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Ottendorfer Zeitung : 23.08.1914
- Erscheinungsdatum
- 1914-08-23
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Privatperson
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-191408232
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19140823
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19140823
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-08
- Tag 1914-08-23
-
Monat
1914-08
-
Jahr
1914
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 23.08.1914
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PoliMcke Armäschau. Deutschland. * Größte Aufmerksamkeit, schreibt ein nor wegisches Blatt zu der mitgeieilten Kaiser spende für Drontheim, mutz es erregen, datz Kaiser Wilhelm auch in diesem Jahre und in der äußerst kritischen Lage, worin sich sein eigenes Land gegenwärtig befindet, an die Domkirche in Drontheim denkt und wie in früheren Jahren für die Restaurierungs arbeiten 1000 Kronen gespendet hat. Einen unzweideutigeren Beweis daiür, datz der Kaiser vonausrichtigemWohlwoklen gegen unser Land beseelt ist, könne es wohl kaum geben. Man wird daraus schließen dürfen, da?! es an diesem Wohl wollen auch nicht fehlen werde, wenn es sich um die neutrale Stellung unseres Landes in den kriegerischen Konflikten handelt, die jetzt in Europa entstanden find. *Jn der letzten Bundesratssttzung wurde die Zustimmung erteilt dem Anträge der zuständigen Ausschüsse betreffend Ände rungen und Ergänzungen der Brennerei- ordnung, der Vorlage betreffend Befreiung inländischer Gesellschaften, die ausschließlich der Befriedigung des geschäftlichen Kredit bedürfnisses aus Anlatz des Krieges dienen, von der Reichsstempelabgabe und der Bekannt machung über die Folgen der nicht recht zeitigen Zahlung einer Geldforüerung. * Der preußische Minister des Innern hat die erforderlichen Schritte getan, um den B e- zug von Arzneimitteln in Postpaketen aus der Schweiz nach Möglichkeit zu er leichtern, auch die unverzögerte Zuführung derartiger Sendungen an die Besteller in die Wege zu leiten. Qsterreich-Uugarn. * Kaiser Franz Joseph hat aus Schönbrunn an den Fürsten v. Bülow folgendes Telegramm gerichtet: „Mit wärmst empfundenem Bedauern vernehme ich das Ab leben des Generalmajors Karl Ulrich v. Bülow, Ihres auf dem Felde der Ehre gefallenen Bruders, und es drängt mich. Sie, lieber Fürst, zu versichern, daß ich Ihren Schmerz ob dieses herben Verlustes aus ganzem Herzen innigst teile. Möge Ihnen hierbei das erhebende Bewußtsein Trost gewähren, daß der Verewigte für eine ebenso große als gerechte Sache denHeldentod starb, und daß sein Andenken nicht nur von der ruhmreichen deutfchen Armee, sondern auch von mir stets in Dankbarkeit hoch gehalten werden wird, da ich Gelegenheit hatte, den Dahingeschiedenen während feiner langfährigen hiesigen Verwendung persönlich kennen und in besonderem Maße schätzen zu lernen. Franz Joseph." Schweden. "Der schwedische Reichstag hat die Regie rungsvorlage über die Bewilligung von 325 000 Kronen zur Schaffung einer direkten Telephon-Verbindung zwischen Deutschland und Schweden ange nommen. Balkanstaaten. * Die Türkei hat an alle ausländischen Ver tretungen eine Note gerichtet, in der sie er klärt, daß alle Handelsschiffe, die die Dardanellen passieren, ihre Appa rate für drahtlose Telegraphie am Lande zurücklassen müssen und auf der Rückfahrt wieder an Bord nehmen können. Vor Erlaß der Note hatten die Marine behörden in den Dardanellen von dem fran zösischen Paketboot „Saghalien" die Apparate für drahtlose Telegraphie entkernen lassen. VolkswirtlckaMicbes. Hypotheken ans Sparkassenmttteln. Wegen der Beleihung von Hypotheken, insbesondere in größeren Städten, und der Gewährung von Per sonalkredit hat der preußische Minister ües Innern an alle Kommunalverwaltungen einen Erlaß her« ausgegsben. Es wird darin darauf hingewiesen, daß die Kommunen schon nach den bestehenden Vorschriften in der Lage sind, hier in besonderen Notlagen helfend einzuireten, da dieMustersatzungen für die öffentlichen Sparkassen in allen Provinzen Ler Monarchie sowohl die Hypothelenbeleihung als auch die Gewährung von Personallredit in mäßigen Grenzen gegen zwei Bürgen, eventuell unter wechselmätziger Verpflichtung, als Geschäftszweig der öffentlichen Sparkassen oorsehen. Kommunal verwaltungen, die von dieser Befugnis bisher keinen Gebrauch gemacht baden, werden ernstlich zu prüfen haben, ob sie sich auch fernerhin diesem augenblicklich besonders stark heroortretenden Be dürfnisse weiter Interessentenkreise entziehen können. Soweit einzelne Kommunen ihre Spar kaffenverwaltung unmittelbar nicht für geeignet hallen, diese Geschäfte zu übernehmen, gibt der Minister anheim, durch Gründung eigener kom munaler Anstalten helfend einzutreten. ' Zusammenschluß in der Tabaktndustrie. Die deutschen Tabakindustriellen haben sich aus Anregung der Zigarrenfabrikanten des Mindener Bezirks zu einer gsmeimamen Organisation zu sammengeschlossen, die den Zweck verfolgt, die etwa eingehenden Großaufiräge für den Bedarf von Heer und Marine auf sämtliche leistungs- sähigen Produkiionsstätten zu verteilen und da durch eine möglichst gleichmäßige Beschäftigung aller Fabriken zu gewährleisten. Zur Entgegen nahme der Aufträge soll eine Zentralstelle ge schaffen werden, die die Verteilung durch Ver mittlung mehrerer, für die verschiedenen Produk tionszentren einzurichtender Unterausschüsse be wirken wird. Das Vorgehen unserer Tabak industrie, dem seitens der beteiligten Reichs- und Staatsbehörden reges Interesse entgegengebracht wird, dürste geeignet sein, zahlreiche Betliebe in Gang zu erhalten, die unter den gegenwärtigen Verhältnissen sonst ziemlich. zweifellos zur Fabii« kationseinstellung und Entlassung ihrer Arbeiter genötigt sein würden. Es wäre zu begrüßen, wenn auch anders Gewerbszweige sich diesem Beispiele anschließen wollten. f^ak lmÄ fern. Tie Eroberung des ersten feindlichen Feldzeichens. Der Erdeuter der ersten fran zösischen Fahne, die unsere Feinde in dem Kampfe bei Lagarde verloren Haven, fall der bei einem Infanterie-Regiment eingezogene Reservist Bohm aus Reichenwalde bei Fürsten walde in der Mark sein. Bismarcks Enkel als Kriegsfreiwilliger. Der sugendliche Enkei Bismarcks, Graf Niko laus v. Bismarck, ist als Freiwilliger in Stettin eingetroffen. Städtische Beihilfen für Mieten. Der Magistrat der Stadt Charlottenburg hat in Gemeinschaft mit der Unlernützungskommission beschlossen, daß den Unterstützungsbedürftigen außer den städti'chen Zuschüssen in besonders dringenden Fällen auch Beihilfen für die Wohnungsmieten gezahlt werden sollen. Keine verschlossenen Briefe nach dem Auslände! Fortgesetzt werden noch zahlreiche verschlossene Briessendungen nach Oslerreich- Ungarn aufgeliefert. Aus diesem Anlaß wird von neuem darauf hingewiesen, daß, ent sprechend der Bekanntmachung über die Be schränkungen für den Post- u!w. Verkehr, ver schlossene Briessendungen nach dem Auslande, einschließlich Österreich-Ungarn, abgesehen von nachgegebenen Ausnahmen, vorläufig nicht be fördert werden. Bestrafte Preisuberforderung. Die Grotzmühlen von Ernst Bloch, des Präsidenten der Saargemünder Fruchtbörse, sind wegen Preisüberforderung miiitärisch gesperrt worden. Gegen den Besitzer ist ein Strafverfahren ein geleitet. Ein 74jähriger Kriegsfreiwilliger. Der 74sährige Wildmeister Eduard Hein, Alienfließ in der Neumark, hat sich bei seinem alten Bataillon in Lübben als Kriegsfreiwilliger gemeldet. Er hat begründete Aussichten, ein- deru en zu werden, und hofft Gelegenheit zu haben, sich zu dem Eisernen Kreuz 2. Klasse, das er sich vor Metz holte, noch das 1. Klaffe zu verdienen. Unverkäufliche Kartoffeln. Ein Kar toffelgroßhändler aus Remlcheid besuchte vor einigen Tagen einen Landwirt in Wermels kirchen, um von ihm Kartoffeln zu kaufen. Ader obwohl er schließlich 7 Mk. für den Zentner dm, erklärte der Landwirt: „Die Kartoffeln sind auch nicht für 10 und 20 Mk. per Zentner käuflich, die 5 Morgen Juii-Mölle sind für die Familien der zur Fahne ein berufenen Nachbarn bestimmt und werden an diese, sowie an brotlos gewordene Fabrik arbeiter umsonst abgegeben. Auch reiche ich sür die heute emgetroffene Einquartierung von 3 Mann und 15 Werden keine Rechnung ein, wir müssen unserm geliebten Friedenskaiser Wilhelm treu zur Seite stehen." Ein Kriminalbeamter als Spion ver haftet. In Dammheim in Bayern ist der Kriminalbeamte Weinlig wegen Spionage verhaftet worden. Er soll sich dadurch ver dächtig gemacht haben, daß er Soldaten nach dem Ziel ihrer Ausreise ausgefragt, mehrfach Reisen nach Frankreich gemacht und Geld ver schwenderisch ausgegeben hat. Belgische Mordbrenner im Kloster. In dem in der Nähe von Lüttich liegenden Kloster Jesuit hat der belgische Pöbel 20 Klosterbrüder und einen Pater ermordet. Der 4. übel zün dete dann das Kloster an allen Ecken an. In ihrer Not wandten sich die Klosterbrüder nach Lüttich, worauf in acht Autos deutsches Militär zu Hilfe kam. Den Truppen war es nicht mehr möglich, das Kloster zu retten, sie geleiteten deshalb 350 Klosterbrüder an die Grenze unter Mitnahme der ungeheuren Schätze des Klosters. Auf deutschem Boden brachen die Klosterbrüder ob der ungeheuren Anstrengungen zusammen. Oie Geltung f^amur. Eine Geschichte blutiger Kämpfe. Namur, die zweite große Festung der bel gischen Maasitnie, die als wichtiges Eingangs tor aus Frankreich nach Holland der Gegen stand häufiger Kämpfe gewesen, und ihre starken Wälle sind ost und lange belagert worden. Die Stadt war schon in frühester Zeit beiestigt. Als aber dann die Niederlande in ihrem furchibaren Krieg mit Ludwrg LIV. verwickelt wurden, erhielt die Stadt ein Schutz- und Schirmkleid von besonderer Stärke, das ihr der große Festungsbaumeister der Holländer, der Baron von Coehorn, anmatz. Trotzdem unternahm Ludwig LIV. im Jahre 1692 in höchst eigener Person mit 46 000 Mann die Belagerung, und nun entspann sich um Namur ein Wettiamps der beiden größten Be- lestigungsiechniker der Zeit von Coehorn und dem genialen Vauban. Vauban als Meister der Belagerungstunst leitete die Arbeiten, während der Herzog von Luxemburg mit 60 000 Mann die Belagerung deckte. In der Stadt selbst kommandierte der Prinz von Bravanyon die spanische Besatzung, die nur 8 300 Mann zählte. In der Nacht vom 29. bis 30. Mai wurden die Laufgräben eröffnet, und am 6. Juni mutzte sich die Besatzung, die zu schwach war, um die ausgedehnten Werke ver teidigen zu können, in die Zitadelle und in das nach seinem Erbauer Coehorn benannte Fort zurückziehem Aber auch hier konnten sie sich nicht hallen, und nach dreiwöchentlichem harten Kampf kapitulierte zunächst das Fort, uno am 30. folgte die Zitadelle, deren Ver teidiger, sich auf das Heldenmütigste gewehrt hatten. Schuld an dem Verlust von Namur war eine Treuiostgkeit der Engländer, deren König Wilhelm lll., obwohl er dem Marschall von Luxemburg gegenüber im Felde stand, nichts Ernstliches zum Ersatz unternommen hatte. Namur wieder zu gewinnen, war nun das stete Streoen der Holländer, und so rückten sie denn Anfang Juii 1696 vor die Stadt, die die Franzosen unter Bouffiers besetzt hielten. Diesmal leitete Coehorn die Belagerungsarbei» ten, aber in Namur befand sich ein vorzüg licher Meister der Verteidigungskunn, der Marquis von Grigny, nächst Vauban Frank reichs erster Ingenieur. Wiederum mutzte nach tapferem Widerstand zunächst die Stadt kapitulieren; die Verteidigung der riesigen Werke machte zu bedeutende Schwierigkeiten, und so zogen sich denn am ö. und 6. August etwa 1000 Franzosen in die Zitadelle zurück. Die Leitung des Angriffes gegen die Burg wurde dem Kurfürilen Maximilian Emanuel von Bayern übertragen: aber der von ihm am 30. August mit großer Wucht unternom mene Ansturm wurde zurückgeschlagen. Bevor noch ein weiterer Angriff dem tap eren Häuf lein den Rest geben tonnte, übergab Bouffiers am 1. September 1695 die Zitadelle und durste mit allen kriegerischen Ehren abziehen. Dje E tatst wurde dann durch den „Barriöre- traktat" 1715, durch den England den holländischen Generaistaaten zu ihrer künftigen Sicherheit den Besitz einer Reihe von Festungen im spanischen Holland gewähr leistete, zum Barriöreplatz erklärt und von den Holländern besetzt. Die Franzosen haben je doch Namur im 18. Jahrhundert verschiedene Maie eingenommen. Im Jahre 1746 er schienen sie unter Clermont vor Namur, dessen 9000 Mann starke Besatzung unter dem Be fehl des 80 jährigen Generals Colyar stand. Dieser Greis verteidigte die Stadt so jämmer lich, daß auch der bald an seine Stelle be rufene General Crommelin die Festung nicht halten konnte, sich nach 14 Tagen in die Zita delle zurückziehen und sich 10 Tage später auf Gnade oder Ungnade exgeben mutzte. 1792 unternahm nach der Schlacht bei Jemappes der französische General Valence die Belage rung; kaum waren die Parallelen eröffnet, so mußte die Stadt auch schon verlassen werden; in der Zitadelle leistete die österreichische Be satzung unter General Matelle tapferen Widerstand, ohne sich aber halten zu können. Im folgenden Jahre mußten die Fran zosen infolge der Schlacht bei Neerwinden die Stadt wieder räumen; aber als 1794 die Ver bündeten den allgemeinen Rückzug gegen die Revoiuiionsarmee antraien, übergab die schwache österreichische Besatzung die Zitadelle von Namur den Franzosen, ohne Widerstand zu leisten. Die Eroberer schleiften damais alle Werke, und so war Namur sür lange Zeit seines starken Schutzgürtels entkleidet. Es war nun 20 Jahre lang, von 1794 bis 1814, die Hauptstadt eines sranzösischen De- pariements. In dem Feldzug von 1815 gegen Napoleon war sie zum letztenmal der Schau platz kriegerischer Ereignisse; am 20. Juni sand hier ein sehr heftiges Rückzugsgefecht zwischen dem nach der Schlacht bei BeUe-Alltance sich zurückziehenden Korps Grouchys und einem preußischen Armeekorps unter General Pirch statt. Blutige Kämpfe fpielten sich in den Straßen ab. — Seitdem ist Namur wieder außerordentiich stark befestigt worden, aber eine Hundertiahrfeier des Friedens wird es am 20. Juni 1915 sicherlich nicht begehen können. vermischtes. Ein ganzes Theater im Kriege. Eine besonders große Anzahl von Schauspielern ist von den in Königsberg :. Pr. vorhandenen drei Theatern zu den Fahnen berufen worden. Das Staütlheater hat durch die Mobilmachung fast alle seine Kräfte verloren. Mit dem Direktor sind neun Mitglieder eingezogen. Vom 50 Mann starken Orchester haben nicht weniger als vierzig das Musikinstrument mit der Waffe vertauscht uno der geiamte Chor ist bis auf vier Mitglieder ins Feld gerückt. Auch ein weibliches Mitglied der Bühne hat sich als Krankenpflegerin freiwillig gestelli. Die Einberufung des Bergführers. Bei Ausoruch des Krieges wurde auch der Bergführer Glatz auch Garmisch zu den Fahnen geruien. Das Postamt telephonierte ihm den Beiehl nachts noch auf die Zug spitze. Vom Meteorologen des Observato riums geweckt, eilte der Wehrmann ans Tele phon und erwiderte: „Js schon recht, i tnnm glei", nahm Stock und Hut und eilte in fünf Stunven vom höchsten Gipiel des Deutschen Reiches herunter ins Tal, um um 7 Uhr morgens noch den Zug nach Weilheim zu erreichen. Ein geographischer Irrtum. Große Heiterkeit erregt in Wien die Tatsache, datz das französische Kriegsmini icrium einen Be richt an die Pariser Blätter versandte, in dem es heißt, der Zar habe das Königreich Polen wiederhergestellt, und der österreichisch-ungari scheu Armee sei es trotz der größten Anstren gungen nicht gelungen, das russische Tarnopol in ihre Hände zu bekommen. Das sranzönsche Kriegsmintsterium weiß offenbar nicht, daß Tarnopol eine galizische Stadt ist, und daß Osterreich-Ungarn es nicht notwendig hat, die Stadt Tarnopol, die seit den Teilungen Polens zum festgefügten Bestands der Mon archie zählt, erst zu erobern. Deutsche Straßennamen in Budapest. Der Magistrat von Buoapest hat beschlossen, dem Waltznerring den Namen Kaiser Wilhelm« Rmg und der Pariser Gaffe den Namen Ber liner Gaffe zu geven. Au erdem soll die Serbengasse in Bulgarengasse umgetaust Als das Häuflein beim Grubhofe voräber- zog, warf er einen Blick nach dem kleinen Giebelfenster, das die üppigen Blätterranken inzwischen ganz umkränzt hatten. Wenn er sonst vorbeikam, dann schimmerten ihm schon von weitem die Goldzöpfe und zwei freund liche Augen entgegen, daß ihm jedesmal das Herz im Leibe lachte. Heute sah er nichts als eine Hand und ein weißes Tuch. Das Mädchen preßte ihre heiße Stirne an die Fensterscheiben und weinte bitterlich. — Allmählich war der Frühling verflossen. Die hohen Buchen- und Tannenwälder, von denen der Fuß der Hochgebirge umgeben war, standen in herrlichster Pracht, und der Ruf des Kuckucks ward immer seltener. Am Peter« und Paulitage klangen die Kirchenglocken weit hinaus durch die milden Lüste. Jung und alt stand geschmückt vor den Häusern, als sich ein Brautpaar den steilen Weg gegen das Dorskirchlein entlang be wegte. Es waren Jakob und Leni. Die Böller krachten und die Trompeten und Klarinetten der wenigen Musikanten schmetterten, datz es eine Freude war. Die Braut, deren Mienen der Ausdruck innerster Glückseligkeit ausgeprägt war, hatte die Augen niedergeschlagen und wagte vor Verlegenheit weder rechts noch links zu blicken: während der Bräutigam, ein stämmiger, kerngesunder Bursche, seine Freude unverhehlt zu erkennen gab und die Grütze und Winke, die ihm von allen Seiten zukamen, mit selbstzufriedenem Lächeln entgegennahm. „Das is a lustig's Brautpaar!" sagte die dicke Dorfschmiedin, Lie während ihrer Jugend zeit mehrere Jahre in der Stadt gedient hatte, weshaib ihre Aussprüche stets ais Orakel aus genommen wurden, zu einer Gruppe Vorüber gehender. „Das lass' i mir g'fallen! Die passen aber a zu einand', als wenn's die Tauben z'famm'tragen hätten. I)er Iakob is a guter Wirt und versteht sei Sach', und die Leni is 's Arbeiten a g'wohnt! Da kann's ult fehlen!" „Freili," erwiderte mit wichtiger Miene ein alter Bauer, dessen Stimme infolge des un mäßigen Kropfes viel Ähnlichkeit mit dem Ge räusch hatte, das das Saugrohr einer Pumpe veruriachk. „Freili: und der Grund, den der Iakob g'ffächt hat, ghört a nit zu den schlechtesten." „I wünsch' den Leuten recht viel Glück," versetzte die Schmiedin in einem Tone, als ob das künftige Wohl und Wehe des Brautpaares allein von ihrem Ausspruche abhinge, worauf sie ins Haus ging, um ihren Sonntagsstaat zu vollenden und nach der Kirche zu eilen, denn bei solchen Gelegenheiten durfte sie nie mals fehlen. Die meisten Kirchgänger haften sich dem Hochzeitszuge angeschlossen, und bald darauf war es im Dorfe wie ausgestorben, nur die vollen Töne der Orgel tlangen durch die friedliche Sonntagsstille. Eine Hochzeit war von jeher ein allgemeiner Festtag im Dorfe gewesen. Sämtliche Be wohner sammelten sich in der Nähe des Hauses, wo das Mahl gehalten wurde, und während die Hochzeitsgäste, zu welchen der größte Teil der Bauern gehörte, im Innern tranken und lärmten, lagerten die DienO- leute und Kinder im Gaiten oder im Hof raume, um von Zeit zu Zeit das ihnen Dar gereichte mit Jubel in Empfang zu nehmen. Sefferl mu^te ihrer besten Freundin das Versprechen geben, wenigstens auf kurze Zeit an dem Feste ieilzunehmen. Obwohl es ihrer Stimmung widerstrebte, sich unter Leuten sehen zu lassen, überwand sie sich der Freundin zuliebe dennoch und begab sich gegen Abend hinüber. Prokop, der seit kurzem das Bett verlassen hatte, war nachmittags ein wenig in den Garten hinausgegangen, um sich an der er quickenden Luft zu laben. Allein beim Heran nahen des Abends umdüsterie sich der süd liche Horizont, und ein kühler Wind begann von jener Seite zu wehen, der ihn zwang, ins Haus zurückzukehren. Der Grubhof stand jetzt ganz verlassen da. Sefferl befand sich bei der Hochzeit, der größte Test der Dienstleute ebenfalls; auch der Fremde war von seinem Ausfluge noch nicht .zurückgekehrt. In der Stube wurde es immer finsterer, die ungeheuren Wolkenmassen im Südwesten türmten sich mit surchtdarer Schnelligkeit, rollend und wogend übereinander, während die Wipfel der starken Fichten- und Lärchcnbäume gleich schwachen Ruten vom eisigen Sturmwinde hin- und hergepettscht wurden. Wie allemal beim Herannahen eines Gewitters überkam den Bauer ein unheim liches, beängstigendes Geiühl. Kalter Schweiß trat auf seine Stirn. Er blickte zum Fenster hinaus, um sich zu überzeugen, ob das Wetter vorüberziehe oder seine Richtung gegen das Dorf nehme. Tief unten lag alles schwarz, und dichte, bleifarbige Nebelmassen verhüllten die Bergkuppen. Allmählich hatie der erste Anprall des Sturmwindes nachgelassen. Eine unheilverkündende Stille war an dessen Stelle getreten. Die schwere Wolkendecke rückte immer näher und es wurde immer finsterer. Mit einem Male durchzuckte ein Blitz die Luft und gleichzeitig erfolgte ein Donnerschlag, der die Grundfesten des Hauses erbeben machte. Halb geblendet taumelte der Bauer vom Fenster zurück. Alle seine Glieder zitterteu wie Espenlaub: „Sefferl!" schrie er aus Leibes kräften, „Sefferl! Hilfe!" Doch seine Stimme verhallte ungehört an den Wänden des Stübchens. Nun begann das Toben der ent fesselten Elemente. Blitz folgte auf Blitz, und noch ehe der letzte Donnerschlag im hundert fältigen Echo verklungen war, erdröhnte das Schmettern und Krachen des folgenden. Der Bauer hatte die schweren, eichenen Fensterläden geschlossen, allein diese ver« mochten die durch alle Spalien hereindringende Helle nicht abzuhalten. Er holte mehrere Kerzen aus dem Wandschranke und zündete sie an. Dann versuchte er zu beten; auch dies ging nicht. Bet jedem Donnerschlag erbebend, von Angst und Schrecken verzerrt, kauerte er in -einem Winkel. So vergingen mehrere Stunden für ihn unter den furchtbarsten Qualen. Es war tiefe Nacht. Auch der Schlaf floh ihn. Er war zu Bett gegangen und hatte die Decken über sein Gesicht ge zogen. Sein Hirn brannte. „Hinauf!" rief er im Fieber mit hohler Stimme. „Hinauf auf'n Gamssteig! — Heut' is der Peter- und Pauli« tag! — Seht, dort kommt der Professor! — Er is koa schlechter Mensch! — Nit wahr, Maria, er hat's nur gut mit uns g'memt? Du hast's ja selbst g'sagt!" H, -i zForyetzung folgte
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