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Ottendorfer Zeitung : 19.06.1914
- Erscheinungsdatum
- 1914-06-19
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Privatperson
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-191406195
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19140619
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19140619
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-06
- Tag 1914-06-19
-
Monat
1914-06
-
Jahr
1914
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 19.06.1914
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Tum Zweitenmal Viviani. Die französische Ministerkrise hat ein neues Pflaster erhalten. Viviani, der schon einmal als Arzt für sie von dem Ministerpräsidenten Poincarö berufen wurde, hat. nachdem auch Ribot vergeblich sein Heil versucht hatte, es zum zweitenmal unternommen, ein Kabinett zu bilden. Ob es von Dauer sein wird, muß die nächste Zukunst lehren. Dem Präsidenten PoincarS ist von Viviani die folgende Ministerliste vorgelegt worden, die allerdings im letzten Augenblick noch Änderungen unterworfen sein kann. Ministerpräsidentschaft und Ministerium des Äußern Viviani, Inneres Malvy, Krieg Messimy, Marine Gauthier, Finanzen Noulens, Justiz Bienvenu Martin, Unter richt Augagneur, Öffentliche Arbeiten Renö Renault, Landwirtschaft Fernand David, Handel, sowie Post und Telegraph Thomson, Arbeiter- und Soziale Fürsorge Couyba, Kolonien Raynaud. Uns interessiert vor allem das Ministerium des Äußeren und das des Krieges. Es ist ohne weiteres zu prophezeien, daß keine prinzipielle Änderung an dem von Viviani und Ribot bereits aufgestellten Programm eintritt. Bei dem Widerstande gegen die bisherigen Ministerlisten handelte es sich nicht um sachliche, sondern um reine Personenfragen. Das militärische Programm, das das neue Kabinett aufgestellt hat, unter scheidet sich im wesentlichen gar nicht von dem früheren. Es hat folgenden Wortlaut: .Die Regierung wird binnen kurzem Gesetz entwürfe einbringen über die militärische Vor bereitung der Jugend und über die Neuord nung der Reserven. Die Entwürfe sind be stimmt, die Verteidigungskraft der Nation zu erhöhen, die stets nur daran gedacht bat, Ehre, Freiheit und Heimat zu schützen. Erst wenn diese Entwürfe, die allen Ergebnissen der Erfahrung und den Anforderungen der nationalen Verteidigung Rechnung tragen, angenommen und in Kraft gesetzt sein werden, wird die Regierung eine Erleichterung der militärischen Lasten vorschlagen können." Unter der Marke .Verteidigung" verbirgt sich schamhaft der Revanchegedanke. Die französische Regierung marschiert mit ge bundener Marschroute. Aus Rußland ist ihr unzweideutig zu verstehen gegeben, daß man an der Newa erwartet, „daß der Verbündete seine Pflicht tue". Auch in England wurden Stimmen laut, daß Frankreich an Bündniswert verliere, wenn es die dreijährige Dienstzeit aufgebe. Politische Kunäschau. Deutschland. "Kaiser Wilhelm ist von seinem Be such beim österreichischen Thronfolger Erz- herzog Franz Ferdinand wieder in Potsdam eingetroffen. * Der Bundesrat wird noch in diesem Monat vor Eintritt der Ferien zu dem Beschluß des Reichstages in Sachen der Dampfersubvention für Australien Stellung nehmen. Es verlautet, daß die Regierung sich entschlossen hat, die Verträge mit dem Norddeutschen Lloyd zu verlängern, wenn auch in teilweise veränderter Form. Die Zustimmung des Lloyd soll bereits er folgt sein. * über die Aussichten einer neuen Ein kommen st euernovelle in Preußen gehen Nachrichten durch die Presse, die leicht Mißdeutungen herbeiführen können. Wie schon Finanzminister Dr. Lentze im Landtage wiederholt erklärt hat, läßt es sich nicht über sehen, wann eine neue Steuernovelle vorgelegt werden kann, es ist aber nicht die Absicht der Regierung, eine Novelle überhaupt nicht mehr vorzulegen. Der Gedanke, eine Neuordnung der Einkommensteuer vorzunehmen, ist nicht begraben. Die jetzige Art der Erhebung von Steuerzuschlägen und die Art der Staffelung lassen eine Neuordnung der Steuer als er wünscht erscheinen. Diese Neuordnung wird kommen, sowie sich übersehen läßt, wie die Wehrbeitragseinschätzung auf die preußischen Steuern in der Zukunft wirken wird und wie starke Verluste die Neuordnung der Reichs finanzgesetze Preußen auferlegen wird. * Im preußischen Abgeordnetenhaus ist eine Interpellation des Konservativen von Schuckmann und Genossen eingebracht worden, die sich mit den Fleischpreisen beschäftigt. Sie hat folgenden Wortlaut: „Was gedenkt die Staatsregierung angesichts der Tatsache, daß sich an vielen Orten namentlich in Groß städten und Industriebezerken trotz des be deutenden Rückgangs der Viehpreise ein er hebliches Mißverhältnis zwischen Vieh- und Fleischpreisen gebildet hat, zu tun, um im Interesse der Bevölkerung auf eine angemessene Preisbildung für das Fleisch hinzuwirken?" * Der Landtag des Fürstentums Reuß j. L. nahm bei der Beratung der neuen Gemeindeordnung den § 29 des Entwurfes an, der das Mehrstimmenrecht der Landtagswahlen auf die Gemeinderatswahlen überträgt. Ein weitergehender Antrag der Kommission, die u. a. auch den Reichs-, Staats- und Gemeindebeamten, sowie den Privatangestellten eine Zusatzstimme unter ge wissen Bedingungen verschaffen wollte, verfiel dem Schicksal der Ablehnung. Man hielt die Fassung der Regierungsvorlage für ausreichend, um das Anwachsen der Sozialdemokratie in Gemeindeverwaltungen zu verhindern. Italien. * Wie sich herausstellt, ist neben der sozialen Bewegung des Generalstreiks auch eine revo lutionäre Verschwörung einher gegangen. Die Stadt Rimini ist regelrecht geplündert worden. Die Züge wurden ge plündert, einer angezündet, und die Wagen über einen Abgrund in den Fluß gestoßen, die Telegraphenpfähle wurden umgeworfen. Abends ist die Stadt in tiefes Dunkel gehüllt, die Streikenden erklärten den Behörden, wenn Leuchtfeuer angezündet würden, werde man die Türme zerstören. Viele Privathäuser wurden geplündert, ohne daß die Truppen eingreifen dursten. Die Stadt wird von einer republikanischen Garde bewacht, die allen ver dächtigen Personen den Zutritt verweigert. Die Truppen, die nach Rimini entsandt sind, werden gewaltige Fußmärsche zurücklegen müssen. Vor dem verlassenen, verwüsteten Bahnhof steht eine republikanische Wache. Balkansiaaten. * Die TrinksprüchevonKonstanza, die zwischen dem König Karol von Rumänien und dem Zaren getauscht wurden, betonten die Freundschaft zwischen Rumänien und Rußland und zugleich die friedliche Richtung der rumänischen Politik. König Karol erklärte es fürdasbeständigeunverrückbareZielRumäniens, durch ständiges Gleichgewicht und herzliche Beziehungen zwischen allen Balkanstaaten zur Erhaltung wohltätigen Friedens beizutragen, der allein diesen Staaten gestatten kann, die Wohlsahrt zu verwirklichen, nach der sie streben. * In Albanien gestalten sich die Dinge immer ernster. Die Aufständischen sind bis zur Hauptstadt Durazzo vorgedrungen, wo heftige Kämpfe stattfinden. Fürst Wilhelm nimmt am Kampfe teil. Oberst Thomson, der Befehlshaber der gegen die Rebellen kämpfenden Truppen, ist im Kampfe ge fallen. "Die türkenfeindliche Stimmung in Griechenland ergreift immer weitere Kreise, da täglich neue Nachrichten von Griechenverfolgungen in Klein asien bei der Athener Regierung einlaufen. Man hat in Athen beschlossen, aus Anlaß des Notenwechsels über die Griechenoerfolgungen, auch die Frage der ägäischen Inseln endgültig dadurch zu regeln, daß einfach ein Erlaß ver öffentlicht wird, der die Angliederung der Inseln bekannt gibt. Afrika. * Nachdem die Franzosen erst kürzlich im Norden Marokkos durch die Einnahme von Tazza einen bedeutenden Erfolg zu ver zeichnen halten, Haven sie jetzt im Innern des Landes südwestlich des Schaujagebietes die Gegend von aufständischen Marokkanern ge säubert. Drei französische Truppenabteilungen haben nach vollkommen gelungenem Marsche Kenifra besetzt und die Feinde nach Süden in das Atlasgebirge zurückgeworfen. Das be deutet für die Befriedung des Landes einen großen Erfolg. Asten. "In den chinesischen Provinzen Schantung, Kiangsu und Honan find neue Boxer gesellschaften im Entstehen begriffen. Die Gesellschaften nennen sich allgemeine Buddhistengesellschaften, deren Mitglieder, die mit modernen Waffen aus dem Auslande versehen sind, sich süx unverwundbar halten. Die Gouverneure sind angewiesen worden, der Bewegung ihre strengste Aufmerksamkeit zu widmen und sie womöglich im Keime zu ersticken. Der Führer und sieben Unterführer einer geheimen Gesellschaft sind hingerichtet worden. Es wurden belastende Schriftstücke und maßlose Hetzblätter gegen Juanschikai beschlagnahmt. Oer „Ooken?oUeriikanal". Zur Eröffnung des Großschiffahrtsweges Berlin- Stettin. Über den Großschiffahrtsweg Berlin- Stettin, der von nun an den Namen „Hohen- zollernkanal" tragen und am 17. Juni in Gegenwart des Kaisers dem Verkehr über geben werden wird, äußern technische Kreise: Der Großschiffahrtsweg Berlin—Stettin stellt im Urteil aller Sachverständigen ein un zweifelhaftes Meisterwerk deutscher Kanalbau- kunst dar. Mit seiner Vollendung hat das deutsche Wasserstraßennetz einen mächtigen Schritt vorwärts getan, der insbesondere für den Seehafen Stettin sehr bald die günstigsten Folgen zeitigen wird. Die Länge der neuen Wasserstraße von ihrem Beginn an der neuen Schleuse in Plötzensee bei Berlin bis zu ihrer Einmündung in die Oder beläuft sich auf rund 1V0 Kilometer. Sie benutzt zum Teil vor handene Verbindungen und wendet sich zu nächst nach Norden bis Liebenwalde, von da, an Eberswalde vorbei, von Westen nach Osten zur Oder bei Hoheniaten. Der Bau des Großschiffartsweges zeigt die erstaunlichen Fortschritte der Wasserbautechnik seit den Zeiten des Finow-Kanals. Während dieser in Anpassng an das Gelände nicht weniger als 17 Schleusen erforderte, genügten dem Hohenzollernkanal zwei einfache Schleusen und eine Schleusentreppe, ein System von vier aneinander schließenden Schleusen. Von den überaus sehenswerten technischen Einzel heiten dieser mustergültigen neuen Wasserstraße seien die folgenden hervorgehoben: Zunächst die 700 Zentner schweren Ebers- walder Sicherheitstore, die in zwei Minuten gehoben oder gesenkt werden können. Sie sind als senkrechte Hubtore ausgebildet, die durch Gegengewichte in den seitlichen Türmen nahezu ausgeglichen sind. Gleichzeitig sind die Sicherheitstore, die den Namen Wasser tore tragen, mit Chausseebrücken in Verbindung gebracht worden. Als technisches Wunder werk muß jener Teil des Kanals betrachtet werden, der die Berlin—Stettiner Eisenbahn überquert. Es wird da nicht nur die Eisen bahn von der Kanalanlage überquert, sondern sogar ein ganzes Flußtal. Die Ragöse wird von dem Kanal auf einem ein Kilometer langen 28 Meter hohen Damm gekreuzt. Den Glanzpunkt der technischen Leistung bildet ent schieden die Schleusentreppe von Nieder- Finow. Viermal schieben sich hier die Schiffe in die von neun Meter hohen steilen Wänden eingeschlossenen Schleusenkammern, um mit dem Verschwinden des Wassers in den „Spar becken" jedesmal neun Meter zu sinken. Be wundernswert ist, wie sich dies Verfahren ohne den geringsten Kraftaufwand abspielt. Später wird sich an dieser Stelle zur Unter stützung des Schleusenbetriebs noch ein Hebe werk befinden, das imstande ist, 600 Tonnen- Kähne 36 Meter mit Maschinenkraft zu heben. Von Hohensaten ab mündet der eine Arm der Schiffahrtsstraße in die Stromoder, mit dem anderen in den erweiterten Vorflutkanal. Im Interesse der Sicherheit der Sohle und der Wände des Kanals ist das Höchstmaß der Fahrtgeschindigkeit auf 6 Kilometer in der Stunde festgesetzt worden, die in keinem Falle überschritten werden dürfen. Für die Ver sorgung Berlins mit Holz und Getreide aus dem Osten Deutschlands und aus den Ostsee ländern, umgekehrt für die Ausfuhr der Ber liner Industrie, bedeutet die Fertigstellung des Großschiffahrtsweges eine gewaltige Er leichterung und Verbilligung, wie sich denn auch zuversichtlich der Durchgangsverkehr zwischen der unteren Oder und Elbe ungemein heben wird. ^eer unä flotte. — Generalmajor z. D. Ringler ist in Stutt gart, 98 Jahre alt, gestorben. — Generalmajor Ringler hatte bereits im deutsch-französischen .Kriege das Zweite Württembergifche Infanterie- Regiment, das bei Wörth mit großer Auszeichnung focht, als Oberst geführt. — Die Sommerreise der Hochseeflotte dauert vom 15. Juli bis zum 31. August: sie sührt nach der norwegischen Küste. — Der Kreuzer „Karls ruhe ist nach Mittelamerika abgegangen, um an Stelle des Kreuzers „Dresden" die dortige Station zu besetzen. — Das deutsche Atlantische Geschwader, das vor einem halben Jahre von Wilhelmshaven nach der Westküste Afrikas und nach Südamerika auslief, wird, von Vigo kommend, in den heimischen Gewässern zurückerwartet. Es fährt deswegen nach Kiel, weil das dritte Geschwader unterdessen dorthin verlegt worden ist. — Beim Verholen zweier Minensuchboote kenterte in Wilhelmshaven eine Werstpinasse. Der Bootsführer Brütgam und der Heizer Schulz sind dabei ertrunken. Von unä fern. Unwetterschäden im Reiche. Aus allen Gegenden Kurhessens werden schwere Un wetterschäden gemeldet. Mehrfache Feuers brünste durch Blitzschlag sind vorgekommen. In Niederohmen bei Ahlsfeld in Oberhessen ging ein Wolkenbruch nieder unh richtete großen Schaden an. Der Bahnhof Ahlsfeld steht unter Wasser, das Wasser reicht den Eisenbahnzügen bis an das Trittbrett. In Sterndorf schlug der Blitz ein. Zwei Gehöfte wurden mit allen Vorräten, Inventar und Maschinen eingeäschert. Bei Gelnhausen schlug der Blitz in eine Schar spielender Kinder. Ein Knabe wurde getötet, mehrere andere Kinder verletzt. Am schlimmsten hat das Unwetter in Südkurhessen gewütet. In Tulba wurde ein Schmied und sein Lehrling auf freiem Felde vom Blitz erschlagen. In Windheim hat das Hochwasser der Künzig ein furchtbares Zerstörungswerk angerichtet. Unfall auf dem neuen Flugplatz Deutsch-Eylau. Unter reger Beteiligung sand am Sonntag die Einweihung des Flug stützpunktes in Deutsch-Eylau statt. Leider wurde die Feier durch einen Unfall getrübt. Auf dem Flugplätze befanden sich zahlreiche Flugzeuge. Als nun nach Beendigung der Feierlichkeit ein Doppeldecker, in dem Leut nant Hartmann als Führer und Leutnant Hering als Beobachter saßen, zum Rück flug aufgestiegen waren, versagte der Motor, als das Flugzeug sich gerade über dem Publikum befand. Der Apparat fiel zwischen die Menge, der Propeller riß einem zehn Jahre alten Knaben einen Arm ab und ver letzte ihn schwer am Kopfe. Auch eine Frau wurde erheblich verletzt. Die Insassen des Flugzeuges blieben unversehrt. Aus der französischen Fremdenlegion geflüchtet. Sechs Musiker der Fremdenlegion, die zu einem Fest früherer Legionäre nach Algier gekommen waren, benutzten die zu fällige Anwesenheit des deutschen Dampiers „Seydlch" im dortigen Hafen, um den Ver such zum Entweichen zu machen. Dieser gelang indessen nur zwei von ihnen, einem Belgier und einem Österreicher, die anderen wurden von den sie verfolgenden Patrouillen eingeholt. Der „Seydlitz" ist nach Genua weitergedampft. Schreckenstat auf hoher See. Ein Passagier dritter Klasse des Dampsers „Canopic" wurde auf hoher See plötzlich wahn sinnig und verletzte durch Messerstiche 28 Paffa- gierie, darunter fünf schwer. Oie Leimrute. 4f Kriminalgeschichte von H. Penn. (Schluß. „Morgen vormittags Schlag 10 Uhr be gleitet er mich zu meinem Rechtssreunde, Dr. Falke." „O, er wird ihn zu Hause treffen, das ist ganz gewiß," sagte Felsenthal lebhaft. „Dann also auf morgen," mit diesen Worten empfahl sich der Juwelier. „Auf morgen!" rief ihm der Polizeirat nach. Dann griff er nach einem Metallknopse, der sich an seinem Schreibtische befand und drückte daran. Einige Augenblicke später füllte sich das Arbeitszimmer des Polizeirates mit verschie denen Polizeiagenten und Sicherheitswach männern. Jeder derselben erhielt einen mit leiser Stimme gegebenen geheimen Befehl und entfernte sich rasch wieder. Felsenthal brachte den größten Teil der Nacht mit Abfertigung von Depeschen zu. Am andern Morgen Schlag 10 Uhr stiegen zwei Männer die Treppe jenes Hauses in der Spiegelgasse, das die Nummer 4 führte, hinan. Es war der Juwelier G. und Fürst Muntescu. Der Wagen des letzteren hatte sie Hierhr gebracht und hielt mittlerweile vor dem Tore. Als G. mit dem Fürsten im zweiten Stock werke angelangt war, standen sie unmittelbar der Treppe gegenüber vor einer Tür, auf der in Goldbuchstaben zu lesen war: „Dr. Falke, Hoft und Gerichlsadvokat." Der Juwelier öffnete die Tür und l»d de» Fürsten ein, mit ihm einzutreten. Sie be fanden sich jetzt in einer Art Vorzimmer, in dem mehrere Personen, Klienten, wie es schien, warteten. Unbekümmert um die selben, durchschritt der Juwelier das Zimmer und trat in ein zweites Gemach, in dem eine Menge Schreiber saßen. G. wandte sich an einen derselben. „Ist Herr Dr. Falke zu sprechen?" fragte er. Der Schreiber nickte mit dem Kopfe und wies stumm auf eine zweite Tür. Der Juwelier trat mit seinem Begleiter darauf zu und pochte an. Eine laute, sonore Stimme, in welcher G. sofort die des Polizeirats erkannte, rief von innen ein kräftiges „Herein!" Der Juwelier öffnete die Tür, und wäh rend er seinem Begleiter den Vortritt ließ, kamen beide in ein ziemlich großes Gemach, das indes einen düsteren Anblick gewährte. Die zwei niederen, auf einen Lichthof führen den Fenster waren nämlich mit Eisenstangen verwahrt, was freilich seine Erklärung in der großen Kasse sand, die an eine der Wände gelehnt war. Es schien dieser Raum daher nicht nur die Arbeitsstube des Doktors, sondern auch dessen Kaffenzimmer zu sein. Der Fürst hatte sowohl die Insassen des ersten, wie die des zweiten Zimmers mit einem raschen, aber scharfen Blick gemustert, doch der Ausdruck seines Gesichts zeigte an, daß ihm dieselben unverfänglich erschienen waren. Beim Eintritt in das Arbeftszimm v des Advokaten zuckte er allerdings unmerfuch zu sammen, als sein Blick auf die sorgfältig ver wahrten Fenster fiel. Der Anblick der eisernen Kasse jedoch beruhigte ihn wieder. Beim Eintritt der beiden erhob sich ein Mann, welcher hinter dem Schreibtisch gesessen hatte und trat ihnen entgegen. G. war nicht wenig erstaunt, in das Ge sicht eines ihm total fremden Mannes zu blicken, und wollte eben den Mund öffnen, um denselben nach dem Doktor zu fragen, als der scheinbar Unbekannte den Juwelier herz lich begrüßte und sagte: „Seien Sie mir willkommen, Herr G., was führt Sie zu mir?" In dieser Stimme erkannte er sofort die des Polizeirats und wußte nun, daher Felsen thal, wenn auch bis zur Unkenntlichkeit ver kleidet, vor sich habe, diese Verkleidung aber jedenfalls mit dem Plane des Polizeirates in unmittelbarem Zusammenhangs stand. Bevor noch G. sein Anliegen narbringen konnte, sagte indes der Advokat: „Ich werde Ihnen gleich zu Diensten stehen, meine Herren, hitte jedoch nur um ein wenig Ge duld, da ich gerade mit Austragung einer An gelegenheit beschäftigt bin, bei welcher durch die geringste Verzögerung ein Terminsverlust droht, was dem ganzen Prozesse nachteilig wäre. Ich bitte daher, es sich dort bequem zu machen." Damit wies er auf ein Sofa. Während sich die beiden auf das Sofa setzten, kehrte der Doktor zum Schreibtische zurück. Er schien emsig zu arbeiten, alle Augen blicke ertönte die Klingel, einzelne der Schreiber erschienen, nahmen Schriften oder mündliche, mit leiser Stimme gegebene Aufträge ent- ge-°^' andere brachten Br^e und Depeschen. mochte eine Haid. Stunde vergangen sein. Der Fürst war ungeduldig geworden und konnte sich eines eigentümlichen Gefühls von Unbehaglichkeit nicht erwehren. Endlich schien es mit feiner Geduld zu Ende: er flüsterte dem Juwelier zu, daß es ihm einige wichtige Geschäftsgänge, die er noch zu besorgen habe, unmöglich machten, noch länger zu verweilen. Der Juwelier wandte sich an Falke. „Entschuldigen Sie, Herr Doktor," sagte er höflich zu demselben, „die Zeit des Herrn Fürsten ist gemessen, er kann nicht mehr länger warten." Der Doktor sah rasch auf. „Nur zwei Minuten, meine Herren," rief er lebhaft und blickte auf seine Uhr, „dann können Sie unbedingt über mich verfügen. Die beiden setzten sich wieder. In diesem Augenblicke öffnete sich die Tür; ein bisher noch nicht erschienener Mann trat ein, schritt auf den Doktor zu und übergab ihm eine große, versiegelte Depesche. Falke erhrach dieselbe rasch, nickte dem Überbringer lebhaft zu und sagte: „Es bleibt bei meinen Anordnungen." Der Mann entfernte sich, der Doktor trat jedoch auf die beiden zu und sagte: „Nun stehe ich zu Ihren Diensten, lieber G." Dann bohrte er sein blitzendes Auge in das Antlitz des Fürsten. „Fein hast du dich herausstafsiert!" lachte er, „und geschickt genug wer der Streich, aber wir, wir waren doch noch pfiffiger als ihr! Was meinst du dazu, Brenner? Wir haben dich jetzt, und wahrhaftig, du entkommst uns nicht mehr!"
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