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Ottendorfer Zeitung : 18.03.1914
- Erscheinungsdatum
- 1914-03-18
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Privatperson
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-191403187
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19140318
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19140318
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-03
- Tag 1914-03-18
-
Monat
1914-03
-
Jahr
1914
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 18.03.1914
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Heimkehr -es Kreuzers „Bremen". Dank Kaiser Wilhelms. Der Kreuzer „Bremen", der nach zehn jähriger erfolgreicher Tätigkeit in den mittel- und ostamerikanischen Gewässern ietzt in die Heimat zurückgekehrt und bei Bremerbaven vor Anker gegangen ist. wird auf Befehl Kaiser Wilhelms als ersten deutschen Haien seine Vatenstadt Bremen anlaufen. Der Monarch hat an den Kommandanten des Schiffes aus Anlaß der Heimkehr folgende Order gerichtet: „Nach fast zehnjähriger Auslandszeit ist mein kleiner Kreuzer „Bremen" in die Heimat zurückgekehrt. Ich entbiete hierzu der Be satzung meinen Kaiserlichen Gruß. Mit Genugtuung habe ich während des ganzen Jahrzehnts verfolgt, wie das Schiff überall, wohin immer seine Aufgaben es führten, mit Ehren und Erfolg die Flagge gezeigt bat. Mehr als anderen Schicen meiner Marine war es ihm vergönnt, zu Wasser und zu Lande in Notlagen helfend einzugreifen, Anhänglichkeit an das alte Vaterland bei den Ausländsdeutschen zu wahren und zu erwecken, deutsches Ansehen, wo es bedroht schien, kräftig zu schützen und zu fördern, mit bewaffneter Hand kür Leben und Gut bedrängter Deutscher einzustehen. Es ist mir ein Bedürfnis, das noch einmal zum Ausdruck zu bringen und den Besatzungen des Schiffes, die sich in treuer Pflichterfüllung bewährt haben, meinen Kaiserlichen Dank und meine Anerkennung auszusprechen, gez. Wilhelm I. U." Diese kaiserliche Anerkennung ist wohlver dient: denn das Schiff ist in den zehn Jahren ununterbrochen in Dienst gewesen, hat während der Unruhen in Venezuela, Honduras und Mexiko wiederholt bedrohten Deutschen tatkräftigen Schutz angedeihen lasten und all zeit dafür Sorge getragen, daß die deutschen Kaufleute an der mittel- und ostamerikanischen Küste sich nicht nur mit Stolz der alten fernen Heimat erinnerten, sondern sich auch immer bewußt waren, daß Handel und Wandel unter dem friedlichen aber starken Adler Deutsch lands auf dem ganzen Erdenrund gedeihen. Mehr als irgendein anderes deutsches Kriegsschiff ist die „Bremen" so recht ein Symbol der Zwecke der deutschen Flotte ge worden. Hinausgesandt auf das weite Meer, um auf Ersuchen der in Mittelamerika lebenden Deutschen in den fernen Siedlungen die deutsche Flagge zu zeigen, hat es ohne Lärm, aber mit Nachdruck und äußerst zäher Ausdauer alle seine Aufgaben erfüllt. Wohin auch immer der Kreuzer in dem Jahr zehnt kam, wann auch immer Deutsche ihn zu Hilfe riefen, immer hat der kleine Kreuzer ge treulich feine Misston durchgeführt und auch in schwierigen Lagen nie vergessen, daß in diesem Plankenwerk sich das große mächtige Deutsche Reich präsentierte. Ihm ist die Ruhe zu gönnen, wie der kaiserliche Dank wohlverdient ist. v. Politische Kunäschau. Deutschland. * Der Zustand des bei den vorjährigen Manövern bei Griselles in Frankreich verun glückten deutschen Militärattaches Oberst leutnants v. Winterfeldt hat eine neue Operation nötig gemacht, die nach den letzten Berichten sehr gut verlaufen ist. * Die bayrische Abgeordneten kammer hat die Regierungsvorlage auf Ge währung von jährlich 78 000 Mk. zur Ein führung der Arbeitslosenversiche rung der Gemeinden angenommen. Der Minister des Innern Freiherr v. Soden hatte die Vorlage begründet und erklärt, daß bei Einführung der Arbeitslosenversicherung nach Ansicht der Regierung weder eine Vermehrung der Landflucht noch eine Arbeitseinstellung zu befürchten sei. Bayern hat somit als erster deutscher Staat die Arbeitslosenversicherung eingeführt. * In der hessischen Kammer erklärte die Regierung auf eine Anfrage, daß das Militär zur Aufrechterhaltung der Ordnung in Hessen nur in alleräußersten Notfällen und bei Versagen der bürgerlichen Macht heran gezogen werden dürfe. * Von der Zweiten reichsländischen Kammer ist in dritter Lesung die von der Regierung verlangte Vermehrung der Schutzmannschaften in den großen Städten mit großer Mehrheit angenom men worden, nachdem der Staatssekretär nochmals nachdrücklich kür die Forderung ein getreten war und erklärt hatte, andernfalls die Verantwortung für die Sicherheit in den großen Städten ablehnen zu müssen. Italien. * Der Ministerrat hat beschlossen, in An betracht der parlamentarischen Lage zurückzu treten. Ministerpräsident Giolitti begab sich zum Quirinal, um dem König die Ab dankung des Kabinetts zu unterbreiten. Giovanni Giolitti, der ietzt im 71. Lebens jahre steht, hatte das Ministerpräsidium — sein drittes während seiner erfolgreichen Giolitti. staatsmännischen Laufbahn — im März 1911 übernommen. In seine AmtMiig- teit fällt die glückliche Durchführung des italienisch-türkischen Krieges, der Italien den gewaltigen kolonialen Zuwachs an der nordafrikanischen .Küste brachte. Die Kammer hat seine afrikanische Politik noch letzter Tage mit überwältigender Mehrheit gutgeheißen, wie denn überhaupt das italie nische Volk in starkem nationalen Aufschwung sich von Anfang des libyschen Feldzuges an auf die Seite der Regierung gestellt hatte. So kann Giolitti bei seinem Rücktritt die Überzeugung mit sich nehmen, daß er bei der Lösung der wichtigsten Aufgaben, die ihm in den langen Jahren seines ministeriellen Wirkens zugefallen, sich die einmütige Aner- ennung der Nation erworben hat. Frankreich. * Die Kammer hat mit großer Mehrheit der Ergänzungsvorlage zur drei jährigen Dien st zeit nach langen hefti gen Debatten zugestimmt. Während der Debatte wurde auf die Tatsache hingewiesen, daß der Entwurf Pferde für die neuen Regi menter fordert, während schon jetzt die nötigen Pferde lür die vorhandenen Regimenter fehlten. Ferner verlange er neue Offiziere und Unteroffiziere, während schon jetzt 2500 Offi ziers- und 6000 Unterofstziersstellen nicht be setzt seien. England. * Premierminister Asquith kündigte im Unterhaus an, daß der englische Flotten- etat für 1914-15 in den nächsten Tagen ein gebracht wird. Die Marinevorlage sieht eine Gesamtausgabe von 51850 000 Pfund (1031000 000 Mk.) vor. Das Programm für Neubauten verzeichnet vier Schlachtschiffe, vier leichte Kreuzer und zwölf Torpedoboots zerstörer: also'eine ganz beträchtliche Ver mehrung. Balkanstaaten. * Nach längeren Verhandlungen haben Griechenland und Bulgarien ietzt ihre diplomatischen Beziehungen wieder aus genommen. Es fehlt jetzt nur noch der end gültige Friedensschluß zwischen der Türkei und Serbien, sowie die Erledigung der Jnselfrage zwischen Griechenland und der Türkei, dann sind die Folgen des Balkan krieges, soweit sie diplomatischer Art waren, beseitigt. Veutseker Keickstag. (Original-Bericht.) Berlin , 14. März. Der Reichstag erledigte am Donnerstag zunächst das iUeinwohnungsgesetz, das nach kurzer Erörterung der Wohnungskommission überwiesen wurde. Nach der dritten Be ratung des Postscheckgesetzes wurde der Ent wurf genehmigt mit dem Beginn der Gültiq- keit vom 1. Juli 1914. Es folgte die erste Lesung des Luftverkehrsgesetzes. Ministerial direktor Dr. Lewald führte zur Begründung aus, daß die gesetzliche Regelung durch die Entwicklung der Lustschiffahrt bedingt würde. Die nationale Regelung geschehe im Interesse der Flieger, wie in dem des Publikums. Abg. Dr. Landsberg (soz.) bedauerte, daß noch keine internationale Regelung durchgeÄhrt worden sei, bezeichnt«; die Frage der Haft pflicht als nicht genügend geklärt und be antragte Kommisfionsberatung. Abg. Dr. Belzer (Zentr.) sah in der Vorlage eine gute Grundlage kür die internationale Rege lung. Abg. Dr. Ortel stoni.) begrüßte die Vorlage als einen großen Fortschritt. Be sonders die Haftpflicht bei Notlandungen, die der Landwirtschaft schweren Schaden bringen, bedürfe aber einer gründlichen Änderung Das Haus verhandelt am 13. d. Mts. die vom Zentrum eingebrachte Interpella tion über das Duell, das am 26. Februar in Metz zwischen den Leutnants La Valette St. Georg und Haage stattgefunden und mit dem Tode des letzteren geendet hat. Die Tribünen und das Haus sind gut besetzt. Die Interpellation will vor allem fest stellen, ob dem Reichskanzler bekannt ist, daß der zuständige Ehrenrat auf diese Heraus forderung zum Zweikampf entschieden bat, er sei außerstande, einen Ausgleich vorzuschlagen. — Die Interpellation fragt weiter, ob der Reichskanzler diese Behandlung des Falles durch den Ehrenrat mit Gesetz und Recht für vereinbar hält, und welche Maßnahmen der Reichskanzler zu ergreifen gedenkt, um dem Zweikampf im Heere wirksam entgegenzutreten?" Abg. Gröber (Zentr.) begründete die Interpellation. Für uns im Reichstage, sagt Redner, ist die Frage die, ob der zuständige Kommandeur und unter seiner Leitung stehende Ehrenrat ihre Schuldigkeit getan haben. Wenn eine staatliche Behörde erfährt, daß die Begehung eines Verbrechens beabsichtigt ist, hat sie die strengste gesetzliche Verpflichtung, alles zu tun, um das Verbrechen zu verhüten. Dieselbe Verpflichtung liegt auch den Militär behörden ob, wenn sie amtlich erfahren, daß Offiziere das Verbrechen des Zweikampfes zu verüben entschlossen sind. Wenn eine Zivilbe hörde davon Kenntnis erhielte, daß Staats beamte sich duellieren wollen, wäre sie streng verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um dies zu verhindern. Sie würde gegebenenfalls gezwungen sein, zur Ver haftung der rauslustigen Herren zu schreiten Der Abgeordnete verlangt in langen Aus führungen Auskunft über die Haltung des Ehrenrates, dessen Mitwirkung an einem Zweikampf strafbar sei. Kriegsminister v. Falkenhayn bittet mit Rücksicht auf die Familien der Be teiligten über die Ursachen des Zweikampfes in Metz schweigen zu dürfen. Der Tatbe stand ist durch die Aussagen der Beteiligten vollständig aufgeklärt worden. Die An nahme, daß das Duett unter Bedin gungen stattgefunden habe, die auf eine Tötung des Gegners geradezu abzielen, ist nicht richtig. Das Duell ist unter wesentlich gemilderten Bedingungen ausgefochten wor den. Ich muß aber zugeben, daß auch unter diesen gemilderten Umständen ein unglücklicher Ausgang des Duells immerhin möglich war. wie es auch leider tatsächlich der Fall ge wesen ist. Die Anzeige von dem Ehren handel ist dem Ehrenrate verspätet zu gegangen, und er hat daher erklären müssen, daß er sich nach Lage der Sache außerstande sehe, einen Ausgleich der beiden Gegner herbeizusühren, daß also ein ehren gerichtliches Verfahren erforderlich sei. Darauf hat der Beleidigte nicht geglaubt, eingehen zu können. Ich muß aber bestreiten, daß durch die Erklärung des Ehreurates der Zweikampf veranlaßt worden ist,, denn der in seinen heiligsten Gefühlen tief gekränkte Beleidigte hatte, nachdem es schon mit großer Mühe- gelungen war, ihn daran zu hindern, daß er zu ungeregelter Selbst hilfe greife, den Beleidiger unter Nichtachtung der strengen Vorschriften gefordert und dann erst beim Ehrenrat die Anzeige erstattet. Der Kriegsminister gibt weiter der Erwartung Ausdruck, daß die geplante Reform des Straf rechts auch dem Heer und der Marine zugute kommen werden und sagt, daß unabhängig davon alle maßgebenden Stellen des Heeres und der Marine unablässig bemüht seien, auf erzieherischem Wege eine Besserung zu erreichen. Die wichtige Feststellung von allgemeiner Bedeutung war, daß ein Offizier wegen einer frevelhaften Beleidigung nicht sogleich zu fordern brauche, sondern den Ausgang des ehrengerichtlichen Verfahrens abwarten könne, ohne jede Befürchtung, deswegen zur Verant- wortnng gezogen zu werden. Der Minister fügte hinzu: Ein so förmlicher und formaler Duellzwang existiert nicht. Die Aussprache begann mit einer sehr ab fälligen Kritik des Sozialdemokraten Haase. Er ging von der Auffassung aus, daß ber Kriegsminister die Ungesetzlichkeiten ber Offi ziere entschuldige. Er will das Duell unbedingt verboten sehen, denn, so schloß er: nicht Mars regiert die Stunde, nicht der Oberst v. Reuter, sondern das Gesetz. Es folgte der Nationalliberale van Calker, der sich mit großer Lebhaftigkeit für den Kommissionsbeschluß einsetzte, der durchaus geeignet sei, den Triumph des Un rechts zu verhüten. Man soll alles tun, um das Duell einzuschränken, aber man kann es nicht gesetzlich beseitigen: und könnte man es, so würde er es nicht wollen. Diese Bemer kung löste große Unruhe und Bewegung bei den Sozialdemokraten und dem Zentrum aus. Einmütige Zustimmung fand der Kriegs minister bei den Konservativen. Ihr Sprecher Graf Westarp bekundete eine gewisse Nei gung, die Zustimmung seiner Freunde zu dem jüngsten Kommisfionsbeschlusse abzuschwächen. Der Fortschrittler Dr. Blunck erklärte, daß der Kriegsminister um die Sache herum geredet habe. Er hörte aus allem nur das Nein heraus, den Duellzwang zu beseitigen. Kriegsminister v. Falkenhayn fand noch Gelegenheit, sich kurz über den Fall Brandenstein zu äußern. Der Leutnant von Brandenstein soll nicht wegen seiner An schauungen über das Duell verabschiedet sein, sondern weil ihm die kür einen Offizier not wendige Entschlußfähigkeit fehlte. Zum Schluß ereignete sich noch ein Zusammenstost zwischen dem Sozialdemokraten Wendel und dem Präsidenten, der den Redner darauf aufmerksam machte, daß man im Reichstag vom Kaiser mit der Hochachtung zu sprechen habe, dis jedem Deutschen geziemt, und dann noch zu der bestimmt formulierten Frage des Abg. Dr. Blunck (Vp.) an den Kriegsminister, wie er sich zu dem Verbleib eines Offiziers im Ofstzierkorps stelle, der grundsätzlich als Christ ein Gegner des Duellzwanges sei. Der Kriegsminister verwies dafür auf frühere Erklärungen. Damit war die Interpellation erledigt und das Haus vertagte sich bis zum Donnerstag. Von und fern. Verbot der Nebenarbeit für Eisen bahner. Tine bedeutsame eisenbahnamtliche Neuerung wird gegenwärtig von den preußi schen Eis^stbahndirektionen bekanntgegeben. Danach dürfen Eisenbahnbeamte und Eisen bahnarbeiter, die im Nachtdienst beschäftigt sind, im Interesse der Sicherheit des Betriebes berufsmäßig keine Nebenarbeit ausführen, auch wenn eine Entschädigung hierfür nicht gezahlt werden sollte. Jede Zuwiderhandlung wird unter Strafe gestellt. Die vorgesetzten Dienststellen können jedoch in besonderen Fällen Ausnahmen zulassen, wenn es sich um Arbeiten handelt, dke nicht besonders ermüdend wirken und keine besonderen körperlichen und geistigen Anstrengungen erfordern. Tu feig! 20j Roman von Reinhold Ortmann. fFortietzungv Nun endlich fand auch die Geschmähte die Sprache wieder. Sie richtete sich aus ihrem Sessel auf, und indem sie um einige Schritte von der Schwester zurücktrat, sagte sie: „Du weißt nicht, was du sprichst. Fanny! Ich habe gegen niemand ein Unrecht began gen. Und es ist nichts geschehen, dessen ich mich schämen müßte. Ist es denn ein Ver brechen, da« Helmut mich lieb gewonnen hat und ich ihn?" Ob es ihre weiche Stimme gewesen war, die die andere zur Besinnung gebracht hatte, oder ob ihr zufällig ein Gedanke durch den Kopf gegangen war, der sie zur Mäßigung mahnte — jedenfalls war es ein anderer Ton als vorher, in dem Fanny erwiderte: „Welchen Namen solche Liebelei im Krankenzimmer verdient, will ich nicht aus sprechen. Oder ich will mir's vielmehr er sparen, bis ich es dem Herrn Doktor ins Ge steht sagen kann. Zu deiner Ehre nehme ich an, daß du in Wahrheit nicht die Verführerin, sondern die Verführte bist. Und du solltest es als ein Glück preisen, daß ich noch zur rechten Zeit dahinter gekommen bin. Denn diele Lieb schaft erst würde dich wirklich unglücklich ge macht haben." „Unglücklich? - Weshalb? - Hast du selbst nicht Herrn Doktor Eagers mir gegen über als den einzigen Menschen inmitten eines Hausens herzloser Marionetten bezeich net?" „Schlimm genug, daß ich mich nun auch in diesem Einen getäuscht habe. Aber selbst wenn er der Edelste und Beste wäre, würde damit für dich nichts gewonnen sein. Es wäre denn, daß du um eines flüchtigen Rausches willen das verhängnisvollste Opfer annehmen könn test, das ein Mann in törichtem Liebestaumel zu bringen vermag — das Opfer seines Fa milienfriedens, seines geachteten Namens, seiner ganzen Existenz." „Ich verstehe dich nicht, Fanny! Das alles müßte Helmut Eggers mir zum Opfer bringen, wenn er mich zu seiner Frau macht? Und nur, weil ich eine Operettensängerin gewesen bin?" „Für die Welt, in der er lebt, ist das mehr als genug. Frage ihn doch, wie seine Mutter, die Frau Stadträtin, über seine Verheiratung mit einer Soubrette denken würde! Für lo ehrlich halte ich ihn doch, daß er nicht die Slirn hätte, dir die Wahrheit zu verhehlen. Und ich kenne Lie würdige Dame zu Genüge, um dir schon jetzt zu sagen, was Helmut dir antworten müßte. Willst du es hören?" „Du folterst mich! Seine Mutter würde also nicht einwilligen?" Die Gattin des Baumeisters lachte spöttisch auf. «Ob sie einwilligen würde? — Ich ver bürge mich daftir, daß sie ihr Haus drei Tage lang mit Räucherkerzchen desinfizieren würde, wenn er etwa die Verwegenheit hätte, dich nur ein einzigesmal über feine Schwelle zu führen. Ehe sie eine Person aus der ver achteten Kaste der Komödiantinnen als Tochter willkommen hieße, würde sie unbedenklich jedes Band zwischen sich und ihrem Sohne zerschneiden. Und noch in ihrer Sterbestunde würde sie ihm nicht verzeihen. Ich kenne den Eisenkopf dieser Frau, vor der nicht ohne Grund hier alles zittert — meinen eigenen Mann nicht ausgenommen." Während sie diese erbarmungslosen Worte anhören mutzte, war es Eva, als lege sich langsam ein schwarzer Schleier über all die sonnige Herrlichkeit, die sich eben vor ihren Blicken aufgetan. Aber so schwach war sie doch nicht mehr, daß ihre Seele sich nicht in schmerzlichem Trotz aufgelehnt hätte gegen diese neue Grausamkeit des Geschicks. „Ich glaube dir, Fanny, daß es deine Überzeugung ist, was du da sagst. Aber sollte nicht auch Helmut den Charakter seiner Mutter kennen? Und sollte er ihn nicht vielleicht besser kennen als du?" „Hat er dir etwa erzählt, daß sie dich mit offenen Armen empfangen würde? Es wäre eine Ehrlosigkeit und eine bewußte Lüge ge wesen, wenn er's getan hätte. Denn er muß wissen, daß ihm in dem Augenblick, wo er erschlossen ist, dich zu seinem Weibe zu machen, nur noch die Wahl bleibt zwischen dir und ihr. Aber es mag ja sein, daß ihm die Wahl augenblicklich nicht schwer fällt und daß er es für ein geringes Übel ansieht, auf die Liebe einer alten Frau zu verzichten. Schade nur, daß damit zugleich auch alle feine Zukunftspläne über den Hauken ge worfen würden — daß er sich aus einer an genehmen und gesicherten Lebensstellung ge rissen und in einen Kampf ums Dasein ge worfen sähe, der heutzutage vielleicht für nie manden schwerer und aufreibender ist als für einen mittellosen jungen Arzt. Um die Ver antwortung, die du da auf dich nehmen willst, kann ich dich wahrlich nicht beneiden." „Wie grausam du bist, Fanny! Und woher nimmst du die Gewißheit, daß Helmuts Ver lobung mit mir alle diese Folgen haben müßte?" „Aus meiner Kenntnis der Verhältnisse, liebe Eva! Die Stadträtin gilt für eine sehr wohlhabende Frau, aber sie liebt ihr Geld und weiß sehr haushälterisch damit umzugehen. Sie hat ihrem Sohne gestattet, seine Jugend zu genießen bis zu dem Augenblick, wo es ihr genug erschien mit dem Herumstreifen und der zügellosen Freiheit. Glaubst du etwa, daß er einem Antrieb seines Herzens gefolgt ist, als er vor wenigen Wochen seine bisherige an genehme Tätigkeit aufgab, um sich hier in seiner kleinen Vaterstadt als Arzt niederzu lassen? Er hat mir selbst eingestanden, daß es ihm sauer genug angekommen ist und daß er eben nur einem Machtwort seiner Mutier gehorcht hat. Vermutlich hat sie gedroht, ihm die bisher gewährte Unterstützung zu ent ziehen, wenn er sich ihrem Wunsche widersetzte. Und da er zu ihren Lebzeiten keine Ansprüche an ihr Vermögen hat, mußte er sich wohl zu dem schweren Entschluß bequemen. Die mütterlichen Pläne der Stadträtin aber waren die vernünftigsten von der Welt. Sie wußte, daß es ihm Lei den weit verzweigten Familien- beziehungen der Eggers nirgends so leicht fallen würde wie hier, rasch zu einer sicheren und einträglichen Praxis zu gelangen. Und sie wußte auch, daß man ihn in den besten Häusern dieser Stadt jederzeit mit Freuden als Bewerber willkommen heißen würde. JÄ müßte die kluge Dame sehr schlecht kennen»
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