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Ottendorfer Zeitung : 24.05.1914
- Erscheinungsdatum
- 1914-05-24
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Privatperson
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-191405245
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19140524
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19140524
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-05
- Tag 1914-05-24
-
Monat
1914-05
-
Jahr
1914
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 24.05.1914
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keine preußische wahlresorm. Das von den linksstehenden Parteien des preußischen Abgeordnetenhauses mit Spannung erwartete erste Auftreten des neuen Ministers des Innern v. Loebell hat ihnen eine Ent täuschung gebracht. Herr v. Loebell galt der Linken als Minister für Wahlresorm. Er lehnte aber .dies Vertrauen dankend ab". Zunächst sei es in Preußen nicht Brauch, wie er kürzlich in einem Aufsatz gelesen habe, daß Minister, bestellt werden zur Erledigung besonderer gesetzgeberischer Vorlagen. „So dann.' fuhr der Minister fort, „wird, der Gang und die Richtung der Politik in Preußen nicht von einem einzelnen Minister, sondern von der Staatsregierung, ,von dem Ministerpräsi denten und vrm Staatsministerium bestimmt. In dieser Beziehung nehme ich bezug auf die Er klärung des Ministerpräsidenten vom 13.Januar d. Js.: „So wenig wie die Staatsregierung den Versuch machen .wird, dem Parlament eine Wahlreform aufzunötigen, ebensowenig wird sie vom Parlament sich eine Wahlreform ausnötigen lassen. So gut wie die Regierung seinerzeit selbst die Initiative ergriffen hat, so wird sie die Initiative ergreifen, wenn sie selbst den Zeitpunkt für gekommen erachtet." Diese Stellung der Regierung werde auch durch den Eintritt eines neuen Ministers nicht ge ändert. Der Minister ist der Ansicht, daß die Wahlresorm eine gewisse hypnotisierende Wirkung auf die Parteien der Linken ausübe. Man müsse diese Frage aber nüchtern und objektiv betrachten. Herr v. Loebell erinnerte an die erste An ündigung einer Wahlreform durch den damaligen Ministerpräsidenten Fürsten Bülow. Dieser habe am 10. Januar 1908 erklärt, daß es bei der Regierung nach wie vor feststehe, daß die Übertragung des Reichstagswahlrechis aut Preußen dem Staatswohl nicht entsprechen würde und des halb abzulehnen ist. Auch kann die Regierung die Ersetzung öffentlicher Stimmabgabe durch die geheime nicht in Aussicht stellen. Jede gesunde Reform des preußischen Wahlrechts müsse auf eine Verstärkung des Einflusses der mittleren Schichten wie auch auf eine gerechte Abstufung Bedacht nehmen. Deshalb werde geprüft, ob dieses Ziel erreicht werden kann lediglich unter Zugrundelegung von Steuer leistungen, oder ob und inwieweit das Stimm recht nach anderen Merkmalen, wie Alter und Bildung, zweckmäßig abgestuft werden könne. Damit sei deutlich gesagt, daß eine Ver stärkung des Einflusses der Massen, eine demo- kratisierung des Wahlrechts nie in der Absicht der preußischen Regierung gelegen habe. Die Wahlreformvorlage von 1910 hätte eine Ver stärkung des Einflusses des breiten Mittel standes in Stadt und Land herbei ühren wollen. Dieser Versuch der Regierung, in vollkommen aufrichtiger Weise ihr Wort einzu lösen, sei am mangelnden Entgegenkommen des Hauses gescheitert. Jetzt müsse es der Regierung überlassen bleiben, wenn sie die Wiederaufnahme der Wahlrechtsfrage für an gezeigt hält. Nach diesen deutlichen Worten des Herrn v. Loebell ist die vielbesprochene Wahlrechtsreform in Preußen auf längere Zeit von der politischen Bühne abgetreten. k)eer und flotte. — Die Ausnahme der Division in Santos wie tn St. Paulo war gleich herzlich. In St. Paulo waren die Staatssekretäre zum Empfang der Gäste-erschienen. Es war eine starke Ehrenwache gebildet. Der Vizepräsident empfing den Divisionsches und die Kommandanten. Die deutschen Kolonien gaden ein glänzendes Fest, zu dem der Vizepräsident, sämtliche Staatssekretäre und einflußreiche Politiker geladen waren. Die Staatssekretäre veranstalteten einen Ausflug mit anschließendem Frühstück zu Ehren der Gäste. Die freundschaftliche Beziehung zu Deutschland und die Stellung der deutschen Kolonien sanden wärmste Anerkennung. In Santos fand für 1100 Mannschaften ein in jeder Hinsicht wohlge lungener Ausflug in Automobilen statt. Die vor zügliche Haltung der Mannschaften machte großen Eindruck auf die Bevölkerung. — Die Marinewerft in Tsingtau vollendete den Bau des Peilbootes „Nr. 111", das nach gut verlaufener Probefahrt zur Indienststellung als erstes Peilhoot sür die Tiefenvermessung der Flotte in der Süchee kam. Das neue Peilboot unter steht bis zum Eintreffen in der Südiee dem Kom mando des Kreuzergeschwaders. Bei der Auf nahme seiner Vermessungstätigkeit in der Südjee tritt es unter den Befehl des Kommandos des „Planet". Im August wird das zweite von der Werft in Tsingtau gebaute Peilboot Nr. IV" zur Indienststellung gelangen. Von unci fern. Kasseler Schutzleute an den Kaiser. Eine Anzahl Kasseler Schutzleute, die wegen geringfügiger Vergehen aus dem Amte ent lassen worden waren, üben eichten dem Prinzen Joachim, der bei den Kasseler Husaren dient, in dem Augenblick, als er die Kaserne betrat, eine Bittschrift an den Kaiser, in der die Ent lassenen Klage über angebliche Vorkommnisse bei der Kasseler Polizei führen. Prinz Joachim hat diese Bittschrift entgegengenommen. Der Wehrbeitrag Krupps beträgt, wie aus Essen gemeldet wird. 8 607 000 Mk. Da von entfallen 6 900 000 auf das Ehepaar Krupp von Bohlen und Halbach, 847 000 Mk. auf die Firma Krupp und 860 000 Mk. auf Frau Geheimrat Krupv. Insgesamt zahlt Krupp 67 Prozent des Wehrbeitrages des Stadt- und Landkreises Essen. Franenkonzerte auf der „Bugra". Die Frauenavteilung der Weltausstellung sür Buch gewerbe und Graohik unternimmt einen in teressanten Versuch. Jeden Donnerstag soll im Teeraum des „Hauses der Frau" ein Kon zert veranstaltet werden, in dem nur Werke weiblicher Komponisten und zwar nur durch Damen, zur Aufführung gelangen sollen. Die namhaftesten Künstlerinnen haben für den Lauf des Sommers ihre Mitwirkung zugesagt. Als Auftakt fand ein kleines Konzert statt, in dem u. a. die Wiener Konzertsängerin Emmy Heim mehrere Lieder der Gräfin Esterhazy- Rossi vortrug. Einer grossen Bande von Waggon- dicbcn ist in Duisburg die Polizei aut die Spur gekommen. Es wurden zehn Rangierer und Rangiermeister der Staatseisenbahnen verhaftet. Bei den Festgenommenen wurde eine große Menge Waren entdeckt, die aus verschlossenen Güterwagen geraubt und dann verkaujt worden waren. Hauptsächlich wurde Tabak und Garn auf diese Weise „gehandelt". Die Diebstähle sind viele kahre hindurch ver übt worden, ehe man Beweise für die Person der Täter erbringen konnte. Ein gefahrvoller Pa«rouillengang. Eine Militärpatrouille der Garnison Male im iüdiichen Ortlergebiet unternahm einen Patrouillengang, an dem mehrere Offiziere teilnahmen. Beim Abstieg vom Cercenapaß ins Tal de la Marce geriet der Oberleutnant Hückel auf einem steilen Hanae ins Rutschen und raste mit ungeheurer Schnelligkeit, auf dem vereisten Schnee sich mehrmals über schlagend, einer tieen Schlucht zu. Oberst v. Merten. Kommandant von Male, der tiefer stand, versuchte, den Stürzenden aufzuhalten; dies mißlang jedoch, da der Oberst selbst bei nahe gestürzt wäre, Hückel geriet aber durch die unerschrockene Hilfe seines Obersten in eine andere Richtung und vermochte sich, ein Meter über den Felsabstürzen, zu halten. Stock. Mütze und andere Ausrüstungsstücke des Offiziers flogen in die Tiefe. Er wurde nur leicht verletzt. König Christian von Dänemark und der Trainer. Ein netter Zug wird vom Auf enthalt König Christians von Dänemark in Paris erzählt. Nach der Hauptnummer eines Pferderennens äußerte der.König den Wunsch, den Besitzer des siegreichen Pferdes, Listmans, zu beglückwünschen. Begleitet vom Präsidenten Poincarö und dem Fürsten Arenberg, schritt der König dem Wagehäuschen zu und reichte dem Manne, den er neben dem Pferde sah, die Hand. Prinz Arenberg machte den König darauf aufmerksam, daß er nicht den Besitzer des Pferdes, sondern den Trainer aus gezeichnet habe. „Was tut's," antwortete der König, „das ist gewiß auch ein tüchtiger Mann!" Die Pest in Russland. Die Pest in der Umgegend von Satu zeigt einen sehr bös artigen Charmier und greift in bedrohlicher Weise um sich. Bis jetzt sind alle von der Seuche Befallenen, etwa 20 Personen, ge storben. Der Pestherd aus der Halvinsel Apscheren wurde durch Truppen abgesperrt. Allerlei vom Tage. — Die Breslauer Stadtverordnetenversamm lung bewilligte 160 000 Mk. Beihilfe sür st Sd tische Arbeiter mit größeren Familien ständen. — Auf dem Hochofenwerk des Hasper Eisen« und Stahlwerkes sind durch Einbruch eines Gerüstes acht Arbeiter in die Tiefe gestürzt. Einer war sofort tot, drei wurden lebensgefährlich, die anderen weniger schwer verletzt. — Die Fuhrwerksbesitzersgattin Döll in Würz burg stürzte in einen mit siedendemWasser gestillten Waschkessel. Sie starb unter entsetzlichen Schmerzen. — Der Untersuchungsrichter hat entsprechend dem Antrag des Staatsanwalts Frau Caillaux unter der BefchuldizunL des wissentlichen, mit Vorbedacht begangenen Totschlags vor die Anklagekammer verwiesen. Vie Tormenfmsterms. — Deutsche Vorkehrungen sür den 21. August. — Der 21. August dieses Jahres bringt die gesamte astronomische Welt in Helle Auf regung. W r werden an diesem Tage eine Vollsonnenfinsternis erleben, deren Aus dehnungsgebiet von seltener Größe ist, um faßt sie doch fast ganz Europa und Vorder affen. Das schafft natürlich ungemein günstige Vorbedingungen sür verhältnismäßig bequeme Beobachtungen, daher denn auch alle Länder wetteifern, große wissenschaftliche Expeditionen auszurüsten, die diesmal lange nicht solche Schwierigkeiten bei der Beobachtung zu üder- w nden haben, wie dies im allgemeinen sonst bei Sonnenfinsternissen der Fall zu sein pflegt. Selbstverständlich fehlt auch das Deutsche Reich nicht in der Zahl der Länder, die das ungewöhnliche Naturphänomen durch Expe ditionen in seiner ganzen Entwicklung erforschen wollen. Die preußische Regierung setzt eine Expedition unter der Leitung Prof. Dr. Miethes von der Charlottenburger technischen Hochschule ins Werk, die vorwiegend photo graphischen Zwecken gewidmet ist. Diese Ex pedition hat sich als Arbeitsfeld Norwegen erwählt, und zwar den kleinen Ort Sand- maeßjöen auf der Insel Alsten, wo ihr von der norwegischen Regierung in entgegen kommender Weise ein ungestörtes Arbeits terrain zur Ver-ügung gestellt worden ist. Die Wahl gerade dieses Platzes bat gute Gründe. Hier befindet sich nämlich das äußerste Nord westende der Vollverdunkelung, soweit sie auf dem Festlande verläuft. Es- kann hier also die Finsternis im ersten günstigen Augenblick gepackt werden, sodaß man die Beobachtungen auf eine möglichst lange Zeit verteilen kann. Von weiteren deutschen staatlichen Expeditionen sei noch die hamburgische Hervorgehoven. Im allgemeinen werden die Astronomen aller Länder Südrußland als günstigstes Be- obachtungsseld aussuchen. Der russische Staat selbst hat bereits die umfangreichsten Vorbe reitungen für die Erforschung der Sonnen finsternis getroffen. Die Breite des Vollver- dunkeiungs-Gebletes betrügt im Durchschnitt 160 bin. Sie erscheint am 21. August vor mittags vom nordatlantischen Ozean her, ver läuft bei Norwegen etwa unter dem 65. Grade nördlicher Breite, zieht sich sodann nach Schweden hinüber, geht von dort quer durch Rußland fast haargenau über Kiew und Feo- dosia, um in Persien zu verschwinden. L-uftkebiffakrt. — Die Fliegerin Haupt hat zum ersten Male allein einen einstündigen Flug auf dem Flugplatz Fuhlsbüttel ausgemhrt. Beim Landen überschlug sich die Maschine, die Fliegerin wurde herausge schleudert und leicht verletzt. — Auf dem Flugfelbe Nevers unternahm zum erstenmal eine Frau einen Versuch, mit einem Fallschirm aus einem Flugzeug abzufpringen. Dieses Wagestück ist der Frau de Castello ge lungen, indem sie den Zweidecker des Fliegers Perrier in 800 Meter Höhe verließ und glücklich den Boden erreichte. Der Fallschirm ist eine Er findung ihres Gatten. VolksnirtlekaiMckes. Konferenz über Handwcrterfragen. Im Reichstage fand unter dem Vorsitz des Ministe rialdirektors Caspar eine Konferenz statt, zu der auf Einladung des Staatssekretärs des Reichs- amtes des Innern Vertreter sämtlicher Bundes staaten, verschiedener Reichsämter und mehrerer preußischer Ministerien, sowie Abgeordnete der verschiedenen Parteien, ferner Vertreter des Handels- und Gewerbekammertages, des Zentral- ausschuffes der Innungen, des Allgemeinen Ver bandes der auf Selbsthilse beruhenden Genossen schaften, des Hauptverbandes gewerblicher Ge nossenschaften und des Werkbundes erschienen waren. Es handelte sich um die Unterstützung der von dem Handels- und Gewerbekammertage kürzlich gegründeten Hauptstelle für das Ver- dingungswesen. Mit Ausnahme des Vertreters der Stadt Hamburg erklärten sich die Vertreter sämtlicher Bundesstaaten, sowie die vorgenan^en Abgeordneten namens der von ihnen vertretenen Parteien sür die Unterstützung. GericbtskaUe. Kolmar i. Els. Vor dem hiesigen Land gericht sand ein politischer Prozeß statt. In mehr stündiger Sitzung wurde gegen den Zeichner Waltz alias Haust wegen seines in französischer Sprache erschienenen Buches „Mein Dorf" ver handelt. Der Staatsanwalt beantragte sechs Monate Gefängnis und 1500 Mk. Geldstrafe. Das Gericht erklärte sich indes für unzuständig, da das Buch hochverräterische Tendenzen auf- weise, und verwies den Fall an das Reichsgericht. Daraufhin wurde Hansi, entsprechend dem An träge des Staatsanwalts, wegen Fluchtverdachts verhaftet. Pric». Vor dem hiesigen Schöffengericht hatte sich der Berliner Schauspieler Ferdinand Bonn wegen Beleidigung des königlichen Schloß- verwalters von Hohenchiemsee zu verantworten. Bonn hatte Ende vorigen Jahres vor dem Schlosse auf der Herreninsel am Chiemsee kine- matographische Aufnahmen zu einem von ihm verfaßten Filmstücke gemacht. Er begab sich mit seinen Mitwirkenden und einem Photographen ins Schloß und ging, ohne die Erlaubnis zu be sitzen, durch eine Gittertür in den Park, wo er zum Zwecke des Garderobenwechsels eine Garten hütte betrat. Der königliche Schloßverwastsr wurde herbeigerufen und ersuchte die GrsellfchMt, fortzugehen. In diesem Augenblicke trat Bonn in der Maske König Ludwigs 11. von Bayern dem Verwalter mit seiner ganzen Würde entgegen. Als dieser seine Aufforderung wiederholte, regnete es von selten des „Königs" die heftigsten Schimpiworte. Das Schöffengericht verurteilte Bonn zu einer Geldstrafe von 50 Alk. Chicago. Der Margarinekönig John Je'ke ist nach längerer Verhandlung von der Straf kammer wegen Zollhinterziehung und falscher Steuererklärung zu zwei Jahren Gefängnis und einer Geldstrafe von einer halben Million verurteilt worden. Vermilcbtes. Was ein französisches Wahlmandat kostet. Ein Pariser Blatt untersucht an der Hand der diesbezüglichen Aufstellungen eines Kandidaten die Kosten, die das Wahlgeschäft den um die Gunst der Wähler werbenden Kandidaten verursachte. Der Wahlkreis des Gewährmannes des Blattes setzt sich aus etwa 13000 Wählern zusammen. Zunächst galt es, drei Monate vor der Wahl einen Wahlausschuß zu begründen, dessen zehn Agenten an Reise spesen 2800 Mark verbrauchten. An Miete für die zwei Lokale, in denen der Ausschuß seine Sitzungen abbielt, waren außerdem 400 Mark zu zahlen. Dann war sür die Zwecke der Wahlarbeit und die Führung des Streites mit den Gegnern eine Zeitung unerläßlich. Wenn diese auch nur zweimal in der Woche erschien, so erforderte doch die Gratisvcr- sendung, die Redaktion und der Druck einen Austvand von 8000 Mark. Weiterhin waren Prospekte, Aufrufe, Flugblätter und dergleichen zu verteilen, eine Arbeit, die ein Personal von fünf Beamten und ebensoviel Austrägern er forderten und an Gehältern 3600 Mark losteie. Herstellung und Ankleben der Drucksachen er forderten 6400 Mark. 1600 Mark betrug der Posten für die Miete der VersammlungZsäle und sür „Freibier", das den Wählern verab reicht wurde, wurden 2400 Mark verausgabt. Am Wahltage mußten an jeoem Wahllokal Zettelverteiler aufgestellt werden, die 120 Mark erhielten. Wenn man alle diese Ponen zu- sammemählt, so erhält man eine Geiamt summe von 25320 Mark, die den Kriegssonds zur Eroberung eines französischen Wahlkreises 'ne Spur gewittert, von der ich glaube, sie wird in einen tüchtigen Sumpf führen, aber manches Moorbad hat schon einen Kranken gesund gemacht! — Ja, und Julia Hohlstoone läßt Sie schön grüßen!" Raus war er, mit großen Augen starrte Wrütten nach der Tür. Das Vöglein Hoff nung sing an in seiner Brust zu singen. Ach was, das war ja Unsinn, nur das Sterben sollte ihm schwer gemacht werden vom Schicksal! Und dann setzte er sich hin und meldete seinem Kommandeur, daß er mit dem Buch macher gesprochen, — vergebens, er wolle in die Angelegenheit nicht mit hineingezogen werden! 30. .Menschenskind, ich habe Ihnen doch ge sagt, Sie sollen mir die Bude nicht mehr ein rennen!" Paunitz rang verzweifelt die Hände. „Herr Baron, Sie müssen mir helfen! Noch heute werde ich womöglich sestgenommen!" .Nanu!" „Vorhin war ein Kriminalbeamter bei mir, >ch sollte sofort mit ihm zu einer Vernehmung nach dem Alexanderplatz kommen! Meine Frau hat gesagt, ich sei nicht zu Hause und da ist er wieder gegangen!" .Dann ist's doch weiter nicht schlimm! Und wenn Sie ein so schlechtes Gewissen haben, so verreisen Sie doch — in Geschäften!' -Herr Baron, kommen Sie mal heil aus Berlin 'raus, wenn Sie die Kriminalpolizei erwischen will!" .Mit einem Automobil allemal!" „Und meine Geschäfte hier?" „Laufen Ihnen doch nicht weg!" „Aber ich muß doch wiederkommen!" „Herrgott, jo gehen Sie doch gleich jetzt nach dem A-exanderplatz und hören Sie, was die Leute eigentlich von Ihnen wollen!" .Dabehalten werden Sie mich!" „Wär gar kein Fehler, Paunitz!" „Das sagen Sie, Herr Baron?" „Wie Sie hören, und nun machen Sie, daß Sie raus kommen, und wenn Sie sich noch einmal blicken lassen, dann Gnade Ihnen Gott!" „Und wenn ich eingesperrt werde, — nehm' ich mir kein Blatt vor den Mund! So 'ne Behandlung! — Also Adieu, Herr Baron, ich gehe ja schon .. ." Da klingelte es. Paunitz tanzte um den Tisch herum. „Sie holen mich, — sie holen mich!" „Halten Sie das Maul, Kerl," schrie ihn Pingstorff an. Das Herz rutschte ihm dabei selbst in den Hosenboden. Um diese Zeit hatte er eigentlich nie „Besuch" zu erwarten, der kam beträchtlich später! „Da, gehen Sie in mein Schlafzimmer und verhalten Sie sich mäuschenstill!" Pingstorff lief hinaus und öffnete. Er leichtert atmete er auf. „Sie Storglow, ist das mal eine Über raschung! Bitte!" Aber der Offizier übersah so o-enlativ Pingstorffs Hingehallene Hand, daß er doch ein langes Gesicht machte. Weswegen der Gardedragoner kam, konnte er sich denken, Hohlstoones hatten ihn hergeschickt! Na, der Schaden würde sich mit einiger Dickfälligkeit schon einrenken lassen. „Ich komme in einer sehr ernsten Angelegen heit, Herr Baron! Sie haben da Dinge bei den Damen Hohlstoone erzählt, von denen es mir schleierhaft ist, wie Sie sie verantworten können!" Mitten im Zimmer war Storglow stehen geblieben. „Verzeihung, — eine Frage! In wessen Auftrag kommen Sie?" .Vorläufig in meinem eigenen!" „Aba!" Spöttisch lachte der Baron auf. „Ich muß dringend bitten, die Angelegen heit nicht auf die leichte Achsel zu nehmen!" „Und ich ersuche Sie höflichst, nicht zu ver gessen. daß Sie sich in meiner Wohnung be finden l" Storglow blieb ganz ruhig, wenn ihm der Kerl so kam, mußte er kurzen Prozeß machen. „Das tue ich durchaus nicht! Ich habe mir gedacht, es würde Ihnen angenehmer sein, wir sprechen uns in Ruhe und Frieden vorerst aus, ms daß ich sofort zur Kri minalpolizei gehe und sie darauf au merksam mache, daß Sie vielleicht über manchen — na, sagen wir Zwischenfall in der Affäre Wrütten Aufklärung geben können!" „Erstens kann ich das nicht und dann ist es wobt in unseren Kreisen nicht üblich, der artige Angelegenheiten mit Hisse der Kriminal polizei aufzuklären!" „Deshalb komme ich eben zu Ihnen!" „Allo, ich habe nut der ganzen Sache ab solut nichts zu tun!" .Aber Sie kennen sie doch sehr genau, sonst hätten Sie doch unmöglich bei den amen Hohlstoone so sprechen können, wie Sie es getan haben!" Da saß der saubere Baron in der Klemme. „Ich habe von — Gerüchten gesprochen und wollte verhindern, daß den Damen irgendwie Unannehmlichkeiten entstehen könnten!' „Das war doch wohl nach Lage der Dinge ganz ausgeschlossen!" „Herr von Storglow, man kann nie wissen..." „Verzeihung! Also woher stammen die Gerüchte?" „Darüber bin ich Ihnen absolut keine Aus kunft schuldig!" „Gewiß nicht — aber der Kriminalpolizei und so weiter!" Da kniff Pingsiorff die Augen zusammen. „Wenn Sie zu der hinlaufen wollen, bitte! Nur möchte ich Sie darauf aufmerksam machen, daß dieser Schritt für einen aktiven Offizier, ganz besonders für Sie, Herr von Storglow, doch seine Schattenseiten hat." In diesem Augenblick öffnete sich die Tür zum Nebenzimmer, ein großer kahler Schädel wurde sichtbar. „Hab' die Ehre, Herr von Storglow!" „Sie, Herr Paunitz?" Der Offizier sah Pingstorff an, der sehr verlegen geworden war. „Jetzt geht mir ein Seifensieder auf! Nun kann ich mich ja empfehlen, ich weiß genug!" Der Baron sprang, sobald sich Storglow entfernt hatte, auf und schüttelte Paunitz tüchtig ab. Ri> rr (Fortsetzung folgte
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