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Die „feste" Anstellung. Wie groß in dem beute wirtschaftlich so beengten Leben die Sehnsucht nach einer .festen" Beamtenstellung ftt, und sei sie noch so unbedeutend, zeigt das Ergebnis der Ausschreibung der Stelle eines Krankenkaffenboten in Wiesbaden. Es meldeten sich nicht weniger als 700 Bewerber, die sich zum großen Teil in recht guten Privat stellungen befinden, teilweise sogar dem Haus- besitzerstand angehören. Vergiftetes Kommitzbrot. Ein uner hörter Anschlag auf das Leben der Soldaten der Garnison Amiens wurde in der dortigen Garnisonbäckerei entdeckt. Als die Bäcker die fertig geformten Brote in den Ofen schieben wollten, fiel ihnen ein eigenartig scharfer Geruch auf. Der Teig wurde untersucht, und es ergab sich, daß jemand eine giftige Kupfer lösung hineingemischt hatte. Die Militär behörde hat zwei der Tat verdächtige Solda ten verhaftet. Französisches Kriegsschiff schwer be schädigt. Bei der Einfahrt in den Hafen von Cherbourg geriet ein englischer Dampier infolge des heftigen Sturmes in gefährliche Nähe des auf der Reede verankerten fran zösischen Panzerkreuzers .Admiral Aube". Der Kommandant des Kriegsschiffes konnte durch eine glückliche Bewegung den Zusammenstoß mit dem Postdampfer vermeiden. Bei der Drehung stieß aber der Kreuzer mit großer Heftigkeit an die für Torpedoübungen be stimmte Panzerbatterie „Jmprenable", wobei alle oberhalb der Wasserlinie liegenden Teile des Panzerkreuzers schwere Beschädigungen er- litten. Verhängnisvolle Hellseherei. Vor kurzem verschwand der Besitzer einer Fabrik bei Landeneau unweit Brest. Man vermutete Mord und nahm schließlich die Hilfe einer in der Nachbarschaft bekannten Hellseherin in An spruch. Diese führte im Traumzustand die Gerichtskommission zu einer Stelle im Walde, der an das Fabrikterrain grenzt. Dort fand man in der Tat die Leiche des Vermißten in der Erde verscharrt. Ein Ingenieur der Fabrik, mit dem zusammen man den Er mordeten zuletzt gesehen hat, wurde in Unter suchungshaft genommen, doch glaubt niemand an seine Schuld. Mangel an modernen Verkehrstech nikern. Ganz England fühlt sich beschämt, weil Lord Hamilton, einer der englischen Eisenbahnbesitzer, erklärte, daß er keinen Eng länder habe finden können, der geeignet ge wesen wäre, die Leitung der großen Ost-Eisen bahn zu übernehmen, und da' man nach Amerika gehen müsse, um eine Persönlichkeit zu finden, die die englische Bahn auf die Höhe moderner Verkehrsbedürfnisse heben könne. Der neu ernannte Generaldirektor heißt Henry W. Thornton. Neue Kriegswaffc. Einem italienischen Ingenieur namens Uligi ist es gelungen, Sprengstoffe im Innern von Schiffen, be sonders in Kriegsschiffen, auf weite Entfer nungen durch elektrische Wellen zur Explosion zu bringen. Drei mit verschiedenen Pulver sorten gefüllte Torpedos wurden auf den Grund des Arnoflusses versenkt und alle drei zur Explosion gebracht. Schnecsturm au der amerikanischen Küste. Ein Blizzard, der über die amerika nische Küste heretnbrach, hatte neben einer all gemeinen Verkehrsstockung auch zahlreiche Un glücksfälle im Gefolge. Während der Dauer des mit 68 Meilen Stundengeschwindigkeit daherbrausenden Orkans gingen zehn Zoll Schnee nieder. Sieben Personen starben in New Dort während des SchneeOurms teils infolge von Unfällen, teils aus Erschöpfung. Das New Iorker Straßenreinigungsdeparte ment stellte 14000 Hilfskräfte zur Schnee abfuhr ein. Allerlei vom Tage. — Durch ein Großfsuer wurden im Dorfe Parlinek bei Lissa (Posen) sieben Gehöfte eingeäschert. SOO Zentner ausgedroschenes Getreide, sowie sämtliche Futtervorräte ver brannten. — Ein Österreicher namens Flieg ist in Kiew unter Spionageverdacht ver haftet worden. — Die Tariskommission der öster reichischen Buchdrucker hat ihre Be ratungen durch richterlichen Schiedsspruch und durch Ausgleich beendet. Damit ist der Tarifkonflikt des Buchdruckgewerbes in Österreich vollständig erledigt. Die Wieder aufnahme der Arbeit ist nunmehr erfolgt. — Dem Direktor Schulz von der Gewerk schaft „Constanze" in Langenaubach (bei Dillen burg im Westerwald) ist durch einen seiner Arbeiter, einen Kroaten, in seinem Zimmer mit der Axt die S ch ä d e l d e ck e z e r t r ü m m e r t worden. Der Täter ist geflüchtet. Die Veran lassung zu der Tat gab die Entlastung des einen starken Wasserstrahl auf den Rasenden, dem nur mit großer Mühe die Waffe entwunden werden konnte. — In der Nähe von Troyes wurden drei Mädchen von einem Zuge überfahren und getötet. — Der transatlantische Dampfer „Niagara", der von La Havre nach New Dort fuhr, befindet sich in Seenot, da er infolge des heftigen Wogenqanges seine Steuerbordschraube und eine seiner Backbordschrauben verloren hat. Küäer aus Durazo, der zukünftigen Hauptstadt des Fürstentums Albanien. Arbeiters. Der Zustand des Direktors ist hoff nungslos. — Zn Böhmisch-Leipa tötete der Steuer beamte Koch st ein in plötzlich ausbrechendem Wahnsinn seine Mutter durch zwei Schüsse in Herz und Lunge. Die Feuerwehr richtete VolkswirtsekLMickes. Kein Nrbeitskammcrgcsctz. Schon im Jahre 1912 sind von zwei Seiten im Reichstag Ent würfe für ein neues Arbeitskammergesetz einge bracht worden. Man darf eS aber als höchst unwahrscheinlich ansehen, daß die Reichsregierung sich in absehbarer Zeit zur Einbringung einer neuen Vorlage entschließen wird. Die erste Vor lage scheiterte 1911, weil über die Zulassung der Arbeitersekretäre zu den Kammern eine Einigung zwischen der Regierung und dem Reichstag nich erzielt werden konnte. Leistungen der sozialpolitischen Gesetze. Nach einer im Reichsversicherungsamt gefertigten Zusammenstellung sind von den 31 Landes versicherungsanstalten und den 10 vorhandenen Sonderanstalten bis einschließlich 31. Dezember 1913 2 239 933 Invalidenrenten, 160 610 Kranken renten, 528 599 Altersrenten, 12 285 Witwen renten, 413 Witwenkrankenrenten, 39 881 Waisen renten (Rente an Waiienstämme) und 6 Zuutz- renten bewilligt worden. Davon find in dem letzten Kalendervierteljahr 32 670 Invalidenrenten, 3160 Krankenrenten, 2997 Altersrenten, 2155 Witwen- und Witwerrenten, 110 Witwenkranken renten, 6149 Waisenrenten (Renten an Waisen stämme) und 3 Zusatzrenten festgesetzt worden. Kiel. In der Berufungsoerhandtung vor dem Marine-Oberkriegsgericht wurden die kürüich von dem Marinekriegsgericht über vier Matrosen artilleristen wegen Aufruhrs im Fort Stosch an der Kieler Föhrde verhängten schweren Zucht hausstrafen in Gefängnisstrafen von je einem Jahre umgewandelt. Das Gericht hat nur „Un gehorsam gegen dienstliche Befehle vor ver sammelter Mannschaft" angenommen. Magdeburg. In dem Prozeß gegen die Fabrikbesitzer Walter und Friedrich Beschke aus Magdeburg, gegen deren frühere Pro uristin Helene Altmann und gegen den Kaufmann Ladecke wegen unlauteren Wettbewerbs, begangen durch Bestechung von Angestellten und Vertretern öffentlicher und privater Betriebe wurde folgendes Urteil gefällt: Die Angeklagten Fabrikbesitzer Walter und Friedrich Be'chke werden wegen Ver gehens gegen den § 12 des Gesetzes zur Bekämp- lung des unlauteren Wettbewerbs zu einer Ge fängnisstrafe von je einem Monat und zu einer -relüstrafe von je 5000 Mark oder zu weiteren 500 Tagen Geiängnis verurteilt. Die Angeklagte Helene Altmann wird zu einer Geldstrafe von 200 Mark oder zu zwanzig Taren Gefängnis ver urteilt. Der Angeklagte Wilhelm Ladecke wird zu einer Geldstrafe von 300 Mark oder zu 30 Tagen Gefängnis verurteilt. Außerdem wer den die Kosten des Verfahrens den Angeklagten auferleat. ^7ei*rni leeres Ei» Hauptmann un Packwagen. Das weiche Polster der ersten Klaffe des Schnell zuges mit einem harten Stuhlsitz im Pack wagen eines Güterzuges hat in einer der letzten Nächte ein Hauptmann der Garnison Saar burg vertauschen müssen. Damit hatte es folgende Bewandtnis: Der Offizier benutzte, vom Statthalterball kommend, zur Heimfahrt den um Ve2 Uhr Straßburg verlassenden O-Zug Basel—Ostende. Beim erstmaligen Halten in Zabern glaubte derHauptmann,bereits in Saarburg zu lein und stieg aus. Kaum hatte uch der Zug zur Weiterfahrt in Bewegung gesetzt, als der ausgestiegene Passagier seinen Irrtum gewahrte. Es war aber nichts mehr zu machen; denn der Zug rollte bereits dem ersten Tunnel zu. Der zurückgebliebene Haupt mann begab sich nach dem Stationsbureau und klagte sein Leid. Ein zufälligerweise von Straßburg kommender Gülerzug nahm den Hauptmann auf. der nun in dem Packwagen seine Reise nach Saarburg fortsetzen konnte. In Rieding, dem Haltepunkt für Güterzüge, mußte er seine Fahrt nochmals unterbrechen und zu Fuß nach dem etwa eine Stunde weit entfernten Garniionort marschieren. L^Mge Scke. Lohnt nicht. „Die Badewanne ist ja wieder nicht geputzt." — „Ach, ich dachte, die gnädlH» Frau wollte sie sowieso gleich benutzen." Das Modell. Ein Bewunderer zu dem be rühmten Romanschriftsteller: „Wo haben Sie nur die>e erschütternde Schilderung des kranken Kindes her?" — Der ' berühmte Schriftsteller: „Ach, so benimmt sich immer mein Junge, wenn er nicht in die Schule will und behauptet, er erfahrene Person, der man wohl Vertrauen schenken darf." Er fand nichts Bedenkliches darin, und fünf Minuten später stand er der jungen Frau wieder unten im Wohnzimmer gegenüber. Sie war jetzt erschreckend bleich und die Erregung spiegelte sich deutlich genug auf ihrem Gesicht. „Meine Schwester ist schwer krank? Ver hehlen Sie mir nichts. Sie wird vielleicht sterben." „Das verhüte der Himmel. Und es ist glücklicherweise bis jetzt nicht der geringste Anlaß vorhanden, etwas Derartiges zu fürchten. Volle Sicherheit über die Natur der Krank heit werde ich allerdings erst aus einer gründ lichen Untersuchung gewinnen können. Aber ich möchte dieselbe aus triftigen Gründen nicht vornehmen, solange die Kranke sich in dem gegenwärtigen Erregungszustand befindet." „Und ist es — ist es etwas Ansteckendes?" „Wohl nicht im gewöhnlichen Sinne des Wortes. Aber wenn Sie in. dieser Hinsicht ängstlich sind, so tun Sie doch vielleicht besser, Ihre Schwester dem Krantenhause zu über geben." Mit Entschiedenheit schüttelte Fanny den Kopf „Davon kann nicht die Rede sein. Und ich werde auch keine Pflegerin annehmen. Sie müssen mir sagen, was ich zu tun habe, und ich werde alles gewissenhaft erfüllen. Ich fürchte nicht, daß es über meine Kräfte gehen könnte." „Das ist ein heroischer Entschluß, der Ihrer Schwesterliebe alle Ehre macht. Aber ich weiß doch nicht, ob ich Sie darin bestärken darf. Es ist durchaus nicht unwahrscheinlich. daß die Fiebererscheinungen noch stürmischer werden. Und während der nächsten acht oder zehn Tage wird die Kranke Tag und Nacht der ununterbrochenen Beaufsichtigung be dürfen." „Ich werde mich mit dem Mädchen in die Pflege teilen und ich werde jedenfalls alle Nachtwachen auf mich nehmen. Ich habe eine starke Natur und brauche sehr wenig Schlaf. Es ist nicht das erstemal, Laß ich eine Schwer kranke pflege." „Da Sie so fest entschlossen sind, darf ich wohl nicht weiter widersprechen. Es wird ja, wenn die Aufgabe für Sie zu angreisend wird, auch immer noch Zeit sein, eine berufsmäßige Wärterin zu beschaffen. Der Arzt, dem Sie die weitere Behandlung Ihrer Schwester an vertrauen, wird gewiß nicht versäumen. Sie rechtzeitig auf den Eintritt dieser Notwendig keit aufmerksam zu machen." Er las auf ihrem Gesicht die Bestürzung, in die seine letzten Worte sie versetzt hatten. „Ja, wollen Sie denn nicht selbst — ? Mein Mann sagte mir doch, daß Sie zurück- gekehrt seien, um sich dauernd hier nieder zulassen." „Das ist auch ganz richtig. Aber gerade deshalb bin ich aus Gründen der Standes- ehre genötigt, besondere Rücksichten auf meine hier schon seit längerer Zeit praktizierenden Kollegen zu nehmen. Sie hatten doch wohl bis jetzt einen Hausarzt?" „Allerdings — den alten Sanitätsrat Heimerdinger. Aber er kann sich doch unmög lich darüber wundern, wenn mein Mann jetzt dem ihm näherstehenden Arzt aus der eigenen Familie den Vorzug gibt." „Es würde mich immerhin in eine etwas peinliche Lage bringen. Und so schmeichelhaft mir auch Ihr Vertrauen sein muß, möchte ich Sie doch ersuchen, sich möglichst noch heute an den Sanitätsrat zu wenden, der ja seit langem den Ruf eines durchaus tüchtigen und gewissen haften Arztes genießt." Ein fast zorniger Blick aus Fannys schönen Augen traf sein Gesicht. „Aber Sie müssen doch längst bemerkt haben, Herr Doktor, daß ich meine besonderen Gründe habe, keine anderen als Sie an das Krankenbett meiner Schwester zu lassen. Unsere Bekanntschaft ist zu kurz, als daß ich Sie bitten dürfte, mir zuliebe irgend ein Opfer zu bringen. Aber was Sie für mich nicht tun würden, tun Sie doch vielleicht aus Freund schaft für meinen Mann." „Ich würde iür Rudolf mit Freuden alles tun, was in meinen Kräften steht! Aber ich begreife nicht recht —" „O, Sie begrei en es sehr wohl! Und ich würde Ihnen sehr dankbar sein, wenn Sie es mir nicht so schwer machten, mich Ihnen zu erklären. Sagen Sie mir doch ganz auf richtig, Herr Doktor: für was halten Sie meine Schwester, ihrem Beruf nach meine ich ?" Er lächelte etwas verlegen. „Das ist eine schwer zu beantwortende Frage. Eine Bühnenkünstlerin vielleicht —" „Ja," bestätigte sie kurz. „Und damit wir gleich im klaren sind: eine Operettensängerin. Es ist nicht schwer, das aus ihren Fieber delirien zu erraten — nicht wahr? Jeder Arzt und jede Pflegerin müßten innerhalb weniger Augenblicke dahinter gekommen sein, denn sie glaubt sich ja beständig auf der Bühne und hört nicht auf, abgerissene Operettenmelodien zu singen oder ganze Szenen zu spielen. Sie werden mir antworten, daß ein Arzt zur Ver schwiegenheit verpflichtet sei: ich aber sage Ihnen auf Grund meiner Erfahrung, daß jede interessante Neuigkeit, die heute zur Kenntnis des Sanitätsrats gelangt, innerhalb längstens vierundzwanzig Stunden zum Stadtgespräch geworden ist. Und eine interessante Neuig keit wäre es doch gewiß, daß der Herr Bau meister Eggers, der Sprößling einer so tugendsamen und ehrenfesten Familie unter seinem Dachs eine Operettensängerin be herbergt, die noch dazu feine Schwägerin ist." „Ist es das, was Sie fürchten? — Legen Sie wirklich so viel Gewicht auf das Gerede der Leute?" Verächtlich zog Fanny die Oberlippe. „Ich? — O, ich würde, wenn ich ganz auf mich allein gestellt wäre, wahrhaftig blut wenig danach fragen. Aber ich weiß, daß Rudolf geradezu in Verzweiflung geraten würde bei der Vorstellung, daß seine Familien verhältnisse in allen Jungsern-Konventikeln und Kaffeekränzchen dieser guten Stadt zum Gegenstand hämischer Erörterungen gemacht werden. Und ich hatte gehofft, daß Sie mir behilflich sein würden» es ihm zu ersparen. Denn nach allem, was er mir von Ihnen er zählt hat, wußte ich, daß ich Ihrer Ver schwiegenheit gewiß sein dürfte." „Das bedarf selbstverständlich nicht erst einer Versicherung. Und wenn ich Ihnen damit einen Dienst erweise, so bitte ich Sie, auch für die weitere Behandlung Ihrer Schwester aus mich zu erzählen." St« (Fortsetzung lolgt^