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Wilsdruffer Tageblatt : 31.05.1940
- Erscheinungsdatum
- 1940-05-31
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-194005310
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19400531
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19400531
- Sammlungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1940
-
Monat
1940-05
- Tag 1940-05-31
-
Monat
1940-05
-
Jahr
1940
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 31.05.1940
- Autor
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Wymer M mlMrgLMWNchem Mätze zu gefährden. Es waren Tage zu verzeichnen, an denen sich bis zu 21 Personen krank meldeten, und zwar handelte es sich hauptsächlich um fiebrige Erkrankungen. Allen Begriffen der Menschlichkeit wider sprach es, wenn z. B. am Nachmittag zu einem Kinde, das mit 4Ü Grad Lieber Sarniederlag, ein Arzt dringend gerusen wurde, und derselbe erst am nächsten Nachmittag um 3 Uhr erschien. Erst nach Tagen gelang es, die Erlaubnis zu erwirken, daß wenigstens die Frauen und Kinder zweimal am Tage se eine Diertelstunde auf dem Bahnhof sich bewegen konnten, während !es den Männern elf Tage lang, bis auf den letzten Tag, an dem ihnen ebenfalls eine Viertelstunde zugebilligt wurde, verboten war, den Zug zu verlassen. Allen Regeln des Völkerrechts zuwider, hat die französische Regierung mir die ersten fünf Tage lang verwehrt, mich mit der Schwedischen Gesandtschaft als der Vertretung der Schutz macht deutscher Interessen in Frankreich in Verbindung zu setzen. Ich mutz herbei hervorheben, datz der Vertreter des bel gischen AutzeNministeriums, der in der schwierigen Lage war, die deutschen Interessen bei französischen Behörden vertreten zu muffen, sich in loyalster Weise bemüht hat, diese Verbindung herzustellen und es ihm schließlich gelungen ist, durchzusetzen, daß der schwedische Geschäftsträger aus Vern den Zug aufsuchte. Der Aufenthalt in Ponarlier war die einzige Möglichkeit, unseren unglücklichen, verhafteten Kameraden Hilfe zukommen lassen zu können und ihnen, wenn überhaupt möglich, Rettung zu bringen. Die Franzosen wußten das und versuchten, durch die Schikanen unseren Aufenthalt unmöglich zu machen. Bis auf vier Verhaftete ist.es mir gelungen, die übrigen frei zubekommen. Als dann am dreizehnten Tag klar wurde, datz die französische Regierung materiell nicht in der Lage war, die Verhafteten herbeizuschaffen, andererseits bei meiner Abreise drei Franzosen in Lindau auf dem belgischen Zug zurückgehal- ten werden würden, und weil der Gesundheitszustand unter den Frauen und Kindern sich an diesem dreizehnten Tag so ver schlechterten, datz ich nicht mehr die Verantwortung tragen konnte, entschloß ich mich zur Abreise. Schärfster Protest erhoben Beim Verlassen französischen Bodens habe ich ein Schreiben <an die Schwedische Gesandtschaft in Paris gerichtet und gebeten, schärfsten Protest bei der französischen Regierung hinsichtlich ihres Wortbruches bei den durchgefiihrten Verhaftungen zu erheben, und schliehlich u. a. auch hinsichtlich der unwürdigen Behand lung der deutschen Diplomaten und ihrer Angehörigen. Ich habe meine Empörung zum Ausdruck gebracht, datz man eS gewagt hat, einen Botschafter des Deutschen Reiches und seine Mit arbeiter zehn Tage lang schlechter zu stellen, als es in den Kul turländern gewöhnlichen Strafgefangenen gegenüber zu geschehen pflegt. Meine Herren, das ist französische Courtoisie! Mit welcher Freude dann schlieklich die Grenze überschrit ten wurde, brauche ich nicht zu beschreiben. MWandLum des Schriftleiters Koerber Dann berichtete der frühere ständige DNB.-Vertreter in Druffel, Schriftleiter Koerber, über leine Erlebnisse: Ach bin. so führte er u. a. aus. einer von denjenigen Deut schen, die widerrechtlich an der französischen Grenze aus dem Zug herausgeholt wurden, und einer von den dreien, die nicht nach Pontarlier zurückgebracht wurden, sondern nach Boulogne verschleppt wurden. Wir wurden von den Franzosen in einer Weise behandelt und mihhandelt. wie ich das von der iranzö- fischen sog. „ersten Kulturnation Europas" niemals erwartet hätte. Wir wurden sofort in einen schwerbeladenen Lastwagen hineingepfercht und unter starker militärischer Bewachung nach Lille befördert. Dort wurden wir in ein Gebäude gebracht. Has einer Art Unterabteilung der französischen Surete gehörte, einer Organisation, die dem französischen Innenminister bzw. hem Juden Mandel untersteht. Diese Organisation hatte vom 10. Mai an eine Terror herrschaft in Belgien ausgeübt. Sie war sofort mit unzähli gen Wagen nach Belgien hineingefahren und hatte dort nicht nur Deutsche, sondern auch Belgier und Holländer, die auf ihren Listen standen, herausgcholt und nach Frankreich der- schleppt. Wir wurden in zwei engen Räumen eingepfercht und mußten dort eine ganze Woche lang, aus einem Haufen Stüh len sitzend, ohne eine Schlafgelegenheit, verbringen. Wir er, hielten kaum irgend etwas zu essen. - Der erste Eindruck, den wir von Verhören hatten, war. daß sich ein Verhafteter — ich glaube, es bandelte sich um einen Belgier — als er vom Verhör zurückkehrte, unbemerkt in einer Ecke die Pulsadewn aufschuitt und plötzlich in einer großen Blutlache zusammenbrach. Er wurde nur des wegen wieder ins Leben gerusen, weil die französischen Kri minalbeamten sagten, sie wollten noch das letzte aus ihm her- ausvteffen. was aus ihm Lerausaepreßt werden konnte. Das War Mtser erster schauderhafter Eindruck in diesem Haus der sranzösischen Tscheka. Der zweite Eindruck war, daß ich einen der Kameraden von d<c deutschen Botschaft in Brüssel, der zwei Tage nach seinem Verhör verschwunden war, nur kurz wieder auftau chen sah. Er war im Gesicht völlig zerschlagen, sein eines Auge war überhaupt nicht mehr sichtbar. Man hatte ihm einige Zähne eingeschlagen, er konnte nicht mehr laufen und mußte seine Schuhe in den Hän den tragen, weil man ihn an den Füßen mißhandelt hatte. Dann hörten wir immer in den Räumen über uns, wie unsere Kameraden in furchtbarer Weise mißhandelt wurden. Sie wurden gegen die Wand geworfen und mit Fußtritten traktiert. Erst am dritten Tag kam auch ich dran. Ich wurde gleich mit Handschellen gefesselt, nachdem ich mich zunächst bis aus die Unterwäsche ausziehen mutzte. So wurde ich zu nächst drei Stunden lang am Vormittag verhört. Dann schickte mich der Kriminalbeamte wieder hinunter und sagte, nachdem ick ihm jetzt „schöne Geschichten" erzählt hätte, würde er mich am Nachmittag mit anderen Methoden verhören. Schümmer war es nicht möglich Ich wurde dann auch nach einer Stunde wieder herauf geholt, wieder bis auf die Unterwäsche ausgezogen, meine Hände wucv-i mir aus dem Rücken gefesselt, und ich mutzte mit den nackten Knien auf ein hartes Lineal knien und die Schuhe ausziehen. Dann holte ein Beamter einen schweren Holzknüppcl mit scharsen Kanten und fing nun das Verhör mit Methoden an, wie man sie eigentlich nur von der mine'- alterlichen Inquisition her kennt. Er schlug mich mit diesem Holztnüppel fünf Stunden lang, immer wieder auf die nack ten Fußsohlen, um mich auszupreffen, um etwas über meine Tätigkeit oder über die Tätigkit der deutschen Botschaft zu hören. Gleichzeitig stand ein anderer Beamter vor mir und mitzhandelte mich mit Faustschlägen unter den übelsten Schimpsworten, während mir ein anderer dauernd einen ent sicherten Revolver au die Schlafe hielt. Ich war nach kurzer Zeit beinahe bewußtlos, konnte mich nicht mehr erheben, konnte kaum mehr sprechen. Meine Fühs waren nur noch zwei unförmige blutige Klumpen. Die Franzosen traten mir auch mit ihren Stiefeln aus die Fußge lenke. Da ich meine Schuhe nicht wieder anziehen konnte, schnitt einer der Beamten die Schuhe hinten auf: auch so konnte ich nicht Hineinkommen, und ich mußte, aus den Knien rutschend und kriechend, zwei Stockwerke hinunter in den Keller, wo ick in eine dunkle Zelle geworfen wurde. Dort blieb ich 38 Stunden lang ohne Nahrung. Alle zwei Stunden kamen wieder zwei oder drei Beamte hin ein und bedrohten mich, mit den Mißhandlungen wieder von vorn zu besinnen. Nach 24 Stunden kam ein Kriminalbeamter mit drei Sol daten und sagte: „Jetzt wirst du abgefuhrt. letzt wirst du er schossen". Daraufhin sagte ich, datz ick nicht geben könne, und er schlug die Tür wieder zu mit der Drohung, datz er später wie derkommen würde. Ich mutz auch noch sagen, datz unter uns zehn Deutschen auch drei deutsche Frauen dabei waren, drei Sekretärinnen der Deutschen Botschaft, und daß auch diese mißhandelt wurden, daß eine Sekretärin in der Deutschen Botschait. Frl Beckmann, von Viesen sranzösischen Barbaren mehrere Faustschläge in den Magen bekam. Später wurden noch zwei Deutsche, die die Franzosen aus Npern herausgeholt hatten der Leiter des deutschen Kriegs-' gräberdien st es und sein Gärtner, hereingebracht. Der Gärtner wurde derart geschlagen, daß man mit seinem Tode rechnen mutz. Wir hörten später, wie die Franzosen höhnisch lachend, versicherten, er sei tot. Wir haben hin auch nie mehr wiedergesehen. Koerber schilderte dann, wie er und zwei Angestellte der Deutschen Botschaft schlietzlich in ein Auto gebracht wurden, wo bei es hietz, sie würden nun ebenfalls wie die schon vorher Ab- transportierten, nach der Schweiz gebracht werden. Nach kurzer Zeit täuschte der Wagenlcnker eine Panne vor, um die drei Deutschen loszuwerden, da in Lille infolge des Heranrückens der deutschen Truppen bereits eine Panik ausgebrochen war. Die Beamten der CST übergaben die drei Gefangenen einem französischen Gendarmen, der zwar laut dagegen protestierte, sie aber schlietzlich zur Eendarmeriestation brächte, von wo sie auf die Zitadelle von Lille gebracht wurden. Wir iahen dabei u. a., wie drei deutsche gesangengenommene Flieger vorbeiaesührt wurden, die man auch in der übelsten Weise beschimpfte. Hinter jedem von ihnen ging ein Franzose, der den entsicherten Revolver gegen den Nacken ves Gefangenen hielt. Schlietzlich kamen Koeber und seine beiden Leidens gefährten nach Boulogne, wo sie wiederum ins Gefängnis ge bracht und. wie Strafgefangene in Einzelzellen mit Schwerver brechern aller Art MkergeDräSsi mürbem Ein besuch an Da» dortige Militärkommando, sie endlich nach der Schweiz zu brin gen, blieb erfolglos. Es war dann sür uns eine ganz unerhörte, niemals erwar tete Ueberraschung, als schon zwei Tage später das Gefecht um die Stadt begann. Wir hatten ja keine Ahnung, wir wußten nicht einmal, ob die deutschen Truppen die Maas überschritten hatten. Als wir Artillerie- und Maschinengewehrseuer um das Gefängnis hörten, da wußten wir, daß die Deutschen in der Nähe sind. Drei Tage mutzten wir noch warten. In einer sehr gefährlichen Lage, denn die Briten schossen mit Schisssaeschützen in die Stadt. Aber daun kam eine deutsche Patrouille, holte uns aus dem Eesängnis heraus und sorgte für unsere Rückkehr in die Heimat. * Die Berichte, die hier der deutsche Botschafter von Vülow- Echwante und der Schriftleiter Koerber geben, kennzeichnen ein Frankreich, das von seiner Tünche angeblicher Courtoisie aber auch den letzten Rest eingebützt hat und keine wahren Verhält nisse in einer erschütternden Nacktheit zeigt. Hier tritt Frank reich. die angebliche grohe Nation, an die Seite der schlim m - sten Neger st ämme. Gemeiue VerbrechenKenkemes Es mehren sich in den letzten Tagen von verschiedene» Stellen der großen Kampffront im Westen Meldungen deut scher Soldaten, die nach hartnäckiger Gegenwehr in eng lische Gefangenschaft gerieten, aber nach kurzer Zeit wieder ausgebrochen oder befreit waren, über die Behandlung» die ihnen von englischen Offizieren und Sol daten widerfuhr. In allen Fällen ergab sich stets das wider wärtige Bild, datz sich die Engländer gegen die deutschen Sol daten benahmen, als ob sie Kannibalen oder Raubmörder vor sich hätten. Zunächst wurden die Deutschen in der allergemeinsten Weise als Verbrecher beschimpft, geschlagen und mit dem Tode bedroht. Sie mußten sich mit dem Gesicht zur Wand stellen, während englische Soldaten ihre Wassen luden. Hinterher wurden sie vollkommen ausgeplündert, und zwar wurden ihnen nicht nur die Waffe», Geld, Uhren, Ringe und sonstige Wertsachen geraubt, die die Tommies in ihren Taschen verschwinden ließen, sondern es wurden ihnen auch Privatsachcn, wie Photographien, Andenken und Briefe sort- genommcn oder vernichtet. Ihre Dienstabzeichen, Auszeichnungen, sogar die Erken nungsmarken wurden heruniergerissen, Hosenträger und Knöpfe abgeschnitten und nicht einmal ein Taschentuch dursten die deutschen Soldaten behalten. An Händen und' Füßen gefesselt, wie gemeingefährliche Verbrecher wurden sie in irgendeine Ecke oder auf die Straße geworfen, wo sie anch bei Beschuß der Ortschaft durch deutsche Artillerie liegenblicben. Um eine ärztliche Betreuung der Verwundeten kümmerten sich die Engländer überhaupt nicht. Auch beim Marsch wurden den Gefangenen den Fesseln nicht abgenommen. Konnten sie infolge Ermüdung oder Blut verlust nicht schnell genug marschieren, wurden sie mitten in die Marschkolonnen getrieben und dauernd geschlagen. Englische Offiziere ließen sich dicke Baumknüppel geben, um damit sadistisch aus die Gesalzenen einhauen zu können. Beim Verhör wurden die Gefangenen in einen dunklen Raum ge schasst und dort mit grellem Licht angeblendet, das sie gegen über dem Aussrager, der unsichtbar blieb, mürbe machen sollte. Selbstverständlich verrieten trotzdem die deutschen Solda ten keine militärischen Dinge. Die deutsche Heimat wird diese Berichte über das Quälen ihrer Soldaten durch die Engländer in ihrem Gedächtnis fest halten müssen. Deutschland wird, wie bereits aus der Be kanntmachung von Gcneralfcldmarschall Göring hervorgeht, ein derartiges Verhalten nicht ungestraft hinnehmcn. EnMrrds Schergen am Merl Deutsche Frauen, Kinder und Greise in Palästina interniert. In Palästina sind alle bisher noch nicht internierten deutschen Staatsangehörigen verhaftet worden. Nachdem biS- her nur Männer im wehrfähigen Alter seit Kriegsbeginn im Konzentrationslager untergebrachi waren, sind nunmehr auch alle Frauen, Kinder und Greise einschließlich der Schwachen und Kranken in die Jnternicrtenlager verschleppt worden. Schulen in Malta geschloffen Der britische Gouverneur, General Dobbie, teilte den Be wohnern von Malta durch Rundfunk mit, daß die Schulen ab Donnerstag geschlossen werden. t promsr, von wlsrls Obsrlin kLopyright »q promrch-ur-Lerlaa »rwen,sU dei MUnibe» W. Fortsetzung Lu-Feng lächelte Unergründlich wie immer. Er nahm das Kleid aus billigem grellem Stoff, legte es über den Arm» zuckte die Achseln, ging hinaus. Wahrscheinlich wird er mich hinauswerfen. Aber was «rächt das? Meine Koffer stehen ja immer noch unaus gepackt in dem finsteren Loch, das sich meine Schlafkabine nennt. Und ich habe nicht mehr viel zu verlieren... * Doch Wochen und Wochen vergehen in dieser Hölle! Ln- Aeng hat sein Angebot ein paarmal wiederholt... Er hat mir Geld geboten, gute, schöne Rupien, die! Rupien, wenn ich zu der jammernden Jazzmusik ein paar süßliche englische Schlager singen, ein wenig tanzen wolle. Er verfolgt eine zähe unermüdliche Taktik. Seit einigen Tagen tanzt eine kraushaarige Kreolin bei ihm. Sie trägt dicke goldene Ohrringe, hat einen breiten frechen Mund. Sie kommt hin und wieder in die Küche, macht mir das Atmen schwer durch ihr süßes billiges Parfüm und läßt sich von mir bedienen ! Meine Hände zucken, es kocht in mir... Lu-Feng lächelt und schweigt... Ein seltsames Erlebnis war das, gestern abend. Eigent lich begann es schon gestern morgen. Ich ging durch die Pettah mit der alten Negsrin, trat an die Gemüsestände, zu Gewürzkrämern und suchte einiges aus... Man kennt mich schon in diesem seltsamen Viertel und mustert mich halb frech, halb scheu. Hin nnd wieder gibt's ja auch gutmütige Hindus hier, die die Europäerin freund- lich behandeln, Narjahd zum Beispiel, der Sandalen macher, bei dem ich gestern einkehrte und ihm einen Schuh zu reparieren gab Als ich aus seinem kleinen Höhlenladen zurücktrat, prallte ich fast mit einem hageren großen Europäer zu sammen. Er hatte ein schmales, tiefzerfurchtes Gesicht, Weißes Haar sah unter dem Hellen Tropenhut Seine scharfen blauen Augen musterten mich einen Augenblick fast erschreckt, er wich zurück und rieL- .Siddy!« Ich starrte in sein plötzlich von Schmerz zerrissenes, ungeheuer einsames Gesicht Da verbeugte er sich sehr tief und respektvoll. Ich fühlte den starken Blick der blauen Augen noch lange hinter mir Heute abend reichte ich Lu-Feng ein Paar Gläser durch den Vorhang, der die Wirtschaftsräume und das Gast zimmer trennt. Ich bemühte mich wie immer, mich mög lichst verborgen zu halten. Aber ich sah doch, daß der große Fremde von heute früh an einem Tisch faß und mit fremden suchenden Blicken die Umgebung musterte. Ich blieb einen Augenblick hinter dem Vorhang stehen und überlegte. Konnte er wirklich mich suchen? Eines war klar, er gehörte nicht in Lu-Fengs Lokal. Es war fast, als hätte er meine Gedanken gespürt, denn plötzlich trat er nahe an den Vorhang heran. Da öffnete ich. Wir starrten uns an. Sein Blick war maßlos erstaunt und befremdet. Kein Wunder: ich trug einen dunklen Arbeitskittel, meine Hände waren vpn der Küchenarbeit schmutzig, mein Gesicht sicher totenblaß. Dann sah er mich ernst an. „Kann ich Sie sprechen, Miß?" Es war noch etwas wie Mißtrauen und Befremden in seiner Stimme. Ich nickte mit zugepreßter Kehle. Ich bat ihn, am Tisch auf mich zu warten, ich würde gleich kommen. Ich riß mir die Schürze ab, wusch mir die Hände. Ich war wie zerwühlt und verstört von bitteren Ge danken. Oh, ich verstand ja das Mißtrauen nnd Befremden dieses großen, vornehmen Europäers! Was treibt sich denn in solchen Schenken herum: Abenteuerinnen, herunter gekommene Frauen. Wahrscheinlich reihte er mich so ein... Ein wilder Trotz überkam mich. Und doch gleichzeitig auch der heiße Wunsch, endlich wieder einmal mit einem Europäer zu sprechen... Ich setzte mich zu ihm und sah ihm ruhig ins Gesicht. Noch ehe er zu sprechen begonnen hatte, sagte ich: „Ich weiß nicht, was Sie von mir wollen, Mister.« Er verbeugte sich ruhig: „Morahn...«, sagte er kurz. „Mister Morahn. Ich sah in Ihrem Gesicht ganz deutlich, daß Sie dieses Lokal und seine Umgebung richtig einschätzen. Nur mich schätzen Sie falsch ein. Ich bin durch großes Unglück hier hineingeraten. Ich bin nicht zur Unter haltung der Gäste, sondern für Küchenarbeit da. Ich wollte Iünen das nur saaen, es scheint mir richtig so..." Die ganze ungeheure Bitterkeit der letzten Monate hat Wohl in meinen Worten mitgeschwungen, denn Mister Morahn sah mich sehr ernst an. „Sie müssen mein Befremden begreifen!" gab er kurz zurück. „Als ich Sie heute früh in der Pettah sah, nahm ich an, Sie seien eine Dame der Colomboer Gesellschaft« die sich einer Laune zuliebe in die Pettah begebe« hätte. Ich bin Ihnen nachgegangen und muß sagen, ich war er* schrocken, daß Sie hier leben!" Ich zuckte die Achseln. „Der letzte Weg vor dem Verhungern!« sagte ich knechp. „Das können Sie sich doch denken. Sonst Ware ich niemals hierher gekommen " Sein Blick war tiefernst nnd teilnahmsvoll. „Haben Sie denn niemanden hier?« Ich schüttelte den Kopf. „Vielleicht, daß das Konsulat...?" Ich nickte ruhig. „Ja, das ist der letzte Schritt. Bettel«. Ich habe kh« nie gehen wollen. Jetzt werde ich bald so weit sein...« Er schwieg eine Weile. Dann sagte er: „Ich muß Ihnen noch erklären, weshalb ich kam. Um mich zu entschuldigen...« Ich sah ihn verblüfft an. „Ich habe Sie heute morgen is wirtlich mMemlicher Weise angestarrt und belästigt — verzeihen Sie!" Ich hob die Achseln, ich glaube, es war etwas wie Spott um meinen Mund. Diese förmliche Entschuldigung« wie sie vielleicht bei einer Dame der Gesellschaft äuge- bracht ist, wirkte seltsam, ja, fast grotesk in dieser her* untergekommenen Umgebung — Und doch spürte ich aus seinen Worte« die betonte Höflichkeit und Achtung vor der EuropLerm, der Weißen Frau... Nach all den höllischen Tagen bei Lu-Feng tat das Wohl. „Und Sie werden sich wundern» weshalb ich Ihnen nachging!" sagte Morahn plötzlich sehr ernst. „Es war eine Aehnlichkeit, eine täuschende Aehnlichkeit, die mich ver wirrte und erschreckte " Ich sah erschüttert in sein Gesicht, es war plötzkü schmerzzerrissen und ungeheuer einsam. „An meine Frau", sagte er noch sehr leise. Und Wit ein Hauch kamen drei weitere Worte: „Sie ist tot Wir schwiegen beide. Lu-Fengs Jazzkapelle stieß ihl wimmerndes Saxophongeschrei in die qualmige Stube, dft kleine Kreolin sang ihr freches Lied und wiegte aufreizend die Hüsten... Ich schloß die Augen vor Ekel. (Fortsetzung folgt!
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