung in den Kreisen der Interessenten der deutschen Seeschiffahrt Anlaß gegeben. Der Verwaltungsrat des Vereins Hamburger Reeder sieht sich deshalb veranlaßt, auf folgendes hinzuweisen: Die Haager Friedenskonferenz von 1907, deren Abmachungen von einigen vierzig Staaten, darunter Deutschlanb, England, Belgien, Frankreich und Rußland anerkannt worden sind, hat mit Bezug auf die Behand lung feindlicher Handelsschiffe bei Ausbruch eines Krieges folgendes bestimmt: Feindlichen Schiffen, die sich in Häfen des Gegners be finden, ist eine bestimmte Frist zum unbe hinderten Auslaufen zu geben. Sind sie durch höhere Gewalt am Auslaufen ver hindert, dürfen sie nicht beschlagnahmt, wohl aber weggenommen werden unter der Vor aussetzung, daß sie nach dem Kriege dem Eigentümer wiedergegeben werden. Ebenso unterliegen feindliche Handelsschiffe, die ihren letzten Auslaufhafen vor Ausbruch des Krieges verlassen haben und auf hoher See von gegnerischen Kriegsschiffen aufgebracht worden sind, nicht der Beschlagnahme. Dem Gegner steht jedoch das Recht zu, solche Schiffe aufzubringen, wegzunehmen, gegebenen falls auch zu zerstören. Im letzteren Falle hat aber der Gegner die Verpflichtung, für die Sicherheit der Besatzung, sowie sür Sicherung der Schiffspapiere Vorsorge zu treffen. Nach Beendigung des Krieges ist das Schiff zurück zugeben oder, falls es zerstört wurde, Schadenersatz zu leisten. In gleicher Weise wird übrigens die feindliche Ladung be handelt, die sich an Bord solcher Schiffe be findet. Nur auf Schiffe, die ihrer Bauart nach zur Umwandlung in Kriegsschiffe ge eignet sind, finden die vorerwähnten Bestim mungen keine Anwendung. Die Bestimmun gen der Friedenskonferenz dürsten wohl auf fast sämtliche deutschen Handelsschiffe zutreffen. Im Hochgebirge. »s Novelle von C. Bor n.*) (Fortsetzung.) „Vorläufig ist er noch nicht der Besitzer, doch wird dieses schöne Anwesen ohne Zweifel ihm oder seinen Erben zufallen. Prokop war einmal der Eigentümer jenes Bauernhofes," fuhr der Pfarrer, mit der Hand gegen das Dori deutend, fort, „dessen Dachgiebel dort zwischen jener Gruppe junger Lärchbäume hervorschaut. Ihr Vater bewohnte ein ge räumiges Dachzimmer daselbst; die meiste Zeit streifte er jedoch im Gebirge umher und kehrte oft tagelang nicht zurück. Ich erinnere mich seiner noch aufs Lebhafteste. Er hatte Ihre Augen, Ihr Haar: auch die Form der Stirn und Nase ist von auffallender Ähylich- keit, nur der starke Vollbahrt fehlte ihm. Wir verbrachten die Abende meistenteils zusammen, denn ich unterhielt mich gern mit dem ebenso gebildeten wie geistreichen Manne, der damals in der Blüte bes Mannesalters stand. Ich lernte vieles von ihm und verdanke meine Vorliebe für die Naturwissenschasten seiner Anregung. — Um aber nochmals auf Prokop Feldner zurückzukommen, so war bieser damals der reichste Bauer im Orte: allein sein Übermut und seine Streit sucht, die keine Grenzen kannten, verflochten ihn in allerhand Rechtshändel, die nach und nach sein ganzes Vermögen auizehrten. Nach dem mehrere Jahre später sein Weib, ehedem das schönste Mädchen in weitem Umkreis, teils aus Gram, teils infolge schlechter Behandlung gestorben und die Wirtschaft immer mehr rurückgegangen war, sah sich Prokop genötigt. mit Sefferl, dem einzigen seiner Kinder, das am Leben geblieben war, zu seinem Bruder, dem Grubbauer, zu ziehen, wo er jahrelang die Stelle eines Oberknechtes versah. Als sein Bruder starb, wurde Prokop als Kurator des unzurechnungsfähigen Erben eingesetzt." „Richtg," versetzte der Fremde, in den Papieren blätternd. „Prokop Feldner, so hieß her Mann, bei dem mein Vater wohnte, der auch die Summe Geldes nebst den Effekten bis auf die geringste Kleinigkeit redlich zurück gestellt hat." Inzwischen war es dunkel geworden. Hier und dort trat ein Stern am tiefblauen Nacht himmel hervor, und von Westen begann ein frischerer Luftzug zu wehen. Der Fremde ver abschiedete sich beshalb von dem Pfarrer, nachdem er die Versicherung gegeben, öfters mitvorzusprechen, worauf er den Weg nach dem Grubhof einschlug. 4. Die Brautwerbung. Am nächsten Nachmittage kehrte Sefferl von einem Besuche bei ihrer Freundin Leni, der sie jetzt fast täglich mehrere Stunden hin durch mit Nähen und anderen weiblichen Ar beiten aushalf, heim und wollte eben in den Garten treten, als sie an dem gegen den Hof raum gelegenen Fenster des oberen Stübchens ein unbekanntes Gesicht wahrnahm, das gleich darauf verschwand. Der Fremde war es nicht, dessen hielt sie sich vollkommen überzeugt. Wer aber konnte sonst in das versperrte Stübchen gekommen sein? Ein Zeitlang zerbrach sie sich vergeblich den Kopf, dann lenkte sie ihre Schritte nach dem Haus. Um sich Gewißheit zu verschaffen, stieg sie die steile Holztreppe empor, worauf sie vorsichtig bis an die Tür des Stübchens heranging. Sie drückte leise auf die Klinke, allein diese gab nicht nach. Die Tür war von innen versperrt. Dann spähte sie durch das Schlüsselloch und bemerkte nun einen Mann im Zimmer, der langsam auf- und abging: mehr konnte sie vorläufig nicht unterscheiden. Nach einer geraumen Weile hörten die gemessenen Schritte auf, der Mann setzte sich an den Tisch, der in der Mitte des Stübchens stand, und begann in einem Buche zu blättern. Nun konnte sie ihn genau betrachten. Er trug den vollständigen Anzug des Fremden; auch die Gestalt, sowie der Haarwuchs waren jene des Letzteren, doch das Gesicht war ein ganz anderes. Je länger sie ihn ansah, desto mehr kam es ihr aber vor, daß auch die übrigen Gesichtszüge jenen des Fremden auf fallend ähnlich seien, nur der starke, dunkle Boll bart fehlte. Endlich gelangte sie zu der Überzeugung, daß es offenbar der Fremde selbst sei, der sich seinen Bart abgeschnitten habe. Das Mädchen lachte über ihre Neu gierde und schlich dann ebenso geräuschlos hinweg, als sie gekommen war. In den Hausflur warf sie einen Blick durch das kleine Fensterchen in das Innere des Erd geschosses. Ihr Vater, der schon seit mehreren Tagen die Stube nicht verlassen hatte, saß halbangekleidet auf dem Bette und las in dem Gebetbuche. Dann ging sie langsam zur Kammertür, öffnete behutsam den eisernen Riegel und rief leise: „Blasi!" Gleich darauf tauchte aus dem Dunkel des keller artigen Raumes die Mißgestalt des Kretins hervor. Für diesen war jetzt eine bessere Zeit gekommeu, denn während Prokops Krankheit war es ihm erlaubt, ost stundenlang im Freien zu verweilen, auch bekam er bessere Nahrung als gewöhnlich, und das gutherzige Mädchen unterließ es nicht, ihm hier und da einen Leckerbissen zuzustecken. Prokops Augen konnte dies alles zwar nicht entgehen, allein sein Benehmen sowohl gegen Sefferl als auch gegen den Kretin hatte sich in letzter Zeit be deutend geändert, da weder in seinen Worten noch in seinem sonstigen Benehmen jene Schroffheit und Härte von ehedem bemerkbar wurde. Als der Kretin seines Schutzgeistes an sichtig wurde, zog der Ausdruck innerster Freude über seine häßlichen Gestchtszüge: bann machte er Miene, seine heisere Stimme zu erheben, allein das Mädchen legte den Finger auf den Mund und blickte bedeutungs voll nach dem Flurfensterchen. Diesen Wink schien er verstanden zu haben, denn er schwieg und folgte Sefferl auf den Rasenplatz vor dem Hause, wo eine Gruppe hoher Steinbuchen ihren Schatten warfen. Auf ben Bergen und Wäldern ^rings umher lag der warme Sonnenschein. Sefferl holte ihr Spinnrädchen hervor und setzte sich auf die Steinbank neben der Haustür. Blast hatte sich aus ben Rasen niedergelassen, seine Blicke unverwandt nach dem Mädchen richtend, das die bünnen Fäben emsig durch die Finger gleiten ließ. Bald batte sich -ine kleine Gesellschaft um Sefferl versammelt. Ihr Liebling, das weiße Kätzchen, war auf ihren Schoß gehüpft und bei dem Schnurren de Spinnrädchens eingeschlummert: auch o«
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