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Ottendorfer Zeitung : 14.08.1914
- Erscheinungsdatum
- 1914-08-14
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Privatperson
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-191408140
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19140814
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19140814
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-08
- Tag 1914-08-14
-
Monat
1914-08
-
Jahr
1914
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 14.08.1914
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Vie erlren brkolge. Wir wollen nicht frohlocken und iübeln, denn das größere Stück Arbeit liegt noch vor uns, nur in aller Demut und mit Dank für den Lenker der Völkerschicksale dürfen wir seststellen, daß unsre ersten Unternehmungen im Osten und Westen wie im Norden erfolg reich waren. Das einige deutsche Volk, das am vierten Augusttage eine köstliche, weihe volle Schicksalsstunde, vielleicht die gewaltigste Stunde der preußisch-deutschen Geschichte, zu- sammengeschweißt hat auf Tod und Leben, für jetzt und alle Ewigkeit, dieses einige, vom Willen zum Siege gegen eine Welt von Feinden beseelie Volk, hat im Beginn des heiligen Kampses zwar auf den Sieg gehofft, aber die ersten Waffentaten zu Wasser und zu Lande haben aus der bangen Hoffnung eine sieghafte Zuversicht gemacht. Wir alle haben erlebt, wie der ungeheure Organismus unserer Armee schattenhaft fast, einem einzigen unsichtbaren Willen unterge ordnet arbeitet, wie die Vortruppen, ohne den Aufmarsch hinter sich abzuwarten, mit un widerstehlicher Gewalt in Feindes Land ein dringen. Wir haben uns überzeugen dürfen, daß unser Heeresorganismus nicht ein willen loses totes Instrument, sondern ein beseelter vorwärtsdrängender Wille ist, der Wille der Nation, der den Schritt der an der Grenze kämpfenden Bataillone beflügelt, den Willen der Besten unter uns, der lebendig wird in einer ganzen Armee: der unbeugsame Wille zum Siege. Und so dürfen wir denn in zweifacher Be ziehung uns unsere Last von der Seele wälzen: wir müssen siegen! Wir müssen siegen! weil wir als Nation in der Weltgeschichte einzig dasiehen und weil in unsern Waffen das eherne Schicksal eines Weltteils ruht. Wir müßen siegen, weil mit unserer Niederlage der Hort der europäischen Kultur, die Seele Europas vernichtet wäre. Wir müssen siegen, wenn wir nicht untergehen wollen, wenn wir nach einem beispiellosen Kampf und nach einem beispiel losen Ausstieg nicht auf unsere Eigenart ver zichten wollen. Der Wille zum Sieg muß auf das äußerste angespannt werden. Wir müssen durch, um aus dem Zusammen bruch Europas, aus dem Untergang eines Weltteils der Menschheit die ethischen Güter zu retten. Wir müssen siegen, nicht weil mit uns das Recht ficht, nicht weil wir die ver höhnte und geschmähte Gerechtigkeit vertreten, sondern weil auch die Macht zum Siege in unsere Hände gegeben ist. Jetzt, nachdem uns mit dem österreichischen Freunde und Bundes genossen eine Welt in die Schranken gefordert hat, müssen wir siegen, weil an der ungeheu ren Größe der Aufgabe unsere Kräfte wachsen. Der vielversprechende Anfang ist gemacht. Es ist nur ein Anfang: aber er hat uns mit froher Zuversicht erfüllt und auch die letzte Bangigkeit und den letzten Zweifel genommen. Eine Armee mag überwtndlich sein und wenn sie die besten Waffen besitzt und über die vor züglichste Kampftechnik verfügt: aber ein Volk, ein ganzes Volk, das mannhast zusammen sieht, Kämpfer und Nichtkämpfer, ist unüber windlich. Es nimmt sein Recht aus den Sternen und schmiedet mit den Waffen Gottes sein Schicksal, das Schicksal zugleich für einen Erdteil. Das ist unsere letzte hohe Mission, nachdem wir Europa eine unvergleichliche Kultur gegeben Haven. Sie muß erfüllt werden und darum: Wir müssen siegen. v. * * Ein Sieg bei Mülhausen. Ter von Belfort in das Oberelsaff nach Mülhausen vorgedrungcnc Feind, anscheinend das siebente französische Armeekorps und eine Infanterie-Division der Besatzung von Belfort, sind von «nsern Truppe» aus einer verstärkten Stellung westlich Mülhausen in südlicher Richtung zurück geworfen worden. Tie Verluste unsrer Truppen sind nicht erheblich, die der Franzosen grotz. Deutsche Minen vor der Themsemündung. Den Waffentaten unseres Landheeres im Osten und Westen und besonders vor Lüttich, reiht sich der Vorstoß unserer Marine würdig an. Nach der Beschießung des russischen Kriegshafens Libau durch das kleine Schul schiff .Augsburg" und nach der Beschießung der französisch-algerischen Küste durch zwei kleine Kreuzer muß das Vorgehen eines Passa- gierdampsers in der Themsemündung ganz be sondere Freude wachrufen. Der vo» der Kaiserlichen Marine übernommene Bädcrdampfer „Königin Louise" ist beim Legen von Minen vor dem Kriegshafen an der Themscmnndung vo» einer englischen Torvcdobootsflot- tille unter Führung des kleinen Kreuzers „Amphion" angegriffen und zum Sinken gebracht worden. „Amphion" selbst ist auf eine von der „Königin Luise" ge worfene Mine gelaufen und gesunken. Von der englischen Besatzung sind dem Vernehmen nach l stO Mann ertrunken, 150 gerettet. Von der O Offiziere und 114 Man» zählenden Besatzung der „Königin Luise" ist ebenfalls ein Teil gerettet. General von Emmich wurde anläßlich der Eroberung der belgischen Festung Lüttich durch Verleihung des Ordens kour !e mSrits ausgezeichnet Das Vorgehen des kleinen deutschen Küsten- dampsers, der vor einem Kriegshafen an der Themse erscheinen und dort Minen legen tonnte, muß in England ungeheure Unruhe Hervorrufen. Die Engländer vor Togo. Vor der Hauptstadt von Togo, Lome, ist eine starke englische Truppen expedition von der benachbarten englischen Kolonie Goldküste erschienen. In Ab wesenheit der kleinen Poiizeitruppe und sämt licher wehrfähiger Weißen, die sich mit dem stellvertretenden Gouverneur zum Schutz wich tiger Stationen ins Hinterland begeben hatten, nahmen die Engländer von der Hauptstadt Besitz unter feierlicher Zusage, die Ordnung zu wahren und das Eigentum zu schützen! Man hat in Deutschland natürlich niemals daran gedacht, Togo gegen einen solchen Angriff sichern zu wollen. Es sind dort nur zwei Offiziere, fünf Unteroffiziere, 150 farbige Soldaten. Wie lange die Engländer sich des Besitzes freuen werden, wird auf einem ganz anderen Schauplatz entschieden werden. Lüttich in deutschen Händen. Die belgische Festung Lüttich ist nach einer amtlichen Meldung fest in deutschen Händen. Bei dem Kampfe hatte der Feind, der ein Viertel der gesamten belgischen Armee umfaßte, sehr starke Verluste. Es wurden etwa 4000 Gefangene gemacht, deren Abtransport nach Deutschland bereits begonnen hat. Der Name des Zaren eine Schande. Im sächsischen Heere gibt es kein Zaren regiment mehr. Das Feldartillerieregiment Nr. 28 in Bautzen war vor einiger Zeit vom König Friedrich August dem Kaiser Nikolaus verliehen worden, und es trug seitdem auf den Achselklappen die Anfangsbuchstaben seines kaiserlichen Chefs. Seit dem Wortbruch des Zaren sind diese Buchstaben von den Achsel klappen verschwunden und man steht nur noch die Zahl 28 daraus. Ebenso sollen von den Achselklappen der Unterosfiziere und Mann- chaften des 1. Gardedragoner - Regiments Königin von Großbritannien und Irland (Chef König Georg V. von England) und des 2. Gardedragoner-Regiments Kaiserin Alexandra von Rußland (Chef Kaiserin Alexandra und Kaiser Nikolaus II. von Ruß land) die Namenszüge entfernt werden. Von den alten blauen Uniformen haben die Mann schaften die Namenszüge selbst abgetrennt, bei den neuen grauen Feldzugs-Uniformen sind die Achselklappen zum Teil umgedreht worden, so daß der Namenszug nach unten liegt und nicht sichtbar ist. Die Mannschaften des Kaiser Alexander Gardegrenadier-Regi ments Nr. 1 tragen den Namenszug nach wie vor, da er hier nicht wie bei den beiden oben genannten Regimentern erst aus neuerer Zeit stammt, sondern an Kaiser Atexander I. von Rußland, den im Jahre 1825 verstorbenen Freund König Friedrich Wilhelms III. erinnert. Keine Kriegsfreiwilligen für die Marine mehr. Überaus viele Freiwillige und Kriegsfreiwillige treffen in den Stand orten der kaiserlichen Marine ein, ohne daß ihre Annahme möglich ist. Es wird daher denjenigen Personen, die keinen Einberufungs befehl oder Kriegsorder haben, dringend ab- geraten, nach den Marinegarmionen zu reisen, in der Annahme, dort eingestellt zu werden. Der Bedarf ist augenblicklich ge deckt. Franktircurkrieg in Frankreich und Belgien. Amtlich wird erklärt: Die von den Kämp fen um Lüttich vorliegenden Meldungen taffen erkennen, daß die Landeseinwohner sich am Kampse beteiligt haben. Die Trupven sind aus d em Hinterhalt und Ärzte bet Ausübung ihrer Tätigkeit be schossen worden. Gegen Verwundete wur - den von der Bevölkerung Grausamkeiten ver übt. Ebenso tiegen Meldungen vor, daß die französische Grenzbevölkerung gegenüber Metz aus dem Hinterhalt deutsche Patrouillen ad- geschossen hat. Es kann sein, daß diese Vor- sälle durch die Zusammensetzung der Bevölke rung in jenen Jndustriebezirken heroorgerusen wurden. Es kann aber auch sein, daß der Franktireur krieg in Frankreich und Belgien vor bereitet ist und gegen unsere Truppen an gewendet werden soll. Sollte letzteres zu treffen und durch Wiederholung solcher Vor- sälle erwiesen werden, so Haden unsere Gegner es sich selbst zuzuickreiben, wenn der Krieg mit unerbittlicher Strenge auch gegen die schuldige Bevölkerung gesührt wird. Man wird es den deutschen Truppen, die gewohnt sind, Disziplin zu hallen und den Krieg nur gegen die bewaffnete Macht des feindlichen Staates zu führen, nicht verdenken können, wenn sie in gereckter Selbst verteidigung reinen Pardon geben. Die Hoffnung, durch die Entfesselung der Leiden- schaiten des Volkes am den Krieg einzu wirken, wird an der unerschütterlichen Energie unserer Führer und Truppen zuschanden wer den. Vor dem neutr a l en Aus lan d e se aber schon zu Beginn des Krieges festgestellt, daß es nicht die deutschen Truppen waren, die eine solche Form des Kampfes heroorriefen. Neue Erfolge an der russischen Grenze. Die Grenzschutzabteiiung in Bialla, zehn Kilometer östlich Johanisburg, hat den Angriff einer russischen Kavallerie- brigade zurückgewiesen. Acht Geschütze und mehrere Munitionswagen sind in unsere Hände gefallen. — Fast zu gleicher Zeit wurden in Schmalleningken (drei Meilen östlich von Tilsit) drei Kompagnien Land wehr von zwei russischen Jnsanterie-Kom- pagnien und einer Maschinengewehr-Kom pagnie angegriffen worden. Die Landwehr zwang die Russen zum Rückzug auf Jurborg. Verzweifelte Stimmung in Ruffland. Im Gegensatz zu den Meldungen aus Petersburg, wonach im ganzen Lande eine ungeheure Kriegsbegeisterung herrscht, wird aus sonst gut unterrichteten Lemberger Kreisen mitgeteilt, daß im ganzen Lande, besonders aber in Warschau, der Hauptstadt Polens, eine sehrgedrückteStimmung herrscht. Die Militärkreise haben nach dem Scheitern des Einbruchsversuches in Preußen die Hoff nung auf einen Erfolg aufgegeben. Man ver packt die Staatsarchive, Gold und alle Vor räte, um sie in das Innere des Landes fort zuschaffen. In den Grenzgebieten wünscht man eine Niederlage für die Russen herbei. In den Städten im Inneren des Reiches gärt die Revotution und wartet auf den Augenblick, wo sie ihr Haupt erheben kann. Aus derselben Quelle stammt die Meldung, daß in Czenstochau, Sosnowice, Warschau große Arb eiter mass en Kämpfegegen Kosaken bestanden haben. Es heißt sogar, daß die Russen aus Warschau abziehen. Nach anderen Meldungen haben sogar schon die russischen Zivildehörden Warschau verlassen. Russische Seeminen vor Petersburg. Stockholmer Zeitungen berichten über die Zerstörung Hangös (am Finnischen Meerbusen, an dem auch Petersburg liegt) durch die Rüssen: Die Russen versenkten einen großen Dampfer am Hafeneingang und ebenso alle Hafenkräne, sprengten die Eisenbahnwerkstätten und die Hasenmole in die Luft, steckten dreißig Magazine in Brand, zerstörten die Eisenbahn linien und sperrten dieEinfahrt nach Petersburg durch Minen. Die Ein fahrt wird durch Torpedobootsflottillen be wacht. Die Österreicher auf dem Vormarsch. Die Österreicher, die von verschiedenen Punkten nach Polen vorgedrungen sind, haben mehrere Ortschaften vierzig Kilometer von der Grenze auf russischem Gebiete besetzt. Sämtliche Versuche feindlicher Reiter- palrouillen in Ost- und Mittelgalizien einzu fallen, wurden abgewehrt. Der Eindruck in Italien. In Rom ist ein Telegramm des Staats sekretärs des deutschen Auswärtigen Amts an den dortigen deutschen Botschafter einge troffen, das einen Überblick der deutschen Er folge gibt und die Auslandslügen richtig stellt. Es hat den tiefsten Eindruck heroorgerusen, besonders da in Rom an der Eroberung Lüttichs noch gezweifelt wurde und über die Fortschritte der Deutschen uno Österreicher in Polen wenig bekannt war. Türkische Kriegsschiffe für England. Die türkische Regierung gibt amtlich be kannt, daß England die dort im Bau befind lichen der Türkei gehörigen Großlinien- s ch i f f e „Sultan Osman- und „Reschadieh". sowie zwei für Chile im Bau begriffen?, von der Türket angekaufte Zerstörer von 185) Tonnen die englische Flotte ein gereiht hat. Die neuen Namen der Linien schiffe sind „Agincout" und „Erin". Diese Handlungsweise Englands hat in der Türkei allgemeinen Unwillen erregt. Die Neutralität Skandinaviens. Da zwischen bestimmten fremden Mächten Krieg ausgebrochen ist, haben die Regierungen Schwedens und Norwegens durch eine Pro klamation erklärt, daß sie beiderseits fest ent schlossen sind, während dieses Kriegszustandes feder sür seinen Teil bis zur äußersten Grenze Neutralität zu beobachten. Ferner haben die beiden Regierungen ver bindliche Zusicherungen ausgetauscht, um zu verhindern, daß der in Europa herrschende Kriegszustand zu feindlichen Maßnahmen einer der beiden Mächte gegen die andere führen könnte. Keine Neutralitätserklärung Japans. Mit Rücksicht auf das englisch-japa nischeBündnis hat Japan keineNeu - tralitätserklärung erlassen, seine Hal tung wird nach einer amtlichen Erklärung von den Ereignissen auf den Meeren des fernen Ostens abhängen. Im k)ockgebirge. 4! Novelle von C. Born. iFortsetzüiw.) „Doch nur unter aner Bedingung will i'Stun!- „Und die wäre?" „Wenn du niemals mehr Geld von mir erpreßt!" „Gut," versetzte der Doktor, „ich werde nie mals mehr Geld von dir erpressen." „Wart', in a Viertelstund' bin i zurück." Damit zog Prokop seine Jacke an, setzte den Lut auf und ging fort. Auch der Doktor ver ließ die Stube. Eine Zeit lang sah er dem Bauer nach, wie er langsam den Dorfweg gegen die nächsten Hütten einschlug: dann lenkte er seine Schritte nach dem Hofraum und in den Garten. An einem schattigen Platze, von welchem aus man das Haustor und die Straße im Auge behalten konnte, ließ er sich auf den weichen Rasen nieder und streckte seine Glieder behaglich aus. Als er den Bauer nach einer Weile zurückkehren sah, begab er sich wieder in das Erdgeschoß des Hauses zurück. „Hier," sagte Prokop, ein Paket Banknoten hervorziehend und es dem Doktor überreichend, »hier is das Geld.- Kaum fühlte der Doktor die Banknoten in seinen Händen, so überflog ein teuflisches Grinsen seine häßlichen GesichtSzüge: er zählte die Pagiere langsam und mit größter Vorsicht, und nachdem er mit seiner Arbeit fertig geworden, nickte er beifällig mit dem Kopse und steckte das Paket mit den Worten in die Tasche: „So, alles in Ordnung, das wäre nun abgemacht." Der Bauer hatte sich inzwischen aufs Bett gesetzt, mit Sehnsucht den Augenblick er wartend, wo sein Peiniger die Stube verlassen werde. Deshalb wunderte er sich nicht wenig, als der Doktor, anstatt Anstalten zum Fort gehen zu machen, eine zweite Zigarre ansteckte und sich neuerdings auf seinen srüheren Platz niederlteß. „Mit der Geldangelegenheit wären wir fertig, Prokop," begann er abermals, gegen den Bauer gewendet. „Jetzt zu etwas An derem." Prokop hob staunend seine Augen empor und blickte starr auf den Doktor. „Prokop, ich hab' das Jungg'sellenleben satt; ich bin des ewigen Herumziehens müde und möcht' auch amal meinen eigenen Herd gründen. Wir sind seit zwanzig Jahren stets die besten Freund' g'west und haben einander verschiedene gute Dienste erwiesen. Deine Tockter, die Sefferl, hat mir schon lang' ins Äug' g'stochen. Sie is a brav's, sauberes Dirndl und ganz nach meinem Gusto. Ich bin jetzt in den besten Jahren," fügte er, seine Gestalt selbstgefällig betrachtend, bei, „und schon manche reiche Bauerstockter hat ihre Augen auf mich geworfen: aber wie die Sefferl is keine. Deswegen hab' ich's mir in' Kopf gesetzt: Die Sefferl muß mein werden, und was ich mir amal in' Kopf fetz', das führ' ich auch durch, nit war. Prokop?" .Eh' i die Sefferl, mei anzig's Kind, dir zum Weib geb', eh' verschreib' i's dem Teuf'!," erwiderte der Bauer in kurzen, abgerissenen Worten, ohne seinen stieren Blick von dem Doktor abzuwenden. „Ich hab' diese Antwort vorausg'seh'n, denn ich kenn' dich, Prokop," versetzte der Doktor. „Im Anfang bist' immer widerspenstig und läßt den Zorn aus dir sprechen: aber nachher, wenn sich der erste Ärger g'legt hat, dann kommst' zur Einsicht und gibst nach. War's früher mit dem Geld nit auch so?" „Die Sefferl wird niemals dein, und wenn i selbst z'Grund geh'n sollt'!" „Wirst noch anders reden Prokop. Der alte Mathies lebt noch und wird noch lange leben: dafür laß' mich sorgen." „Himmessapperment! Und i sag's noch amal: Du kriegst mei Kind nit in die Klauen," schrie der Bauer, dessen Gesicht sich vor Wut verzerrt hatte, mit so furchtbarer Stimme, daß die Fensterscheiben klirrten. Dabei sprang er mit einem Satze vom Bette, ergriff den an der Wand hängenden Stutzen und drückte ihn auf den Doktor ab. Letzterer war aus eine Katastrophe gefaßt, denn er kannte des Bauers heftiges, auf brausendes Temperament. Er war deshalb jeder seiner Bewegungen mit gespanntester Aufmerksamkeit gefolgt und sprang im Augenblick, als jener die Büchse gegen ihn an legte und abdrückte, schnell bei Seite, so daß die volle Ladung in den eichenen Wand schrank ging. Nachdem der Schuß verhallt war, stand Prokop, den Stutzen noch immer in der Hand haltend, wie festgewurzelt da, denn er war ebenso bestürzt als überrascht über die Tat, die er soeben verübt hatte. „Du hast einen Mordversuch begangen. Prokop/ sagte der Doktor, vor ihn hintretend. „A schwer's Verbrechen, das harte Strafen nach sich zieht. A Glück für dich, daß uns niemand g'seh'n; ich hab' keine Zeugen, das Gewehr kann auch durch Zufall selbst los'- gangen sein. Allein, ich will jetzt gehn'. In acht Tagen komme ich wieder. Ich geb' dir Bedenkzeit, Prokop, überlege alles genau. Die Sefferl muß mein Weib werden!- Als der Doktor fort war, wankte Prokop nach seinem Bett und begrub sein Antlitz in den Kiffen. Am Abend kehrte Sefferl samt den Dienst leuten von der Heumad zurück. Wie alljähr lich, so wurde auch diesmal der ganze Heu vorrat in den Stadeln auf der Alpe unter gebracht, bis auf ein kleines Gebirgswägelchen voll, das von einem bekränzten Ochsenpaar, der Sitte gemäß, mit Mühe nach dem Bauern höfe heruntergeschafft wurde. Dieser Tag war jedesmal ein Festtag sür das bei solchen Gelegenheiten durch eine beträchtliche Anzahl Taglöhner verstärkte Hausgesinde. Schon von ferne hörte man das in den Bergen wider hallende Jauchzen und Jodeln der Heim kehrenden. Die Gruppe bot ein herrliches Bild dar und wäre eines Malers würdig ge wesen: In der Mitte der geschmückte Wagen, rings herum die Burschen mit ihren grünen Gedirgshüten, auf denen Schildhahn und Geierfedern wehten, mit den grauen Jacken, den nackten Knien, grünen Strümpfen und nägelbeschlagenen Bundschuhen, dazwischen Frauen und Mädchen in der bunten sterer- märkischen Gebirgstracht, umflossen von oen goldenen Strahlen der scheidenden Sonne. Alle mit Sensen und Rechen auf den Schultern
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