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Internationale Gefängnisbrüder. Eine internationale Gesellschaft hat sich im Ge fängnis zu Sagan zusammengefunden. Nach dem vor einiger Zeit bereits mehrere Griechen und Chinesen eingeiiefert worden waren, wurden dieser Tage zwei Ungarn dem Ge richtsgefängnis zugeführt. Diese hatten die Eisenbahn von Guben bis Sagan ohne Fahr karte benutzt. Zu guterletzt wurde noch ein Engländer, der sich der Zechprellerei schuldig gemacht haben soll, hinter Schloß und Riege! gebracht. Ungültige Kinosteuer. Der Bezirksaus schuß in Magdeburg hat die Kinemato- graphensteuer sür Halberstadt für ungültig er klärt. Veruntreuungen eines Bankvoritehers. In der Kaffe des Rabattsparvereins zu Pößneck (Thür.) ist ein Fehlbetrag entdeckt worden. Man spricht von 18 000 Mark und mehr. Der frühere Vorsitzende Gerlach weiß nicht, wohin das Geld gekommen sei. Die Angelegenheit ist der Staatsanwaltschaft über geben worden. Der zugefrordne Main. Vier bespannte Batterien des 63. Feldartillerie-Regiments sind mit schweren Haubitzen bei Hochheim a. M. über das Eis gefahren. Es ist eine Selten heit, daß der Main vollständig zufriert. Eine hoffnungsvolle Gesellschaft. Der Direktor der Bürgerschule in der Csobangasse in Budapest machte dieser Tage der Polizei die Mitteilung, daß mehrere Schüler eine förmliche Bande gebildet und Diebstähle ver übt hätten. Die mit den Nachforschungen be trauten Geheimpolizisten ermittelten bald, daß dreißig Knaben im After von zwölf bis vier zehn Jahren eine sogenannte „Tigomarbande" gebildet hatten, deren Mitglieder sich jeden Abend im Garten vor dem Lvdpviceum ein fanden, wo ihnen der Anführer die Weisungen erteilte. Die Jungen, zogen dann auf Raub aus und stahlen auf Dachböden und in Kellerräumen alles, was nicht niet- und nagel fest war. Die Beute wurde zu Geld gemacht und der Erlös teilweise vergraben. Im Garten des Ludoviceums wurden mehr als hundert Kronen Bargeld aufgefunden. Verhaftung eines Svions. Bei Toul wurde ein Mann festgenommen, der von dem Fort Lucey photographische Aufnahmen machte. Er heißt Burgard.. Bei der Haussuchung wurden fünfzig französische Generalstabskarten sowie zahlreiche Doku mente beschlagnahmt, die sich auf die Verteidigung von Epinal, Verdun, Luneville und andere französische Festungen beziehen. Außerdem wurde eine umfangreiche Korre spondenz entdeckt, die in deutscher Sprache ab gefaßt ift. Es soll daraus hervorgeben, daß Burgard seit etwa fünfzehn Jahren in stänüigem Verkehr mit Deutschland gestanden habe. Radium im Kehricht. In einem Liver pooler Ho pital wurde ein Glasröhrchen ver mißt, das Radium im Werte von 20 000 Mk. enthielt. Die Röhre war während der Nacht einem Patienten verloren gegangen. Nach stundenlanger sorgfältiger Durchsuchung des Mülls wurde das kostbare Radtumpräparat wiedergefunden. Sozialdemokratische Kundgebungen in Stockholm. Nach dem großartigen vater ländischen Zug der schwedischen Bauernschaft hat die geplante Gegenkundgebung stattge funden. Die Arbeiter Stockholms und der ganzen Umgegend hatten sich auf Betreiben der sozialdemokratischen Parteileitung zu einer Massenkundgebung zusammengefunden, um der.Rüstungshetze', wie es in den agitato rischen Aufmfen hieß, entgegenzutreten. Die Arbeiterschaft, darunter viele Frauen und Mädchen, insgesamt etwa dreißigtausend Menschen, zogen mit roten. Fahnen und Musik durch die Hauptstraßen der Stadt zum Palais des Ministerpräsidenten Staaff. Ein. starkes Polizeiaufgebot wär zur Stelle, da man Zu- sammemiöße zwischen den' Arbeitern und den noch nach Tausenden hier weitenden Bauern befürchtete. Es verlief jedoch alles ohne ernste Zwischenfälle. Staatsminister Staaff, der sich der Massendemonstration widersetzt hatte, empfing die Arbeiterdeputation, die, dem sozialdemokratischen ..Programm gemäß,. eine Begrenzung und Bermmderung der milita- Zimmer zu verlassen: aber er trat mit ge bieterisch erhobenem Arm. zwischen , sie . und die Tür. .Du bleibst — denn es muß noch heute abend klar werden zwischen uns! Es darf nichts verstecktes urid- unausgesprochenes zu rückbleiben, wenn wir nicht beide namenlos elend werden sollen. Ich denke nicht daran, dich zu beschimpfen. Denn deine "Schmach würde zehnfach auch die meinige sein. Aber ich will Gewißheit haben, und ich-denke, daß mir ein Recht zusteht, sie zu verlangen. Wenn dein Gewissen rein ist, warum sträubst du dich dann, das Wort ausmsprechen, das all dieser Qual ein Ende macht. --- Hast du vor mir einen anderen geliebt, Fanny? Und hast du einem anderen Rechte über dich ge geben?' Sie sah, daß es kein Entrinnen und kein Ausweichen gab. Es besreite sie nicht von dem peinigenden Zwange einer unzweideutigen Antwort, daß sie die Beleidigte spielte und sich hinter den Schutzwall trotzigen Gekränkt seins zurückzog. Für eine kurze Zeitspanne noch schwankte sie, dann — nachdem sie einen letzten raschen Blick auf sein gramvoll fin eres Gesicht geworfen — war ihr Entschluß gefaßt. Sie mußte Ruhe haben um jeden Preis. Und dieser durch einen bloßen Argwohn von den Qualen der Eifersucht bis zum Wahnsinn gefolterte Mann war nicht mit halben und ausweichenden Erklärungen zu beschwichtigen. Darum hieß sie die mahnende Stimme in Wrem Innern Ichweigen, und indem sie die stolzeste Haftung annahm, sagte sie: -Nein!' schäft verhaftet und durch die Gendarmerie dem AmtsgerichtSgefängniS in Cal.'S a. M. zugeführt. — In Hannover hat der 21 Jahre alte Student der Rechte Paul Schultze, dis 17jährige Gertrud Abel aus Göttingen mit deren Einverständnis erschaffen, fand dann aber nicht den Mut, wie verabredet, dem Mädchen in den Tod zu folgen. Er wurde ver haftet. — Der Königgrätzer Lehranstaltsdirek tor Laüransky wurde nach der Rückkehr von einer Festlichkeit in seinem Arbeitszimmer von einem Einbrecher erstochen. — Bei Lodz haben maskierte, mit Revolvern bewaffnete Räuber in der Nähe der Stadt fünf Postkutschen überfallen. Sie schossen zwei Reisende, die Widerstand leisteten, nieder und verwundeten mehrere andere schwer. Dann entfernten sie sich unter rischen Rüstungen und energisches Arbeiten für den Frieden und die Verbrüderung ber Nationen verlangte. Staaff antwortete auf diese zum Teil gegen dis königliche Gewalt sehr auffallende Adresse in vorsichtiger Weise, indem er an seinem in der Karlskrona - Rede entwickelten Programm festhielt. Die Ver besserung des Heerwesens und Verlängerung der Dienstpflicht seien notwendig, desgleichen die neue Wehrsteuer, die aber nur die größeren Vermögen und Einkommen treffen würde. Endlich gerettet. Der Eisbrecher „Tarno" ift bei der Insel Seskar eingetragen und hat SOO Fischer mit ihren Pferden und Geräten ausgenommen, die vor mehreren Tagen auf einer Eisscholle dorthin getrieben worden waren. Vie Erinnerungsseiem an die Kampfe in Schleswig vor SO Jahren. 1) Empfang ber österreichischen Offiziere in Schleimig. 2) Schmückung der Kriegergräber bei Jagel durch österreichische Offiziere und Veteranen. 3) Die Feier vor der österreichischen Kapelle in Schleswig. Es ist jetzt ein halbes Jahrhundert ins Land gegangen seit den Tagen, als Schleswig-Holstein den Dänen entrißen und dem deutschen Vaterland wiederzugeführt wurde. Osterreichhche und preu ßische Truppen schlugen die Dänen, und in den alten Kämpfern werden heute die Erinnerungen wieder wach, sie vereinigen sich, um nach fünfzig Jahren die gefallenen Helden zu feiern. So werden jetzt auf schleswig-holsteinischem Boden an verschiedenen historischen Stätten Gedächtnis feiern abgehalten. Namentlich beteiligen sich auch dis österreichischen Regimenter, die damals im Feuer standen. Mit den alten Veteranen hat sich Allerlei vom Tage. — In der Raubmordaffärs in Winkelstadt (Altmark), der die Altsitzerin Lemke zum Opfer fiel, ist jetzt eine Verhaftung erfolgt. Der Untersuchungsrichter Heydemann und ein Vertreter der Staatsanwaltschaft weilten am Tatorte, Nach eingehenden Vernehmungen wurde die Höfb esttzersIrau Thiede- m ann unter dem dringenden Verdacht derTäter- eine größere militärische Abordnung eingefunden, die von dem Hu^aren-Regiment Kaiser Franz Joseph, das in Schleswig garnisoniert, bewill kommnet wurden. Es fand dort vor der öster reichischen Kapelle eine erhebende Feier statt, es wurde auch auf dem Militärsriedhof ein öster- reichffches Kriegerdenkmal eingeweiht. Auch ander- wärts, z. B. an den Gräbern von Jagel, ehrte man bas Gedächtnis der toten Kameraden durch Niederlegung von Kränzen. Die österreichischen Abordnungen wurden in Schleswig' mit großen Ehren empfangen. Mitnahme aller Barmittel und Wertsachen der Reisenden. Volkswirtschaftliches. 100 000 - Mark - Stiftung für Berliner Schüler. Ein Bürger, der nicht genannt sein will, hat dem Berliner Magistrat 100 000 Mark Preußische Konsols überwiesen. Dis Zinsen' sollen zur Unterstützung besonders begabter Berliner Kinder während der Schulzeit bis zur Abschlußorüiung dienen. Der Deutsche LandwirtschaftSrat hat seine Verhandlungen im Herrenhause zu Berlin be gonnen. Der Kronprinz wird in Vertretung des Kaisers den Sitzungen beiwohnen. Es wird unter anderem verhandelt werden über die allmähliche Abstoßung der ausländischen Wanderarbeiter durch Vermehrung der einheimischen Landarbeiterschast und durch Verbreitung des maschinellen Landwirt schaftsbetriebes, über die landwirtschaftliche Vor bereitung aus den Lblauk unserer Handelsverträge, die Bewegung der Lebensmittelprsise seit 1900 und die Stellungnahme zur Arbeitslosenverstcherrmg. Eine Überproduktion in der Milchwirt schaft ist, ähnlich wie es durch die Interessen gemeinschaft märkischer Milchproduzenten für Berlin geschehen ist, in München festqestellt worden. Es wird viel mehr Milch nach München geliefert, als täglich verbraucht werden kann, und bei der Ver arbeitung des Überflusses zu Käse und Quark geht z viel Geld verloren. Eine Besserung des Marlies ist somit nicht zu erwarten, und dis Rückkebr zur Zucht- und Mastwirtjchast daher von selbst geboten und unausbleiblich. Die Rückwirkung auf die Fleischpreise wird dann ebenso kommen. l^ufrschiffahn. — Der neue Militärluftkreuzer „Z. 7* ift am 7. d. Mts. früh 4 Uhr 15 Min. mit den Der» tretern der militärischen Abnahmekommission in Friedrich Hafen zu einer Fernfahrt nach Potsdam aufgestiegen und dort nach einer glänzenden ohne jeden Zwischenfall verlaufenen Fahrt um 12 Uhr 40 Minuten gelandet. DaS neue Luftschiff hell neben vielen anderen wesentlichen Verbesserungen auch eine Vorrichtung, die eine Feuersge.ahr nahezu ausschließt. — Der Flieger Karl Ingold, der am 7. d. Mts. früh 7 Uhr 35 Min. in Mülhausen im Et'atz um «- den Städtepreis der Nationalflugspende aufstieg, ist in später Nachtstunde um 11 Uhr 55 Min. bei München gelandet. Er ist über sechzehn Stunden in der Luft gewesen und hat damit einen Welt rekord im Uberlandflug ohne Zwischenlandung ausgestellt, der in Anbetracht der Jahreszeit noch an Bedeutung gewinnt. — Bei der ersten Fahrt des von Herrn Krupp v. Bohlen und Halbach gestifteten Freiballon? kam es zu einem bedauerlichen Unfall. Als' der Ballon fast ganz gefüllt war. riß ein Windstoß ihn -aus den Händen der Saltemannschaft. Ein Arbeiter, der sich in die Taue verwickelt hatte, wurde mü in die Höhe gerißen. Er stürzte aus zehn Metern Höhe ab und fiel auf ein Eisenrohr, wobei er sich beide Unterschenkel brach. Die Ballonhülle ging nachmittags in der Nähe von Wanne nieder. Gericktskalle. Nürnberg. Die Nürnberger Strafkammer verurteilte auf einen Strafantrag des Vereins geaen das Bestechungswesen den Vertreter einer Düsseldorfer Stahlwerks, Ingenieur Irmler, wegen Bestechung zu fünfhundert Mark Geldstrafe öder fünfzig Tagen Gefängnis. Nizza. Der vielfache Brandstifter und Kirch hofsschänder Chiapaie, der jahrelang das Dorf Pegomas und die Umgegend in Schrecken ge« hatten hat, ist vom hiesigen Schwurgericht zu lebenslänglichem Zuchthaus verurteilt worden. Madrid. Das Schwurgericht von Ponte- vedra (Nordwestlpanien) verurteilte eine ganze Familie, Mutter und zwei Söhne, zum Tode. Die Frau hatte mit Unterstützung ihrer Sö me ihren Gatten im Schlaf ermordet. Das Gericht kam zu der Erkenntnis, daß alle drei Personen sich des Mordes schuldig gemacht haben, und er kannte demgemäß auf Todesstra e. . unci Mslenscbatt. Der zahnärztliche Doktortitel. Ein wich tiger Schritt zur Lösung der Frage, ob es in Zukunit Doktoren der Zahnheilkunde geben wird, ist in Leipzig geschehen. Die medizinische Fakul tät der Universität ersucht durch Bekanntmachung am „Schwarzen Brett" die Studierenden der Zahnheilkunde, ihre Wünsche bezüglich der Ver leihung der Doktorwürde durch schriftliche Äuße rung an den Dekan bis spätestens zum 12. Februar einzureichen. Ein teures Mcisterbild. Der Kunsthändler Widener hat von dem Amerikaner Duoeen in New Jork eine Madonna Raffaels sür die Summe von 3'/- Millionen Frank gekauft. DaS dürste wohl der höchste Preis sein, dec je für ein Bild bezahlt worden ist. „Du schwörst es. Fanny?" „Stehe ich in deinen Augen so tief, daß mein Wort dir nicht genügt? Wenn du mich sür eine so verworfene Lügnerin hältst, könnte dann mein Schwur einen Wert sür dich haben?" Ein paar Sekunden lang versuchte er, in ihrem Gesicht zu lesen. Aber er sah nichis als ihre bestrickende, hinreißende Schönheit, und plötzlich stürzte er auf sie zu, um sie in seine Arme zu schließen und unter Worten' heißer Zärtlichkeit ihre Augen und ihre Lippen zu lüften. Sie ließ den Sturm über sich ergeben, mit geschloffenen.Lidern und schlaff herabhängen den Armen, ohne ein Mied zu rühren und ohne daß ihr Mund den Druck deS seinen zurückgegeben hätte. Nicht umionst wollte sie die Pein dieser Stunde erduldet haben. Keine Anwandlung törichter Schwäche sollte sie um die Frucht des bezahlten Sieges bringen, den sie jetzt über ihren Galten davongettagen. Ihr Gesicht blieb unbeweglich und marmorkalt. Und sie rührte sich nicht von der Stelle, als der Bau meister schwer atmend sagte: „Ja, ich glaube dir auch ohne Schwur, mein Liebling — und ich werde dich nie mehr mit einem Zweifel kränken. Nun aber, da es zwischen uns nichts Heimliches mehr gibt, — nichts, das du mir aus Furcht vor einer Miß deutung verbergen müß est,' nun mußt du mir mehr aus deinem Leben erzählen. Komm, setze dich zu mir, mein Lieb, und laß uns wie zwei Liebesleute miteinander plaudern." Fanny rührte sich nicht, und als er sich ibrer Land bemächtigen wollte, zog sie sie kopfschüttelnd zurück. Es kostete sie wahrlich wenig Überwindung, die Widerstrebende zu spielen, denn jenes Gefühl des Widerwillens, das vorhin so heiß in ihr emporgestiegen war, es beherrschte sie noch immer. „Nicht jetzt, Rudols! — Du mukt schon verzeihen, wenn ich mich nicht so schnell in den alten Ton zurückstnden kann, nachdem ich dich eben von einer ganz neuen Seite kennen gelernt habe. Laß uns statt von mir lieber von meiner Schwester reden, über die ich dir wohl vor allem eine Aufklärung schul dig bin." An diese Schwester, deren Erscheinen den Anlaß zu der ersten stürmischen Szene ihrer jungen Ehe gegeben, hatte er schon garnicht mehr gedacht. Und die Erinnerung an sie siel wie ein Schatten in die wiedergewonnene Heiterkeit seiner Seele. „Ja — deine Schwester —wiederhoüe er. „Ist sie vielleicht auch Schauspielerin?" „Eva war zur Zeit unserer Verheiratung als Sängerin bei einer Operetten-Geselllchaft engagiert. Wo sie seither tätig gewesen ist, weiß ich nicht, denn ich habe in diesem letzten Jahre nichts mehr von ihr gehört." „Eine Opereltensängerin?" fragte er sicht lich betroffen. „Dafür hätte ich sie allerdings nicht gehalten. Wie in aller Welt konnte sie so tief - ich meine, wodurch wurde sie in eine solche Laufbahn gedrängt?" „Durch ihr Talent — würde ich sagen, wenn es nicht ein Sohn dieser Stadt wäre, der mich kagt. In deinen Auren aber wird es ihr eher als Rechtfertigung dienen, wenn ich sage: durch die Not. Und die eine Er klärung kommt der Wahrheft eben so nahe wie die andere. Wir beide, Eva und ich, denen die Mutter schon in siÄhester Kindheit genommen worden war, befanden uns nach dem Tode des Vaters wirklich in der bittersten- Not. Ein Musiklehrer und'urtberühmter Kom ponist pflegt heutzutage keine Schätze zu sammeln, am wenigsten, wenn er, wie unser armer Vater, neben seiner Begabung auch noch das leichtherzige Temperament des echten Künstlers besitzt. Als wir ihn begraben hatten, blieb uns nichts als unsere Jugend, das biß chen Musik, das wir von ihm gelernt halten, und die schwärmerische Begeisterung sür die Kunst, die er uns als ein Erbteil von vielleicht zweifelhaftem Werte hinterlassen. Was hätten wir mit allem anders anfangen sollen, als zum Theater zu gehen? Wir wenigstens und die, bet denen wir uns Rat holen konnten, sahen damals keinen anderen Weg." „Es müssen sonderbare Ratgeber gewesen sein, die es vor ihrem Gewissen verantworten konnten, euch in solchem Vorhaben zu bestärken. Und wenn du, wie du vorhin sagtest, zwei Jahre beim Theater warst, muß deine Schwester damals doch fast ein Kind gewesen sein. Denn sie ist jünger als du — nicht wahr?" „Ja. Sie ist jetzt neunzehn Jahre alt und sie zählte kaum siebzehn, als sie zum erstenmal in einer kleinen Soubrettenrolle auftrat. Ein Freund unsres Vaters hatte notdürftig ihre ÄühnenauSbildung vollendet. Eva hätte wohl Stimme unü Talent genug für die große Oper gehabt, aber es hätte dazu eines jahrelangen Studiums bedurft, und ich war nicht in der Lage, die Kosten ihres Unterhalts und ihrer Ausbildung so lange zu bestreiten." St« (Foryetzuna lolgk