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Ottendorfer Zeitung : 03.05.1914
- Erscheinungsdatum
- 1914-05-03
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Privatperson
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-191405032
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19140503
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19140503
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-05
- Tag 1914-05-03
-
Monat
1914-05
-
Jahr
1914
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 03.05.1914
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Deutschlands auswürtige Politik. Dis Budgetkommission des Reichstages, die ihre Arbeiten mit dem Zusammentritt des Parlaments wieder ausgenommen hat, setzte die Beratung des Etats des auswärtigen Amtes fort. Der Reichskanzler hatte in einem Schreiben mitgeteilt, daß er seine Erklärungen erst im Reichstage geben werde. An seiner Stelle machte Staatssekretär des Äußern v. Jagow vertrauliche Mitteilungen, die alle jene Fragen behandelten, die in der letzten Zeit Anlaß zur Erörterung gegeben haben. Zunächst äußerte sich der Staatssekretär über die Beziehungen unter den Dreibund mächten, die dauernd in voller Herzlichkeit und Intimität miteinander arbeiten. In der Balkankrisis hat diese gemeinsame Arbeit sich durchaus bewährt. Ein Mittelmeer-Abkommen ist unter den Mächten des Dreibundes nicht abgeschlossen worden. Darauf ging der Staatssekretär auf die Erörterungen ein, die sich an die Entsendung der deutschen Militär mission nach Konstantinopel knüpfen. Er er innerte daran, daß die Anregung zur Ent sendung der Mission bereits von dem ver storbenen türkischen Groswesir Mahmud Schefket ausgegangen sei. Die Aufforderung an Deutschland, für die Reformarbeiien in der türkischen Armee Offiziere zur Verfügung zu stellen, war die beste Rechtfertigung nach den Angriffen, die während des Balkankrieges gegen den Wert deutscher Militärreformarbeit in der deutschfeindlichen Presse verbreitet worden waren. Um ein erfolgreiches Wirken der Misston zu sichern, sollte für sie Kommandogewalt in Anspruch genommen werden; und da sich die militärischen Bildungsanstalten in der Haupt stadt befinden, sollte die Mission dort ihren Sitz erhalten. Daraus entwickelte sich die Ernennung des Generals v. Liman zum kommandierenden General des 1. Armeekorps in Konstantinopel. Gegen dieses Kommando, das von vornherein nicht als dauernd ge dacht war, sind von russischer Seite Ein wendungen erhoben worden. Die ganze Angelegenheit wurde aufgebauscht durch die Hetze der .Nowoje Wremja', die zu einem deutsch-russischen Pressekampf führte, der die Beziehungen beider Länder natürlich beein flussen mußte. Hat doch unsre Militärmisston eine Anzahl anderer Vorfälle zur Preßverstimmung zwischen Deutschland und Rußland beigetragen. Es sei in der Presse verbreitet worden, daß der russi sche Minister des Äußeren sich in der Duma- kommisston dahin geäußert habe, Deutschland hätte Rußland zurzeit der letzten Handels vertragsverhandlungen in politische Schwierig keiten verwickelt, um einen günstigen Handels vertrag zu erzwingen. Der Minister hat der artige Äußerungen strikt in Abrede gestellt. Damit dürste der Zwischenfall erledigt sein. Der Staatssekretär geht nun auf die ver schiedenen Spionagefälle ein und erklärt, daß in einige» Fällen in Deutschland das Ver fahren zu lange gedauert habe, doch seien auch diese Fälle erledigt, nachdem die deutsche Regierung ihr Bedauern ausgesprochen habe. Zum Fall Berliner bemerkt der Staats sekretär, daß die Regierung keine Möglichkeit gehabt habe, die Angelegenheit der deutschen Luftschiffer in Perm zu fördern. Hinsichtlich Ler bevorstehenden Einführung von Alehl und Getreidezöllen in Rußland gibt unser Handelsverirag keine Handhabe zum Ein spruch. Rußland hat nach Prüfung der deut schen Einwände gegen Erhöhung der finnischen Zölle erwidert, daß es sich zur Einführung der Zölle für berechtigt halte. Der Staats sekretär teilte weiter mit, daß die Behaup tungen, die russischen Behörden hätten ein Verbot erlassen, wonach von feiten der Regie rung künftig keine Lieferungen mehr nach Deutschland vergeben werden sollten, von der russischen Negierung bestimmt in Abrede ge stellt werden. Zusarymenfassend erklärte der Staats sekretär, daß die russische wie die deutsche Regierung die alten freundnachbarlichen Be ziehungen aufrechterhalten wollen und daß zu hoffen sei, daß trotz einer nicht zu verkennenden Unterstimmung und dervorgeiommenenAusein andersetzungen in Öffentlichkeit und Presse das alte Verhältnis aufrechterhalten bleiben werde. Sehr eingehend beschäftigte sich der Staats sekretär mit Albanien. Er gab der Hoffnung Ausdruck, daß Fürst Wilhelm seins Aufgabe mit Erfolg durchführen werde. Nach den Maßnahmen, die von der griechischen Regie rung nach Übergabe der Nole der Mächte ein geleitet seien, bestehe Aussicht, daß auch der Ausstand im Epirus bald abflauen werde. Zur Organisierung des Landes werde der albanischen Regierung eine Anleihe von 75 Millionen Frank garantiert werden. Die deutsche diplomatische Vertretung in Albanien soll derart geregelt werden, daß ein General konsul zugleich als diplomatischer Agent er nannt wird. Der Staatssekretär bemerkt dann noch, daß über die Kap-Kairo-Bahn keine Verhandlungen mit England schweben, und macht vertrauliche Angaben über den Stand der Verhandlungen über die asiatischen Interessen und über die armenischen Reformen. Der deutsch-türkische Handelsvertrag wird in diesen Tagen um ein Jahr verlängert werden. — Die Veröffent lichung der viel erörterten Potsdamer Rede des Königs von Griechenland sei mit Zu stimmung beider Souveräne erfolgt. Die An sprache habe lediglich militärischen Charakter gehabt und sei eine wertvolle Genugtuung nach den vielen Angriffen auf die deutsche Armee gewesen. Von vielen Seiten wird darauf hingewiesen, daß die Mitteilungen des Staatssekretärs weder etwas von den deutsch-englischen noch von den deutsch-französischen Beziehungen besagen. Das ist leicht erklärlich. Deutschland hat in letzter Zeit weder mit Frankreich noch mit England irgendwelche diplomatischen Unter handlungen gehabt, über die Auskunft zu geben gewesen wäre. Was sonst über die Vorgänge auf dem Welttheater zu sagen ist, wird der Reichstag aus dem Munde des Kanzlers hören. v. Politische Kunclscbau. Deutschland. *Jm großherzoglichen Restdenzschloß in Neustrelitz fand die Verkündigung der Ver lobung des Prinzen Julius Ernst zur Lippe mit der Herzogin Marie zu Meck lenburg statt. Unter den ersten zahlreich eingelaufenen Glückwunschtelegrammen befand sich das Telegramm des Kaisers und der Kaiserin vom Achilleion und desKönigs und der Königin von England. * Wie aus zuverlässiger Quelle verlautet, beabsichtigt die Negierung nicht, den Reichs tag vor Pfingsten zu schließen, sondern wird ihn wieder bis zum Herhste vertagen. * Der Präsident, der Vizepräsident, die Schriftführer und die Mehrzahl der Abgeord neten des Gothaer Landtages haben eine Eingabe unterzeichnet, in der der Herzog gebeten wird, in der Sache, die das Entlassungsgesuch des Ministers von Richter veranlaßt hat, eine Entscheidung zu treffen, die es dem Minister in Ehren er möglicht, weiter zum Segen des Landes zu wirken. Die Eingabe wird auch damit be gründet, daß der Minister es verstanden hat, in seiner Amtstätigkeit alle ihm anvertrauten Interessen mit treuer Hingabe erfolgreich zu schützen und zu fördern. Lsterreich-Ungarn. * Das Befinden Kaiser Franz Josephs hat sich so weit gebessert, daß die Arzte auf eine baldige vollständige Genesung des greisen Monarchen hoffen. Der Kaiser hat bereits seine persönlichen Arbeiten wieder aus genommen und darf täglich einen dreiviertel stündigen Spaziergang machen. * Die den Delegationen vorgetragenen neuen Rüstungswüns ch e erfordern insge samt 586 Millionen Kronen, die für die nächsten fünf Jahre verteilt werden sollen. Frankreich. "In seiner sattsam bekannten .deutsch freundlichen Art" bespricht der .Temps' das Ergebnis der Wahlen. Er rechnet aus, daß für die unbedingte Aufrechterhaltung der dreijährigen Dien st zeit 4 644 286 Stimmen abgegeben worden sind. Für das drei jährige Dienstgesetz mit Abänderung wurden 612 767 Stimmen und gegen das Gesetz 2 936 041 Stimmen gezählt. Zweifelhaft sind 133 712 Stimmen. Das Blatt meint, daß man in Berlin die Lehre der Wahlen und den Wunsch des Volkes, das Militärgesetz aufrecht zuerhalten. richtig verstanden habe, und fügt hinzu, daß die d e u ts ch e Pr e s s e wegen des Ausfalles der Wahlen in Verzweiflung geraten sei. Das ist natürlich barer Unsinn, zumal die Wahlen an dem Gesamtbild der Kammer nichts geändert haben, und es in Deutschland wohlhekannt ist, daß der Revanche gedanke jenseit der Vogesen durch allerlei Hetzereien immer wieder belebt wird. "In Arles ist im Alter von 57 Jahren der ehemalige französische Botschafter in Madrid, Paul Rsvoil, gestorben, der auf der Konferenz von Algeciras eine hervor ragende Rolle gespielt und mit großem Er folge für Frankreich gewirkt hat. VeMscker Aeickstag. (Original-Bericht. > B : r - - n. 30. April. Der Reichstag nahm am Dienstag seine Beratungen wieder auf. Auf der Tagesord nung standen Petitionen. Zunächst wurden die zur Jmpfsrage eingereichten Anträge be sprochen. Sie wünschten u. a. Einsetzung einer Kommission zur Prüfung der jmpfsrage. Der gleiche Wunsch bildete den Gegenstand einer sozialdemokratischen Resolution. Ähnliches wünschte eine Resolution des Zentrums mit der Maßgabe, eine Denkschrift dem Reichstage zu unterbreiten. Die Kommission beantragte, alle Petitionen zur Berücksichtigung zu über weisen. Abg. B o ck-Gotha (soz.) bezeichnete den Impfzwang als eine unglückselige Ein richtung und forderte seine Beseitigung. Abg. Dr. Pfeiffer (Zentr.) bat um Annahme der Resolution seiner Partei. Abg. Kramer (kons.) empfahl die Prüfung der Frage durch eine außerparlamentarische Kommission. Abg. Fischbeck (fortschr. Vp.) erklärte, daß seine Fraktion sich dem Kommisnonsantrage nicht anichließen könne. Ministerialdirektor Kirchner führte aus, daß für den Reichstag keine Ver anlassung vorliege, fetzt anders zu beschließen als 1911, wo die Kommission noch Übergang Zur Tagesordnung vorschlug. Die Pocken erkrankungen haben weiter abgenommen. — Obwohl noch mehrere Redner für und wider den Impfzwang sprachen, konnte sich das Haus nicht einigen. Der Reichstag beschäftigte sich heute bei halbbesetztem Hause an erster Stelle mit dem Ergänzungsetat. Durch ihn soll Albanien ein Generalkonsulat erhalten. Daneben finden sich andere Forderungen, unter ihnen die viel- umstrittene für das neue Ticnstgebäude des Militärkabinetts, wofür bekanntlich das Grundstück Berlin, Viktoriastraße 34 verwandt werden soll. Um diese Streitfrage drehte sich auch heute nahezu die ganze Debatte. Der preußische Kriegsminister will dieser Forderung nicht die Bedeutung zubilligen, die ihr in der Presse und in der Kommission bei gelegt wurde. Er fand mit dieser Äuße rung lebhaftere Zustimmung nur auf der Rechten. Herr v. Falkenhayn dringt auf sofor tige Entscheidung. Seine Besorgnis geht soweit, das Grundstück könne in einem Jahre verrotten und verfallen. Ihm ist es unerfind lich, wie man bei dieser Gelegenheit von einer Machtprobe zwischen „Säbeldiktatur" und Parlament sprechen kann: wenn es ihm darauf ankäme, hätte er sich ein ganz anderes Grundstück aus gesucht als eins in einer „Nebenstraße". Scharfen Widerspruch fand der Minister nicht nur bei dem Sozialdemokraten StückIen, der die Vorlage als die unerhörteste be zeichnete, die je dem Reichstag zuge gangen sei, sondern auch bei dem Fort schrittler Liesching, der ernstlich davor warnte, mit dem Reichstag zu spielen, nach dessen ausdrücklichem Wunsche das Grundstück nicht dem Militärkabinett ausgeliefert werden sollte. Dann ging der Ergänzungsetat an die Budgetkommisjion. Darauf wurde die Erörterung der Jmpfsrage fortgesetzt. Präsident des Reichsgesundheits ¬ amts Dr. Bumm erklärte den polizeilichen Impfzwang für nicht unberechtigt, doch sei es wünschenswert, den Eltern mit Vernunft gründen zu kommen. Ministerialdirektor Dr- Kirchner ver teidigte seine gestrigen Ausführungen. Bei der Art der Werbearbeit der Jmpfgegner sei die Schärfe angebracht gewesen. In bunter Reihe kamen dann wieder Freunde und Gegner der Impfung zum Wort, so die Abgg. Thiele (soz.), Dr. Gerlach (Ztr.), Dr. Neumann-Hofer (fortschr. Vp.), Graf Oppersdorfs (Ztr.), Dr. Bern stein (soz.) u. a. Abg. Graf Posadowsky (wild) wünschte eine unzweifelhafte Erklärung der Regierung, daß sie entschlossen sei, am Jmpfgesetz festzu halten. Im Laufe der Sitzung gab Vizepräsident Dove den Eingang einer sozialdemokratischen Interpellation bekannt, die die Regierung fragt, ob sie bereit sei, die Wahlrechtsfrage i» Mecklenburg zu ordnen, indem sie das allgemeine, gleiche und direkte Wahlrecht einführe. Bei der Abstimmung wurden die Jmpf- petitionen zur Erwägung überwiesen. Die An träge auf Einsetzung einer Kommission durch Hammelsprung bei vorgerückter Stunde mit 119 gegen 119 Stimmen abgelehnt. Dann vertagte sich das Haus. Oie I^age in Mexiko. Die von den südamerikanischen Republiken eingeleitete Vermittlung ist jetzt auch von mexikanischer Seite amtlich anerkannt worden. Der mexikanische Minister des Äußeren Rojas hat dem Washingtoner spanischen Botschafter Riano, der Mexiko gegenwärtig bei den Ver. Staaten vertritt, mitgeteilt, daß Huerta die von den südamerikanischen Regierungen an gebotene Vermittlung annehme. Allerdings will er von seinem Rücktritt, den Präsident Wilson mit unerbittlicher Hartnäckigkeit fordert, nichts wissen. An dieser Dieinungs verschiedenheit, die ja eigentlich der Ursprung der ganzen Verwicklungen ist, dürfte denn auch der ganze Vermittlungsversuch scheitern, wenn nicht einer von beiden nachgibt. In diplo matischen Kreisen hat man jedenfalls wenig Hoffnung auf einen Erfolg. Biele Flüchtlinge treffen aus dem Innern Mexikos in den Hafenstädten ein oder gehen an Bord eines Schiffes. Wie aus San Francisco ge meldet wird, befinden sich unter den Flücht lingen aus Manzanillo auch der deutsche Konsul Vogel und seine Frau. Sie sind mit einem Dampfer nach San Diago (Kalifornien) in See gegangen. Manzanillo liegt am Stillen Ozean und ist der Hafen der Stadt Colima, der Hauptstadt des gleichnamigen Staates. Der japanische Botschafter in Washington hat vom Staatssekretär Bryan für die Japaner in Mexiko, dis das Land zu verlassen Würstchen, die Erlaubnis erwirkt, sich nach den Ver. Staaten zu begeben. Bekanntlich ist sonst die Einwanderung von Japanern in die. Ver. Staaten verboten. Das entsprechende Gesetz ist bis auf weiteres aufgehoben worden. Hoch der Deutsche Kaiser! Das Eingreifen des deutschen Kreuzers „Dresden", der in Tampico gegen den Ein spruch Ler Mexikaner flüchtige Amerikaner an Bord nahm, bildet das Tages gespräch in den Ver. Staaten. Man ist des Lobes voll über die Haltung des deutschen Kapitäns v. Kohler. Selbst die sonst durchaus nicht deutsch-freundliche „New Jork Herald" bemerkt: „Die Haltung des Kapitäns von Kohler vom deutschen Kreuzer „Dresden" vor Tampico wird im amerikanischen Volke die größte Genugtuung Hervorrusen. Wenn bei uns irgendein Zweifel bestanden hat über die Gesinnung Deutschlands, so ist er jetzt ge schwunden. Die Vertreter des Kaisers handeln im selben Geist wie dieser selbst. Das be weisen sowohl die Worte des deutschen Kapitäns vor Tampico wie die mannhaften Worte des Admirals v. Hintze, des deutschen Gesandten in Mexiko (der die Auslieferung der Wassen den Gesandten Huertas ver weigerte). Hoch der Kaiser!" Gestern mch auf stolzen Nossen. t3j Roman von H orst B od e mer. „Meister, hab' ich heute draußen in Karls- Horst nicht „Weltenbummler" gesetzt?" „Ja!" „lind Sie gleichfalls, — auf meinen Rat?" Manke lachte vor sich hin. „Gott sei Dank!" Sonst wär' er schön in Verlust geraten und feine Frau hätte ihm die Hölle heiß gemacht, wenn er wieder einmal sein Heil versuchen wollte. Heute hatte zwar der Gewinn die Unkosten nur recht reichlich gedeckt, aber schließlich ist das doch auch etwas wert, wenn man das Vergnügen, die Aufregung, ganz um sonst hatte. Nach diesem Zwischenfall entsann man sich wieder, daß man eigentlich hier zusammen saß und auf den Buchmacher wartete. Ein Handlungsgehilfe, der ein paar Mark gewonnen, meinte: „Ja, wo mag er denn nur stecken?' Pillow fing wieder einmal an, laut zu werden. „Wenn er heute kommt, werde ich ein ernstes Wörtchen mit ihm reden, das geht nicht so weiter! So lassen wir uns nicht be handeln! Prompt bringen wir unser Geld hierher, prompt wollen wir auch den Gewinn haben, so denkt doch jeder ernsthafte Geschäfts mann, nicht wahr, meine Herren?" Man nickte bejahend und brummte vor sich hi«. Der Wirt sagte heute kein Wort. Mochte der Pillow sich aujregen und es war begreif ¬ lich nach einem solchen Gewinn. Er kam doch wieder und je länger der Hoffmann aus blieb, um so mehr wurde getrunken, geraucht und gegessen, von denen die gewonnen hatten, und die anderen hoben manchen Schoppen, wie der ulkige Geselle sagte: „Auf General- unkosien!" Und endlich fuhr draußen eine Droschke vor. „Das ist er, paßt mal auf!" sagte einer. Richtig, im nächsten Augenblicke betrat der Buchmacher das Lokal. Er sah sich die Leute an, während er mit kurzem Kopfnicken, schnell nach dem Hinterzimmer schritt. Die Gäste machten einen harmlosen Eindruck. Paunttz schien ihm wohl bloß mit dem Zaunpfahl haben drohen lassen. Aber ehe sich noch die Tür zu dem Raum nebenan geschlossen hatte, war der Konditor oder Koch schon an der Schwelle und drücke mit der Schulter die Tür wieder auf. Pillow dachte sich nichts weiter dabei, „Mehlsack, nicht so hitzig, ich denke, du hast nichts gewonnen!" Aber da betraten zwei Männer das Lokal, der eine blieb am Ausgange stehen, der andere kam dem Mehlsack zu Hilse. Die Leute zeigten ihre Marken vor — Kriminalbeamte! Mit Hoffmann machte man kurzen Prozeß, alles Geld wurde ihm abgenommen, dem Wirt „sein Buch" beschlagnahmt, die Gäste wurden ausgeschrieben und durften sich ent fernen. Die Droschke, in der „der Buchmacher" angekommen, mußte mit zwei Kriminalbeamten, Hoffmann und dem Wirt zur nächsten Polizei wache fahren, der eine, Ler.Mehlsack", saß neben dem Kutscher. Der heulenden Wirtin war bekohlen worden, sofort das Lokal zu schließen. Einer blieb bei ihr, um sie dann zur Wache zu bringen. Kinder hatten die Beiden nicht, die Haus suchung konnte später stattfinden. Erst sollten die Übeltäter einmal vernommen werden, bevor sie ihre fünf Sinne wieder vollkommen beisammen hatten, damit die Arbeit nicht un nötig erschwert wurde. Pillow aber tobte auf der Straße herum. „Gerade heute, wo ich fünfzig Mark gesetzt habe und dreihundertunddreißig kriegen soll!" Das Wasser schoß ihm in die Augen, er fing an zu heulen. Manke aber schlich nach Hause wie ein be gossener Pudel. Wenn das seine Lene erfuhr! 17. Als Manke, wie vor den Kopf geschlagen, nach Hause kam, richtete sich seine Frau im Bett mit jähem Rucke auf. „Hatte Ernst wirklich gesetzt, Gustav?" „Ja, Lene, der Wirt hat mtr's selber gesagt!" „Auch so viel?" „Ganze fünfzig Mark!" „So ein Junge und fünfzig Mark! Über haupt, wie's hier in Berlin zugeht, kaum trocken ist die Bande hinter den Ohren, da spielt sie sich gleich auf. als wären sie alle miteinander die großen Herren!" Manke sagte gar nichts mehr, aber in seinem Kops arbeiteten die Gedanken. Was wohl aus der Geschichte werden würde? Natürlich kam der Wirt mit dem Buchmacher vor Lie Richter und er wurde als Zeuge ver nommen! Passieren konnte ihm ja nichts! Gott sei Dank, hatte er nie 'nen Dreier in die Kneipe zum setzen getragen, aber Ernst würde es wohl eklig ergehen. Und seine Frau, las in der Zeitung immer mit besonderem Ver gnügen die Gerichtsverhandlungen. Das würde, einen Spektakel geben! Jedenfalls mußte er Ernst gleich morgen früh einschärfen, daß er ja nichts sagte, denn wenn seine Frau die Dinge erfuhr, ließ sie ihn gewiß nicht wieder zum Rennen hinausfahren, und dort zu setzen, war doch erlaubt! Die wollte noch alles mögliche wissen, aber er schüttelte nur den Kopf. „Laß mich schlafen, Lene, ich bin ganz kaput!" „Natürlich von der Lauferei zu den Rennen, und der Aufregung dazu!" Er erwiderte gar nichts. Bange hatte er aber immer noch, sie könne erfahren, daß die Kneipe in dieser Nacht von der Kriminals Polizei geschlossen worden war. Sie kam zwar mit niemand zusammen, hatte auch alle Hände voll zu tun, um Wohnung und Geschäft in stand zu halten — und vier Kinder wollen besorgt sein. — Als Pillow am nächsten Morgen kam, er wartete ihn Manke vor dem Laden. „Ernst, keinen Ton zu meiner Frau ge sagt!" „Nee, nee, — aber Meister, ist das nicht eine Gemeinheit? Sein gutes, sauerverdientes Geld gibt man hin, freut sich, daß endlich mal was famos geklappt hat, und dann steckt's die Kriminalpolizei in die Tasche!" „Kriegen Sie denn wenigstens Ihre fünfzig Mart wieder?"
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