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Wilsdruffer Tageblatt : 24.05.1940
- Erscheinungsdatum
- 1940-05-24
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-194005244
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19400524
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19400524
- Sammlungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1940
-
Monat
1940-05
- Tag 1940-05-24
-
Monat
1940-05
-
Jahr
1940
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 24.05.1940
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Mir bei der MeinlaMeketzmm So hausten Frankreichs Kolonialtruppen in Belgien! Sämtliche Wohnungseinrichtungen demoliert Zu dem ungestümen Vordringen der deutschen Truppen durch Belgien nach Westen erhalten wir jetzt nachträglich eine interessante Schilderung. Das Armeekorps, das schon Lüttich und Namur genommen hat, befand sich auf der Verfolgung der französischen und belgi schen Truppen. Der Kommandierende General verlegte seinen Gefechtsstand entsprechend dem Vorrücken seiner Truppen nach vorn. Der Stab erreichte um 14 Uhr einen Ort im Kampfgebiet, aus dem die französischen Truppen, die zur Verstärkung der Belgischen Truppen eingesetzt waren, erst am Morgen des glei chen Tages um 8.30 Uhr abgerückt waren. Da das Dorf weit hinter der Kampflinie lag, war es kaum durch Artillerieseuer oder Bombenangriffe beschädigt worden. Trotzdem bot es ein Bild der Vernichtung wie es Fliegerbomben oder Granaten nicht schlimmer hätten bewirken können. Der Ort war von schwarzen und andersfarbigen Kolonkal- truppen der Franzosen belegt gewesen. Diese hatten derart ge haust, wie wir es ja teilweise aus den Tagen der Rhein- lanvbesetzung durch solche „französischen Neger- kennen. Möbel, Kleider und alles Eigentum der belgischen Einwohner waren demoliert und zerrissen und die Häuser und Wohnungs einrichtungen in einer ganz unvorstellbaren Weise besudelt und beschmutzt. Die Feststellung über diesen Zustand, den die Hilfsvölker der französischen Kulturnation angerichtet haben, hat die Ge meindebehörden zusammen mit dem deutschen Generalkommando getroffen. Diese „Kulturtat" wird für alle Zeiten nicht nur in der Erinnerung der belgischen Bevölkerung bleiben, sondern auch in die spätere Kriegsgeschichte eingehen als ein Beweis dafür, welches Unheil die französische Regierung den Völkern zufügte, die sie zum Kampf gegen Deutschland hetzte. Wieder nur ein FMdamUfer! Britische Admiralität bleibt bei ihrer Verschweigetaktik Wie aus London verlautet, hat die britische Admi ralität sich wieder einmal dazu beguemi, einen Schiffs verlust bekanntzugeben. Es handelt sich dabei allerdings nicht etwa um einen Kreuzer oder gar um ein Schlachtschiff, sondern natürlich — um einen Fischdampfer mit Namen „Rifsnetz", der einem Bombenangriff der deutschen Luftwaffe zum Opfer fiel. Drei Mann der Besatzung sollen dabei getötei worden sein. Auch dieser Verlust ist ein Beweis mehr für die schweren Schläge, die die deutsche Luftwaffe den Seestreitkrästen der. Westmächle immer wieder zufügt. Denn niemand wird der britischen Admiralität glauben, daß sich die Treffsicherheit der deutschen Flieger aus derartige winzig kleine Ziele beschränken wird. Wer eine solche Nutzschale sicher zu treffen vermaa. wird auch die großen Flotteneinheiten nicht verfehlen Französische MWrmWte Von der Admiralität zugegeben Aus Paris wird folgende Mitteilung der französischen Admiralität gemeldet: „Während der Operationen in der Nordsee an der Küste der niederländischen Inseln und Flan dern verloren wir das U-Boot „Doris", den Zerstörer „L'Adroit" sowie das Nachschubschisf „Le Nigre". Bei dem Nachschubschiff handelt es sich um einen großen Oeltanker." Der Verlust des Oeltankers „Le Nigre", der 9600 Tonnen Oel faßte, wurde bekanntlich bereits im OKW.-Bericht vom LU Mai gemeldet. Zialienerverfolgung in Marokko Verhaftung ohne Grundangabe Stefani meldet aus Rabat, datz die französischen Behör den im Protektorat Marokko plötzlich wieder schärfste Maßnahmen gegen die Italiener ergriffen hätten. Ohne weitere Erklärung seien die Italiener verhaftet, ins Ge fängnis elngeliefcrt oder inerhalb weniger Stunden abge schoben worden. Hab und Gut mußten die meist seit Jahr zehnten in Marokko ansässigen Italiener zurücklaffen. In einer Flugzeugwerkstall in Casablanca wurden Nalieuische Arbeiter unter dem Vorwand, datz Sabotageakte vorgekommen seien, verhaftet. Die Verhaftungen erstrecken sich ausschließlich auf Italiener. Eine Anzahl italienischer Staats bürger, die m einem wenige Stunden später erwarteten Schiff abreisen wollten, wurden dennoch im Zuge nach der inter nationalen Tangerzone abgeschoben. Die Lage im französischen Protektorat von Marokko wird Von Stefani als gespannt bezeichnet. Der Mukokraiische Polizeiknüppel UnterhauSabgcordneter verhaftet — Erste Anwendung des neuen „Verteidigungsgesetzes- Mr. Churchill scheint die der Regierung vom Parlament Bewilligten „Sondervollmachten", die ihm die „Befehlsgewalt über alle Untertanen" gegeben haben, mit aller Schärfe gebrau chen zu wollen. Die erste Anwendung dieses Ausnahmegesetzes, das die „Diktatur der Pluto kratre" verkündet und den vielgerühmten demokratischen „Freiheiten" bedenkenlos den Todesstoß versetzt, richtet sich gegen ein angesehenes Mit glied Les Unterhauses, den konservativen Abgeordneten Kapi tän Namsay, der verhaftet und in das Gefängnis in London geschleppt wurde. Kapitän Ramsav ist Schwiegersohn von Lord Gormanston und diente während des Weltkrieges bei der Leibgarde. Spä- tert tat er Dienst im Kriegsministerium und war 1918 Mitglied der britischen Kriegsmission für Paris. Er gehört der Konser vativen Partei seit 1931 an und vertritt einen schottischen Wahlkreis. Er ist Teilnehmer des Weltkriegs und hatte ver schiedene Staatsümter inne. Die Verhaftung Ramsays wurde im Unterhaus durch den Sprecher mitgeteilt, der bekanntgab, datz er von dem Minister für innere Angelegenheiten einen Brief erhalten habe, der den Befehl enthielt, Ramsay zu verhaften. Die Verhaftung wird mit dem 8 18 des neuen Verteidigungsgesetzes „begründet". Das Gesetz gibt der britischen Regierung u. a. die Voll macht, „gewiss- Personen, dre mit ganz bestimmten Organisa tionen in Verbindung stehen", zu verhaften. Derartige Orga nisationen sind nach dem Gesetz solche, die „unter ausländi schem Einfluß oder ausländischer Kontrolle stehen", sowie Or ganisationen, die von solchen Persönlichkeiten kontrolliert wer den, die sich mit Regierungen, mit denen Großbritannien sich im Krieg befindet, in Verbindung halten oder sympathisieren. Zur Verhaftung genügt der bloße Verdacht. * Ore letzte Rettung Bevor die aufsehenerregende Verhaftung bekannt wurde, rühmte die Londoner Plutokratenpresse das Sondervollmachts gesetz, das — wie es in der amtlichen Auslassung heißt — der Regierung unbegrenzte Vollmachten für die Kontrolle über Leben und Eigentum jedes Staatsbürgers gibt und u. a. die Todesstrafe Vorsicht, als „befreiende Tat". So schrieb „News Chronicle": „Nun werden wir erst richtig tätig werden. Das totalitäre System wird von uns mit totalen Mitteln ange wandt. Private Interessen und private Vorurteile werden hinweggesegt." „Manchester Guardian" läßt die wahren Gründe für diese Diktatur erkennen, wenn er betont, niemals habe die Existenz Großbritanniens an solch einem seidenen Faden ge hangen wie jetzt. „Wir müssen unsere Freiheit der Regierung übergeben, einer Regierung unserer Wahl, um sie von ihr später wiederzuerhaltcn." (!) — Ob die Presse nach der ersten Anwendung des Diktaturgesetzes sich noch weiter in Lobes hymnen ergehen wird? Frankreich sucht den Gündenhsck Keiner will dir Verantwortung für die Niederlage tragen Das von einem Parteiklüngel regierte Frankreich erlebt jetzt ein trauriges Intermezzo. Nach der zynischen Rede des Obcrkricgshetzers Reynaud, der den Militärs die ganze Schuld aufbürden wollte, erhebt sich nun ein widerliches Geschrei nach neuen Opfern. Die ganze französische Presse lobt. Jeder Parici- klünael wirft dem anderen vor, er sei schuld an dem Unglück. Die rechtsstehende „Victoire" Hal wieder die Frage nach den Verantwortlichkeiten aufgeworfen. Der Ministerpräsident habe versprochen, so schreibt sie, datz die schweren Fehler be straft würden. Das Land erwarte, daß diese Versprechungen gehalten werden und datz die Hauptschuldigen nicht nur leicht davonkommen, sondern einfach in die Wüste geschickt werden. — Für den Jnnenpolitiker des „Populaire" ist alle Kritik an der Volksfrontpolitik Landesverrat. Er verlangt daher, datz als „Defaitist" zur Veranwonung gezogen wird, wer sich nur über Demokratie, das parlamentarische System, die Gewerkschafts tyrannei oder die 40-Stunden-Woche abfällig äußert. — Be denkliches Krisenzeichen! 8ud Mandel „regiert' Frankreichs Innenminister der Jude Mandel, hat im Nah men der „Verwaltungsreform" den Präfekten des Departements Oise in den Ruhestand versetzt Zum neuen Präsekten des Depar tements Oise wurde der bisherige Präfekt des Departements Gote du Nord ernannt, der sein Amt bereits angetreten hat. Durch Dekret wurde ferner der Bürgermeister der Gemeinde St. Felix für die Dauer der Feindseligkeiten seines Amtes ent hoben. NSoM «> MrM Ein Telegrammwechsel — Ausdruck der Verbundenheit beider Länder Der italienische Regierungschef Benito Mussolini hat dem Generalfeldmarschall Göring folgendes Telegramm gesandt: „2n dem Augenblick, in dem Seine Majestät der König und Kaiser Ihnen seine höchste ritterliche Auszeichnung ebenso wie seine hohe Anerkennung für Ihr Werk, die Bindungen zwi schen Deutschland und Italien zu verstärken, übermittelt, habe ich den Wunsch, Ihnen meine Glückwünsche und kameradschast- lichen Grütze zu übermitteln." Der Generalfeldmarschall hat die Glückwünsche Mussolinis mit folgendem Telegramm erwidert: „Für die freundschaftlichen Glückwünsche, die Sie mir an läßlich der Verleihung der Insignien des Annunziatenordens durch Seine Majestät den König und Kaiser ausgesprochen haben, danke ich Ihnen herzlich. Ihr kameradschaftliches Gedenken ist wir nicht nur eine große Freude, ich erblicke darin auch den Ausdruck unserer unverbrüchlichen Freundschaft und der Verbun denheit unserer Länder." Empfang Sei NsMalter Alfieri Am ersten Jahrestag der Unterzeichnung des Bündnis vertrages Am ersten Jahrestag des am 22. Mai 1939 unterzeich nete Freundschafts- und Bündnisvertrages zwischen dem Großdeutschen Reich und dem faschistischen Imperium und aus Anlaß der erfolgten Uebereichung feines Beglaubigungs schreibens hatten am Mittwochnachmitlag der neue Königlich Italienische Botschafter und Frau Alfieri zu einem Emp- fanq in die Italienische Botschaft geladen. Der Einladung hatten außer dem Diplomatischen Korps die führenden Per sönlichkeiten des Reiches sowie zahlreiche Vertreter von Smat« Partei und Wehrmacht Folge geleistet. Die neue Film-WoKtMau Dreimertel-Stunden-Vilder von unerhörter Eindringlichkeit Die neue Wochenschau mit einer Rekordlänae von mehr al» tausend Metern stellt alle Bildstreifen in den Schatten, die bis her vom deutschen Schicksalskamps berichteten. Wer diesen Film gesehen hat, dessen Vorführung dreiviertel Stunden dauert, der muß dem Führer von ganzem Herzen dankbar sein, datz er den Weltmächten zuvorkam und ihre Pläne vereitelte, die Furie des Krieges durch deutsches Land tragen zu lasten. Flugzeuge mit Luftlandetruppen starten. Massenabspruna deutscher Fallschirmjäger. Zehn, zwanzig, dreißig und mehr Fall schirmjäger pendeln in der Luft. Auch die Kamera springt mit ab. Auf dem Flugplatz von Rotterdam sammeln sich die todes mutigen Männer. Dann sieht man, wie sie in die Stadt ein dringen. sich ihren Weg über Dächer und Hausböden bahnend, um zu den wichtigsten Punkten der Stadt und des Hafens zu gelangen. Bombenflugzeuge erscheinen, um sie zu entlasten, und inzwischen rollte Kolonne um Kolonne motorisierter In fanterie über die Straßen, befinden sich Artillerie und Panzer verbände im Vormarsch. In vorderster Linie kämpften auch die Männer der Leib standarte Adolf Hitler. Es folgen Bilder vom Vormarsch durch Belgien. Deutsche Bombenflugzeuge brausen zu immer neuen Angriffswellen gegen den Feind. Man sieht Luftaufnahmen von den Befestigungs anlagen Lüttichs. Panzerschlacht bei Dinant! Wir sehen, wie die deutschen Kampfwagen zum Angriff vorstoßen. Stukas greifen ein. Ausgebrannt, durchaeschosfen und zerbeult bleiben franzö sische Riesenpanzer auf der Strecke. Eefanaenenzüge formieren sich zum Abtransport in die Sammellager. Angehörige farbiger Hilfsvölker in der Uniform der Grande Nation unterstreichen die westdemokratische Unaufrichtigkeit, für Zivilisation und Chri stentum kämpfen zu wollen. Auch diese Wochenschau ist ein neues Verspiel dafür, datz die Männer der Propagandakompanien ihre Erlebnisberichte zur Unterrichtung der Heimat dort erfassen und gestalten, wo der Krieg am unmittelbarsten erlebt wird und wo es keiner künstlichen Kulisse bedarf, um die rauhe Wirklichkeit rn ora-s Gibral-ar wird geräumt 100 Familien mußten plötzlich abreisen Tas italienische Blatt „Piccolo" meldet aus Tanger, datz dort über 100 Familien aus Gibraltar eingetroffen seien, die plötzlich und innerhalb weniger Stunden unter Zurück lassung des grötzten Teiles ihrer Habe Gibraltar hätte« räumen müssen. Nur militärpflichtige Männer im Alter von 25 Jahren an aufwärts seien in Gibraltar zurückgeblieben. Die Ankömmlinge in Tanger machten eine» verzweifelten Eindruck. W Hwem «See Aekreiett" pronnstn vom Obsrlim «««tobt d» Brom-lbeuL-B-rlaa U-. tret Munch«, 89. Fortsetzung Worte können nicht beschreiben, was ich empfand, als ich Doras freudiges Gesicht sah. Sie ist stolz auf ihre neue Würde. Sie ist kein schlechter Mensch, sie wird die Kleine gut und gerecht erziehen, hin und wieder ein wenig zu streng. Davor bangt mir. Aber als Gegengewicht ist Tante Tina ja da mit ihrer sonnigen, unversiegbaren Güte. Lange habe ich am Bettchen meiner Kleinen gesessen. Es war mir unfaßbar, daß ich sie bald nicht mehr sehen würde... Und eines habe ich in dieser Silvesternacht gespürt: Niemals werde ich zufrieden sein, Ruhe und Glück finden können, ehe ich mein Kind nicht wieder bei mir weiß. Dafür will ich arbeiten. Henny eine Heimat zu schaffen, das soll mein großes Lebensziel sein. Ich kann nicht anders: Ein alter Spruch fließt mir dr die Feder: Dazu helfe mir Gott... Neujahr 1920. Ein Jahr lang lag das Buch unangerührt. Ich wollte keine Erinnerungen heraufbeschwören. Ein ganzes Jahr seit meinem Abschied von Lipperloh. Soll ich klagen? Vielleicht darf ich es nicht. Ich muß eigentlich froh sein, irgendwo bequem unter geschlüpft zu sein. Aber ich sehne mich nach der nerven aufreibenden Arbeit, die ich in der Klinik verrichtete, da mals, unter den Verwundeten, die meine letzten Kräfte beanspruchten. Hier läuft das Leben so gemächlich. Die Herzogin ist eine etwas asthmatische, umständlich, aber ganz liebenswürdige Dame. Sie lebt ein altes, etwas vereinsam tes Leben in der großen Villa hier in Zehlendorf. Es gibt unzählige Räume in diesem Haus, alle im gleichen Stil eingerichtet: kostbare Möbel, alte Oelaemälde, Plastiken, un zählige kostbare Kleinigkeiten. Vier edle Rassehunde find da und bringen Lärm undÄeben in die Atmosphäre. Einen Haus hofmeister gibt es, zurückhaltend wie ein englischer Lord, einen alten Koch, zwei Stubenmädchen. Für das Fräulein von Lipperloh bleibt nicht viel Arbeit. Sie nimmt das Frühstück mit der Herzogin, sie liest der alten, kurz sichtigen Dame aus den Zeitungen vor, hin und wieder auch aus einem uralten Roman. Sie geht mit der alten Dame langsamen Schrittes durch die Kiefernwälder spa zieren, umtobt von den vier Hunden. Sie ißt mit ihr, sie schreibt ihre Briefe an viele standesgemäßen Adressaten, sie spielt Schach mit ihr oder macht eine Handarbeit für sie Im Sommer geht es nach Kissingen oder Nauheim. — Dasselbe Leben. Spaziergänge, freundliches, oberflächliches Geplauder, Kuren, Hilfeleistungen Es ist ein Leben wie in einem Grab. Ich habe meine Stimme gedämpft, meinen Schritt gedämpft, mein Lachen gedämpft, alles dieser toten Atmosphäre zuliebe, in der ich leben muß — Mein Ziel, die kleine Henny zu mir zu nehmen, rückt in immer weitere Ferne. Ein trauriger Jahresbeginn. Wenn ich nicht Tante Tinas viele, viele Briefe bekäme, in denen sie mir ausführlich über Hennys Leben, berichtet, wäre es nicht zu ertragen. Die Gute hat auf ihre alten Tage noch fotografieren gelernt, fast jedem Brief liegen Bildchen bei: Henny im Garten, Henny bei den Hunden, Henny auf Tante Tinas Schoß, Henny an Hans-Hermanns Hand... Diese Bildchen sind mein kostbarster Besitz. Und doch verwunden und schmerzen sie mich oft, daß ich die Zähne zusammenbeißen muß... Tante Tina schreibt, daß Henny prachtvoll gedeihe und die Freude des ganzen Hauses ist. Ich muß mich be herrschen, ich muß stark bleiben. Das, was mau in Lipper loh dem Kinde-bietet, kann ich ihm nicht geben... Neujahr 1922. Ich lasse drei lange Jahre ins Meer der Erinnerung sinken. Wenn ich heute wieder einmal nach diesem dicken, schon etwas abgegriffenen Buch fasse und schreiben will, so deshalb, weil ich vor einem neuen wichtigen Abschnitt meines Lebens stehe. Die ganzen letzten Jahre konnte ich nicht schreiben. Nicht, als wenn mir die Zeit dazu gefehlt hätte, — im gemächlich dahinfließenden Dasein der Herzogin Barboy gab es Gelegenheit zu stillen Schreib stunden mehr als genug — Aber nach jenem furchtbaren Tag, als ich in Lipperloh für einige Tage zu Besuch war, als ich überglücklich, die Arme voll Geschenke, meinem Kind entgegentrat, die Arme ausbreitete, und als meine kleine Tochter mich zwar freundlich ansah, die Geschenke annahm, ein leichtes „Danke, Tante!" sagte und dann mit einem Jnbelruf Mutti!" Dora zuflog, war alles in mir wie versteinert. Ich mochte dieses Buch mit seinen vielen traurigen und küßen Erinnerungen nicht mehr aufscblaaen... Eine Weile standen Dora und ich uns fassungslos gegenüber. Das heißt, die Fassungslosigkeit war Wohl auf meiner Seite, in Doras Augen lagen Stolz und Glück — — Dann drehte sich plötzlich alles vor meinen > Augen. Als ich wieder zu mir kam, lag ich auf Tante Tinas alt modischem Biedermeiersofa, sie hielt beruhigend meine Hände. Sie sah die trostlose Frage in meinem Blick. * „Ich kann nichts dazu!" sagte sie leise. „Siehst du, Henny ist noch so klein! Als du weggingst, hat sie wochen lang immer nach dir gefragt, hat Mutti gerufen und ge weint Dann muß sich dein Bild verwischt haben. Sie hat dich doch auch länger als ein Jahr nicht gesehen. Da sagte sie eines Tages zu Dora: „Mutti!" Konnten wir es ihr ausreden? War es nicht das beste?" Sie streichelte mein Haar. „Sei vernünftig, Kind!" bat sie herzlich. „Vielleicht findest du später einmal wirklich Gelegenheit, Henny zu dir zu nehmen. Ist es nicht das wichtigste, daß sie erst einmal gut untergebracht ist?" Ich nickte, ich blieb stumm. Ich war ein paar Tage mit meiner kleinen Henny zusammen, sie schmiegte sich an mich und sagte lächelnd: „Tante!" Das Herz zog sich mir zu sammen. Aber ich sah in die reinen, gläubigen Kinderaugen und schwieg. An jenem Tag wußte ich, daß ich nicht bei der Herzogin bleiben konnte. Daß ich arbeiten, mehr schaffen, mehr ver dienen mußte. Ich habe, gleich nachdem meine kurzen Ferientage beendet waren, zu arbeiten begonnen. Ich wußte, daß ich zu wenig gelernt hatte. Da habe ich in den Abendstunden, wenn die Herzogin mir frei gab, Unterricht genommen: Fremdsprachen, Buchhaltung, Schreibmaschine. Und wieder sind meine Bewerbungen hinausgegangen. Und kamen fast alle zurück. Es war ja nur zu erklärlich: nach dem Kriege stellte man zuerst einmal die heimkehrenden Kämpfer ein, die Frauen, die in der Zwischenzeit in den Berufen tätig waren, traten zurück. Ich bin fast verzweifelt in diesen drei Jahren. Meder waren die einzigen Lichtblicke Tante Tinas Briefe und Bilder. Morgen trete ich als Sekretärin in die Verwaltung des „Goldenen Pfau" ein.. Mir bangt ein wenig vor der neuen Atmosphäre. „Per sönliche Vorstellung erwünscht!" stand in dem Antwort schreiben. ^Fortsebuna kolat.j.
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