Suche löschen...
Ottendorfer Zeitung : 06.01.1914
- Erscheinungsdatum
- 1914-01-06
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Privatperson
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-191401060
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19140106
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19140106
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-01
- Tag 1914-01-06
-
Monat
1914-01
-
Jahr
1914
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 06.01.1914
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Var Völkerrecht im Balkankriege. Der Balkankrieg hat eine solche Menge völkerrechtlicher Fragen aufgeworfen, daß kein Anfang und kein Ende abzuseihen und daher nur mit einer gewissen Willkür einiges heraus- gegrisfen werden kann. Schon der Begriff Krieg kann hier zweifel haft werden. Ist es Krieg, wenn Rumänien in da» ganz erschöpfte Bulgarien eindrang und ohne Schwertstreich sich Sofia näherte, sodctnn einen Friedensvertrag schloß und sich dabei wichtige Teile des bulgarischen Gebietes zuschreiben ließ s Die Frage ist zu besahen. Krieg isi jede Vergewaltigung des Gebietes eines fremden Staates: sie ist es auch dann, wenn sie ohne Gegenwirkung stattfindet, vor allem, wenn dem angegriffenen Staate die Kraft des Widerstandes gebricht. Eine derartige Vergewaltigung des fremden Gebietes wäre ja an sich völkerrechts widrig: sie wird nur völkerrechtlich als Akt des Krieges, und wer sie vollzieht, ist mithin so anzusehen, daß er den Krieg bringt. Es liegt daher zweifellos Krieg vor, und ins besondere, was die Besetzung des fremden Gebietes und die Rechte und Pflichten des eindringenden Staates betrifft, so gelten die Grundsätze des Krieges, ebenso wie die Grund- Uitze de» Krieges den Friedensschluß mit all seinen Fragen beherrschen. Die humane Bestimmung des dritten Haager Abkommens, wonach der Krieg nicht ohne Kriegserklärung oder Ultimatum be gonnen werden soll, ist leider im Balkankriege mehr als einmal verletzt worden, und vor allem ist es zu bedauern, daß in der zweiten Epoche des Krieges, in den Kämpfen Bul gariens gegen seine Genoffen, alles so tumul- tuarisch vor sich ging, daß schließlich niemand mehr wußte, mit welchem Augenblick der Krieg anfing, ja, daß beide Teile einander vorwarfen, den Krieg eröffnet zu haben. In dieser Beziehung muß die heutige Zeit einer unerhörten Barbarei beschuldigt werden. Alte Nationen verlangten schon aus religiösen Gründen eine feierliche Kriegserklärung: heut zutage soll sich völkerrechtswidrige Rauh- und Gewalttätigkeit von selbst in das Institut des Krieges umwandeln! Das hat sich auch schwer gerächt und war mit ein Anlaß für den Fehlschlag der bulgarischen Kriegführung, die schließlich zu einer Katastrophe ohnegleichen geführt hat. Es hat namentlich auch zu jener furchtbaren Erbitterung beigetragen, die diese Kriegsführung befleckt hat und in uns die Erinnerung an mittelalterliche Unkultur wachruft. überhaupt hat der Balkankrieg gezeigt, daß die Beschlüsse Europas, das Völkerrecht be treffend, doch immer nur wirken können, wenn sie einstimmig gefaßt und mit allen Mitteln durchgesetzt werden. Die Zukunft wird sicher dahin führen, daß überall, wo es sich um wichtige europäische. Gebietsoeränderungen handelt, der europäische Staatenbund eine gewisse Kontrolle und ein gewisses Bestim mungsrecht erlangt. Schon jetzt haben wir ja derartige Institutionen in den Garantiever trägen, und namentlich in der Garantie für neutralisierte Staaten. Im übrigen ist hier noch vieles im Dunkeln, weil die Grundsätze des Rechts der „Staaten gruppe" noch im Werden begriffen sind; aber, wie seinerzeit im Berliner Vertrag die Groß mächte alS eine Art von Gerichtshof die Regelung des Balkans zu ihrer Aufgabe machten, so mußte man eS ihnen auch jetzt zugestehen, bei der Änderung der Balkanverhältnisse ein Wort mitzulprechen. Allerdings ist diese Stimme der Großmächte vielfach machtlos gewesen, und vor allem haben sich trotz ihres dringenden Protestes die Tore des heißumkämpften Adrianopels wieder den Türken geöffnet; aber die Großmächte waren eben durch die Ver schiedenheit ihrer Interessen in Schach ge hauen, und sie schreckten aus Furchi vor der Entflammung eines europäischen Krieges vor energischeren Mitteln zurück. Bei der Erinne rung an die Folgen ihrer Eifersucht wird der weitere Ausbau deS Völkerrechts von feiten der Europamächte einsetzen müssen. k)of unä (ZeleUlckaft. «Kaiser Wilhelm hat dem zurück tretenden braunschweigischen Staatsminister Hartwig den Roten Adlerorden erster Klasse verliehen. «Kardinal Fürstbischof Dr. Kopp ist völlig wieder hergestellt. Politilcke Kunälckau. Deutschland. «Für weite Kreise ist gegenwärtig die Frage wichtig, welche Belastung ihnen aus der Durchführung des Wehrbeitrag gesetzes erwächst. Der Kleingrundbesitz wird zu seinem größten Teil zu dem Wehr beitrag nicht herangezogen werden können. Entscheidend dafür sind einmal die Sätze für die Heranziehung nach dem Vermögen. Bis einschließlich 10 000 Mk. bleibt ein Vermögen in ledem Fall steuerfrei ohne Rücksicht auf die Höhe des sonstigen Einkommens. Vermögen bis 30 000 Mk. bleiben frei, wenn das Jahres einkommen nicht mehr als 4000 Mk. beträgt.. Und ein Vermögen dis einschließlich 60 000 Mark wird auch noch nicht herangezogen, wenn das Jahreseinkommen 2000 Mk. nicht übersteigt. Für die Bewertung des land wirtschaftlichen Grundbesitzes ist nicht der gemeine Wert, sondern der Ertragswert maß gebend, und als solcher gilt das Fünsund- zwanzigfache des Reinertrages, den ein Grund stück bei ordnungsmäßiger Bewirtschaftung mit entlohnten fremden Arbeitskräften ge währen kann. Im Gegensatz zur Reinertrags berechnung für die Einkommensteuer kann also vom Rohertrag der Wert der Arbeits kraft des Besitzers und seiner Angehörigen, soweit sie nicht entlohnt werden, in Abzug ge bracht werden. Von Bedeutung ist auch die Bestimmung des Gesetzes, nach der der Bei tragspflichtige für noch nicht selbständige Kinder und Söhne, die ihrer Wehrpflicht genügt haben, Abzüge zu machen berechtigt ist, und zwar in Höhe von 6 Prozent des Wehrbeitrages für das dritte und jedes folgende minderjährige Kind. «Zu den Verhandlungen wegen Einfüh rung des zweiten Teils des Gesetzes zur Sicherung der Bauforderungen wird von amtlicher Seite bemerkt, es sei bei Beginn der Verhandlungen nicht nur auf deren streng vertraulichen Charakter, sondern auch darauf aufmerksam gemacht worden, daß es sich dabei keineswegs um die Herbei führung von Mehrheitsbeschlüssen irgend welcher Art, sondern nur um eine Aussprache unter Sachverständigen zu Jnformations- zwecken handele. Österreich-Ungarn. «Die große österreichische Lokal bahnvorlage ist von der Regierung im Ab geordnetenhause eingebracht worden. Sie fordert den Bau von 94 neuen Bahn linien in einer Gesamtlänge von 2400 Kilo meter mit einem Anlagekapital von rund 437 Millionen Kronen. Die Gesamtsumme für die zu gewährenden Staatsbeihilfen würde un gefähr 287 Millionen betragen. Die Sicher stellung der Bahnen soll von der Regierung innerhalb 15 Jahren durchgeführt werden. Frankreich. « Der Direktor des Militärflugwesens, General Bernard, hielt im Luftschiffahrts- klub gelegentlich einer Preisverteilung an mehrere Militärflieger eine Rede, in der er sagte, das Militärflugwesen müsse nunmehr so ausgestaltet werden, daß die Flugzeuge als Angriffswaffe zur Unterstützung der Artillerie und Kavallerie dienen könnten. Seien doch die französischen Flugzeuge dazu bestimmt, die feindlichen Lustkreuzer zu zer stören, aus denen man ein Schreckgespenst machen wolle. Es sei klar, daß die Lust- kreuzer in einem Kriege in kurzer Zeit zerstört werden würden. Gegenwärtig sei nur eine kleine Anzahl auserlesener Flieger imstande, vom Flugzeug aus Schüsse abzugeben. Von nun an sollten alle Militärflieger in dieser Hinsicht praktisch ausgebildet werden. Das französische Flugzeuggeschoß sei bereits sehr vervollkommnet. Außerdem besitze die franzö sische Armee für die Zwecke der Luftartillerie eine Zielvorrichtung, die nahezu als die beste der Welt anzusehen sei. Balkamtaaten. «Die Frage der ägäischen Inseln gestaltet sich immer schwieriger. Die Drohung Grie chenlands, es werde die Räumung von Epirus bis zur Lösung der Jnselfrage hinausschieben, wird von der römischen Presse lebhaft besprochen. Es wird durchweg der Standpunkt vertreten, daß Griechenland hier durch die Beschlüsse der Londoner Konferenz verletzen würde, auf denen der Dreibund un bedingt beharren werde. Er würde die Ver quickung der Jnselfrage mit der Räumung von Epirus keinesfalls zulassen. Amerika. «Nach New Dorker Meldungen haben die mexikanischen Regierungstruppen in der Nähe der amerikanischen -Grenze eine schwere Niederlage erlitten. Damit dürfte das Schicksal des Präsidenten Huerta besiegelt sein. Afrika. « InTripolis haben die Italiener wieder einen schweren Kampf mit den Einge borenen gehabt. Mehrere italienische Offiziere sind gefallen. Die Eingeborenen hatten schwere Verluste. «In den Kohlenfeldexn von Natal und Transvaal wird es zu einer allgemeinen Arbeitsein st ellung kommen, wenn nicht eine schnelle Beilegung der Schwierigkeiten zwischen Arbeitern und Arbeitgebern herbei geführt wird, auch dürfte die Bewegung auf die Goldfelder in Transvaal übergreifen. Mehrere Gruben in Natal sollen bereits den Betrieb eingestellt haben. In Pretoria haben die Eisenbahner und Hafenarbeiter bereits Stellung zu dem drohenden allgemeinen Streik genommen und beschlossen, keine Kohlen zu befördern, die aus dem Streikgebiet stammen. Außerdem verweigern sie die Be förderung von Militär und andern bewaff neten Leuten in das Streikgebiet. Asien. «Das deutsch-chinesische Abkom men über die Regelung der Schantung- Eisenbahüfragen .ist in Peking unter zeichnet worden. Der Geldmarkt im Jahre W3. Die Berliner Handelskammer sagt in ihrem Jahresbericht über den Geldmarkt, dis Börse und die Banken u. a. folgendes: Ängstliche Zurückhaltung, Ungewißheit und eine starke Einschränkung des Geschäftes waren die Merk zeichen des Geld- und, Effektenmarktes wäh rend des Jahres 1913.' Sie wurden in der Hauptsache bedingt durch die aus den Balkan wirren heroorgegangene politische Beunruhi gung, durch die Verteuerung der Geldsätze und durch die Frage über die Entwicklung der industriellen Lage. Dabei zeigt die Entwick lung des Geschäftes zeitweilig einen scharfen Einschnitt insofern, als bald nach dem ersten Halbjahre sich fast in allen Zweigen des ge werblichen Lebens die Überzeugung durchrang, daß die rasche Aufwärtsbewegung der letzten Jahre zum Stillstand gekommen und mit einer Wiederbelebung der Konjunktur vorerst nicht zu rechnen sei. Sowohl die lange Dauer des Balkan krieges mit seinen die Erwartung auf eine baldige Beendigung immer wieder täuschen den neuen Verwicklungen, als auch die ange sichts seiner schwebenden Liquidation selbst gegenwärtig immer noch Nicht völlig geschwun dene Befürchtung vor neuen politischen Zwischenfällen mußten schließlich jedwede Unternehmungslust lahmlegen. Eine unmittel bare Folge der kriegerischen Verwicklungen war die noch stärker als im Vorjahre zutage tretende Zurückhaltung der internationalen Geldmärkte. Dank seiner in Verfolg der Marokkokrisis vorsorglich betriebenen Vorbe reitung, die finanziellen Bedürfnisse des Landes selbständig aus eigenen Mitteln zu befriedigen, befand sich der deutsche Geld markt in einer Verfassung, die trotz der Lem gewerblichen Leben durch die hohen Zinssätze auferlegten schweren Belastung keine Be sorgnis krifenhafter Erscheinungen auf kommen ließ. Von nachhaltigem Einfluß auf die Lage des Geldmarktes im In- und Auslands wird die Vermehrung der Rüstungsausgaben bleiben, die infolge des Balkankrieges überall eingetreten ist.' Der Balkankrieg hat die widerstreitenden Interessen der Großmächte in ihrem vollen Umfange bloßgelegt mit dem Ergebnis, daß troß aller Bestrebungen zur Wahrung des europäischen Friedens eine Ver schiebung der politischen Machtverhältnisse nur durch die Schutzwehr einer starken Kriegs rüstung verhindert werden könne. In Deutsch land vollzogen sich die gesetzgeberischen Maß nahmen zur Deckung der neuen Rüstungs ausgaben mit großer Schnelligkeit. Mit Rück sicht auf die angespannte Lage des Geld marktes und zur Vermeidung von Erschütte rungen des Anleihemarktes wurde die ein malige Einziehung eines Wehrbeitrages von annähernd einer Milliarde Mark beschlossen, zahlbar mit je einem Drittel in den nächsten drei Jahren, während die dauernd höheren Lasten ab 1917 aus den Ergebnissen der Ver- mögens-Zuwachssteuer bestritten werden sollen. Für die wirtschaftliche Beurteilung des Wehrbeitrages kommt in Betrachts daß er neben den besitzenden Klassen hauptsächlich den Mittelstand trifft, und ferner, daß eine große Summe für.nicht werbende Zwecke verwendet wird, wenn auch der größte Teil der' für das Heer nötigen Lieferungen der deutschen In dustrie zufällt. Vermutlich wird die. Auf bringung des großen Betrages nicht ohne Ein schränkung der Lebenshaltung und nicht ohne Verminderung der Sparfähigkeit vor sich geben. f>eer unä flotte. - Die deutschen Werften haben zurzeit, wenn .man von den Unterseeboots- und Torpedoboots neubauten absieht, 17 Kriegsschiffs aller Gattungen im Bau. Diese Zahl verteilt sich auf die . fis kalischen und privaten Werftbetriebe in der Weise, daß S Schiffsneubauten den Staatswerften in Auftrag gegeben sind, '12 der privaten Schiffs- bauindüstrie. Im 'einzelnen vollzieht sich der Ausbau her Flotte mach dem Flottenprogramm für das Jahr 1914 folgendermaßen: Es sind 3 Großkampfschiffe fertigzustellen und abzuliefern: „König", „Großer Kurfürst", „Markgraf", ferner werden in Dienste genommen der Linrettschiffs- kreuzer „Derfflinger", sowie die beiden kleinen Kreuzer „Graudenz" und „Ersatz Irene". Eine Anzahl Flottenneubaüten sehen jm Jahre 1914 ihrem inneren Ausbau entgegen, so der Linien schiffskreuzer „Lützow" und das Großkampfschiff „Ersatz Brandenburg". Wenn sich bei den Neu bauten der Linienschiffskreuzer gegenüber der „Seydlitz"-Klasse die Gesamtbausummen um rund 2 Millionen Mark erhöht haben, so hat dies seine Ursache in der beträchtlichen Steigerung der Armierung, wie sie z. B. der „Derfflinger" auf- weist.. Daher, beruht Lie Erhöhung, der Gesamt baukosten nicht so sehr in den Kosten für den Bau der. Schiffskörper, die die gleichen geblieben sind, sondern vielmehr in der Beschaffung der artilleristischen Ausrüstung. Von unct fern. Der Schnecsturm in Nordeuropa. Aus ganz Nordeuropa kommen Meldungen von Schneestürmen, die zum Teil beträchtlichen Schaden angerichtet Haden und denen leider auch Menschenleben zum Opfer gefallen sind. Mißerfolg einer Wohlfahrtssammlung. Nach der Zerstörung der beiden Markneluft- schiffe bei Helgoland und bei Johannisthal, bei denen 43 Luftfahrer den Tod fanden, wurde zugunsten der Hinterbliebenen eine öffentliche. Geldsammlung in die Wege ge leitet. Für den guten Zweck veranstaltete man auch einige Wohlfahrtskonzerte. Das Ergebnis ist jedoch bedauerlicherweise sehr ge ring. Alles in allem sind dem Komitee bisher nur 7857 Mk. zugeflossen. Ein gefährlicher Wilderer. Der Wild dieb Fuhrmann, Ler am ersten Weihnachts- feiertqge früh den Förster Knoche bei Kassel erschoß, wurde von der Gendarmerie, Lie ihn bis ins-Dickicht verfolgte, in Trubenhausen aufgespürt. Einer der Beamten war dem Fuhrmann ziemlich nahegekommen, als dieser mit einem Revolver mehrere Schüsse auf' ihn abfeuerte. Der Gendarm stürzte schwerverletzt zu Boden, und ehe seine Kameraden'herbei geeilt waren, war der Mörder im Dickicht ver schwunden. Rodelnde Knaben überfahren und getötet. Ein Rodelschlitten mit drei 12- bis 13 jährigen Knaben geriet in Köln unter ein Fuhrwerk und wurde überfahren. Zwei der Knaben blieben auf der Stelle tot, während der dritte einen Schädelbruch erlitt. Oer lUebe f§ot. 15j Roman von Harst Bodemer. „Hm, — wie du siehst, ist das nicht der Fall, — hm, — war bei Onkel Reuter, dem geht'S leider sehr schlecht; hab' ihn gesprochen, aber nur ein paar Augenblicke, Doktor Vogel hat mich gleich wieder rausgejagt, ist traurig, so'» Ende mit anzusehen. Gigenttich stellt der gut» Kerl bloß noch ein lebendes Stück Holz dar, kann gar nicht lange bei der Sache blei ben, dann gehen immer wieder seine Gedanken kunterbunt durcheinander, zu traurig so 'was, zu traurig!" Heinz ging mit großen Schritten im Zimmer auf und ab, der Later beobachtete ihn scharf. «Nun setz' dich mal ruhig hin, mein Junge, hast ja wohl Zeit?" Schwer ließ der sich in einen Stuhl gegen über fallen. „Bist du nur rübergekommen von Frank furt, um mich zu sehen, Vater, oder hat es aucstnoch andere Gründe? Ich weiß nicht, ich hüb' in der letzten Zeit öfters eine namen lose Angst gehabt, als bräche irgendein noch viel größeres Unglück, wie mich schon betroffen, herein!" „Wenn du bloß nicht so aufgeregt wärest, Heinz!" Da sprang der junge Offizier auf und schrie seinen Vater an: „Also , hab' ich doch das richtige Gefühl gehabt, also doch! — Raus mit der Sprache, Vater, wahnsinnig werd' ich ja, wenn ich noch länger auf der Folter liege!' Der Oberamtmann mußte, so unsagbar schwer es ihm wurde, nun Farbe bekennen. „Du bist fünfundzwanzig Jahre, Heinz, und mußt einsehen, daß man mit hojotoho nicht allein durch die Welt kommt, und- wenn ich dir jetzt weh tun muß, so glaub's mir, ich empfinde mit dir und vor allem uns gute Mutting, aber das Leben ist nun mal kein Kinderspiel!" ... „Zur Sache, Vater, zur Sache," unterbrach ihn Heinz erregt. „Ja, mein Junge, also du mußt dir Fräu lein Herbart aus dem Kopf schlagen." Heinz sprang auf. „Gut gesagt, wenn's nur so leicht ginge, „du mußt" ist gut, aber ich komme nicht drüber weg, was hilft das alles!" Der Oberamtmann wurde grob. „Bist du denn ein altes Waschweib oder ein junger, energischer Offizier ? Vor dir liegt noch 'ne lange Zukunft, das Schicksal stellt uns alle auf die Mensur, mehr wie einmal, und gleich auf den ersten Hieb, den du ver setzt bekommst, klappst du zusammen wie ein Taschenmesser, schämen solltest du dich!" „So versetz' mir doch den Hieb, Vater, und quäl' mich nicht länger, lange Predigt macht mich ja vollkommen verrückt." Der Oberamtmann stand auf und legte seinem Sohne die Hand auf die Schulter. „Fräulein Herdart läßt dich schön grüßen, bittet dich, ihr nicht böse zu sein, und - hm — ich soll dir sagen, daß sie sich mit dem Oberst leutnant von Sommern verlobt hat." „Vater!" der junge Offizier taumelte gegen die Wand und brach in ein Gelächter aus, als wäre er irre geworden. „Das ist ja nicht wahr, du willst mich nur auf die Probe stellen, 's kann gar nicht wahr sein, pfui, wie kannst du mir so etwas sagen,"sch kenne sie besser, zu solcher Schurkerei ist meins Kläre nicht fähig, sag' ihr, was ich Dir ' gesägt habe, und füg' hinzu: Kurz und kstm schlüg- ich jeden, der mir mein Edelreis nehmen will - kurz und klein. Und was mir bis heute dumpf im Kopfe lag,. dieser Nebel, dieses Wollen und Nichtkönnen, ist 'raus, Väter, ganz 'raus und jetzt fetz' ich mich auf der Stelle hin und schreibe mein Abschiedsgesuch, und soll ich Holz hacken oder Steine klopfen für meine Kläre, ich tu's, Arbeit schändet nicht. Sieh dir die Arme an, die können zugreisen, jag' mich runter von Wernsdorf, wenn ich am Hof tor um Einlaß bitte — immerzu, aber gib mir meine Kläre heraus — meine Kläre!" Er hatte den Vater bei den Schultern er griffen und schüttelte ihn hin und her, als wollte er ihm beweisen, daß er Kraft genug besaß, um den Kampf mit dem Schicksal auf zunehmen !" „Junge, so sei doch vernünftig!" „Ist das unvernünftig, Vater, wenn ein Mann seine Zukunft sich allein zurechtzimmern will, wenn er bei seinen Angehörigen kein Verständnis findet?" Darüber wollen wir jetzt nicht streiten, du stehst vor der Tatsache, daß sich Fräulein Herbart verlobt hat!" „Ich habe aus deinem Munde noch niemals eine Lüge vernommen, Vater, jetzt aber glaube ich dir nicht, du willst mich nur auf die Probe stellen, dazu kenne ich meine Kläre zu gut, solcher Handlungsweise, solchen Ver rates an mir, ist sie unfähig!" „Heinz, versetz' dich doch mal in die Lage dieses armen Mädels, ihr bietet sich eine ge sicherte, wahrscheinlich glänzende Zukunft cm der Seite des Oberstleutnants, hei ruhiger Überlegung wirst du dir selbst sagen müssen, sie tut recht daran, wenn sie sich von Herr» von Sommern durchs Leben führen läßt, denn, mein Junge, 's ist eine schöne Sache um den Idealismus, wir Deutsche haben eine reichliche Portion zuviel davon iin Leibe, aber satt wird man nicht davon, und der Alltag ist keine Poesie, sondern ernste Prosa, glaub' es mir!" „Und das sagst du mir, du, der Mutter so glücklich gemacht!" „Ja, das sage ich dir, weil du kein Kind mehr bist, aber wie ich sehe, noch lange kein Mann. Denkst du vielleicht, Mutting und ich haben keine Konzessionen an das Leben machen müssen?" „Natürlich, — aber was ihr gekonnt habt, können wir ckuch!" „Zum Kuckuck noch mal, Heinz! Äch bin kein Wortklauber, du stehst vor einer vollen deten Tatsache, Fräulein Herbart hat sich ver lobt, du hast als Mann die Folgen daraus zu ziehen und sie in Ruhe zu lassen, und damit Punktum!" „Verlobt ist noch lange nicht verheiratet!" „Willst du sie vielleicht dem Oberstleutnant abjagen, mein Junge?" „Ja, das will ich!" „Und das arme Mädel, die nun glücklich einen Halt gewonnen, kreuzunglücklich machen, das tut ein Schuft, aber kein Mann!" „Denkst du vielleicht, sie wird an der Seite des Oberstleutnants glücklich?"
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)