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Epirus. Der Bakkankrieo bat dem Europäer so manchen Namen geläufig gemacht, den er seit seiner Schulzeit kaum einmal flüchtig gehört hat. darunter befindet sich auch der Name Epirus, mit dem man. wenn man nicht gerade Griechenlands Geograpbie mit besonderem Bemühen studierte, kaum einen besonderen Begriff verband. Jetzt aber sind aller Augen nach Epirus gerichtet, nach jenem Gebiet der Balkanhalbinsel, das ehedem — in längst ver sunkener Zeit - zu den mächtigsten und einfluß reichsten Staaten ienes Ländergebietes gehörte. Epirus war ursprünglich von 14 verschie denen Völkerstsimmen bewohnt, die teils den illmiscben Völkern (den späteren Albaniern), teils den urgriechischen Volksstämmen nahe verwandt waren. Dis seit den ältesten Zeiten von hellenischen Königen beherrschten Be wohner von Ep'rus, die sogenannten Molotler, dehnten ihre Herrschaft allmählich besonders nach Süden aus. Der bedeutendste unter ihren Königen, Byrrhus, hatte seit 295 v. Ehr. die ganze Landschaft zu einem mächtigen Ein- beitsstaate geeint und konnte es wagen, den damals schon mächtigen Römern Trotz zu bieten. Nach revolutionärer Beseitigung seiner Herrschaft entstand ein „Bund der epirotischen Völkerschaften", der zur Zeit der Kriege zwischen den Römern und Mazedoniern nicht ohne Bedeutung war, aber 167 Jahre v. Ehr. wieder aufgelöst wurde. Der spätere Kaiser Octavian gründete im südlichsten Teile der Landschaft die Stadt Nikopolis (Siegesstadt) zur Erinnerung an seinen Seesieg bei Aktium, in dem er sich zum Alleinherrscher des gesamten Römischen Reiches machte. Vom zweiten Jahr hundert nach Christus ab erscheint Epirus in Verbindung mit Akarnanien gewöhn lich als eigene kleine Vrovinz des gewal tigen byzantinischen Reiches, von dem cs erst im Jahre 1204 endgültig losgerissen wurde. Seit diesem Zeitpunkte bildete es den Zankapfel zwischen griechischen, neapolitanischen, französischen, serbischen, italienischen und albanischen Machthabern. Seit der Mitte des 14. Jahrhunderts ge wannen in der westlichen und in der nörd lichen Hälfte des Landes das Übergewicht die Stämme der Südalbanier, die sogenannten Tosken, so daß nur der südöstliche Teil der griechischen Bevölkerung blieb. Im Jahre 1430 eroberten dann die Türken das Land und blieben bis auf die neueste Zeit ununter brochen in dessen Besitz. Nur ein schmaler Landstreifen im Südosten kam im Jahre 1881 an Griechenland. Diese ganze geschichtliche Vergangenheit, deren Glanz und deren Kämpfe und Nieder lagen hier nur umrandet werden konnten, machen den jetzigen Aufstand begreiflich. Die Völkerschaften Wien sich zu Griechenland ge hörig, weil sie zunächst in den Albaniern Hörige der Türken sehen. Sie wollen mit den Stämmen, mit denen sie weder Sprache noch Religion, weder Kultur noch Sittengesetz gemeinsam haben, nicht einen Staat bilden. Dazu kommt aber noch ein wichtiger Punkt. Die Epiroten wissen sehr wohl, daß Griechen land nach dem siegreichen Kriege eine auf steigende Macht ist. Sie wollen unter seinem Schutze mit emporsteigen. Albanien aber ist ihnen noch kein Staat. Sie glauben nicht an seine Zukunft und wollen sich den Wirrnissen einer ungewissen Entwicklung nicht aussetzen. Allerdings darf dabei nicht übersehen werden, daß Griechen land an dem jetzigen Aufstande nicht ganz schuldlos ist: denn die griechische Regierung hat sich lange Zeit geweigert, ihre Besatzung auS diesem Gebiet zurückzuziehen, nachdem bereits von den Mächten beschlossen worden war, daß Epirus mit Albanien vereinigt wer den solle. Und als dann die epirotischen Frei scharen sich bildeten, hat Griechenland diese offenbar gegen Albanien gerichtete Maßnahme zwar nicht gefördert, aber sie hat sie auch nicht verhindert. Das hat Ministerpräsident Venizelos in der Athener Kammer ausdrücklich zugegeben. Kann man sich also wundern, wenn sich die Epiroten in dem Traume wiegten, daß man in Athen ihre Vereinigung mit Griechenland unterstützen werde? Jetzt ist der Aufstand entbrannt, jetzt dürsten friedliche Vermittlungen nichts mehr ausrichten. Es fragt sich nur, ob Fürst Wilhelm von Albanien seine Re gierung mit einem Kamvfe beginnen will, der sich sehr langwierig gestalten muß und der auch im Falle eines Sieges nicht für immer Ruhe schaffen wird. V7liobtar. poiitilcke KuiEckau. Deutschland. * Gegenüber den von russischen Blättern verbreiteten Gerüchten, daß im Lause des Sommers in den finnischen Schären eine Begegnung Kaiser Wilhelms mit dem Zaren in Aussicht stehe, wird halbamt lich erklärt, daß diese Nachricht ebenso frei er- umden sei wie die anderen, der Kaiser habe dieser Tage vom Zaren ein Handschreiben erhalten. * Prinz Heinrich von Preußen hat sich mit seiner Gemahlin in Hamburg auf dem Dampfer „Cap Trafalgar" zur Reise nach Südamerika eingeschtfst. *Die Beisetzung des Kardinals Kopp in Breslau gestaltete sich zu einer außeror dentlichen Trauerkundgebung, an der viele Tausende aus allen Teilen der Diözese teil- vahmen. Mit der Vertretung Kaiser Wilhelms war der HerzogvonRatibor beauftragt. *Jn Berlin finden gegenwärtig Verhand lungen zwischen der deutschen und der dänischen Regierung statt, um eine Verbesserung der deutsch-dänischen Verkehrs beziehungen herbeizuführen. Man ho^t, über eine Reihe wesentlicher Wirtschastsfragen zu einer Verständigung zu kommen. * An Berliner amtlicher Stelle wird er klärt, daß das Gerücht, es sei eine neue grobe Militärvorlage geplant, die kür artilleristische Zwecke und für die Vermehrung der Kavallerie eine halbe Milliarde fordert, völlig unbe gründet ist. *Die Ergänzung zum Kaligesetze wird dem Reichstage voraussichtlich vor der Sommerpause nicht mehr zugehen. Die No velle ist seit Wochen im Reichsamt des Innern fertigaestellt, erst kürzlich haben mit Vertretern der Kaliindustrie über die Gestaltung der Novelle noch Verhandlungen stattgefunden. Es hat den Anschein, als ob das Reichsamt des Innern auf Grund dieser Verhandlungen dahin neigt, die Kalinovelle vorläufig dem Bundesrat noch nicht zugehen zu lassen, da Anzeichen dafür vorhanden sind, daß im Bundesrate die Novelle nicht ohne Schwierigt leiten im jetzigen Zeitpunkt verabschiedet wer den könnte. * In derreichsländischenKammer beherrschte die leidige Zabern-Ange- legenheit abermals die Debatte. Auf ver schiedene Anfragen erklärte Statthalter Graf Roedern, er sei mit den Abgeordneten der Meinung, daß die Verfassung nicht angetastet werden dürfe, und deck die Frage der Heran ziehung des Militärs einer genmren Prüfung unterliege. Die wichtigste Frage des Reichs landes sei aber gegenwärtig nicht die (durch aus nicht bedrohte) Verfassung, sondern die Finanzreform. * Münchener parlamentarische Kreise wollen wissen, daß die Reichsregierung ein Futter mittelgesetz in Angriff genommen habe und sich das zuständige Ministerium bereits an die in Frage kommenden Körperschaften um Auskunft und etwaige Mitarbeit gewandt habe. Frankreich. * Ministerpräsident Doumergue gab in der Kammer eine Darstellung der auswärtigen Politik Frankreichs. Man ist sich darüber einig, daß selten eine farblosere Rede gehalten worden ist. Allgemeines Interesse erregte nur die wiederholte Versicherung, daß Frankreich immer mit allen Kräften an der Erh altung des Weltfriedens arbeiten werde. — Die einzige Anspielung auf Frankreichs Ver hältnis zu Deutschland fand man in dem Satze, daß Frankreich nicht beabsichtige, die berechtigten Interessen anderer Völker in Afrika zu schädigen. England. * Über den augenblicklichen Stand des Beim Etat für Samoa Von !>iak und fern Asten. *Die deutsche und die russische Re gierung haben in Peking mitgeteilt, daß sie übereingekommen seien, ihre Truppen aus China zurückzuziehen, Deutschland aus Hankau, Rußland aus Tschtli. Die übriaen Mächte warten noch mit dem gleichen Ent schluß, bis die verworrene Lage Chinas -sich geklärt bat. . „Bad Pyrmont." Die Staatsbehörden haben genehmigt, daß sich die Stadtgemeindr Pyrmont fortan in allen ihren Verkehrs- und sonstigen Ankündigungen in der Eisenbahn und Lei der Post als' Bad Pyrmont be zeichnet. EntschwundencHcringsschwärme. Große Enttäuschung herrscht unter den Fischern der Elbdörfer, weil die seit Jahren ausgebliebenen und kürzlich erst wieder eingetroffenen Sprotten- Und Heringsschwärme durch den jüngsten Sturm vollständig vertrieben worden sind. Die Fangzeit hätte sonst noch etwa drei Wochen gedauert. englischen Heeres gab im Unterhause Kriegs minister Seely "interessante Erklärungen ab. Er sagte u. a.: „Wir hatten außerhalb Eng lands 117 000 Mann völlig mobilisiert und im Heimatlands selbst 121000 Mann, sowie 146 000 Reservisten sofort zum Dienst verwendbar. Im Falle einer Mobilisierung würden wir in sehr kurzer Zeit eine Expeditiondmacht von 16? 000 Mann haben, alles voll ausgerüstet: Leute, Pferde, Geschütze und Munition. Im Falle einer plötzlichen Notlage in Friedenszeiten würden wir, allgemein gesprochen, 50 000 Mann aller Waffengattungen in einigen Stunden be reit haben, um sie irgendwohin zu senden." Italien. * Ministerpräsident G i o l itti hat mit dem gesamten Kabinett feinen Rücktritt eingereicht. Giolitti hatte bei seinem Amtsantritt mit den Radikalen einen Pakt geschlossen, wonach er das allgemeine Wahlrecht und das Versicherungsmonopol durchführen wolle, wogegen die Radikalen sich verpflichteten, die Kosten des Tripolis-Unternehmens zr;. be willigen. Beide Teile haben das Abkommen gehalten — haben nun aber keine Kühlung mehr. Giolitti macht Platz., um drohenden parlamentarischen Schwierigkeiten zu begegnen. Als Nachfolger hat er seinen Gegner Sonnino empföhlen. ' — : ——— - , Deutscher Aeicksrag. (Original-Bericht.) Berlin, 12. März. Der Reichstag setzte am Dienstag die allgemeine Erörterung des Kolonialetgts fort. Abg. S ch w a r z e-Lipvstadt (Zentr.) führte aus. die gute Entwicklung der Kolonien sei zum erheblichen Teile der Füriorgetätigkeit der Missionen zu danken.- Abg. Dr. Paasche (nat.-lib.) hielt den Essenbahnbau schon , aus menschlichem Interesse sür geboten, damit der eingeborene Arbeiter Frau und Kinder zur Arbeitsstätte mitnehmen könne. Abg, Rass mann (wrtschr. Vp.) erklärte, der Reichstag könne die Frage, ob er die Kolonialausgaben verantworten wolle, mit Ja beantworten. Abg. Noske (soz.) nahm für seine Partei in Anspruch, an der Besserung der Verhältnisse durch scharfe Kritik mttgewirkt zu haben. Abg. Erzberger (Zentr.) erklärte das Einver ständnis seiner Freunde mit der Rede des Staatssekretärs, lehnte aber eine Verteilung des Tätigkeitsgebietes zwischen den Kon fessionen ab. weil dies einen Gewissenszwang bedeuten würde. Der Reichstag beschäftigte sich am Mittwoch mit den Etats der einzelnen Schutzgebiete. Für das „Musterländle" Togo war er sehr bald erledigt. Eine längere Erörterung ent spann sich erst bei Len Etats für Neu- Guinea und den Südseeinseln. Sonderbarer weise wurde bei dieser Gelegenheit noch einmal das Kapitel der Pctrolcumbohrungen auf Neu-Guinea angeschnitten, obwohl das Haus bereits die für die einschlägigen Versuche angeforderten 500 000 Mk. glatt bewilligt hatte. Heute setzte plötzlich ein nachträglicher Widerspruch ein. In der Schärfe der Kritik an dieser „un nützesten Ausgabe" wurde der Reichsparteiler Dr. A rendt von dem ersten Zentrumsredner Dr. Pflegerso stark Überboten, daß der Prä sident sogar eine Rüge für angezeigt hielt. Trotz der Darlegungen des Staatssekretärs, daß die mit kleinem Risiko verbundenen Versuche, wenn sie gut einschlagen, dem Reiche die größten Vorteile bringen würden, will der Zentrumsredner ebenso wie der Reichsparteiler in der dritten Lesung für die Streichung der Forderung stimmen. Für Bewilligung dieser Summe sprachen sich die Abgg. Goth ein (fortschr. Vp.), Dr. Frank- Mannheim (soz.), Dr. Paasche (nat.-lib.) aus. Abg. Erzberger (Ztr.) sah in der ge ringen Höhe der Forderung die Gefahr einer nutzlosen Verplemperung und er widersprach dem Staatssekretär, der die Erschließung der Quellen von dem Petrolenm-Monovol abhängig machen wollte. . Der Staatssekretär gab dann bekannte däß die Sperrung des in Krage kommenden Gebiets bereits tÄegraphisch angeordnet worden sei. Ehe er das Privat- kapital ermutigen könne, müßten Unterlagen geschaffen werden. Nach weiteren Bemerkungen der Abgg. Wald st ein (fortschr. Vp.), Ortel (kons.). Dr. Frank (söz.) wandte (man' sich den Paradiesvögeln zu, deren Schutz Abg. K l ein ath (nat.-lib.) verlangt hatte. Der Staatssekretär erklärte, daß aus- ' gedehnte Schutzgebiete geschaffen seien und iVr Jahre keine Paradiesvögel ge schossen werden dürsten. Diese Schonzeit genügte dem Abg. Dr. Paasche (nat.-lib.) nicht, und Abg. Noske (soz.) meinte, Herr Paasche hätte auch . ebenso^einen .größeren Schub für die Schwarzen verlangen sollen, für die die Paradiesvogel-Jagd eine Drang salierung bedeute. Der Etat für Neu-Guinea wurde bewilligt. trat dann Abg. Ledebour (soz.) für. di« Mischehen ein, die zu verbieten-eine Barbarei wäre. Er wollte den Standpunkt des. Abg. S ch u ltz (Reichspt.) nicht gelten lassen,- dass üie Richter in Samoa auch als Standes- beamte selbständig über derartige Ehe schließungen entscheiden dürfen. Der Staatssekretär betonte, daß er keinen als Standesbeamten fungierenden Richter finden .würde, der steh' Instruktionen, Mallen lasses wenngleich er es dahingestellt sein lasse, ob die Standesbeamten lediglich dem Gesetz -oder Anweisungen ihrer vorgesetzten Behörden unterworfen seien. Ein Verbot der Mischehen, so führte er unter lebhaftem Beifall der bürger lichen Partien aus, erscheine nicht not wendig, da..-die Leute eingeseden hätten, daß es eines Weißen unwürdig sei, sich mit An gehörigen tiefer stehender Rassen zu ver ehelichen. 'Nach kurzer Debatte nahm sodann das Haus einen Antrag des Abg. Mummlwirtsch. Bgg.) an, der die Mittel zum Bau einer Quarantäne-Station bewilligt. Beim Etat sür Ostafrika verlangen Resoluttonen der Budgetkommission Mitteilungen über die Abschaffung der Haussklaverci bis 1920, eine Übersicht über die Besitz« und Pachtverhältnisse der Pflanzungen. Vermei dung der Weißen-Besiedelung des Gebiets von Ruanda und Arbeiterschutzbestimmungen beim Bahnbau usw. Abg. Dr. Müller-Meiningen (fortschr, Vp.) wünschte einen Ausbau der Regierungs schulen. Das sagte Staatssekretär S o l f zu. Abg. v. Böhlendorfs (kons.) trat für eine Forderung der kolonialen Hochseefischerei und für den Ausbau der Verkehrswege ein. Abg. Dr. Arendt (Reichsv.) trat aus Ersparnisgründen für eine Verlängerung der Dienstzeiten für die Offiziere und Beamten ein. Bei Erörterung der vorzunehmenden Bahnbauten gedachte der Redner dan'bar des Erwerbers von O mfrika, Karl Peters. Nachdem Abg. Ledebour (soz.) noch gegen die Bahnbauten in Ostafrika gesprochen hatte, vertagte sich das Haus. feig! Igf Roman von Reinhold Ortmann. Fortsetzung.) „Ein solches Wundermittel kennt unser Arzneischatz nicht, liebes Fräulein Lindholm I Und wenn ich's besäße, würde mir's gewiß nicht einfallen, es Ihnen zu reichen. In acht oder zehn Tagen schon werden Sie die er sehnte Kraft ohne alle künstliche Nachhilfe er langt haben. Warum sollten Sie sich nicht noä: für diese kurze Zeit gedulden?" Sie war in die Polster niedergesunken und hatte das Gesicht in den Händen verborgen. „Weil ich fort muß!" schluchzte sie. „Weil sch fort muß!" schluchzte sie. „Weil ich hier nicht länger bleiben kann. Mein Gott, gibt es denn keinen Menschen, der sich meiner er barmt ?" Helmut war neben ihr stehen geblieben, den Arm auf die Sessellehne gestützt. Und all die tiesinnige Zärtlichkeit, die er für sie im Herzen hegte, klang aus seiner Stimme, da er, sich über sie herabneigend, halblaut sagte: „Ich kann nicht glauben, Fräulein Eva, daß Sie auf irgend Enes Menschen Erbarmen angewiesen wären. Ader wenn Sie der Hilfs bereitschaft eines aufrichtigen Freundes be dürfen, so verfügen Sie über mich. Es gibt nichts, das ich nicht für Sie täte." Ohne sich aus ihrer zusammengesunkenen Haltung aufzurichten, schüttelte sie den Kopf. „Wenn Sie mir nicht gewähren können, um was ich Sie gebeten habe, so gibt es überhaupt keine Hilfe mehr sür mich. Denn ich will ja nur fort von hier — weiter nichts als kort." „Und weshalb verlangt es Sie so sehr da nach ? — Hat Ihnen denn hier jemand ein LeiL angetan?" „Kragen Sie mich nichts — ich bitte Sie! — Ich darf und ich kann nicht darüber sprechen." „Das ist sehr betrübend für mich. Halten Sie mich denn für so ganz unwert Ihres Vertrauens, Fräulein Eva?" „Nein, nein, ich halte Sie für uneigennützig und gut. Aber es wäre gar nicht in ihre Macht gegeben, mir zu helfen. Ach, warum bin ich ein so elendes, feiges Geschöpf, das zu nichts Mut hat, nicht einmal zu dem er lösenden Sprung hier aus dem Fenster!" „Wenn Sie solche Dinge reden, zwingen Sie mich geradezu, mich auch gegen Ihren Willen in Ihre Angelegenheiten einzumischen. Sie sind entweder wieder krank oder Sie sind sehr unglücklich. Und in dem einen wie in dem anderen Falle bedürfen Sie des Bei standes. Beharren Sie darauf, den meinigen zurückzuweisen, so werde ich eben von Ihrer Schwester verlangen, daß sie ihren Pflichten besser nachkommt, als es bisher geschehen zu sein scheint." „Um Gotteswillen — wenn Sie mich nicht zum äußersten treiben wollen, so sprechen Sie kein Wort zu ihr. Sie darf ja nicht ivissen, daß ich fort will. Sie sollen mir ja helfen, mich heimlich von hier zu ent fernen." „Und wenn die Erfüllung dieses Wunsches möglich gewesen wäre, würden Sie mir dann wenigstens gesagt haben, wohin Sie zu gehen beabsichtigen?" .O. ick balle schon iraend eine Zuflucht gefunden. Wenn ich nur erst dies Haus und diese Stadt hinter mir habe, braucht sich niemand mehr um meinetwillen zu sorgen." „Das ist keine Antwort, die mich beruhigen könnte, Fräulein Eva! Und ich wiederhole, daß für heute und für die nächsten Tage von einer Reise nicht die Rede sein darf — am allerwenigsten, wenn Sie sie in solchem Ge mütszustände unternehmen wollen. Aber wenn Ihnen, der Aufenthalt unter dem Dache Ihrer Schwester in Wahrheit ganz unerträglich ge worden ist, so gibt es doch vielleicht noch einen anderen Weg. Ich bin überzeugt, daß meine Mutter gem bereit sein wird, Ihnen bis zu Ihrer vollen Wiederherstellung Gastfreundschaft zu gewähren. Wollen Sie mich ermächtigen, gleich in dieser Stunde mit ihr zu reden? Und wollen Sie mir versprechen, keinen übereilten und törichten Schritt zu tun, bis ich komme, Sie zu holen?" Für die Dauer einer Sekunde schien Eva wirklich unschlüssig, dann aber machte sie wieder eine entschieden verneinende Be wegung. „Ich danke Ihnen von Herzen, Herr Doktor — aber selbst, wenn Ihre Mutter hoch sinnig genug wäre, mich aufzunehmen, so wäre doch sür mich noch nichts gewannen. Und in der Stunde, wo Sie die Wahr heit erführen, würden Sie mich nur um' so tiefer verachten, weil ich die Stirn hatte, meine Schande in das Haus ehrenhafter Menfchen zu tragen." Er war betroffen zusammengefahren. „Ihre — Schande? — Nein, das Wort war nicht im Ernst aesvrocken. Fräulein Eva!" „Doch!" bestätigte sie, starr vor sich hinaus blickend, in beinahe trotzigem Tone. „Sie brauchen nur bei dem Theater nachzufragen, bei dem ich zuletzt engagiert war. Da würden sie es Ihnen alle bestätigen — ..vom. Direktor bis zur letzten Choristin.. Denn es war ja ein öffentliches Geheimnis, lange bevor ich eS selber ahnte." Hatte ihre schonungslose Selbstanklage ihn für einen Augenblick irre gemacht, so war sein« Ungewißheit, für was er ihre Worte zu nehmen habe, doch schon fast in dem nämlichen Augen blick geschwunden, da er ihr ins Gesicht ge sehen hatte — in dieses be> all seiner Verhört- Helt noch so holde und unschuldsvolle Kinder- gestcht, dessen Reinheit unmöglich eine Lüge sein konnte. „Nun, und angenommen selbst, daß man mir dort derartiges erzählte," erwiderte- er ganz ruhig, „trauen Sie wir etwa zu, Fräulein Eva, daß ich es glauben würde? Ich würde den Klatschmäulern Schweigen gebieten und die Verleumder zur Rechenschaft ziehen. Denn es kann ja nichts anderes sein als Lüge und Verleumdung, was man Ihnen nachsagt." Mit einer Art von ungläubigem Staunen lauschte Eva seinen Worten. „Woher aber können Sie diese Zuversicht nehmen, da Sie mich doch so gut wie gat nicht kennen und da Sie nichts aus meinem vergangenen Leben wissen?" „Ein Arzt, auch wenn er noch so jung ist wie ich, wird immer in einem gewissen Grade zuin Menschenkenner. Und ich brauche mir in unserem Fäll nicht einmal sonderlich viel auf diese meine Menschenkenntnis zugute zu halten, denn es gibt Wesen, in die man mühelos