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Ottendorfer Zeitung : 21.06.1914
- Erscheinungsdatum
- 1914-06-21
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Privatperson
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-191406215
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19140621
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19140621
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-06
- Tag 1914-06-21
-
Monat
1914-06
-
Jahr
1914
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 21.06.1914
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Erfolge -er Msten Wilhelm. Sieg der Regierungstruppen bei Tirana. — Ein Teil der Aufständischen unterwirst sich. — Durazzo gerettet. Wenn nicht alles trügt, hat sich das Schick sal zugunsten des Fürsten Wilhelm entschieden. Er hat in der Stunde der höchsten Not 1500 Mann Verstärkung erhalten, und es gelang den fürstentreuen Truppen, die bereits mutlos zu werden begannen, einen großen Erfolg zu erringen. Natürlich ist damit keineswegs der Aufstand niedergeschlagen: aber der Sturm auf Durazzo ist verhindert, und es ist Aussicht vorhanden, daß es gelingen wird, auch den verbleibenden größeren Teil der Rebellen niederzuringen. Die Eroberung Tiranas. Entsprechend dem schon vor einigen Tagen gefaßten Plane einer Einkreisung der Rebellen, trat Achmed Alati auf Befehl des Fürsten den Vormarsch mit 1500 Mohammedanern an, die er auf eigene Faust um sich gesammelt hat. Er mußte dabei einen 1800 Meter hohen Paß überschreiten und durch gefährliche Schluchten vorgehen. Auf einem stellenweise nicht mehr als drei Meter breiten Pfad, der bei einer Länge von 40 Kilometer Höhen von mehr als 1000 Meter hat, rückte Achmed Malati mög lichst schnell gegen Tirana vor. Im Engpaß von Tunjanit stellten sich ihm die Vorposten der Aufständischen in ausgezeichneter Deckung entgegen und eröffneten das Feuer. Achmed nahm aber, dank der Tapferkeit seiner Schar, den Engpaß im Sturm; hierauf wurde nach kurzem Kampfe Tirana besetzt. Achmed unter handelte sosort mit der Bevölkerung und tadelte sie scharf, daß sie sich von fremden Agenten aufreizen lasse. Ein Teil der Auf ständischem erklärte sich hierauf für den Fürsten und bat Achmed, eine Amnestie zu erwirken, was zugesagt wurde. Die Lage in Durazzo. Die Lage in Durazzo, die am 16. d. Mts., nachdem die Rebellen bis an die ersten Häuser der Stadt vorgerückt waren, äußerst kritisch aussah, besserte sich mit dem Augenblick, als ein österreichischer Dampfer 1400 Miridtten aus Medua brachte, die sofort in Verteidi gungsstellung vor die bedrohte Stadt gingen. Die Verteidiger hatten fünf Tote und 40 Ver wundete. Die Verluste der Angreifer müssen namentlich infolge des Geschützfeuers sehr groß sein. Der Führer der Rebellen Hodscha von Rybeka wurde verwundet und nach Durazzo gebracht. Gerüchtweise verlautet, Kawaja sei von den Anhängern des Fürsten unter der Führung des Aziz-Bei eingenommen worden. Rückzug der Rebellen von Dnrazzo. Nachdem in der Nacht vom Montag zum Dienstag ununterbrochen das Feuer unter halten worden war, zogen sich Lie Belagerer plötzlich morgens zurück. Man führt diesen Rückzug auf die Ankunst von Verstärkungen zurück, Lie zu Wasser und zu Lande eintrafen. Es heißt, daß ein Mann der Aufständischen, der mit einem italienischen Gewehr be waffnet gewesen sei, gefangen wurde und Laß man ihn einer Untersuchung unter ziehen will, wahrscheinlich, um irgend einen neuen Vorwand zu Anklagen gegen die Italiener zu suchen, während be kanntlich die Einwohnerschaft von Tirana eine gewisse Anzahl von Gewehren erhielt, als der Feldzug gegen Epirus vorbereitet wurde. Andere Gewehre wurden am 23. Mai den ge fangenen Gendarmen und Nationalisten ge raubt. Es steht fest, daß der erste Versuch der Aufständischen, Durazzo zu überrumpeln, ge scheitert ist. Weitere Erfolge der Regierungstrubben. Die Regierungstruppen unternahmen in drei Gruppen einen Angriff gegen die bei Fieri stehenden Aufständischen. Diese zogen sich nach dem Kloster Ardeniza zurück, das eine ausgezeichnete strategische Stellung bildet. Drei Gruppen der Regierungstruppen sollen nunmehr die Aufständischen dort angreifen. Leider herrscht unter den Regierungstruppen Mangel an Verpflegung und an Sanitäts material. Was wird das Ende sein ? Trotz der Nachrichten von den Erfolgen, di» die Scharen des Fürsten errungen haben. glaubt man in Italien und Österreich an scheinend nicht mehr an die Möglichkeit eines endgültigen Sieges des Fürsten. Man sieht fetzt zu spät ein, das man der Bitte des Fürsten, der Munition und Waffen, Nahrungs mittel und Verbandzeug verlangte, als der Aufstand ausbrach, hätte willfahren müssen. In Wien wird in halbamtlichen Presse- Äußerungen unumwunden erklärt, daß Europa den Fürsten im Stich gelassen habe. In Rom beklagt man es, daß sich Europa nicht zu einem Eingreifen entschließen konnte, das über den bloßen Schutz des Fürsten und seiner Familie hinausging, und man fragt sich, was das Ende sein wird, wenn Durazzo schließlich doch noch.in die Hände der Aufständischen fällt. Darüber waltet wohl kein Zweifel mehr ob, daß im selben Augenblick, da die Rebellen in Durazzos Mauern eindringen und Fürst Wilhelm flüchten muß, der Fürstentraum des jungen Herrschers endgültig ausgeträumt ist. Wie es in Rom und Wien heißt, sind die Großmächte schon für diese Möglichkeit gerüstet. Italieni sche Blätter wollen wissen, daß, falls Fürst Wilhelm dem Lande den Rücken kehrt, die Regierung in die Hände der internationalen Kontrollkommission übergehen soll. In jedem Fall geht Fürst Wilhelm jetzt feiner Schicksals stunde entgegen. Politische AunÄlckau. Deutschland. ^Kaiser Wilhelm wohnte der seier- lichen Eröffnung des Gro ß s ch iffah rts- weges Berlin —Stettin, der künftig den Namen „Hohenzollernkanal" führen soll, bei. Der Monarch begab sich mit der Bahn nach Eberswalde und von dort im Automobil über Freienwalde und Oderberg nach Schleuse 2, wo die Hauptfeierlichkeit stattfand. Der Kaiser hielt eine markige Ansprache, Lie dieses Bauwerk echt deutschen Fleißes und deutscher Tüchtigkeit würdigte. *Der neue Großherzog AdülfFried- rich von Mecklenburg-Strelitz, der bisher in der Armee den Dienstgrad eines Rittmeisters (bezw. Hauptmanns) innehatte, ist zum Oberst befördert worden. * In der letzten Sitzung des preußischen Abgeordnetenhauses kam es zu stürmi schen Szenen, als der sozialdemokratische An trag betr. das Disziplinarverfahren gegen Dr. Liebknecht beraten wurde. Die Kommission hatte mit großer Mehr heit beschlossen, die Weiterführung des Verfahrens zu gestatten. Da auch die Redner des Hauses sich für den Antrag der Kommission erklärten, kam es zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen ihnen und den Sozialdemokraten. Der Vize-Präsident er teilte viele Ordnungsrufe und konnte nur mit großer Mühe die Ordnung aufrechterhalten. — Der Landtag wurde auf den 10. November vertagt. * Wie verlautet, halten die maßgebenden Regierungsstellen die geltenden deutschen Mindestzölle auf Weizen, Roggen, Hafer und Gerste für ausreichend und sind nicht gewillt, eine Erhöhung dieser Mindestzölle zu empfehlen. * In der badischen Zweiten Kammer er klärte der Minister des Innern v. Bodman, daß sich die Regierung mit tunlichster Be schleunigung überzeugen wolle, ob sie die Mit wirkung Elsaß-Lothringens und der Schweiz bei dem Plane der Schiffbarmachung des Rh eins von Straßburg bis Basel er langen könne. Im Falle Lieser Zustimmung wolle die Regierung sofort mit der Beratung des Planes beginnen. Das Haus nahm darauf die geforderte Summe von insgesamt 40 000 Mark einstimmig an. Österreich-Ungarn. * Kaiser FranzJosepH hat zum ersten Male seit seiner Krankheit wieder an einer großen militärischen Übung teilgenommen, ein sicheres Zeichen, daß er völlig wiederher gestellt ist. Frankreich. * Der neue Ministerpräsident Viviani betonte in seinem Programm, das er in der Kammer entwickelte, daß er sich ausschließlich auf eine republikanische Mehrheit stützen wolle und kündigte an, daß in das neue Budget eine staffelförmige Steuer auf das Kapi - t a l ausgenommen werden solle. Die Kammer sprach mit 362 gegen 139 Stimmen dem neuen Ministerium das Vertrauen aus. England. * Auf eine Anfrage im Unterhause, ob die Regierung jemals auf irgend eine Weise in Frankreich habe durchblicken lassen, daß sie an der dreijährigenDienstzeit interessiert sei, antwortete der Staatssekretär des Äußeren Grey, daß England weder amtlich noch auf privatem Wege eine solche Ansicht in Paris zum Ausdruck gebracht habe. (Die Pariser Blätter, die diese Nachricht in die Welt gesetzt haben, um die Stimmung des Landes für das Dreijahrsgesetz zu beeinflussen, haben also — geirrt.) * Der frühere Bischof von Uganda, Dr. Tucker, ist in London gestorben. Sein Tod weckt die Erinnerungen an die Tuckerbriesaffäre, die im Reichstage vor Jahren sehr viel Staub aufwirbelte und endlose Pressedebatten Hervorries. Italien. *Der Streik der Eisenbahner in Bologna, Parma, Ferrara, Mantua, Rimini, Salerno und Foggia dauert fort. In Salerno wurden 100 Eisenbahner dem Strafrichter überwiesen und in Bologna zwei zu 25 Tagen Gefängnis verurteilt. In Ferrara wurde ein Güterzug in Brand gesteckt; drei Wagen ver brannten. — Die Streikenden wollen im Aus stand beharren, obwohl das Zentralkomitee die Wiederaufnahme der Arbeit empfohlen hat. Rußland. * In Odessa wurde kurz vor der Ankunft des Zarenpaares ein gefährlicher Anarchist unter dem Verdacht verhaftet, ein Dynamit attentat auf den kaiserlichen Wagen beab sichtigt zu haben. Auf dem Hofe des Hotels, in dem der Verhaftete wohnte, wurde eine Bombe gefunden. "Für die Expedition zu Nachforschun gen nach den verschollenen Polar forschern Sjedow, Brussilow und Russanow hat die Duma 480 000 Rudel bewilligt. Balkanstaaten. * Die Mächte haben sich entschlossen, im griechisch-türkischen Streit zu ver mitteln, um einer weiteren Verschärfung der Lage vorzubeugen. Sowohl der französische wie der russische Vertreter in Konstantinopel wiesen den Großwesir darauf hin, daß es Pflicht der Regierung sei, den Griechen verfolgungen in Kleinasien mit aller Energie ein Ende zu machen. Zugleich ersuchten die Vertreter der Mächte in Athen die Regierung, nicht zu Gewaltmaßregeln zu greifen, ehe alle friedlichen Mittel erschöpft sind. Amerika. * Der mexikanische Präsident Huerta hat endlich wieder einmal einen Erfolg zu ver zeichnen. Seine Truppen haben eine Ab teilung der Rebellen bei Zacatecas ver nichtend geschlagen. Huerta hofft, nach Nieder werfung des Aufstandes schnell zu einer Eini gung mit Len Ver. Staaten zu kommen. Ob sich diese Hoffnung erfüllen wird, ist leider sehr fraglich. Japan. * Die japanische Regierung hat beschlossen, in Las nächstjährige Budget eine namhafte Summe zur Linderung der Not in den von der P e st und der Hungersnot heimgesuchten Gegenden einzustellen. k)eev unck MoNe- — Der neue Kreuzer „Karlsruhe" hat die Reise nach Mittelamerika angetreten. Das Schiff soll bekanntlich den Kreuzer „Dresden" als Stationär in Ostamerika ablösen. „Dresden" kehrt in die Heimat zurück und tritt wieder in den Dienst der Hochseeflotte. — Der Kreuzer „Nürnberg", der seit November an der Westküste Mexikos den Schutzdienst zur Wahrung der deutschen Interessen ausgeübt hat, soll nach seinem jetzt stattfindenden Äesatzungs- wechsel in Panama wieder zur Ostastatischen Station zurückkehren, um seinen ununterbrochenen Dienst im Verbände des Kreuzergeschwaders auf zunehmen. Als Ersatzschiff ist der Kreuzer „Leipzig" von Tsingtau bereits im Stillen Ozean unterwegs, um die mexikanische Westküste zu er reichen. Für diesen Austausch der Schutzkreuzer sind lediglich Gründe des inneren Dienstes beim Kreuzergeschwader bestimmend. Nie Eroberung Ilsens. — Die Entscheidung im dänischen Feldzug. — In Schleswig-Holstein begeht man aller orten Gedenkfeiern an das Äesreiungsjahr 1864. Die Düppel-Ausstellung in Sonderburg sah dieser Tage den Besuch des Prinzenpaares Heinrich von Preußen, dus mit seiner Jacht „Carmen" eintraf. Der Prinz übergab eigen händig dem Amtsrichter Ewoldt, dem Leiter der Ausstellung, die vier Gemälde von Düppel stürmern, die die damalige Kronprinzessin von Preußen im Jahre 1864 für den Kronprinzen gemalt hat. Mit Düppel war der Hauptwiderstand der Dänen gebrochen, aber erst die Eroberung der befestigten Insel Alfen am 28. und 29. Juni entschied endgültig über den Ausgang des Krieges und das Schicksal der Herzogtümer. Schon am 6. Februar hatten ja die Dänen die Stadt Schleswig und das Danewerk, das sich im Süden der Stadt in weiter Ausdeh nung von Westen nach Osten hinzog, geräumt und sich nach Alsen und in die Düppeler Schanzen zurückgezogen, und Wrangel konnte sein Hauptquartier in Schleswig aufschlagen. Die Aufgabe des Danewerks rief aber im dänischen Volke die höchste Erregung hervor. Straßenausschreitungen in Kopenhagen waren die Folge, und die Regierung sah sich gezwun-' gen, den Oberfeldherrn de Mega zu ent lassen, um damit der Volkswut ein Opfer zu bringen. Für Preußen und Österreicher galt es nun, die noch befestigten Stellungen zu nehmen, in denen sich das dänische Heer noch hielt. Am 18. April erfolgter der Fäll der Düppeler Schanzen, nun galt es noch, den Feind aus den Befestigungen auf Alsen zu vertreiben. Der Kampf wurde auch hier bald unheilvoll für die Dänen. In Ler Nacht vom 28. zum 29. Juni schritt Prinz Friedrich Karl zum An griff vor. Die Truppen setzten über den Alsensund und wurden von den Dänen durch ein heftiges Gewehrfeuer empfangen. Das dänische Panzerschiff „Rolf Krake", das zum Schutze vor Alsen lag, konnte weitere Landungen Ler feindlichen Truppen nicht ver hindern, da es durch die preußischen Strand batterien beschossen wurde. Nachdem die Dänen große Verluste erlitten hatten, sahen sie sich gezwungen, nach Südenzurückzuweichen. Um den Fortmarsch Ler Verfolger zu ver hindern, steckten sie Sonderburg in Brand. Aber jede Hoffnung auf eine Wendung des Kriegsglücks hatten sie verloren. So schwer war ihre Zuversicht gesunken, daß sie, ohne es auf einen letzten entscheidenden Kampf an kommen zu lassen, in Ler letzten Nacht des Junimonats 1864 sich auf Kanonenbooten nach der Insel Fünen einschifften. Sie über ließen den Preußen die Insel Alsen, die am 1. Juli ohne Widerstand völlig eingenommen wurde. Durch die Eroberung Alsens fiel den Ver bündeten bedeutende Kriegsbeute in dis Hände, denn Alsen war das dänische Hauptquartier für Waffen und Kriegsbedarf. Mit dem Falle Alsens war Las Schicksal Dänemarks besiegelt. Die nachfolgenden Gefechte trugen nur noch den Charakter der Verzweiflung, der Kampf wurde nur noch um der Ehre der Nation willen fortgeführt. Von unä fern. Brandkatastrophe in einer russischen Fabrik. Durch einen Brand, der infolge einer Explosion ausbrach, wurde die Zelluloid- kammsabrik von Kaminsky in Moskau zerstört. Es sind fünf Leichen geborgen worden. Der Besitzer der Fabrik und vierzig Arbeiter wurden schwer, außerdem mehrere leicht verletzt. Bootsungliick auf dem Dnjepr. In der Nähe von Krementschug ereignete sich auf dem Dnjepr ein schweres Unglück. Zwei große Boote mit 39 Insassen wurden infolge hohen Wellenganges zum Kentern gebracht. Drei zehn Personen ertranken, die anderen konnten von einem Dampfer gerettet werden. Das Geheimnis -es Zonderzuges. 1j Originalroman von Heinrich Wildau.*) 1. In München gibt es zwei Arten von Gemütlichkeit: eine besonders und eine ganz besondere. Erstere lagert zu allen Zeiten über die ganze Stadt. Ein besonderer Grund zur Gemütlichkeit ist immer vorhanden. Entweder ist es Fasching, oder „Salvator" wird frisch angesteckt, oder es ist sonst irgend etwas los. Die ganz besondere Gemütlichkeit aber tritt dann in Kraft, wenn man so wie so nirgends hingehen kann. Zum Beispiel wenn es regnet oder starker Schnee gefallen ist. „So wie so" nirgend hingehen, bedingt — ins Wirtshaus gehen und sich jeden Spaziergang möglichst verkneifen. Denn der Arzt hat es dem Münchener beigebracht, daß er wenigstens ein bißchen laufen muß, — bei seinem Bierkonsum. Wenn's aber schneit, oder der Schnee fußhoch liegt, — na, da kann man eben nicht laufen. Da hat man a Freud, daß man dem Arzt ein Schnippchen schlagen kann. Und dann entwickelt sich in München die erwähnte ganz besondere Gemütlichkeit. So auch am Silvesterabend. Wer in München einen solchen Abend mitgemacht hat, kennt den Trubel, der sich dann in den Lokalen entspinnt. Truppen singender, zum Teil maskierter Studenten, Künstler und der Jung münchener ziehen von Lokal zu Lokal, überall Tanz, Musik und lustige Feiern. Auf der großen Redoute drängen Philister, Künstler *) Unberechtigter Nachdruck wird verfolgt. und Militär Schulter an Schulter. Und die Waghalsigeren machen sogar die Straßen un sicher. Echte Münchener sind das wohl nicht, der „echte" bleibt drin bei seinem Bier und sieht sich das Treiben von dort an. Trotzdem sind die Straßen überfüllt, es sind eben nicht nur Münchener in München. Das Rathaus schimmert in einem bunten Lichtmeer, auf dem Platze stehen Hunderte und bewundern die vorbeiziehenden Masken. Und in den Cafes ist jedes Plätzchen besetzt, ja, häufig genug doppelt besetzt, überall echte Lust und Freude. An diesem Silvesterabend hatte es der Wettergott mit Len Münchenern besonders schlecht gemeint. Nicht nur, daß schwarzer Schlamm Straßen und Trottoirs bedeckte, fing der Schnee auch wieder zu fallen an; winzige, unscheinbare aber dichte Flocken, die sofort zu Wasser wurden, wenn sie den Boden berührten. Dennoch gab es unechte Münchener genug, die durch den Schlamm strampelten und sangen und sich um Wind und Wetter nicht scherten. Aber das übliche, lebhafte Silvesterbild wollte nicht recht in Fluß kommen. Um so überfüllter waren die Lokale. Denn da ein Zuhausebleiben am Silvesterabend dem Münchener wie ein Unding erscheinen würde, die Straßen aber unpassierbar waren, so waren die Lokale der einzige Zufluchtsort. Ganz unten bei Ler Theresienwiese, in der Nähe des Südbahnhofes ist ein kleines un scheinbares Cast, so klein, daß es nur zehn Tischchen enthält, die Lazu noch meistenteils leer dastanden. Denn erstens liebt der Münchener seine Kneipe viel zu sehr, um ein Freund von Casts zu sein, und zweitens lag dies besondere Cast, wie gesagt, ziemlich abseits vom Hauptverkehr. Und auch heute, trotz des schlechten Wetters, war es nicht anders. Doch war es noch früh, erst neun Uhr abends. Um diese Zeit geschah es, daß zwei Männer und ein Mädchen aus der Richtung der Theresienwiese die Straße entlang kamen. Vor dem Cast machten sie einen Augenblick halt, und schon stand der rundliche Wirt mit der sauberen weißen Schürze und dem kleinen runden schwarzen Käppchen vor ihnen. „Wollen Sie nicht eintreten? Weiter hinauf finden Sie wahrscheinlich keinen freien Tisch mehr. Es wird ja alles so besetzt sein! Hier haben Sie's bequem!" Er machte eine einladene Handbewegung. „Ich habe noch ein Tischchen am Fenster hier in Ler Nische." Die drei verständigten sich durch einen raschen Blick und traten ein. Geschäftig rückte der Wirt das Tischchen und die Stühle zu recht, — es war eigentlich gar nichts zu rücken daran — fragte nach dem Begehr seiner Gäste, und bald standen eine Flasche Bordeaux und drei Gläser vor den Fremden. Der Wirt eilte wieder vor die Tür, wo irgend jemand irgend etwas erfragte, während einer der Männer bedächtig die Gläser füllte, die ebenso bedächtig von den dreien bis auf die Neige geleert wurden. Gesprochen wurde kein Wort. Alle schienen sie mit ihren Ge danken vollauf beschäftigt. Schließlich meinte der eine: „Dieses Wetter! Wie lange noch, und wir werden auch hier wieder hinaus müssen." Das Mädchen nickte, während Ler zweite fagte: „Ihr hättet mir folgen sollen. Zu Haus spricht sich's am besten. Worauf die beide» anderen energisch die Köpfe schüttelten. „Weil man dort von allen so recht schön beieinander gesehen wird, nicht wahr, Anton?" setzte der erste Sprecher noch spöttisch hinzu, und das Mädchen vollendete den Satz: „Nirgends spricht sich's sicherer wie in einem öffentlichen Lokal!" „Wenn gerade keiner horcht," meinte der mit „Anton" Angesprochene. Unwillkürlich blickten alle drei um sich. Das Cast war vollständig menschenleer, der Wirt draußen. Das Mädchen schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. „Wollen wir nicht zur Sache?" meinte sie leise. „Wir wollen doch nicht von Lokal zu Lokal ziehen. Wie lange noch, dann wird's auch hier wieder voll." Anton nickte. „Das heutige Wetter hat unseren ganzen Plan auf den Kopf gestellt. In ganz München wird man heute nicht ungestört sprechen können, außer zu Hause — und ich sage —" Das Mädchen warf ihrem Anton einen bösen Blick zu. „Wollen wir zur Sache oder nicht-" „Frieda hat recht!" sagte der andere. „Zur Sache!" * » * Dem Beobachter wäre es schwer geworden, das Heimatland ber drei Fremden dort in der Fensternische zu erraten. Sie sahen deutsch genug aus, um Deutsche zu sein. Sie konnten aber auch Franzosen oder Türken sein, oder Italiener oder Spanier. Irgend
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