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Ottendorfer Zeitung : 22.02.1914
- Erscheinungsdatum
- 1914-02-22
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Privatperson
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-191402220
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19140222
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19140222
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-02
- Tag 1914-02-22
-
Monat
1914-02
-
Jahr
1914
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 22.02.1914
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Vonnnö fern. Stadion am Rhein. Die Stadtverord netenversammlung in Düffeldorf beschloß in Düsseldorf in Verbindung mit den sportlichen Verbänden Westdeutschlands die Errichtung eines Stadions am Rhein mit bedeckten Hallen. Die Stadt gibt das erforderliche Ge lände her und übernimmt auch die Kosten für die gesamte Anlage. Die Wirkung des Gencralpardons. Infolge des Generalpardons bei der Ein- sckiätzung zum Wehrbeitrag sind im Kreide Eschwege an Kapitalvermögen bisher 11085560 Mark mehr als früher angegeben worden. Hiervon entfallen auf die Stadt Eschwege allein 5 023 915 Mk. — Im Fürstentum Birken feld haben sich bei der Erklärung zur Wehr- . beitragssteuer 19 Mill. Mk. mehr ergeben, als bisher versteuert wurden. Auf die Städte Idar und Oberstein kommen davon 11 Mill. Mark. Zwangsweise Entfernung von Reklame schildern. Die Säuberung der Eisenbahn- strecken von unschönen Reklameschildern wird gegenwärtig allgemein durchgeführt. Nachdem dahinzielende Verfügungen und Erlasse der Regierungspräsidenten, Landräte und Ge meindeverwaltungen vom Reichsgericht als zu Recht bestehend bezeichnet wurden, sind die Reklameveransialter zur Beseitigung der Re- klametchilder aufgefordert worden. Kämen sie innerhalb der bestimmten Krist der Auffor derung nicht nach, dann würde die zwangs weise Beseitigung der Schilder vorgenommen werden. Fast allgemein war der 1. Februar als Endtermin der Frist angegeben, so daß jetzt die noch nicht entfernten Reklameschilder zwangsweise beseitigt werden. Beratung der deutschen Militäreisen- bahubehörden. In Frankfurt a. M. sand am 17. d. Mts. eine Beratung der deutschen Mili- täreisenbahnbehörden statt. Daran nahmen Vertreter des Großen Generalstabes, des Generalstabes aller Armeekorps, des Admiral stabes, der Marinestationen, der verschiedenen Kriegsministerien und sämtlicher Linienschiffs kommandanten teil, ferner Vertreter des Reichseisenbahnamtes, des Ministeriums der öffentlichen Arbeiten, endlich die Bahnbevoll mächtigten aller Effenbahndirektionen und selbständigen Bahnverwaltungen des Deutschen Reiches. Arbeits-Jubiläen bei Krupp. Nicht weniger als 375 Veteranen der Arbeit, die fünfundzwanzig Jahre ununterbrochen in Kruppschen Diensten tätig gewesen sind, emp fingen von der Familie Krupp die Erinne rungsmedaille und ein reichlich bemessenes Geldgeschenk. Herr Krupp von Bohlen und Halbach dankte den Judilaren für ihre treue Arbeit. Aufklärung von 200 Wohnungscin- brüchen. Einen guten Fang hat die Schöne berger Kriminalpolizei mit der Festnahme zweier 20jähriger Burschen gemacht, die nach Ansicht ihrer Eltern dem ehrlichen Schlosser und Glaserhandwerk nachgingen, in Wirklich keit aber schon monatelang zahllose Wohnungs- einbrüche verübten. Die Einbrecher haben nach ihrer eigenen Angabe weit über 200 Ein brüche in Großberlin ausgeführt. Bärenjagd in Gera. In Gera hielt für einige Stunden eine Bärenjagd die ganze Stadt in Aufregung. Im dortigen Residenz- Theater gastiert zurzeit eine Artistengruppe, die zwei Bären mit sich führt. Eins dieser Tiere entkam aus dem Käfig und gelangte ins Freie. Das Tier durcheilte einige Straßen der Stadt und verursachte in der Bevölkerung einen ungeheuren Schrecken. Ein Fleischer lehrling, der sich dem Bären entgegenstellte, wurde erheblich verletzt, ebenso ein Schutz mann, der das Tier einzusangen versuchte. Einem großem Posten von Schutzleuten ge lang es nach einigen Stunden, den Bären in einem nahegelegenen Walde zu stellen und zu fesseln. Grohfeuer in einer Infanterie-Kaserne. In dem Gebäude der vierten Kompagnie des Infanterie-Regiments Nr. 118 in Worms brach am Abend des 16. Februar Feuer aus. Dieses griff so schnell um sich, daß das ganze Ge bäude in wenigen Augenblicken in Flammen stand. Zahlreiche Platzpatronen, die in der Kaserne lagerten, explodierten. Eine Viertel stunde lang hörte es sich wie ein heftiges Gefechtsschießen an. Menschenleben sind nicht zu beklagen. Ende eines „Kriegsspiels". In Kaaden (Böhmen) spielte eine Anzahl Schuljungen „Krieg". Eine Partei waren die „Türken", die andere die „Montenegriner". Die Monte negriner lösten Steine aus dem Abhang des Egertales und ließen sie Hinabrollen. Dabei konnte ein 13 Jahre alter Junge einem mehrere Zentner schweren Felsblock nicht mehr aus weichen und wurde unter demselben begraben. Das Felsstück mußte mit Pulver gesprengt werden, damit die zerquetschte Kindesleiche ge borgen werden konnte. Ein teures Halsband. In einem Pariser Hotel wurde ein siebenreihiges, aus vierhundert — Zwei Züge der i^riscobahn (Nord amerika) sind in der Nähe von Springfield (Missouri) zusammengestoßen. 58 Personen wurden verletzt. Aoitlpielige Haufe. Anläßlich der Taufe des jüngst geborenen Sohnes des Prinzen Viktor Napoleon wird darauf hingewiesen, welche stattlichen Aus gaben zur Zeit des zweiten Kaiserreiches bei der Tame des Prinzen Lulu, des Sohnes Napoleons III. und der Kaiserin Eugenie, ge macht wurden. Für die Taufe wurden ausgegeben: ein Medaillon mit Diamanten besitzt 25 000 Frank, Vergütungen an die Ärzte 62 000, Vergütungen an die Hebamme 6000, für Musiker und Kom ponisten 10 000, für Schriftsteller 10 000, für Abschied des Prinzen zu Wied von den 3. Garde-Ulanen in Potsdam. Der Prinz und zukünftige H rrscher von Albanien (X) vor seiner Eskadron. Dem Prinzen Wilhelm zu Wied, der bis vor ganz kurzer Zeit dem 3. Garde-Mansn-Regiment als Rittmeister angehörts, hat das Osfizierkorps ein Abschiedssest gegeben. Der Prinz ist bei seinen Vorgesetzten, Kameraden und Untergebenen gleich beliebt, und so hatte sich denn das Offizier korps vollzählig im Kasino versammelt; auch zahl ¬ reiche Offi iere des Regiments der Gardedukorps, dem der Prinz früher angehört hatte, waren er schienen, ebenso die Offiziere der 1. Garde-Ulanen, des Schwester-Regiments in der Brigade. Der Prinz oeraschiedete sich in einer kurzen Ansprache und dankte den Offizieren noch einmal durch Händedruck. und drei Perlen gebildetes Halsband für den Betrag von 580000 Mark verkauft. Eine Diamantenschnur erzielte die ansehnliche Summe von 75 000 Mark. Der Mann mit dem Doppelmagen. Bei einem neunzehnjährigen Mann aus Grindelwald im schweizerischen Kanton Bern, der von Jugend auf über Magenbeschwerden klagte, wurde jetzt die überraschende Ent deckung gemacht, daß er zwei Magen hat. Der Kranke soll demnächst operiert werden. 11V Personen gerettet. Der Mississippi- Dampfer „Queen City", der von Pitlsburg nach New Orleans mit Karnevaldesuchern unterwegs war, ist in der Nähe von Louis- ville gesunken. Unter den Frauen entstanden furchtbare Schreckensszenen. Die Vergnügungs- Reisenden, 110 an der Zahl, konnten trotz des starken Eisganges im letzten Augenblick ge rettet werden. Allerlei vom Tage. — In Gelsenkirchen wurde in der Woh nung eines Kaufmanns eine Spielbank aus gehoben. 21 Personen wurden ver - hastet. — Bei dem Bankhause von der Heydt in Barmen sind Veruntreuungen in Höhe von 1600 000 M a rk sestgestellt worden. -—Der greise Landwirt Burbach in Bachenberg (Oberhessen), der reichste Einwohner des Ortes, hat sich erhängt, weil ihm die Heranziehung zur Wehr st euer das Leben ver leidet hatte. — Auf unerklärliche Weise sind in der Wohnung des spanischen Bankiers Trigueros in Paris für etwa 100 000 M k. Juwelen ent wendet worden. — Ein Provinzbankier tötete in Brüssel einen Schneider und dessen Buch halter, weil sie über sein Bankgeschäft den Konkurs beantragen wollten. Dramatiker 10 000, für Solomusiker 10 000, für Maler und Bildhauer 10 000, für industrielle Erfinder 10 000 Frank. Den Ärzten des Seine-Distriks wurden 10 000 Frank über wiesen, den Wobltäiigkeitsämtern des Seine- Bezirks und jener Gemeinden, in deren Gebiet Krongüter lagen, 93 000 Frank. Layette er hielt 100 000 Frank. Die Angehörigen des persön ichen Dienstes der Kaiserin erhielten 11000 Frank. Die Volksvorstellungen, die anläßlich der Taufe des Prinzen Lulu statt fanden, erforderten 44 000 Frank, 50 000 Frank wurden den Vätern von Kindern gewährt, die am Geburtstage des Prinzen (16. August) ge boren waren. Für die Schriftsteller und Komponisten, die anläßlich der Geburt des Prinzen Gedichte, Lieder und Kantaten ge schaffen hatten, sowie für die Truppen und Schüler der Gymnasien wurden Medaillen geprägt, die insgesamt 85 000 Frank kosteten. Das Kaiserpaar übernahm die Patenschaft bei allen Kindern, die am 16. August geboren worden waren. Die Eltern dieser kaiserlichen Patenkinder erhielten eine gedruckte Anmer kung, deren Herstellung wiederum 20 000 Frank kostete. Der Zug zum Tauffeste mit den be sonderen Aufwendungen, die der Marstall dabei machen mußte, erforderte 172000 Frank, die Geschenke für alle Bediensteten des läster lichen Haushaltes 160 000 Frank. So ergibt sich a!s Endsumme für die Kosten der Taufe des Prinzen Lulu der hübsche Betrag von 898 000 Frank. Volkswirtschaftliches. Das Kleinbaucrntum in Berlin. Dis in Berlin betriebene Viehzucht ist heute nur noch sehr gering. Die letzte Viehzählung ergab einen Bestand von 59 481 Stück Vieh, worin allerdings insgesamt 45 438 Pferde eingeschloffen sind. Die Zahl der Rinder, meist Bestände der Molkereien, belief sich nur auf 11500. Mehr für den per sönlichen Bedarf hat die Schweinezucht zu sorgen. Es wurden 2000 Schweine gezählt. Durch die Anlage der Laubenkolonien wird die Ziegen haltung etwas begünstigt, da sich Futter stets reichlich vorfindet und üer geringe Ankauf von etwa notwendig werdenden Futtermitteln durch die gewonnene Milch reichlich aufgewogen wird. Deshalb werden in Berlin zurzeit 500 Ziegen ge halten. Außerdem waren noch 43 Schafe vor handen, von denen 27 in einer der Lauben- lolomen aufgezogen wurden. Die Zahl der in Berlin gehaltenen Kaninchen wird dagegen auf über 100 000 geschätzt. Gegen das Zugabcwesen. Die Budget- kommiision des preußischen Abgeordnetenhauses hat beim Etat der Handels- und Gewerbever waltung einige Fragen au den Mnister gerichtet, die vor, allem das Zugabewesen betrafen. Der Minister erklärte, eine Umfrage bei den Handels kammern habe ergeben, daß die jetzigen Be stimmungen über den unlauteren Wettbewerb nicht genügen, um die Mißstände im Zugabe wesen zu beseitigen. Es werde deshalb ein gesetz liches Vorgehen erwogen. l-uftschiffahr^ — Unsere neuen Zeppelinluftschiffe erhalten einen neuen Motor von geradezu ungewöhnlicher Leistungsfähigkeit. Es handelt sich dabei um eine Arbeit bes Ingenieurs Maybach, des Direktors der Motorenfabrik der Luftschiffwerft in Friedrichs hafen. Der neue Motor übertrifft die Leistung der letzten Maybach-Motoren um 30 Pferdestärken, und ist außerdem 18 Kilogramm leichter als der alte Maybach-Motor. Der Wert des neuen Motors liegt vor alem darin, daß jede Gewicht-ersparnis naturgemäß bei Luftschiffen sehr erwünscht ist, und eine Vermehrung der Motorkraft die Brauchbarkeit eines Luftschiffes steigert. Jede Vergrößerung der Motorstärke bedeutet ein Mehr an Geschwindigkeit. — Bei Pensacola in Florida (Ver. Staaten) ist Leutnant Murray vom Fliegerkorps der Marine mit seinem Flugzeug aus einer Höhe von 800 Fuß in das Meer gefallen und er trunken. Vermischtes. Am Kraftwagen entführt. Ein lustiges Autlerstückchen erzählt man sich zurzeit in Kottbus. Dort wollte nämlich kürzlich ein Polizeisergeant des Abends einen Kraftwagen, der mit übermäßiger Geschwindigkeit heran gesaust kam und dann plötzlich gewendet hatte, anhatten, um die Person des Führers feNzustellen. Da dieser aber keine Miene machte, zu haften, sprang der Beamte rasch entschlossen aufs Trittvrett. Da schaltete der Bührer die volle Geschwindigkeit ein und sauste mit dem Beamten davon, ohne sich durch Drohungen oder gute Worte zum Halten bewegen zu lassen. Auf der Chaussee ver suchte der Kraftwagenführer sich dann des Polizeibeamten zu entledigen. Er gab vor, der Reifen sei geplatzt und stieg ab. Aber der Beamte beobachtete ihn, und als der Führer sich wieder auf den Sitz schwang und davon rasen wollte, hatte auch der Beamte seinen Platz auf dem Wagen wieder eingenomnien. Der Polizist glaubte nun, es mit einem Diebe oder einem Irrsinnigen zu tun zu heben und hielt dem Wagenführer deshalb den Revolver vor, während der Kraftwagenführer glaubte, daß sich der Polizist der Führung des Autos bemächtigen wolle. In Vetschau endlich ließ sich der Autoführer durch die Drohung des Beamten, von der Waffe wirklich Gebrauch zu machen, dazu bewegen, das Auto zum Halten zu bringen, so daß der Beamte aus-steigen konnte. Dieser stellte dann die Persönlichkeit des Wagenführers fest. Gericktsballe. Köln. Vor einigen Monaten wurde in Köln zur Überraschung manchen Gastwirts in mehreren Lokalen scharfe Polizeikontrolle bei Tanzbelustigun gen vorgenommen, veranlaßt durch eine Zivil person, die durch sicheres Auftreten sich allgemein Respekt zu verschaffen verstand. Als der angeb liche Polizeiassessor sich aber ichließlich an Tänzen beteiligte, schöpfte man Verdacht und ließ den Herrn „Polizeiassessor" verhaften. Jetzt verurteilte die Kölner Strafkammer den Pieudo-Asseffor, einen früheren Postangestellten, wegen Amtsan maßung zu drei Monaten Gefängnis. Wohnzimmer von ihr sprachen, in einem festen und ruhigen Schlummer, der nach der Ver sicherung des jungen Arztes als der Anfang der Genesung zu betrachten war. Es hatte während dieser neun Tage manche Stunde gegeben, wo Helmut nahe daran gewesen war, alle Hoffnung auf die Erhaltung des zarten jungen Lebens fahren zu lassen. Aber er hatte gegen den unbarmherzigen Würger, der seine Knochenhand begierig nach dieser lieblichen Menschenblume ausstreckte, mit allen Waffen seiner Wissenschaft einen unermüdlichen, er bitterten Kampf geführt, dem jetzt endlich der ersehnte Sieg winkte. Und Fanny war ihm eine treue Gehilfin gewesen, die beste und aufopferndste Pflegerin, der er jemals an einem Krankenbett begegnet war. Sie waren einander in dieser gemeinsamen Tätigkeit während der kurzen Zeit näher gekommen, als es unter anderen Umständen hätte der Fall sein können. Hellmut hatte sich täglich zu wiederholten Malen im Hause des Bau meisters eingefunden, und er hatte einmal, als das Äußerste nahe bevorzustehen schien, sogar die ganze Nacht mit Fanny am Bett ihrer Schwester durchwacht. Rudolf Eggers hatte gerade an jenem Tage in dringender Angelegenheit verreisen müssen. Bei einer auswärtigen Konkurrenz um den Bau eines Rathauses war ihm der erste Preis zugefallen, und man wünschte seine Anwesen heit, um wegen der Bauausführung mit ihm zu verhandeln. Vielleicht hätte er die Abreise trotzdem noch um einige Tage hinausschieben können. Aber er nahm offenbar nicht ungern die Gelegenheit wahr, seinem durch die An wesenheit einer Schwerkranken so still und trübselig gewordenen Hause auf einige Zeit den Rücken zu kehren. Fanny und Helmut waren, da sie das zu Tode erschöpfte Mäd chen zu Bett geschickt hatten, die ganze Nacht hindurch allein miteinander gewesen. Sie hatten während der langen, träge schleichen den Stunden nicht viel gesprochen. Und auch dies wenige hatte nur auf das Befinden Evas Bezug gehabt. Aber als endlich der Tag aufdämmerte und Helmut eher eine leichte Besserung als eine Verschlimmerung in dem Zustande der Patientin feststellen konnte, hatten sie doch beide gefühlt, daß diese Stunden des gemeinsamen Sorgens und Bangens ein festeres Band zwischen ihnen gewoben hatten, als ein monatelanger Ver kehr unter gewöhnlichen Umständen es hätte knüpfen können. Nun, da das Schlimmste überstanden war, da sie erleichtert aufatmen durften, sprachen sie an diesem Abend zum ersten Male in einem freieren, fast heiteren Tone miteinander. „Wissen Sie noch immer nicht, wann Sie Ihren Gatten zurückerwarten dürfen?" fragte Helmut, dem es offenbar schwer fiel, sich aus dem anheimelnden Behagen des von den rotverschleierten Lampen w warm durch leuchteten Zimmers loszumachen. „Er ist jetzt doch schon beinahe eine Woche fort." Fanny, die wieder den lösen, ungegürteten Schlafrock trug, der nach Helmuts Meinung die Schönheit ihrer klassischen Gestalt am wirksamsten heroorhob, schüttette den Kopf. „Rudolf verwöhnt mich nicht gerade mit seinen Briefen." sagte sie. „Ich habe ihm täglich über Evas Befinden Bericht erstattet, er selbst aber hat mir in diesen sechs Tagen nur zweimal geschrieben, daß die Konferenzen und Verhandlungen noch immer nicht zu einem Ergebnis geführt hätten. Da werde ich mich wohl noch eine Weile in Geduld fassen müssen." In diesem Augenblick steckte das junge Hausmädchen den Kopf zur Tür herein und fragte, ob sie der Frau Baumeister den Tee im Wohnzimmer servieren dürfte. Helmut griff nach seinem Hute, aber Frau Fanny wandte sich an ihn mit einem sehr anmutigen, etwas verlegenen Lächeln: „Wenn ich Sie vielleicht einladen dürfte, den Abendimbiß mit mir zu teilen! — Ich habe Jbnen noch nicht ein einziges Mal Gast freundschaft erweisen dürfen." Er sah. aus wie jemand, dem etwas sehr Erfreuliches widerfahren ist. Trotzdem zögerte er ein wenig. Ein Tete-a-tete mit einer schönen jungen Frau zu solcher Stunde und in Abwesenheit ihres Gatten würde trotz der verwandtschaftlichen Beziehungen gewiß manchem hier in der Stadt als einigermaßen unschicklich erschienen sein. Und er hatte für- wahr nicht die Absicht, sie ins Gerede zu bringen. Aber rm nächsten Augenblick schon verwarf er dies Bedenken als lächerlich philiströs und spießbürgerlich. Einmal brauchte doch niemand etwas davon zu erfahren und dann hatte er selbst ihr ia noch vor kur'em den Rat gegeben, sich über die törichte Be- schränkheit in den sittlichen Anschauungen ihrer Umgebung hinwegzusetzen. „Wenn ich sicher sein kann, Ihnen nicht lästig zu fallen, nehme ich die freundliche Ein ladung mit Vergnügen an." erklärte er. „Weder im Hause meiner Mutter noch sonstwo im Bannkreisen unserer guten Stadt wüßte ich einen traulicheren und behaglicheren Winkel als es in diesem Augenblick Ihr Wohnstübchen ist, Fran Kusine!" Die Aufrichtigkeit im Klang seiner Worte machte ihr unverkennbar Vergnügen. „Natürlich müssen Sie mir versprechen, ganz anspruchslos zu sein," sagte sie fröhlich, „sowohl hinsichtlich der Bewirtung als hin sichtlich der Unterhaltung. Denn ein Schelm gibt mebr als er hat. Ein Glas Tee und etwas kalte Küche — ist Ihnen das genug?" Er beruhigte sie lächelnd, und nun ging sie selbst mit wahrem Haussraueneifer daran, das runde Tischchen, das in der Erkernische stand, so einladend als möglich für ihr improvisiertes Souper herzurichten. Der Druck, der bis heute auf ihr gelegen und ihm, wie er sich jetzt sagte, gerade die anmutigsten Seiten ihres Wesens verborgen hatte, schien mit einem Male von ihr gewichen. Dies Abendessen zu zweien war ihr unverkennbar etwas wie ein kleines Abenteuer» das allerlei schalkhafte Geister in ihrer Seele wachrief. Und während sie mit jener zierlichen Grazie, die jeder ihrer Bewegung eigentümlich war, die Keinen an und für sich so prosaischen Verrichtungen^vor- nahm, plauderte sie leicht und liebenswürdig mit ihrem Gaste, der keinen Blick von ihrem reizenden Kopfe und von dem entzückenden Spiel ihrer schönen jungen Glieder ver wandte. Zs l« (Fortsetzung folgt.)
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