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Ottendorfer Zeitung : 20.02.1914
- Erscheinungsdatum
- 1914-02-20
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Privatperson
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-191402209
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19140220
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19140220
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-02
- Tag 1914-02-20
-
Monat
1914-02
-
Jahr
1914
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 20.02.1914
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Der Kunä äer I^anäivirte. Berlin, 16. Februar. Zum 21. Male bat der Bund der Land wirte seine alljährlich um diese Zeit wieder- kehrenbe grobe Heerschau abgehalten. Klarer als je wollte der Bund seine Stärke der Reichshäuptstadt vor Augen führen. So be gnügte er sieb denn nicht mit der altgewohnten Stätte seiner Versammlungen, dem Zirkus Bui'ch, sondern er batte zu gleicher Stunde nach dem Zirkus Schumann berufen. Dennoch bot der Zirkus Busch das bei diesen Tagungen noch stets gesehene Bild. Der weite Raum war von einer Kopf an Kopf sich drängenden Menge erfüllt, als Mr Mittagsstunde der Bundesvorsitzende Dr. R ö sickedie Versamm lung erö^nete. In dem Überblick über das verflossene Jahr weist der Redner zunächst darauf bin, daß die Ernte gut war, und daß derHandel eine erfreuliche Steigerung erfahren habe, ein Zeichen, daß unsere Handelspolitik, die sich auf eine ge sunde Agrarpolitik stützt, die richtige ist. Redner wendet sich dann gegen die Politik der Groß banken, die die Knappheit auf dem Geldmarkt verschuldet. DiePreise'inunsererLandwirtschaft gehen zurück, sowohl für Getreide wie iür Vieh. Wir nähern uns einem Tiesstand. Das Unglück trifft die Landwirtschaft nicht allein. Es trifft ganz Deutschland. Trotzdem die Reicksle'tung anerkannt, daß Verbesserungen in den Handels verträgen nötig sind, io scheint es dock, als ob man sich nicht rechtzeitig rüsten wollte. „Ich habe nur die eine Erklärung, daß die Reichsregierung über die Zusammensetzung des Reichstags so entsetzt ist, daß ste von dielem Reichstag kein Heil für unter Wirtschaftsleben erbofft, und weil sie sich schuldig fühlt an diesem Reichstag." Dr. Rösicke spricht dann von Zabern. „Ein Mann hat dort nach Ebre und Pflicht gehandelt. Das war der Oberst v. Reutter. Er hat gezeigt, was ein Mann kann und bedeutet. Jetzt weiß man, daß es dar auf ankam, die Kommandogewalt des Kaisers und die Vorrechte der Fürsten unter die Demokratisierung zu bringen. In Schweden zeigt sich der germa nische Geist, das germanische Empfinden im Bauernstand. So treten wir auch vor unseren Kaiser und sagen ihm, daß wir ihn nicht nur vor den äußeren, sondern auch vor den inneren Feinden beschirmen wollen. In diesem Sinne rufen wir: „Seine Majestät der Deutsche Kaiser, die deutschen Fürsten, die Freien Städte hoch!" Auch Dr. Diederich Hahn, der den Ge schäftsbericht erstattet, wendet sich in scharfen Worten gegen die Demokratie. — Der folgende Redner, Herr v. Oldenburg» Januschau bedauert, daß man bei der letzten Wehrvorlage das Eisen nicht geschmiedet habe, solange es warm war, damit ein zweites Marokko ein für allemal ausgeschloffen für uns bleibe. Auch an Rußland sollten wir ruhig denken. Es hat uns schlecht gelohnt, daß unser Kaiser sich des Zaren annahm, als seine Heere vor Mukden lagen. Wenn sich der Kanzler über den wachsenden Partikularis- mus beklagt, den er in diesem Reichstag nicht bekämpfen kann, so muß er einen andern Reichstag besorgen. Bezüglich Zabern erklärte der Redner, daß diese preußische Angelegen heit nicht vor den Reichstag gehörte. Es sprachen noch der bayrische Abgeordnete Vriyger und der Württemberger Schmid- Schöckingen. Sie wenden sich beide überein stimmend gegen den Partikularismus und feiern den Reichsgedanken, wenn sie auch die Eigenart der Stämme gewahrt wissen wollen. Einstimmig wurde dann eine Beschlußfassung angenommen, die zum Ausdruck bringt, daß der Bund der Landwirte mit Besorgnis davon Kenntnis genommen hat, daß auf allen Ge bieten- der Gesetzgebung des Reiches der Demokratie zuviel Zugeständnisse gemacht werden. Der Bund der Landwirte ist ent schlossen, dieser Entwicklung mit allen Kräften entgegenzuwirken. k^eer unä flotte. — Nach einer Mitteilung des Kriegsministers an den Handelsminister legt die Heeresverwaltung Wert darauf, daß sich die Linienkommandanturen über die wirtschaftlichen Verhältnisse ihrer Linien- feig! 9 l Roman von Reinhold Ortmann. Sie ging ihm voran in das obere Stock werk hinauf, und Hellmut Eggers beobachtete mit aufrichtigem Entzücken die anmutigen Be wegungen der schönen Frau. Als er dann aber die Schwelle des Krankenzimmers über schritt, besten Tür Fanny vor ihm geöffnet hatte, war er nur noch der seiner ernsten Pflich ten und seiner schweren Verantwortlichkeit be wußte Arzt. Unter der kühlenden Kompresse, die man ihr über Augen und Stirn gelegt batte, konnte er von dem schmalen Gesicht der Patientin, das da in der Umrahmung des aufgelösten welligen Haars auf den Kiffen ruhte, zunächst nicht viel mehr sehen als das feine, zartge formte Näschen und den kleinen schmerzlich verzogenen Mund. Noch ganz erfüllt von dem fast überwältigenden Eindruck, den die Schön heit der jungen Frau auf ihn gemacht, hatte er die Empfindung, daß ihre Schwester äußer lich recht unbedeutend sein müsse. Die fein gliederige Mädchengestalt unter der seidenen Decke erschien ihm wie die eines eben erst jungfräulich erblühenden Kindes, und nur die schmalen, weißen Hände, die so erbarmungs würdig matt und hilflos auf der Hülle lagen, fielen ihm durch ihre edlen und vornehmen Formen auf. Er nahm den zierlichen Mädchenarm zwischen seine Finger und erschrak, als er den wild hastenden Pulsschlag fühlte. Hier galt es doch wohl, gegen einen ernsthafteren Feind zu kämpfen, als es ein einfaches Schnupfen gebiete näher unterrichten, und die Anforderungen, die das wirtschaftliche Verkehrsleben an die Eisenbahn- und Wasserstraßen stellt, dauernd im Auge behalten. Auf Grund dieser Fest stellungen soll für den Kriegsfall die Möglichkeit gewonnen werden, dringenden Bedürfnisten des öffentlichen Verkehrs gerecht zu werden, ohne militärische Interessen zu schädigen. Diese beab sichtigte Wirksamkeit der Linienkommandanturen verspricht nach der Meinung des Handelsministers nur dann Aussicht auf vollen Erfolg, wenn ihr die Unterstützung sachkundiger Organe aus Kreisen des Handels zuteil wird. Der Minister ersucht daher die Handelsvertretungen, den an sie etwa herantretenden Ansuchen der Linienkommandan turen zu entsprechen. — Die neue Unterseebootsinspektion wird im kommenden Frühjahr in Kiel gebildet werden, ''u ihrem Inspekteur ist der Kapitän aur See Nordmann ernannt worden, der zuletzt Komman deur der zweiten Torpedodiviston in Wilhelms haven war. — Wie aus Rio de Janeiro telegraphisch ge meldet wird, ist das auf der Relle nach den süd- amerikanischen Häfen befindliche deuisch-atlantische Geschwader, begleitet von einer brasilianischen Division, unter dem Salut der FestungSgeschützs in die Bai von Rio de Janeiro eingelaufen. politilcke Deutschland. * Prinz zu W i e d, der von seiner Reise nach Rom und Wien wieder nach Berlin zurückgekehrt ist, hatte auf Einladung Kaiser Wilhelms im Berliner Schlosse eine län gere Unterredung mit dem Monarchen. "Der Deutsche Kronprinz, der aegenwärtig in Berlin weilt, ist an einer Mandelentzündung erkrankt und mw- bis auf weiteres das Bett hüten. *Reichsmünzen mit dem Bild des Herzogs Ernst August von Braun schweig werden demnächst in den Verkehr ge'angen. Die braunschweigische Staatsregie rung bereitet einen diesbezüglichen Antrag beim Bundesrat vor. * Prinzessin Wilhelm von Baden, ge borene Prinzessin Romanowski, Herzogin von Leuchtenberg, ist nach längerem Krankenlager verschieden. * Das deutsch-französische Ab kommen über die Eisenbahnstage in der asiatischen Türkei ist nun in seinen Umrissen fertiggestellt. Voraussetzung für das Inkraft treten des Abkommens ist die Einigung beider Parteien mit der Türkischen Regierung über die noch schwebenden Fragen. "Der seit 1912 im Besitz der National- liberalen gewesene Reichstagswahl- kreis Offenburg-Kehl ist bei der Stichwahl am 14. d. Mts. wieder an das Zentrum, das ihn ichon früher inne hatte, übergegangen. Bei der Stichwahl er hielten Dr. Wirth-Freiburg (Zentrum) 13187, Stadtrat Koelsch - Karlsruhe (nat.-lih.) 13 066 Stimmen. Wirth ist somit mit 81 Stim men Mehrheit gewählt. — Im ersten Wahl gang waren auf Dr. Wirth 12 229, auf Stadt rat Koelsch, den bisherigen Vertreter des Kreises. 9616 und auf den sozialdemokratischen Kandidaten 3032 Stimmen entfallen. Das Mandat des Abgeordneten Koelsch war, wie seinerzeit gemeldet, von der Wahlprüfungs kommission des Reichstages für ungültig er klärt worden, worauf Abg. Koelsch, ohne erst die Entscheidung des Reichstages abzuwarten, sein Mandat niederlegte. Er hatte 1912 über den Zentrumskandidaten mir mit einer Mehr heit von acht Stimmen gesiegt. * Wie verlautet, ist bezüglich der Kranken versicherung ein weiterer Erlaß des preußischen Handelsministeriums in Vorbereitung, der die Förderung der Bildung von Land- krankenkassen zum Ziele hat. Frankreich. "Im Ministerrat teilte Ministerpräsident Doumergue mit, daß der König und die Königin von England am 21. April, und der König und die Königin von Dänemark am 15. oder 16. Mai nach Frankreich kommen würden. "Die früheren Minister Briand und Bart Hou, die ganz offen am Sturze des gegenwärtigen Kabinetts arbeiten, wurden in Havre, wo sie gemeinsam Reden hielten, von der Menge ausgepfiffen und mit Steinen beworfen. — Havre jubelte einst dem Ministerpräsidenten Briand zu und ließ seine Reden durch Maueranschlag ver breiten. * Gegen die weitere Ausdehnung von Krankheiten im Heere werden jetzt energische Maßnahmen getroffen. So ordnete General Fock, der Kommandant des Nancyer Armeekorps an, um die Ansteckungsgefahr für die Truppen zu vermindern, daß zeitweilig alle Bataillons- und Regimentsübungen ein gestellt werden. Schweden. * Die Parlamentskrise dürfte jetzt durch die Bildung eines Geschäftsmini steriums behoben werden. Man hofft, daß in nicht allzuferner Zeit zwischen der Parla mentsmehrheit und dem Könige eine Aus- öhnung zustande kommen wird. Valkanstaaten. * Der griechische Ministerpräsident V e n i - aelos, der von seiner Rundreise durch die Hauptstädte Europas heimgekehrt ist, erklärte im Ministerrat, daß durch die intime Freundschaft zwischen Griechenland, Serbien und Rumänien die Gewähr für die Erhaltung des Friedens auf dem Balkan gegeben sei, "Die Vertreter der Mächte haben in Kon stantinopel die gemeinsame Note über die ägäischen Inseln überreicht. Die Türkei soll danach die Inseln Tenedos, Imb ros und die umstrittene Castello rig a zurückerhalten. Die türkische Regierung wird die Note stillschweigend zur Kenntnis nehmen. Amerika. * Der Präsident der Ver. Staaten, Wil son, ist an Diphtherie erkrankt. Nach einer Erklärung der Ärzte besteht für den Patienten keine Lebensgefahr. * InMexiko scheint die Entscheidung bevorzustehen. Aus der Hauptstadt Mexiko w'rd gemeldet, daß die Gesandtschaften der fremden Staaten sich in Verteidi gungszustand setzen, um allen Möglich keiten begegnen zu können. Die englische Ge sandtschaft erhielt von dem Kreuzer „Suffolk" aus Veracruz Zwei Maschinengewehre. Ebenso haben sich alle Gesandtschaften mit Munition und Gewehren versehen. Die Revolutionäre begannen unter General Angeles einen An griff gegen die Hafenstadt Mazatlan. Huerta kaufte in Odessa von Rußland zehntausend Gewehre und zehn Millionen Patronen. "Auf Haiti haben die Revolutionäre einen vollkomm-nen Sieg erfochten. Präsident Oreste Zamors Armee ist von General Theodore hoffnungslos geschlagen worden. Afrika. "Im Norden von Englisch-Ostaftika hat der Stamm der Borani ein Dorf des Rendillestammes mit 200 Einwohnern vollständig vernichtet. Asien. "Gemäß einem Beschlusse des Pekinger Staatsrates wird die Republik China am 1. März dem Weltpostverein beitreten und dessen Satzungen vom September ab in Kraft treten lassen. Veutseker Aeickstag. (Original-Bericht. > Berlin, 17. Februar. Die zweite Lesung des umfangreichen Etats des Reichsamts des Innern ist nun am 14. d. Mts. glücklich zu Ende geführt worden. Zwanzig Tage lang mußte Herr Delbrück mit seinen Herren dem Reichstage Rede und Antwort stehen.. Man plauderte am letzten Tage über allerlei kleine Ausgaben, die das Reich zur Förderung der Kunst und der Wissenschaft und vor allem im öffentlichen Interesse zu leisten hat. Dann kam die Hauptsache: die Debatte über den Reichs zuschuß für die im Jahre 1916 in Berlin statt- sindenden internationalen olympischen Spiele. Das Reich hat zu dieser sportlichen Veran staltung eingeladen in der sicheren Voraussicht, daß der Reichstag die erforderlichen Mittel in Höhe von 200 000 Ml. anstandslos dazu be willigen würde. Die Budgetkommission lehnte aber die erste Rate von 46 000 Mk. glatt ab fieber gewesen wäre. Behutsam schob er die Kompresse zurück und forschte in dem marmor weißen Gesicht nach irgend welchen Anzeichen, die ihm vielleicht ohne weitere Untersuchung eine Diagnose gestattet hätten. „Die Kranke ist ohne Bewußtsein," sagte er nach einer kleinen Weile. „Befindet sie sich schon lange in diesem Zustande?" „Sie kam gestern Abend sichtlich angegriffen hier an, aber sie erklärte auf meine Frage, daß ste sich nur ermüdet, nicht krank fühle. In der Nacht führte sie dann allerlei wirre Reden, aber ich hielt das nur für den Aus druck unruhigen Schlummers und lebhafter Träume. Am Morgen war sie dann auch bei ganz klarer Besinnung, aber so erschöpft, daß ich nur wenige Worte mit ihr gesprochen habe. Später jedoch, als ich wieder nach ihr sah, fand ich sie so wie jetzt. Halten Sie ihren Zustand für eine ernstliche Krankheit? „Ich habe noch kein bestimmtes Urteil, aber ich meine freilich, daß wir den Fall nicht gar zu leicht werden nehmen dürfen." Er hatte noch etwas weiteres sagen wollen, aber in diesem Augenblick begann sich die Patientin zu regen. Unruhig warf sie sich von einer Seite auf die andere, und der ge spannte Ausdruck ihrer Gefichtszüge ließ er kennen, daß irgend etwas sie beängstigte. „Um Gotteswillen, Frau Reimann, schließen Sie mir schnell das Kleid!" kam es hastig und mit der eigentümlichen Tonlosigkeit des Fieber- Deliriums von ihren Lippen. „Mein Stich wort ist ja schon gefallen, und ich komme zu spät auf die Bühne." Es konnte Fanny nicht entgehen, daß eine lebhafte Überraschung fick aus dem Antlitz des jungen Arztes spiegelte. Aber ste preßte die Lippen zusammen und schwieg. Wenn das Verhängnis nicht aufzuhalten war, mochte es seinen Gang nehmen. Sie war darauf gefaßt gewesen, als sie ihn hierher führte. Denn alle die wirren Äußerungen ihrer Schwester hattest sich bisher einzig auf ihren theatralischen Beruf bezogen. Und jetzt glaubte die Bedauernswerte offenbar, im Scheine der Rampenlichter auf der Bühne zu stehen. Denn indem ste die Augen plötzlich voll aufschlug und mit einem unsäglich schmerzvollen Lächeln um sich sah, begann ste leise zu singen, eine allbekannte lustige Melodie aus der neuen Operette, die eben jetzt ihren Siegeszug über alle deutschen Bühnen machte. Etwas Tiefergreifendes, ja Herzzerschneiden des war in diesem gequälten Gesänge, für den es der armen, heftig arbeitenden Brust der Fiebernden an Kraft und Atem fehlte. Und ste selbst schien von einer entsetzlichen Furcht ge peinigt, daß ste das Lied nicht würde zu Ende bringen können. Das gezwungene Lächeln wurde zu einer verzerrten Grimasse der Angst, und die schlanken Finger krampften sich wie die einer Verzweifelnden in die seidene Bett decke ein. Fanny neigte sich über ihre Schwester, und indem sie ihr sanft das Haar aus der feuchten Stirn strich, sprach sie in gütigem, besänftigen dem Ton auf sie ein: „Rege dich nicht auf, mein Liebling! Du brauchst nicht zu singen. Niemand verlangt es von dir. Du sollst jetzt ruhen und schlafen. Erkennst du mich denn nicht, liebes Herz? Du bist ja bei deiner Schwester, und du hast mit dem Ratschlage, das reiche Preußen damit zu belasten. Dieser Beschluß hat im ganzen Reiche erhebliches Kopnchütteln verursacht. Es wurden nun in der Debatte noch einmal die Gesichtspunkte hervorgehoben, die das Reich verpflichten, für diese sportliche Veran staltung die nötigen Mittel auszuwerfen. Man darf hoffen, daß bei der Abstimmung am Dienstag der Reichszuschuß zur Annahme gelangt. Im Reichtqge sah es heute nicht ganz so trostlos aus, wie man es sonst an Montagen gewohnt ist. Ein knappes Viertel der Volks vertreter mochte immerhin versammelt gewesen sein, als der Sozialdemokrat Dr. Cohn aus Nordhausen die Beratung des Justiz etats als erster Redner einleitete. Er klagte über den fortdauernden Ausschuß der Arbeiter vom Schöffen-und Geschworenen amt. In der Tat handelt es sich hier um eine offene Wunde, und es war daher zu be grüßen, als schon der Staatssekretär vor längerer Zeit sich ebenfalls für die Heran ziehung der Arbeiter zu diesen öffent lich-rechtlichen Funktionen aussprach. Weiter forderte Dr. Coh n die völlige Abschaffung der Konkurrenzklausel und fand damit die lebhafte Zustimmung seiner Freunde. Sie steigerte sich, als er dann auf die Strafrechtsreform eingingundihrdieAbsichteiner weiteren politischen Beschränkung der Arbeiter unterlegte, es auch nicht an einer Anspielung auf die Macht der Arbeiter fehlen ließ, solche Versuche zu verhindern. Per Redner führte lebhaft Beschwerde wegen der Verzögerung der Jugendgerichtshöfe. Besonders scharf kriti sierte der Redner aber das Polizeiwesen. Da er im Laufe seiner Ausführungen den Bundes regierungen vorgeworfen hatte, sie würden im Falle der Auflösung des Reichstages irgend einen Wahlschwindel erfinnen. wird ihm nachträglich ein Ordnungsruf erteilt. Abg. Belzer (Zentr.i bedauert, daß es noch immer nicht ge'ungen ist, ein internationales Luftschiffahrtsrecht zu schaffen undmeinte, es müsse die Überzeugung pl atzgrefien, daß hier eine Regelung nicht hinaus geschoben werden dürfe. Eine Einschränkung der sensationellen Berichterstattung sei not wendig, und die Kriminalgeschichten müßten mit erfaßt werden von dem zu schaffenden Gesetz gegen den Schmutz und Schund. Drin gend forderte er dann weiter eine gesetzliche Regelung des Jrrenrechts. Abg. Schiffer (nat.-lib.) wies die Be- hauplungen des sozialdemokratischen Redners von der Klassenjustiz zurück. Es sei ein Irr tum, anzunehmen, daß Laienrichter der Rechts- pflege besser dienen könnten als gelehrte Richter: diese kämen aus unparteiischen Kreisen und seien von dem strengsten Streben nach Objektivität beseelt. Redner wandte sich dann gegen die Praxis der Gerichte, die in Bcleidiannasvrozcssen, obschon der Wahrheitsbeweis vollkommen erbracht wurde, dock häufig au einer Ver urteilung kommen, weil formell die Anschul digung vielleicht etwas zu scharf war. Man sollte da ein bißchen weniger zimperlich sein. Durchaus ungehörig sei es, wenn die Gerichte Zuschriften aus dem Publikum vor Eintritt in die Verhandlung bekanntgeben und daran Erörterungen geknüpft werden. Um die Würde der Gerichte zu wahren, sei auch notwendig, nicht auf Kosten der Ange klagten Witze zu macken. Der weitere Inhalt der Rede dieses Abgeordneten war ein Mahn ruf an die Richter, die Tugend der Geduld au üben und daran zu denken, daß erst der Mensch und dann der Jurist komme. Nachdem noch der polnische Abg. Dr. von Laszewski Klagen über Gerichtsurteile gegen Polen zur Sprache gebracht und die Handhabung bes Vereinsgesetzes durch die Polizei in polnischen Versammlungen be mängelt hatte, vertagte fick das Haus. -!" -»--sssss——»»MS—S——SS Von un6 fern. Kabel-Unterbrechung. Durch starken Sturm ist die Kabelverbindung mit Helgoland vollständig unterbrochen worden. Der Verkehr mit dem Festland wird auf drahtlosem Wege aufrechterhalten. ———. — jetzt nichts anderes zu tun, als gesund zu werden." Obwohl ste ihr mit großen Augen ins Ge sicht sah, erkannte Fanny doch offenbar die Sprechende nicht. Aber der Klang ihrer Stimme schien nichtsdestoweniger eine be schwichtigende Wirkung auf ste geübt zu haben. Sie brach mitten in ihrem Gesänge ab und murmelte ein paar unverständliche Worte, um dann das Köpfchen auf die Seite zu drehen, wie ein Kind, das sich widerstandslos in die Arme des Schlummergottes gleiten läßt. Doktor Helmut Eggers hatte sich während der kleinen Szene ganz untätig verhalten. Nun griff er noch einmal nach dem Puls der Kranken ur>d zählte, die Augen unverwandt auf die Zeiger seines Chronometers gerichtet, aufmerksam die Schläge. Dann stand er auf, und indem er sein Rezeptbuch aus der Tasche zog, winkte er Fanny mit den Augen, ihm nach der anderen Seite des Zimmers hin zu folgen. „Ich werde Ihnen etwas Beruhigendes aufschreiben. — Aber ich darf Ihnen nicht verhehlen, daß Ihre Schwester voraussichtlich längere Zeit an das Bett gefesselt sein wird und daß Ihre Pflege namentlich in der ersten Zeit sehr große Anforderungen an die Wärte rin stellen dürfte. Sie werden dies schwerlich allein auf sich nehmen können." Seine ernste Miene erfüllte Fanny mit Schrecken. „Ich muß darüber noch mit Ihnen sprechen, Herr Doktor! Glauben Sie, daß ich Eva für kurze Zeit der Obhut meines Mädchens üben lasten kann? Es ist eine sehr vernünftige unk
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