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8 derte. Wenn nämlich die Umbildung des Roggenkornes in Mutterkorn von einem Pilze herzuleiten wäre, so müßte man das Stärkemehl in der ersten Zeit doch jedenfalls noch teilweise vorfinden, da die Einwirkung deH Pilzes nur von außen nach innen vor sich gehen könnte. Dies kommt aber nicht vor; immer ist das Roggenkorn gleichmäßig umgebildet. Zudem müßten durch die Ausbildung des Pilzes doch jedenfalls Stoffe verbraucht werde», darum müßte das Mutterkorn, auf dessen Kosten der Pilz sich allein er nähren könnte, immer kleiner werden; es wird aber immer größer. Dem Grunde näher kam der italienische Protomedikus Parola aus Turin. Nach seinen Untersuchungen war die Bildung des Mutterkornes die Folge einer Krankheit des Stielansatzes, durch welchen das Roggenkorn an der Aehrenspindel angeheftet ist. Infolge dieser Krankheit werden nach ihm die Spelzen gelb und weich, und gehen samt dem erweichten Roggen korne eine durch eigentümlichen Geruch angezeigte Gärung ein. Während dieses Vorganges wird zwischen dem Korne und seinem Stielansatz eine klebrige Masse abgeschieden, welche die erkrankte Frucht von ihrem Stiel- chen trennt. Allmählich am Grunde wachsend und schichtweise erhärtend, stellt es zuletzt das eigentliche Mutterkorn dar. Nach Müllers Beobachtungen ist das Mutterkorn entschieden der unigebildete Fruchtknoten oder das Roggenkorn. Ein solches entsteht, kurz gesagt, daher, daß der Fruchtknoten zur Zeit der Blüte unbefruchtet bleibt. Dies hat zur Folge, daß sich der Fruchtknoten anfangs zwar regelmäßig entwickelt, wie die übrigen befruchteten der Aehre, aber später hinter dieser zurückbleibt, aufschwillt, krankhaften Bildungen anheimfällt und nun allmäh lich als langes Horn über die Spelzen hinaus wächst. Eine solche bedeu tende Veränderung der Gestalt steht nicht vereinzelt da; sie hat ihr Seiteu- stück in den sogenannten „Taschen" auf den Pflaumenbäumen. Auch diese sind unbefruchtet gebliebene Fruchtknoten der Pflaumenblüte. Dieser Mangel einer Befruchtung rührt von verschiedenen Ursachen her. Entweder regnet es in die Roggenblüte und der Regen wäscht den Blütenstaub vollständig oder teilweise aus den Staubbeuteln oder von den Narben ab. Darum ist es von höchster Bedeutung, daß es zur Zeit der Roggenblüte ebensowenig, wie in die Blüte jeder Pflanze regnet. Auch viel nebliges Wetter wird die Befruchtung natürlich stören. Oder der Wind ist als Ostwind so trocken, daß sich auf den Narben kein Zucker bildet, auf dem der Blütenstaub haften und sich schlauchförmig entwickeln könnte. Oder der Wind ist so heftig, daß er den Blütenstaub zu hastig aus den Staub beuteln schüttelt und er wiederum die Narbe nicht erreicht. Daher kommt es, daß meist die an den Ackerrändern befindlichen, überdies von den vor übergehenden oft berührten, oder die zu lang ans dem Aehrenfelde hervor ragenden Aehre» das »leiste Mutterkorn erzeugen, weil sie die am wenigsten geschützten waren, während die inner« Aehren sich durcheinander schützten. Daher kommt es ferner, daß man auf Roggenfeldern, deren Halme zu dürf tig nebeneinander stehen, oft jede Aehre vom Mutterkorne befallen findet. Selbst Kälte kann dazu beitragen, da sie die Znckerbildung der Narbe», mit ihr die Schlauchbildung des Blütenstaubes, sein Haften und überhaupt seine rasche regelmäßige Ausbildung leicht verhindert. Was sich in der Roggenblüte zutrug, kann sich natürlich auch bei Gerste, Hafer und Weizen ereignen. Wirklich bildet sich auch bei der Gerste Mutterkorn aus, doch nur um später ganz in Brand überzugehen, d. h.