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Ottendorfer Zeitung : 24.06.1914
- Erscheinungsdatum
- 1914-06-24
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Privatperson
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-191406247
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19140624
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19140624
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-06
- Tag 1914-06-24
-
Monat
1914-06
-
Jahr
1914
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 24.06.1914
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Rußlands Probemobilisierung, ns Millionen Mark, 1800 000 Krieger! Die Franzosen bleiben beim Dreijahrs dienst. Auch sehr viele jener Politiker, die sich auf das Programm von Pau und die Rückkehr zur zw-stährigen Dienstzeit festgelegt hatten, haben durch ihre Zustimmung zu den Grund sätzen des Kabinetts Viviani sich der finanziell höchst unbequemen Notwendigkeit gefügt. Frankreich mutz gegen Deutschland weiter rüsten, weil der große Zar es will. Die russische Presse und die russische Regie rung haben den Franzosen hie Rechnung für das vielgepriesene militärische Bündnis klipp und klar präsentiert. Frankreich müsse den Höchststand seiner militärischen Leistungsfähig keit beibehalten, koste es, was es wolle. Denn Rußland habe um Frankreichs Willen die äußersten Anstrengungen für seine Armee ge macht. Und nun lassen die russischen Blätter millionenweise die schlagfertigen Soldaten auf marschieren, die an der russischen Westgrenze des Winkes des Zaren gewärtig stehen zur gemeinsamen Operation mit Frankreich gegen die bösen Deutschen. In auffälligem Widerspruch zu dieser für den Freund an der Seine berechneten Auf stellung, die mit den Riesenmassen für einen deutschen Krieg bereiten russischen Soldaten prahlt, steht die zielbewußte Abwiegelung der russischen Presse, die seit den alarmierenden Nachrichten über die bevorstehende große rujsische Probemobilmachung in den an Deutsch land und Österreich stoßenden Bezirken zuteil werden läßt. Jetzt soll es mit einmal gar keine außergewöhnliche Maßregel sein, daß die russische Heeresverwaltung für diesen Herbst den Betrag von 175 Millionen Mark sür eine „Probemobilisierung" auswendet, die 1800 000 Mann kriegsbereiter Truppen zu Waffen übungen vereint. Zwar geben die russischen Blätter zu, daß in den letzten Jahren im Zusammenhang mit der Vermehrung der russischen Armee und in dem Streben nach Verbesserung der Aus bildung die Zahl der jährlich übenden Mann schaften allmählich gesteigert und die Übungen allgemein von einer auf sechs Wochen ver längert worden sind. Die Zahl der einge zogenen Reservisten suchen sie aber als über trieben hinzustellen. Auch sei die Maßnahme eine rein militärische ohne politische Bedeutung und biete keinen Grund zur Beunruhigung. Das sind Beschwichtigungsversuche, die weder den Deutschen noch den österreichischen Gencral- stab einschläfern können. In Wirklichkeit soll diese „Waffenübung", wie sie in Rußland harmlos bezeichnet wird, tatsächlich 1800 000 Mann Truppen in Kriegs bereitschaft bringen und wird die größte Be drohung des Friedens bedeuten, die je unter der Form einer .rein militärisch-technischen" Maßnahme versucht wurde. Von Mitte Sep tember bis Ende Oktober wird Rußland dieses ungeheure Aufgebot zur sofortigen, unmittel baren Verfügung Haden. Zur selben Zeit stehen Deutschland nur etwa 400 000, Osten eich etwa 200 000 ausgebildete Leute unmittelbar zu Gebote. Wenn diese russische „Waffen- übung" also keine Bedrohung des militärischen Gleichgewichts darstellt, so hat es eine solche noch nie in Europa gegeben. Und in Frank reich besonders ist man sich dieser Wirkung der russischen Probemobilmachung auch recht wohl bewußt, man erklärt ganz offen, daß Rußland jetzt zum erstenmal seit dem Kriege mit Japan seine Machtmittel zeigt, was durch aus geeignet sei, das durch Deutschlands Rüstungen gestörte Gleichgewicht in Europa wiederherzustellen. Alle Verschleierungen helfen hier nichts. Die Tatsache bleibt unverrückbar bestehen, daß Rußland im Herbst sein ganzes Rie enheer durch sechs Wochen nahezu auf den Kriegsfuß setzt. Die russische Diplomatie hat, wenn nichts Schlimmeres beabsichtigt ist, zum min desten damit einen Trumpf in der Hand, den sie bei allen zu erwartenden europäischen Streitfragen — und nach dem, was man jetzt auf dem Balkan sieht, werden diese nicht aus bleiben — mit Nachdruck auf den Tisch werfen kann. Sie versucht mit lächelnder Miene, ihr Spiel für harmlos und ungefährlich auszu- geven. Aber alle offiziellen Friedensversiche rungen, die von der Newa her ertönen, müssen vor der rauhen Sprache der Niesenziffern ver stummen : 175 / Millionen Mark, 1800 000 Krieger! Der Friede wird im Herbst einer starken Belastungsprobe unterworfen werden. / Ltolpmann. Politische Kunälchau. Deutschland. * Kaiser Wilhelm ist von Hannover kommend, wo er die Wanderausstellung der deutschen Landwirtschaftsgesellschaft besuchte, in Hamburg eingetroffen und hat auf der „Hohenzollern" Wohnung genommen. Der Monarch wird an der Segelregatta des Norddeutschen Regattavereins teilnehmen. *Der Bundesrat hat dem Antrag des Großherzogtums Sachsen, betreffend Prägung von Dreimarkstücken in Form von Denkmünzen aus Anlaß der im Jahre 1915 bevorstehenden Jahrhundertfeier der Annahme der großherzoglichen Würde und des Be stehens des Großherzogtums, zugestimmt. — Ferner stimmte der Bundesrat dem Entwurf eines Gesetzes wegen Änderung der Zivil prozeßordnung zu. Osterreich-Ungarn. *Jn Gegenwart des Kaisers Franz Joseph fand in Schönbrunn die feierliche Weihe und Übergabe einer Fahne an die Kaiser-Franz-Jofeph-Militär-Akademie statt. Die glänzende Feier bildete die erste Gelegen heit, bei der der Monarch, der ungemein frisch und wohlgelaunt war, sich nach seiner Ge nesung der Öffentlichkeit zeigte. ) Frankreich. *Jn der Kammer ist ein Antrag zum Anleihegesetz eingebracht worden, wonach die Anleiheziffer von 805 Millionen auf 1500 Millionen Frank erhöht werden soll. Balkanstaaten. * Aus den widerspruchsvollen Nachrichten, die aus Durazzo kommen, geht mit Sicher heit hervor, daß die Hilfskräfte, die für den Fürsten aus Valona herangekommen sind, eine schwere Niederlage erlitten haben. Es heißt, daß Malissoren und Miriditen kampfesmüde seien. Wenn sich diese Nach richt bestätigt, ist Fürst Wilhelms Stellung unhaltbar geworden. Noch freilich hält sich Durazzo, aber man muß sich fragen, auf was der Fürst bei aller Tapferkeit, bei allem Stolz und Trotz noch wartet — wenn es sich be stätigt, daß die geschlagenen Reste seiner Streitkräfte die Fortführung des Kampfes verweigern? In diesem Falle können die im Anmarsch begriffenen Miriditen, die zwei tausend Mann stark weit aus dem Norden kommen, kaum noch in den Kampf um die Hauptstadt eingreifen. — Königin Wil helmina von Holland hat an den Fürsten eine Depesche gerichtet, in der sie ihm die unentwegte weitere Unterstützung Hollands zusagt. * Die rumänische konstituierende Versammlung wurde vom König mit einer Thronrede eröffnet, in der mit warmen Worten des Zarenbesuches gedacht wird, der „gezeigt habe, welche Stellung sich Rumänien unier den Balkanvölkern errungen have". — Als wichtigste Aufgabe der Ver sammlung wurde die Verfassungsänderung be zeichnet. * Die Spannung zwischen Griechen land und der Türkei, die eine Folge der Griechenverfolgungen in Kleinasien ist, hat jetzt ein wenig nachgelassen, nachdem die Mächte sich bereit erklärt haben, die Lage in Kleinasien durch Vertrauensleute ihrer Bot schafter in Konstantinopel gemeinsam unter suchen zu lassen. Immerhin ist die Lage noch sehr ernst: denn offenbar betreiben beide Staaten mit großem Ester Kriegsvor bereitungen. Sollte es wirklich zu Feind seligkeiten kommen, so dürften sich die Gegner allein gegenüberstehen: denn sowohl Bul garien wie Serbien haben bereits er klärt, daß sie strengste Neutralität wahren würden. * Die serbische Regierung hat in Sofia eine ernste Note überreicht wegen eines Einfalles bulgarischer Soldaten in serbisches Gebiet, wegen Raubes von Vieh der Grenzbevölkerung, sowie überhaupt wegen Belästigung derselben. Amerika. * Der Polizeibeamte, der auf das Auto mobil des deutschen Botschafters in Washington Grafen Bernstorff einen Schuß abgab, weil der Kraftwagen angeblich zu schnell suhr und auf Zuruf nicht halten wollte, ist aus dem Dienst entlassen worden. Auf Wunsch des Botschafters ist jedoch keine Anklage erhoben worden. Asien. * Die schon dreimal wegen innerer Unruhen verschobene Krönung des jungen Schah von Persien ist nunmehr auf den 21. Juli festgesetzt worden. *Der unter dem Namen der „Weiße Wolf" bekannte chinesische Räuberhauptmann und tausend seiner Anhänger haben den Truppenkordon, der ihn eingeschlossen hatte, durchbräche ri. frauen im k)eeresäienst. Es dürfte bei uns wie ein Scherz anmuten, daß eine Frau offiziell dem Heere angehört. Tatsächlich aber ist dies in der französischen Armee der Fall. Diese hat ein weibliches Mitglied, das auch offiziell in der Rangliste des französischen Heeres aufgeführt wird. Es ist Frau RiMre der man, wie der Pariser Matin' zu berichten weiß, folgenden etwas langatmigen Rang beigelegt hat: „Delegierte für die Arbeiter der Militärwertstätten in der beratenden Kommission sür Arbeit und indu striellen Betrieb der Heeresverwaltung". Frau Riviere hat sich, wie man hört, als Angehörige des französischen Heeres durchaus zur Zufriedenheit des Kriegsministeriums be währt, so daß mehrfach der Gedanke erwogen wird, im Ernstfälle auch noch andere Heeres stellungen als den Krankendienst weiblichen Kräften zu eröffnen. Es existieren in Frank reich, was bei uns nur wenig bekannt sein dürste, eine Reihe Gesellschaften für militärische Vorbereitungen, die auch Mädchen als gleich berechtigte Mitglieder aufnehmen. Diese Ge sellschaften sind von Amts wegen einzelnen Truppenteilen unterstellt. So werden z. B. auf dem Übungsplatz von Satori) weibliche Mitglieder einer dem 17. Landwehrregiment unterstellten Gesellschaft mit vorzüglichem Er folg im Schießen ausgebildet. übrigens stehen die französischen Frauen mit ihrem Eifer und ihrer Begeisterung für den Heeresdienst nicht allein. In Schweden hat seit längerer Zeit eine starke Bewegung eingesetzt, die Frauen jeden Standes und jeden Alters in der Handhabung des militärischen Dienstes ausbilden will. Die Stockholmer militärische Frauenvereinigung, die bereits an nähernd 1000 Mitglieder zählt, hält unter der Aussicht und Leitung eines hohen schwedischen Offiziers regelmäßige militärische Übungen ab. Diese eigenartige Bewegung hat sich aber nicht auf die Hauptstadt beschränkt, sie greift zurzeit aus das ganze Land über. Allerorten entstehen Frauenbataillone, die mit einem Eifer ohnegleichen exerzieren und schieben usw., um gegebenenfalls dem Vater land zu Hilfe eilen zu können. In Deutsch land hat man bisher einen Militärdienst der Frauen nur im Hinblick auf eine gediegene und gründliche Ausbildung in der Kriegs krankenpflege erwogen, aber es ist hier nur bei theoretischen Plänen geblieberi. Militärisch organisierte und ausgebildete Frauen sind zur Stunde — sollen wir Gott sei Dank oder leider sagen? — unbekannt geblieben. k)eer unä flotte» — An den kommenden Kaisermanöoern nehmen vier preußische und zwei bayrische Korps teil, und zwar das . siebente (westfälische, Stab Münster), das achte (rheinische, Stab Koblenz), das neunte (kurhesfisch-thüringische, Stab Kassel), das acht zehnte (nassauisch - großherzoglich hessische, Stab Frankfurt), das zweite (dayrische, Stab Würz burg) und das dritte (bayrische, Stab Nürnberg). Dis Manöver finden vom 14. bis 18. September zwischen Marburg an der Lahn, Gießen und Wetzlar statt und sollen Operationen mehrerer Armeen zur Darstellung bringen. Das gesamte Truppenaufgebot wird jetzt auf 150 000 bis 200 000 Mann beziffert. Die diesjährigen Kaisermanöoer sind -lso die größten Manöver, die im letzten Jahrzehnt in Deutschland abgehalten wurden. — Bei einer militärischen Übung am Rhein bei Ginsheim oberhalb von Mainz hatte die zweite Abteilung des Nassauischen Feldartillerie regiments Nr. 63 eine Brücke zu benutzen, dis vom Nassauischen Pionierbataillon Nr. 21 ge schlagen war. Dabei brach unter einem mit sechs Pferden bespannten Geschütz der Brückenpfeiler ein. Es gelang, die ersten vier Pferde loszu schneiden, während die beiden Pferde an der Deichsel mit dem schweren Geschütz in den Rhein stürzten und vier Kanoniere mit sich rissen. Ein Kanonier ist dabei ertrunken. Attematsverluck gegen äen TarenLUg. Der Zug, in dem der Zar mit seiner Begleitung sich auf der Rückreise von Rumä nien nach Petersburg befand, ist einer schweren Gefahr ausgesetzt gewesen. Es wurde ein Attentat gegen ihn ins Werk gesetzt,- das allerdings sein Ziel verfehlte, dem aber ein unmitteibar hinter dem Zug des Zaren ab gelassener Personenzug zum Opfer fiel. Kurz nachdem die beiden Züge auf dem Wege nach Petersburg die Station Kasatin verlassen batten, wurde von dort ein gewöhnlicher Postzug ab gelassen. Unweit der Station Tfckmd- now erfolgte eine gewaltige Explosion. Die Lokomotive würde umge worfen, mehrere Waggons cntgleisten. Eine ganze Anzahl Passagiere wurde schwer ver letzt. Die Untersuchung wird mit allem Eifer geführt. Die Ergebnisse werden bisher streng geheim gehalten, doch unterliegt es keinem Zweifel, daß die Sprengkörper auf die Schienen gelegt wurden, um den Zarenzug und das Leben des Zaren zu vernichten. — Halbamtlich yürd in Petersburg zu dem Vorfall erklärt, daß es sich nicht um ein Attentat handele, sondern um eine Ent gleisung, die auf den schlechten Zustand der Maschine zurückzuführen sei. Von unä fern. Deutsche Fürsten als englische Ehren doktoren. Am 24. Juni wird die Universität Oxford dem Herzog von Sachsen - Koburg - Gotha und am folgenden Tage dem König von Württemberg den Grad eines Ehren doktors des bürgerlichen Rechts verleihen. Telefunkenverbindung nach Dcutsch- Südwestafrika. Die Telefunkenverbindung zwischen Südwestafrika und Togo ist hergestellt und wird nach erfolgter Abnahmeprüfung irr den öffentlichen Dienst eingestellt werden. Es gelingt bereits jetzt, Telefunkendepeschen von Südwest über Togo nach Nauen bei Berlin zu senden, wobei 8200 Kilometer überbrückt werden. Diese Entfernung entspricht der von Deutschland nach Siam. Drei Menschen durch einen Marine offizier gerettet. Infolge des Wellenschlages eines vorübsrfahrenden Dampfers kenterte auf der Mottlau ein von drei Knaben besetztes Boot. Ein Knabe versank sofort in den Fluten, während sich die beiden anderen an dem umgestürzten Fahrzeug sesthielten. Ober leutnant z. S. Graf v. Luckner vom Kanonen boot „Panther" kam zufällig vorüber und stürzte sich, als er das Unglück bemerkte, sofort in den Strom. Es gelang. ihm mit vieler Mühe zuerst den versunkenen Knaben und dann dis beiden anderen Kinder ans Land zu bringen. Graf v. Luckner ist bereits Inhaber der Rettungsmedaille am Bande, da er schon fünf Menschen das Leben gerettet hat. Mit der neuen Rettungstat verdanken also acht Menscher: der Entschlossenheit des Marine offiziers ihr Leben. Drei Bergleute im Schacht ertrunken. In den Sandfpülversatzjchacht der Myslowih- grübe drang infolge der Regengüsse und Wolkenbrüche der letztenTage plötzlich ein un geheurer Schwall Wasser ein. Drei Bergleut« wurden sortgefpült und ertranken. Das Geheimnis des 5onderzuge§. 2j Originalroman von Heinrich Wildau. MorNetzvn«.) Er blickte zu George hinüber. Uber dessen Züge halte sich ein tieser, falt trauriger Ernst gelegt. Jetzt nickte er langsam mit dem Kopfe. „Ja," sagte er dann, „wem: Ihr Euren Teil richtig aussührt nnd ick mich auf Euch absolut verlassen kann, dann muß alles klappen." „Sie können sich darauf verlassen, George, und was Anton anbetrifft" — und ein Mueller Blick traf den Erwähnten —, „so weiß er, was von dem Gelingen oder Nichtgelingen dieser Sache sür ihn abhängt." Und dann legte Frieda ihre schöne Hand auf die Georges. „Mut, mein Junge, und ein lustiges Ge sicht l" Und ihre Stimme klang ungewöhnlich weich, als sie fortfuhr: „Die Sache wird und muß klappen. Wir haben alle unsere Schul digkeit getan, es kann nicht fehlgehen. Noch acht Tage, und dann sind wir heraus aus dieser scheußlichen Alltagsmisere, ich und Anton und — und Sie, George. Nicht wahr, auch Sie sehnen sich heraus George nickie langsam mit dem Kopfe. „Würde ick sonst —" murmelte er. Dann stockte das Gespräch. Und selbst die dritte Fiafche Wein, öie der Wirt bald darauf auf den Tisch stellte, genügte nicht, die Zungen der drei zu lösen. Alle starrten sie vor sich hin, mit ihren Gedanken beschäftigst George hatte die Arme auf den Tisch gelegt, die Hände übereinander gefallest Plötzlich fühlte er, wie eine weiche Hand die seine streichelte und hörte eine weiche Stimme murmeln: „Armer, armer George!" Da blickte er rasch auf und seine Blicke trafen Frieda und bohrten sich ineinander, sekundenlang. Und lasen auf dem Grunde ihrer Seelen. Auch Anton hatte es gemerkt: die streichelnde Hand und die Worte und den Blick. Und in der nächsten Sekunde war es, als hätte ein böser Hauch den Tisch gestreikt: Frieda zog schnell die Hand zurück: im Nu batten sich die Mienen aller drei verfinstert. Das Schweigen war bedrückend. „Wie — wie hoch taxiert Ihr den Wert?" fragte schließlich George, als beende er eben laut einen Gedanken. „Halbe Million," erwiderten Frieda und Anton gleichzeitig. „Sagen wir also dreimal Hunderttausend, macht Hunderttausend auf jeden." George blickte starr vor sich hin, als er's sagte. „Es lohnt kaum." „Bitte, meine Herrschaften, hier ist noch Platz. Was darf ich bringen?" Die Stimme des Wirtes hinter ihnen schnitt jede Erwiderung auf Georges Worte ab. Die drei fingen sofort an vom Wetter und anderen uninteressanten Dingen zu sprechen. Immer mehr füllte sich das Cafs. Es war George, der schließlich auf seine Uhr sah. „Nach zehn," meinte er. „Ich schlage vor, wir gehen. Was wollen wir hier noch?" „Bleiben wir doch noch ein bißchen," bat Frieda. Doch George blieb sest. „Gehen wir! Ruhen wir unsere Nerven!" Sie zahlten und erhoben sich. Draußen hatte es zu schneien aufgehörst Die Straßen waren belebter als mvor, obwohl die rollenden Wagenräder den Passanten den Schmutz bis ins Gesicht spritzten. Vor der Tür machten die drei halt —George reichte Anton und Frieda die Hand. „Adieu. Wir sehen uns also nicht wieder bis —" Er ließ den Satz unvollendet. Unwillkürlich setzte er sich in Bewegung, dem Rathause zu. „Bleiben Sie doch noch ein wenig bei uns," bat Frieda noch einmal. Es ist ja noch so srüh. Und — vielleicht haben wir doch noch etwas zu besprechen." Und auch Anton meinte: „So bleib schon noch." Aber George blieb fest. „Nein. Ich gehe direkt nach Hause. Adieu." „Na, wie du willst. Adieu! — Sollen wir dich begleiten?" „Nein, ich danke. Ich bin müde und nehme eine Droschke. Danke sehr." Die Hast, mit der er sprach, entging weder Anton noch Frieda. Namentlich Frieda nicht. „Sie sind nervös, George. Gehen Sie lieber zu Fuß. Es wird Ihnen gut tun. Im übrigen — Kopf hoch und Mut. Die Sache wird schon klappen. Na, dann also — Hals- und Beinbruch." Sie schüttelten sich noch einmal die Hände und trennten sich dann. Einen Augenblick blickten Anton und Frieda dem Davoneilenden nach, dann wandten sie sich in entgegengesetzter Richtung. „Es fällt ihm außerordentlich schwer, dem George," sagte Frieda, langsam vorwärts schreitend. „Du scheinst ihn gar zu bemitleiden," er widerte Anton brummend. Solort wandte ihm Frieda ihr Gesicht zu. Ihre Wangen glühten. „Tu iS auch, hast du etwas dagegen S Ich kann tun und lassen, was ich will. Und wenn dirs nicht gefällt, dann weißt du, was du zu tun hast." Auch Antons Gesicht rötete sich; die Adern an seinen Schiäsen und an den Seiten seines Bullennackens standen hervor wie dünne Stricke. „Du?!" drohte er und packte sie fest am Arm. „Du?! Treib's nicht zu bunt!" Frieda blieb stehen. Der Arm schmerzte, sie biß die Zähne aufeinander, um nicht auf zuschreien. „Laß los!" „Treib's nicht zu bunt, sage ich dir noch einmal." Seine Stimme grollte verhalten. „Anton! Laß los!" Vorübergehende fingen an, aufmerksam zu werden. Er ließ ihren Arm fahren. Sie setzten ihren Weg fort. „Ich werde dich lehren, anders mit mir zu sprechen!" „Und ich sage dir, Anton, noch bin iw nicht deine Frau. Und ehe ich es werde, sollst du noch erst lernen, mich etwas anders zu behandeln I" Anton mar einer jener jähzornigen Menschen, die sich schnell zu einer Tat Hinreißen lasten, die ihnen iünf Minuten später schon leid tust Auch in diesem Falle empfand er bereits ievr wohl, daß er zu weit gegangen war. Der
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