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Wilsdruffer Tageblatt : 14.05.1940
- Erscheinungsdatum
- 1940-05-14
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-194005141
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19400514
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19400514
- Sammlungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1940
-
Monat
1940-05
- Tag 1940-05-14
-
Monat
1940-05
-
Jahr
1940
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 14.05.1940
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Richt ovra vt«tM Ramses KranzSRsch« Zivilisten durch eigene Flakgranaten getötet. feindliche Sreuelpropaganda durch Lyoner Presse widerlegte Immer wieder ist in letzter Zeit von der feindlichen Sreuelpropaganda die niederträchtige Lüge verbreite« borden, daß deutsche Flieger bei ihren Luftangriffen angeblich imf Zivilisten geschossen oder Bomben abgeworfen hätten. Jetzt jnüffen Lyoner Zeitungen offen zugeben, daß bei dem erfolgreichen deutschen Angriff ans den Flughafen Bron bei Lyon zwar Zivilisten ums Leben gekommen sind, jedoch, wie «usdrucklich hervorgehoben wird, nicht durch deutsche Bomben, sondern durch die eigenen französischen ßlakgranaten. So berichtet der „Progrös" am 11. Mai unter beson- derer Betonung, daß der Bericht die übliche Kontrolle der Zensur passiert habe, daß die deutschen Flugzeuge ihre Angriffe tusschlietzlich auf den Flughafen Bron und seine Anlagen gerichtet hätten. Trotzdem ist die Totenliste unter der Zivilbevölkerung sehr groß gewesen, wobei es sich aber aus schließlich um Opfer französischer Flakgranaten handelt. So ist u. a. in Bron eine ganze Familie, bestehend aus Vater, Mutter, zwei Söhnen und einem Pflegekind getütet worden, aber nicht etwa durch eine Fliegerbombe, sondern, wie das Blatt betont, durch eine Flakgranate, die das Dach des Hauses durchschlug und mitten in der Wohnung explodierte. Auch die Lyoner Zeitung „R e p u b l i c a i n" stellt aus drücklich fest, daß die französische Flakartillerie sogleich beim Erscheinen der deutschen Flieger ein wildes Feuer eröffnet habe. Trotz der wiederholt gegebenen Warnungen hätten sich zahlreiche Neugierige damit vergnügt, den Himmel zu betrach ten, während an verschiedenen Stellen der Stadt Flakgranaten herabgefallen seien. Die Folge sei gewesen, daß es unter der Zivilbevölkerung zahlreiche Opfer gegeben habe. ! Die Schilderungen der Lyoner Blätter bestätigen somit ein »»Mg, daß die unter der Zivilbevölkerung entstandenen Vev . Duste ausschließlich dem planlosen Feuer der franzö sischen Flakartillerie sowie der Neugier und dem Leichtsinn der Betroffenen zuzuschreiben sind. lleber Wochenende Präsident Roosevelt hat die früheren Nentralitäts- Dtklärungen aus Belgien, Holland und Luxemburg ausgedehnt. Die Bestimmungen der Neutralitätsakte wer den auch auf diese Länder angewandt, wie das bei den bis herigen Kriegführenden der Fall ist. -- Gegen das Haus des britischen „Königlichen Jacht-Klubs" in Cork wurde einAnschlag verübt. Fünf Bewaffnete drangen in die Räume ein, hielten das Personal in Schach und legten im Keller Sprengkörper aus. Bon Pas santen alarmierte Polizei konnte jedoch die Sprengung ver hindern. Es wurde eine Vombenfabrik entdeckt. Dunkle AdMe» Elmrailk Das Mittelmeer und der Balkan spuken weiter Aus London kommen Meldungen daß Vas Kabinett Chur- Wl, das sich großmäulig genug als Regierung des Sieges üe« zeichnet, das diplomatische und wirtschaftliche Vorgehen Eng lands in Südosteurova verstärken will. Es würden dort Vor kehrungen getroffen, damit „in dem sehr wahrscheinlichen Falle, daß die Deutschen gegen Rumänien oder gegen Jugoslawien Vorgehen könnten, die Hilfe ebenso wirksam zur Stelle ist wie i« den Niederlanden." Seit einigen Tagen würden im Mittel meer und in der Levante die Vorsichtsmaßnahmen sehr aktiv Getrieben, und zwar so nahe wie möglich an den Fronten, die »uf dem Balkan entstehen könnten. * Diese Meldung des Londoner Korrespondenten des ..Journal Ve Geneve" zeigt eindeutig, daß das Kabinett Churchill, nun mehr alle Overkriegsketzer vereinigend, die Kriegsausweitung noch eifriger zu betreiben gedenkt als das Kabinett Chamber lain. Bezeichnenderweise wird in der Meldung noch gesagt, es werde alles ins Werk gesetzt, um die Zusammenarbeit zwischen Le« Alliierten und den anderen Völkern, die mit ihnen die «roße Westallianz bilden, noch mehr zu festigen. Es wird damit einmal mehr aus der Westmächte eigenem Mund offenkunvig, daß sie Belgien und Holland bereits zu ihrer Allianz rechneten, obwohl sie noch Ach und Weh schreien, baß Deutschland durch schnellen Zugriff ihren Plan zunichte machte. Jetzt soll wieder Deutschland Herhalten, um ihr dunkles Spiel im Südosten zu begründen. Bezeichnend, daß man, wie die Meldung des „Jour- nock de Eeneve" zeigt, offener denn je darüber spricht. zu Kriegshetzer aus allen Parteien Churchills Kabinett. Duff Cooper ist wieder da! Alle Kriegsbrandstifter im englischen Kabinett vereint. In London wurde eine amtliche Ergänznng zur neuen Ministeriiste bekanntgegeben Danach ist Dufs Cooper wieder auf der Ministerbank aufgetauchi und hat das sogenannte „Jn- formationsministerium" übernommen Der Labourabgeordnete und Oberbürgermeister von London, Morrison, wurde Vcrsor- gungsminister. Der bisherige Lordstegelbewahrer und ehe malige Luftsahrlminister Sir Kingsley Wood wurde zur Ab wechslung mal Schatzkanzler. Sir John Simon wurde Lord kanzler Besonders bezeichnend ist das Wiederauftauchen Duff Loopers, der bekanntlich seinerzeit seinen Posten als Marine minister niederlegte, weil sein Wunsch, Deutschland zu über fallen, den anderen verfrüht erschien In der Zwischenzeit hat er sich monatelang als Wander- und Hetzredner übelster Sorte in USA herumgetrieben und dort ost genug seiner verbreche rischen Gesinnung Ausdruck gegeben. Eine besondere Delikatesse stellt der Eintritt des Labour- abgeordneten Morrison in die Regierung dar Noch vor fünf Tagen ha« er unter der Ueberschrift „Scherl euch weg!" einen Artikel verössentlicht in dem er erklärte, Chamberlain müsse abtreten, da er „für die gewaltigen Aufgaben, vor denen die britische Nation stehe, geistig ungeeignet" sei. Mit diesem „geistig ungeeigneten" Chamberlain erscheint er jetzt Arm in Arm aus der Ministerbank. Die belgische und die holländische Regierung rechtfertigen durch ihr Verhaften den Ruf, den sie sich durch ihre Zusam menarbeit mit London und Paris erworben haben. Getreu ihren Verpflichtungen gegenüber ihren Auftraggebern haben die verantwortlichen Männer in Amsterdam und Brüssel es für ihre Pflicht gehalten, ihre Völker in den Kampf gegen die deutschen Soldaten zu hetzen, gegen Soldaten, die nicht als Feinde ins Land gekommen sind, sondern deren Vor gehen nichts weiter ist als eine Abwehraktion gegen die Würgepläne des Gegners. Es fließt Blut in Belgien und Holland, Millionen werte werden zerstört, und altes nur, weil unverantwortliche Männer an der Spitze der beiden Völker nicht das Wohl und Wehe der Ration, sondern ihre eigenen Interessen verfolgen. Die Regierungen in Brüssel und Amsterdam glauben sich von ihrer schweren Schuld entlasten zu können, indem sie über den Rundfunk und durch die plutokratische Hetzpresse verbreiten lassen, daß die deutsche Regierung unter Bruch ihrer Verspre chungen ihr Land angegriffen habe. Sie verschweigen dabei geflissentlich, daß sie allein es sind, die ihre Versprechungen gebrochen haben. Denn die deutschen Garantieerklärungen galten ausdrücklich nur für den Fall, daß Belgien und Hol land nicht mit dem Feinde gemeinsame Sache machen. Sich jetzt auf die deutschen Garantteversprechen berufen zu wol len, heißt den Spieß umdrehen und in niederträchtiger Heuchelei die Wahrheit ins Gegenteil verkehren. Auch die luxemburgische Regierung hat das Memorandum der deutschen Reichsregierung in den Wind schlagen zu müssen geglaubt und hat sich osfen aus die Seite der Gegner geschlagen Die Regierungen der drei Staaten haben in London und Paris um Hilfe gebeten und als Antwort bekamen sie das selbstverständliche Versprechen, daß die Alliierten jede in ihrer Macht stehende Hilfe leisten würden. Zum wie vielten Mal« haben die Kriegsverbrecher ein solches Versprechen gegeben? Warschau wird die Antwort geben können, oder Helsinki, oder Oslo. Aber die Verblendung in Brüssel und Amsterdam scheint so groß zu sein, daß man dort nicht mehr die Sprach« der Wirklichkeit versteht. So wird nun das belgische und das niederländische Volk die Desperado-Politik ihrer Regierungen bezahlen müssen, und in England und Frankreich wird sich det Kriegstreiberklüngel die Hände reiben, daß er wieder Dumm« fand, die für ihn in die Bresche zu treten bereit sind. Doch diesmal müssen sich die Drahtzieher selbst stellen Die deutsche Abwehraktion sucht dem blegner in der offenen Feldschlacht zu begegnen, und er wird nicht ausweichen können. Wenn das Reuterbüro meldet, daß die luxemburgische Re gierung das Land verlassen hat und der Sender Hilversum bekanntgibt, daß der niederländische Außenminister und Ko lonialminister in London weilen, um mit dem Alliierten Füh lung zu nehmen, dann ist das ein Zeichen dafür, daß hier die alten Fäden, die, wie die deutschen Memoranden einwandfrei nachgewiesen haben, seit Monaten zwischen London und Paris, Brüssel und Amsterdam gesponnen wurden, nun fester geknüpft werden. England und Frankreich aber werden an diesen Fäden das Schicksal zweier Nationen halten, deren Re gierungen es einmal vor d-em Weltgericht zu verantworten haben werden, daß sie leichtfertig mit dem Schicksal der ihnen anvertrauten Völker gespielt haben. Sabrede des EiWritzer; Reynaud In einer nächtlichen Rundfunkreve an das französische Voll erklärte der nunmehr endgültig zu Churchills Kammerdiener beförderte französische Ministerpräsident Reynaud, die fran zösischen Soldaten hätten inzwischen die belgische Grenze über schritten, um einem „jahrhundertealten Feind" entgegenzuire- ten. Deutschland habe seit Jahren Frankreichs Friedensliebe verachtet, um sich auf den Krieg vorzubcreiten. Der Führer wolle nun eine alte Rechnung mit Frankreich begleichen. Ausgerechnet der Mann also, der im Sold der britische« Plutokratie seit 1933 "ständig zum Kriege gehetzt hat, der dis mit eisener Konsequenz vom Führer immer wieder betonte Friedensbereitschaft des deutschen Volkes systematisch sabotier« ha«, der mit üblen Schlichen, Intrigen und brutalem Terror jede Regung der Vernunft in Frankreich unterdrückt, det Mann, dem Börseninleressen und anrüchige Geldgeschäfte wich tiger sind als das Blut seines eigenen Volkes, d ieser Mann, ausgerechnet dieser Mann wagt es, von französischer Frie densliebe zu sprechen und Deutschland jahrelange Angrifss- abstchten zu unterschieben. Aus eine derartig unverschämte und gleichzeitig verächtliche Heuchelei gibt es nur eine Antwort: Europa wird erst dann in einer gereinigten Atmosphäre auf atmen, wenn die deutsche Wehrmacht den Giftratten an der Seine und Themse endgültig ihre Gistzähne ausgebroche» haben wird. Wie amtlich aus London bekanntgegebcn wird, hat der OberkricgShrtzer Churchill nunmehr die neue Regierung ge- bildet. In diesem Kabinett sind die brutalsten Kriegstreiber und glühendsten Deutschenhasser aller Parteien vereint. Dem Kriegskabinett gehören an: Ministerpräsident C h u r- chill, der zugleich Minister der nationalen Verteidigung ist, als Lordpräsidmt des Ministerraies Chamberlain, Außen minister Halifax, als Lordsiegelbcwahrer Attlee und als Minister ohne Portefeuille Greenwood. Weiter erfährt man, daß Eden Kriegsminister und Sinclair Luftfahrt minister wurden. Erster Lord der Admiralität wurde Alex- ander. Die letzten drei gehören nicht dem Kriegskabinett an. Der Londoner Nachrichtendienst meint hierzu allen Ern stes, das sei ein Kabinett der „Persönlichkeiten". Wir aus der Zusammensetzung dieser Regierung hervor- geht, haben sich die Liberalen, die Labour-Leute und die Kon servativen plötzlich verbrüdert, sämtlich beseelt von dem Wunsch, den Krieg auSzudehnen und das deutsche Volk vernichten. LMahrtmiMttiHM Wwiydklt vdM., rs. Mai. Das britische Luftfahrtministerinm gibt bekannt, daß An griffe der Royal Air Force auf Gebiete zwischen Rhein und Maas erfolgt seien, daß die Rheinbrücke bei Wesel, Brücken bei Aldekerke, Geldern. Rees und Goch derartig bombardiert worden seien, daß der Vormarsch der deutschen Truppen ge lähmt worden sei. Auch wichtige Eisenbahnen und Straßen- verbindungen seien durch Bombeniresfer unterbrochen worden. Von amtlicher deutscher Seite wird feftgcstellt, daß diese Erfolgmeldungen des britischen Luftfahrtministerinms in kei nem Punkte richtig sind. Die britische Luftwaffe hat während des gestrigen Tages weder die in starkem Vordringen befind lichen deutschen Truppen noch andere militärische Ziele ernst- lich angegriffen. Während der Nachr vom 11. zum 12. Mat erfolgten verein- zelte Einflüge nach Westdeutschland. Die britischen Flugzeuge haben vermieden, militärische Ziele und Orte, die durch Flak artillerie geschützt sind, anzugreisen. Sie haben ihre Bomben angriffe lediglich auf kleinere, unverteidigte Städte und auf Bahnanlagen versucht. Ein behelfsmäßiger Flugplatz wurde von einem einzelnen Flugzeug mit MG. aus der Luft ange griffen, obgleich dieser Platz unbelegl war. Es sind keine Brucken an den genanmen oder an anderen Orten beschädigt oder gar zerstör! worden Der Materialschaden an den einzelnen Orten ist gering fügig. So wurden z. B. eine Schule, ein Lazarett und in der Nähe der Grenze eine am Rande der Stadt gelegene Kaserne zerstört. Diese planlosen Bombenangriffe im deutschen Hei- matgebict haben leider einige Tote und Verwundete unter der Kivilbevölkeruna verursacht. lovvrtabt bv Brometheus-Bertaa Eichacker Gröbenzell bei München so. Fortsetzung Ich sitze schon Stunden. Das Feuer ist ausgegangen, es ist kalt im Zimmer. Das Haus ist still. Es ist alles aus. Alles in mir ist tot und leer und kalt. Ich habe mich jetzt an den Schreibtisch gesetzt, ihn nahe ans Fenster geschoben. Meine Augen brennen. Ich kann nur noch einen Satz schreiben: Henner ist gefallen... 2. Februar 1916. Ich kramte heute ein wenig in der Schublade. Da geriet mir mein Tagebuch wieder in die Finger' Ich habe ein wenig darin geblättert. Und was ich schrieb, kam mir plötzlich fremd und leicht und lustig vor. Ich wollte es Wegschleudern, ich konnte die Seiten nicht lesen, auf denen etwas von Henner stand. Von meinem Henner, der jetzt in fremder Erde schläft, dessen lieben blonden Kopf ich niemals mehr sehen werde, besten feste Hände nie mehr die meinen halten werden. Und dessen liebes gütiges Bild sich immer mehr verwischt. — Das Leben scheint mir eine unerträgliche Last. Ich hätte es Wegschleudern können in diesen schrecklichen Wochen. Ich lag mit einem Fieber und hatte nur den einen Wunsch: Licht mehr" aufzuwachen — — — Tante Tina war um mich, ihr Sorgengesicht brachte Mich schließlich zur Besinnung. Ich habe ihr versprochen, wieder zu arbeiten. Morgen trete ich als Hilfsschwester ins Hauptlazarett kn Münster ein. Meine andere Arbeit ist unter die Berkows verteilt. Gerda sah mich an. „Henny!" sagte sie ganz leise. „Um Gottes willen, was ist geschehen?" „Nur das, was Millionen Frauen und Müttern in dieser Stunde geschieht!" sagte ich. „Ich habe den liebsten Menschen verloren..^ Sie warf die Arme um meinen Hals und weinte. Ich Hatte ihr von Henner erzählt... 15. Mai 1916. Eine Lazarettschwester, die Tagebuch schreibt, gibt es Wohl nicht. Ich habe auch in den ersten Wochen meiner Arbeit nicht eine Zeile niederschreiben können. Was hätte ich auch schreiben soll«? Wie schwer es ist. ohne den geliebtesten Menschen zu leben? Wie sehr mir nicht nur der Gedanke an ihn selbst, sondern auch seine Briefe fehlen, seine halbverwischten, ernsten, tiefen Briefe? Die alten nehme ich Wohl hin und wieder vor, lese sie und begreife die Unbarmherzigkeit des Schicksals nicht, das uns so früh auseinanderriß. Aber die tödlich anstrengende Arbeit läßt mir auch oft zu dieser stillen Erinnerungs stunde keine Zeit. Täglich kommen neue Verwundete, Blut, Elend, Verlassenheit, Not, — ich habe alles gesehen und habe zu helfen versucht. Mit schwachen Kräften, aber ehr lichem Willen. Vielleicht ist es mir hin und wieder ge lungen. Daß ich nach so langer Zeit wieder einmal schreiben kann, liegt daran, daß ich für ein paar Tage Ferien habe. Man hat sie weniger mir, als Hans-Hermann gewährt, der den Chefamt darum bat. Wichtiger Familienangelegen heiten halber. Er hat drei Wochen Urlaub, seine Heirat soll jetzt endlich stattfinden, es ist alles vorbereitet. Tante Tina, die ich in meinen wenigen Freistunden immer besuche, war so glücklich, mich für ein paar Tage auf Lipperloh zu wissen, daß etwas von ihrer Freude auch auf mich überströmte. Es ist schon grün draußen, die Wiesen blühen, die Luft ist weich und warm, der ver traute Atem meiner Heimat schlägt mir entgegen, hüllt mich mütterlich ein 16. Mai 1916. Ich war heute sehr erstaunt zu hören, daß Hans- Hermanns Hochzeit nicht jetzt gleich, sondern erst gegen Ende seines Urlaubs stattfindet. Doras Mutter hat eine heftige Grippe gehabt, so daß sie sich erst ein wenig erholen solh „Ich verstehe das natürlich!" sagte ich zu Haus- Hermann. „Aber warum hast du mich dann aus der Arbeit gerissen?" Hans-Hermann sah mich lange an. „Sieh mal, Henny!" sagte er dann. „Wir wollen doch mal alles in Ruhe besprechen! Was soll aus dir werden? Wie denkst du dir alles? Ich verstehe ja, daß du nach deinem Verlust jetzt Arbeit haben möchtest und helfen willst. Aber wie soll das später werden, wenn der Krieg aus ist?" „Es wird sich auch dann eine Arbeit für mich finden!" meinte ich. „Wie denkst.du dir das, — hier auf Lipperloh?" fragte er unruhig. Ich sah ihn nur an und begriff. „Daß ich in Lipperloh nicht bleiben ka»n, weiß ich", war meine Antwort. Er wurde rot. „Henny, bitte versteh!" bat er. „Ich verstehe ganz gut!" sagte ich ruhig. „Wer wegen dieser Dinge hättest du mich nicht hierher zu holen brauchen. Verlaß' dich darauf: Ich werde dir und Doro nicht im Wege sein " Er schwieg... 18. Mai 1916. Ich genieße die ruhigen Tage auf Lipperloh, wie der Verurteilte den letzten Sonnenschein. Ein dramatischer Ver gleich. Aber er stimmt mehr, als man denkt. Ich stehe vor einem furchtbaren Sturm. Werd« ich ihm standhalten können oder wird er mich zu Boden schmettern? Ich habe lange gezögert. Vielleicht zu lange. Ich nehme Henners Bild in die Hand. Hilf mir, Henner, es geht ja auch um dich 20. Mai 1916. Es ist alles gesagt, was gesagt werden muß. Der Tag begann mit allerlei Unwesentlichem. Dora kam, betrachtete kritisch die Dekorateure, die die letzte Hand an die Einrichtung legten, plauderte mit Hans-Hermann und mir, fuhr am Nachmittag wieder ab. Der Hochzeitstermiv liegt nun fest. Bevor sie fuhr, ging ich mit ihr ein Stück durch deu Garten. Sie klagte ein wenig, daß die Renovierung so teuer gewesen sei — sie ist mtt ein Aussteuergeschenk des Vaters. Ich sagt« Belangloses: „Wie nett von dement Vater, dir so kostspielige Wünsch« zu erfüllen" und so fort. Sie lachte ein wenig ärgerlich: „Hans-Hermann hätte sich schließlich auch daran beteiligen können", meinte sie. Ober ob er geizig sei? Er habe doch noch ein festliegendes Vermögen von fast dreißigtausend Mark und hätte auch Wohl etwas dazu tun können... Mir stockte der Atem. Langsam begriff ich. Hans« Hermann hat die Degeners in dem Glauben gelassen, sein Vermögen bestehe noch! Der alte Degener ist ja so genau und rechnerisch kühl — da hat er Wohl bei seiner Wer bung geschwindelt, um den alten Herrn nicht mißtrauisch zu machen. Dann ging ich zurück ins Haus, ruhte ein wenig, über dachte alles und bat eines der Mädchen, Hans-Hermann zu rufen. Ich erzählte ihm zuerst von dem Gespräch mit Dora. Ich bat ihn, vorsichtig zu sein. Ob es nicht das beste wäre, Dora offen zu sagen, daß er Vermögen nicht meh« besäße? „Wenn sie es nach der Hochzeit erfahren? Sieht das nicht fast wie Betrug aus, Hans-Hermann?" (Fortsetzung folst.f
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