Suche löschen...
Ottendorfer Zeitung : 06.02.1914
- Erscheinungsdatum
- 1914-02-06
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Privatperson
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-191402069
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19140206
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19140206
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-02
- Tag 1914-02-06
-
Monat
1914-02
-
Jahr
1914
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 06.02.1914
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
VieneuereichsläMscheRegierung. Die Entscheidung über die neue Regierung in den Reichslanden ist nunmehr gefallen. Amtlich wird gemeldet: Der Statthalter in Elsäß-Lsthringen Graf v. Wedel hat sich auf Wunsch des Kaisers bereit erklärt, noch einige Monate auf seinem Posten zu bleiben. Dem Staatssekretär Frhrn. Zorn v. Bulach ist die nachgesuchte Dienstentlassung unter Verleihung der Krone zum Roten Adlerorden 1. Klasse erteilt, auch ist er vom Kaiser auf Vorschlag des Bundesrats in die Erste Kammer des elsaß-lothringischen Landtags berufen worden. Aerns^hat der Kaiser bei Genehmigung ihrer Abschiedsgesuche dem Unterstaatssekretär Dr. Petri den Königlichen Kronen orden 1. Klasse und dem Unterstaatssekretär Mandel den Stern zum Roten Adlerorden 2. Klasse verlieben. Der Unterstaatssekretär Koehler wird in seinem Amte verbleiben. Zum Staatssekretär für Elsaß-Lothringen ist der Oberpräsidialrat Gras v. Roedern in Potsdam ernannt. Er wird auch die Leitung der Abteilung des Innern im elsatz-lothrin- gischen Ministerium übernehmen. Zum Leiter der Abteilung für Landwirtschaft und öffent liche Arbeiten, die bisher vom Staatssekretär geleitet wurde, ist der zum Unterstaatssekretär ernannte bisherige Vortragende Rat im Reichsamt des Innern Geheimer Ober- «gierungsrat Freiherr v. Stein ausersehen. Die Ernennung des Grafen Roedern zum Staatssekretär für Elsah-Lothringen ist in Straßburg mit Zurückhaltung, aber nicht un freundlich ausgenommen worden. Ein Urteil über den Nachfolger des Herrn Zorn v. Bulach kann man in Elsaß natürlich nicht fällen, da er dort ein völlig Unbekannter ist. Diejenigen, die den Grafen Roedern kennen, rühmen ihm vortreffliche Eigenschaften nach und versichern, er sei nicht allein ein sehr geschickter und schnell erfassender Berwaltungsbeamter, sondern auch versöhnlich, weltgewandt und keineswegs ein Mann von schroffer Art. Auch mit dem Ber liner Magistrat hat er immer in den besten Beziehungen gestanden, er hat die Wünsche der Berliner Stadtverwaltung entgegen kommend zu erfüllen gesucht, und man hätte ihn in diesen Kreisen gern zu einem Posten aufsteigen sehen, wo er mit den berlinischen Angelegenheiten in Verbindung geblieben wäre. Immerhin ist man in den Reichslanden einigermaßen durch die Ernennung der Re gierung überrascht worden: zumal am Morgen des Tages, an dem die Namen der neuen Männer bekannt gemacht wurden, noch nie mand — selbst nicht in den Kreisen der Regie rung — zu sagen gemutzt hätte, wann der Regierungswechsel stattfindet. Das einzige, waS der Regierung bekannt war, ist die Tat sache, daß in das neue Ministerium keine elsaß- lothringischen Beamten kommen sollten. Frei herr v. Gemmingen war als Staatssekretär in Aussicht genommen. Da Freiherr v. Schorlemer den Statthalterposten ablehnte, wurde auch Lieser Plan fallen gelassen. Man hofft all gemein, daß Graf Wedel bei der Berufung der neuen Männer mitgewirkt hat, und glaubt kaum, daß er seine Zustimmung gegeben haben könnte zur Ernennung von Männern, die Elsaß-Lothringen als deutsch-feindlich ansähen und mit den schärfsten Maßnahmen das Land regieren wollten. Soweit die Presse zur neuen Regierung bereits Stellung nimmt, betont sie, man solle die Regierung nicht nach ihrer Her kunft und ihrer Landesart bewerten, sondern Taten abwarten. Wenn die Regierung das Land tadellos verwaltet und eine Politik der Gerechtigkeit und inneren Wahrhaftigkeit führt, so sei sie im wahren Sinn elsaß-lothringisch. In politischen Kreisen befestigt sich die An schauung immer mehr, daß der jetzige Reichs kanzler v. Bethmann Hollweg der künftige Statthalter werden wird, und daß Graf Wedel bis dahin nur Platzhalter für ihn ist. Man sähe im Elsaß diese Ernennung nicht einmal ungern, da man der Meinung ist, daß Herr v. Bethmann persönlich für Elsaß- Lothringen viel übrig habe. Für den noch nicht besetzten Posten des Unterstaatssekretärs der Justiz ist noch immer der Oberlandes- Tu feig! Sj Roman von Reinhold Ortmann. „Du nennst es beim rechten Namen. Ja es war eine Rolle, die ich gespielt habe und sie ist mir wahrhaftig nicht leicht geworden." Betroffen von dem herben Ton ihrer Er widerung sah er sie an. „So war es natürlich nicht gemeint. Eine bloße Redensart . Du hast dich also nicht unterhalten?" .Welche Frage! Ich glaube, wenn sie noch «ine Stunde länger geblieben wäre, so hätte ich ersticken müssen in diesem Dunstkreis von ssumpser Beschränktheit und engherzigem Phi listertum, den sie um sich verbreiten." »Du tust diesen trefflichen Menschen bitteres Unrecht, Fanny! Es sind ausnahmslos tüchtige, achtungswerte Leute, von denen jeder seinen Platz mit Ehren ausfüllt. Und sie haben sich mir alle als treue, zuverlässige Freunde bewährt." „Mag sein. Es ist nur eben mein Unglück, daß ich nicht imstande bin, sie mit deinen Augen anzusehen." „Und doch bist du von so bezaubernder Liebenswürdigkeit gewesen. Nicht einen Augen blick ist mir die Empfindung gekommen, daß dies alles nur eine Komödie sein könnte." .Sollte ich diesen anspruchsvollen Damen etwa zu allem anderen auch noch Veranlassung geben, mich in ihren Konoentikeln wegen meiner schlechten Manieren, wegen meines Hochmuts oder, was weiß ich. zu verlästern? Ich lege keilten Wert darauf, mir ihre Freundschaft gerichtspräsident Molitor vorgesehen. Die Stelle des Direktors im Ministerium sür Landwirtschaft, die durch die bisherige gleich zeitige Verwaltung des Staatssekretariats und des Landwirtschaftsministeriums not wendig war. wird aufgehoben: dagegen ist die Ernennung eines neuen Ministerialdirektors für Inneres vorgesehen. Der jetzige Kurator der Universität Straßburg reicht seinen Ab schied in wenigen Wochen ein. Peinlich be rührt es. daß der Unterstaatssekretär Petri, der für das Land seit 1890 in deutschem Sinne tätig war. nicht in die Erste Kammer berufen worden ist. Staatssekretär Graf Roedern war, bevor er in das Potsdamer Oberpräsidium eintrat, Landrat des Kreises Niederbarnim. Er gilt als einer der besten Verwaltungsbeamten und hat auch in seiner Tätigkeit als Landrat prak tischen Blick bekundet. Zu Süd- und West deutschland hat Graf Roedern viele verwandt schaftliche Beziehungen. — Der neue Staats sekretär steht jetzt im 44. Lebensjahre. — Hans-Karl Frhr. v. Stein, der neue Unter staatssekretär für die Reichslande, ist Bayer. Er ist am 28. Februar 1867 in Würzburg ge boren und gilt als sachverständig in Weinbau fragen, die ja gerade sür das Reichsland von besonderer Wichtigkeit sind. Frhr. v. Stein ist ein Schwiegersohn des früheren Staats sekretärs Grafen Posadowsky. Politische Kunäkchau. Deutschland. "Oberst v. Reutter, Kommandeur des zweiten Oberrheinischen Infanterie-Regiments Nr. 9S, ist als Kommandeur des Grenadier- Regiments Prinz Karl von Preußen Nr. 12 nach Frankfurt a. O. versetzt worden. Die Versetzung des in den letzten Monaten soviel genannten Obersten erhält noch dadurch eine besondere Bedeutung für ihn. daß einst sein Vater an der Spitze dieses Regi ments im Jahre 1870 auf reichsländischem Boden einen ehrenvollen Soldaten tod gefunden hat. Wenn eine Versetzung des Obersten v. Reutter im Interesse der Beruhi gung der Gegensätze vielleicht manches für sich hat, so ist sie jedoch in einer Form erfolgt, die für ihn durchaus ehrenvoll ist. — Gleichzeitig wird bekannt, datz der Leutnant Frhr. v. Forstner in das Infanterie-Regiment Graf Schwerin Nr. 14 nach Bromberg versetzt ist. * Gleichzeitig mit der Besetzung der Regie- rungsposten im Reichslande ist auch die Er nennung des neuen Oberpräsidenten der Provinz Brandenburg erfolgt. Wie amtlich bekanntgegeben wird, hat der Kaiser den bisherigen Regierungspräsidenten von derSchulenburgin Potsdam zum Ober präsidenten von Brandenburg und zu seinem Nachfolger im Präsidium der Potsdamer Re gierung den Geheimen Oberregierungsrat und Vortragenden Rat im Landwirtschafts ministerium Frhrn v. Falkenhaufen er nannt. "Die hessische Regierung erklärte im Finanzausschuß der Zwesten Kammer, daß sie noch in dieser Tagung eine Vorlage wegen Erhöhung der Abgeordnetendiäten einbringen werde. Voraussichtlich wird der Regierungsantrag auch für die in der Residenz Darmstadt wohnenden Abgeordneten, die bisher keine Entschädigung erhielten, Diäten bringen. Frankreich. * In einer großangelegten Rede sprach Mi nister Caillaux in Mamers über sein Finanzprogramm. Es gelang ihm aber auch diesmal nicht, seine Hörer von der Güte seiner Steuervorschläge zu überzeugen. Immer mehr schwindet die Aussicht, daß es Herrn Caillaux gelingen wird, Herr der Finanzkrise zu werden, die das Land bedroht. Portugal. "Zum erstenmal seit der Begründung der Republik wagt man jetzt während der Ministerkrise von einer allgemeinen Republikmüdigkeit zu reden. Ganz unumwunden wird — nachdem man es noch amtlich vor wenigen Wochen geleugnet hatte — eingestanden, daß die Republik immer weniger Unterstützung bei der enttäuschten breiten Masse finde. — Im Zusammenhang damit erregt das Gerücht Aufsehen, datz man entschlossen sei. mit Spanien eine Militär konvention abzuschließen, zu deren Be siegelung ein dem spanischen Königshause verwandter Prinz portugiesischer Generalissimus werden sollte. * Balkanftaaten. "Essad-Pascha wird im Namen der internationalen Kommission von Albanien dem Fürsten zu Wied entgegenreisen und ihn feierlich als Fürsten von Albanien begrüßen. "Die Türkei setzt ihre Rüstungen an der einen asiatischen Küste ununterbrochen fort. Infolgedessen ergreift man in Griechenland Gegenmbßregeln, und auch die überraschende und beunruhigende Einberufung aller serbischen Reserven ist wohl mit dieser kriegerischen Haltung der Türkei in Verbindung zu bringen. "Zwischen Bulgarien und der Türkei ist ein Abkommen dahin getroffen worden, daß die beiderseitigen Landeskinder unbedingte Religionsfreiheit in beiden Ländern zugestchert erhalten. "Der türkische Major Bekir Aga ist wegen Anstiftung des Putsches in Al banien vom Kriegsgericht in Valona zum Tode verurteilt worden. 24 Angeklagte, darunter 9 Offiziere, erhielten langjährige Ge fängnisstrafen. Das Urteil soll dem Prinzen zu Wied zur Bestätigung unterbreitet werden. Amerika. " Die Revolutionäre auf Haiti haben einen vollständigen Sieg errungen. Der auf den deutschen Kreuzer „Vineta" ge flüchtete Präsident von Haiti, Oreste, hat auf einem deutschen Dampfer die haitischen Gewässer verlassen. Im übrigen wird berichtet, daß für die in Haiti lebenden Fremden keinerlei Gefahr bestehe. "Mehrere japanische Marineoffiziere find in der Hauptstadt Mexiko eingetroffen. Bei einem ihnen zu Ehren veranstalteten Festmahl wurden Reden gehalten, in denen die ge - meinsame Feindschaft Mexikos und Japans gegen die V er. Staaten zum Ausdruck kam. Japan wird der mexikanischen Regierung umfangreiche Waffenlieferungen machen, um eine wirksame Unterdrückung der Revolution möglich zu machen. Oeutlcker Keicbstag. (Original-Bericht.) Berlin, 2. Februar. Die Reichstagssitzung vom 31. v. Mts. war wenigstens zu Anfang etwas besser besucht, als man es sonst am letzten Wochentage gewöhnt ist, und so sand die bedeutsame Rede Basser manns, die den neunten Verhandlungs- tag zum Reichsamt des Innern ein leitete, den erwünschten Widerhall. Gleich zu Beginn erntete der nationalliberale Führer allseitig lebhaften Beifall für die warmen Worte der Anteilnahme, die er den Verunglückten der Zeche Achenbach widmete und denen sich später namens der Regiemng auch der Staatssekretär Dr. Delbrück anschloß Feinsinnige Betrachtungen über die gegen seitige Befruchtung von Industrie- und Bankwesen schickte der Redner seinem Ver trauensvotum für den Reichsbankpräsi denten voraus. Auch an anerkennenden Worten für den von der Rechten oft so übel behandelten Staatssekretär Dr. Delbrück ließ' er es nicht fehlen. Der Höhe punkt der Rede lag aber zweifellos in Ler Stellungnahme zugunsten eines freien Koalitionsrechts. Jeden Einbruchsversuch in dieses höchste Gut unserer Arbeiter bezeichnete Bassermanu als politischen Wahnsinn und fand für diese Be merkung die einmütige Zustimmung der ge samten Linken, vor allem auch der eigenen Parteifreunde. Dankenswert war die Anregung des Abg. Bassermann zur Heraus gabe einer Denkschrift über die Boykott bewegung. Es liegt ja auf der Hand, wer dem Mittelstände helfen will, muß vor allem die Ursachen seiner ungünstigen Lage erkennen. Daß die Boykottbewegung dabei nicht die geringste Rolle spielt, steht außer Frage. Es dürste keinem Zweisel unterliegen, daß die Handelsverträge nur gewinnen können, wenn weite wirtschaftliche Kreise in dem Ausschüsse Mitarbeiten. Staatssekretär Dr. Delbrück schloß st« den Worten der Teilnahme für die Verun glückten der Zeche Achenbach an. Dann lehnte er den Gedanken ab, eine Art Zoll parlament in Gestalt eines wirtschaftlichen Ausschusses zu schaffen. Das müßte die Rechte des Reichstages beeinträchtigen, er dürfe aber nur die Regierung beraten bei der Schaffung von Handelsverträgen usw. Abg. Dr. W end orff (fortschr. Vp.) pole misierte in der Hauptsache gegen den Abg. Dr. Becker, der auf Meinungsverschiedenheiten in seiner Fraktion hingewiesen hatte. Das Sprechen von einem SchlagwoF der Demo kratie in bezug auf die innere Kolonisation nannte er junkerliche Uberhebung. Das rügte der Präsident als unzulässigen Ausdruck. Abg. Graf W e starp forderte entschiedenes Eintreten gegen die Animierbankiers. Gegen die Ausartungen des Koalitionsrechts würden seine Freunde im Interesse des Mittelstandes und der Industrie dauernd ankämpfen. Abg. Spiegel (soz.) war der Meinung, daß die Unternehmer den ärgsten Terrorismus übten. Wirtschaftliche Gewerkschaften, sog«,, gelbe, lehnte er ab. Dem Abg, Faßbender (Ztr.) antwortete Unterstaatssekretär Richter, der Wunsch einer gesetzlichen Regelung des Waffenhandels solle in allernächster Zeit erfüllt werden. Die Frage der ... Errichtung einer Tiefbaukammer beschäftige noch die Einzelstaaten. Abg. Dr. ..! Böhme (Bauernbund) meinte, die Be- - strebungen der Konservativen und des Bundes der, Landwirte für die innere Kolonisation seien nicht recht ernst zu nehmen. Von Be-, ziehungen des Bauernbundes zur Güter schlächterei, wie Herr.Hestermann, behauptet habe, sei ihm nichts bekannt. Abg. H e st e rma n n. (fraktionslos), von lebhafter Heiterkeit begrüßt, griff wiederum Herrn Dr. Böhme an und seine Stellung zu den zollpolitischen Fragen. Nicht von links! nur von rechts könne der Landwirtschaft ge holfen werden. Die weitere Debatte, an der sich die Abgg. Schweickhardt (fortschr. Vp.) und Peus (soz.) beteiligten, bot nichts Neues mehr. Damit war denn, am neunten Tage, das Gehalt des Staatssekretärs bewilligt und das Haus vertagte sich auf Dienstag. ... 1 k>eer unct flone. ' n ' E — Zum zweitenmal seit der vom König. Kon stantin gehaltenen Rede in Berlin sieht sich Frankreich gezwungen, seine in alle Welt hinaus posaunte Ansicht von der unbedingten Überlegen heit der französischen militärischen Erziehung nach zuprüfen. Aus Bulgarien kommt die für fran zösische Ohren überaus schmerzliche Nachricht, daß man sich dort endgültig von der französischen Ausbildung losgesagt und dafür die deutsche an genommen habe. Offiziere, die zur Vollendung ihrer militärischen Studien ins Ausland geschickt werden, sollen von jetzt ab aussch.ießlich nach Deutschland gesandt werden. Dasselbe hiergesagte gilt auch in Zukunft sür Rußland, auch von dort wird man sich fernerhin keine Belehrung mehr holen. Wenn man die Tagespreise der in Frage kommenden Länder, gerade von vor einem Jahr jetzt in die Hand nimmt, so kann man ermessen, welche schmerzlichen Enttäuschungen bei unsern beiden Nachbarn dieser Entschluß Bul gariens hervorgebracht haben wird. Als Bul garien feine Siege von Kirkkilisse und von Lüle Burgas feierte, nahm Frankreich in bekannter Bescheidenheit einen großen Teil der Sieges lorbeeren für sich in Anspruch. Der französi'che Geist. und nicht zuletzt die französischen Waffen hatten die im deutschen Geilt erzogene türkische Armee, die mit deutschen Waffen ausgerüstet war, zu Boden geworfen. Wie es damit tat sächlich stand, ist genügend bekannt. Wenn auch zugegeben werden muh, daß in der bulgarischen Armee viel französischer Geist steckte, so hatten die Truppen die im ersten Feldzug bewiesene Disziplin keinesfalls aus, der französischen Schule entnommen, und was die Behauptung anbetrifft, daß die französischen Waffen sich den deutschen gegenüber überlegen gezeigt hätten, so ist darauf hinzuweisen, daß nach bulgarischen Quellen die Artillerie mit 75 Prozent Krupp-Kanonen und nur mit 25 Prozent Schneider-Kanonen ausgerüstet gewesen ist, zudem verfeuertes auch die Schneider- Geschütze zum großen Teil deutsche Munition. zu gewinnen, aber sie sollen wenigstens keinen Vorwand haben, über mich herzuziehen." „Und was bringt dich auf die Vermutung, daß sie dergleichen tun? Ich will doch nicht hoffen, daß irgend jemand dir zu nahe getreten ist, seitdem du meinen Namen trägst." „O nein, man ist mir mit aller schuldigen Höflichkeit begegnet. Aber ich bin nicht so naiv und kurzsichtig, um nicht auch die wahren Gesichter zu sehen, die sich hinter der Larve einer sauersüßen Artigkeit verbergen. Alle deine tüchtigen, ehrenwerten Freunde und noch mehr natürlich ihre in dieser Kleinstadt- Atmosphäre ausgewachsenen Frauen sind im innersten Herzen empört über die Wahl, die du bei deiner Verheiratung getroffen. Ich bin sicher, daß sie irgend eine von den tugend haften Jungfrauen dieser Stadt, deren Ver gangenheit ihnen bis zum Tage ihrer Geburt bekannt war, für dich bestimmt hatten. Datz du eine Fremde hier herbrachtest, von der sie obendrein wissen, daß sie eine Person in ab hängiger Stellung, eine bezahlte Gesellschafterin gewesen ist, hat ohne Zweifel einen Sturm der Entrüstung in ihren Kreisen hervorgerufen. Und ich mache mir durchaus keine Illusionen darüber, datz sie mit Begierde den Augenblick erwarten, wo sie den dunklen Punkt in meiner Vergangenheit entdecken oder wo mein Benehmen ihnen Anlatz gibt, über mich herzu fallen.' Mit wachsendem Erstaunen hatte er ihrer Rede gelauscht, Lie aus dem ironischen Ton allmählich in einen fast leidenschaftlich heftigen übergegangen war. „Mein Gott, Fanny, ich erkenne dich gar nicht wieder. Es ist ja, als ob du dich hier kreuz unglücklich fühltest." „Und konntest du glauben, daß ich glücklich sei? In solcher Umgebung?" Sein Gesicht wurde plötzlich tiefernst. „Es ist ein schlimmes Wort, daß du da gesprochen hast. Und es wäre bitter traurig, wenn ich es ganz ernst nehmen müßte. Denn wenn eine Frau ihrem Manne nach elf monatlicher Ehe sagt, daß sie sich unglücklich fühlt " Sie mochte einsehen, datz sie sich zu weit hatte hinreiben lassen. Denn sie gab ihm nicht Zeit, den begonnenen Satz zu vollenden. „Ach, was hat das mit unserer Ehe zu schaffen? Daß nicht du eS bist, der mich un glücklich macht, weißt du recht gut. Es mag ja auch sehr anspruchsvoll und sehr undankbar sein, daß es mir noch nicht gelungen ist, mich in diese neuen Verhältnisse zu finden. Aber es ist gegen meine Natur:. alle meine guten Vorsätze helfen mir nichts. Ich kann mir vor stellen, daß ich in einer Einsiedelei mit dir glücklich sein könnte: unter diesen Menschen aber ist es unmöglich. Alles in mir lehnt sich gegen sie auf." Der Baumeister rückte sich eines der ge brechlichen Chippendalestühlchen neben ihren Sessel und legte seinen Arm liebevoll um den Nacken der erregten jungen Frau. „Und doch hoffe ich, Laß du die Menschen deine- Umgebung gerechter und freundlicher beurteilen wirst, wenu du dir nur erst einmal rechte Mühe gegeben hast, sie im Kern ihres Wesens kennen zu lernen. Wir müssen doch nun einmal mit ihnen leben. Denn ich bin nicht unabhängig genug, um dir zu Liebe hier meine Zelte abbrechen und nach Berlin oder in ein» andere Großstadt ziehen zu können. Seit mehr als hundert Jahren haben die Eggers hier ihre angesehene und festgegründete soziale Stellung. Und es ist nicht leicht, sich aus einem Boden Herauszureißen, in dem man so starke Wurzeln geschlagen Von der Existenzfrage gar nicht zu reden. Hier bin ich der meistbeschäftigte Architekt und kann mich eines behaglichen, kampflosen Daseins freuen. Anderswo müßte ich mir erst einen Matz zu erobern suchen. Und du begreifst/ Uebe Fanny, daß man sich iu meinem Alter dazu nicht gern mehr entschließt." „Natürlich — ein solches Opfer darf ich dir unter keinen Umständen zumuten," stimmte sie zu. Und es war aus dem Klang ihrer Worte nicht recht zu erkennen, ob sie ganz ernsthaft oder ein wenig ironisch gemeint waren. „Es wird mir also wohl nichts anderes übrig bleiben, als mich für den Rest meines Lebens in das Unabänderliche zu finden, so gut oder so schlecht ich eben kann. Und du brauchst nicht etwa zu fürchten, daß ich dir mit meinen Klagen beständig das Leben sauer machen werde. Es war nur eben ein bißchen viel, das an diesem Abend auf mich eindrang' Und es hat mich wohl etwas ner vös gemacht, stundenlang nach allen Seiten auf meiner Hut sein zu müssen wie ein Wacht posten, Ler sich rings von heimlich heran schleichenden Feinden umgeben weitz." Der Schatten war schon wieder von dem Gesicht des Baumeisters verschwunden. Er lächelte, wie man überlegen und gütig über Lie Phantasien eines Kindes lächelt. „Wenn ich nur begriffe, wie diese Furcht
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)