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I Wilsdruffer Tageblatt I 2. Blatt zu Nr. 135 Mittwoch, den 12. Juni 1940 -acken Sie sich, machen Sie, daß Sie . Soll wirklich Paris -Monsieur Reynaud, pi . kortkommcn, bevor man Sie verjagt!., rin zweites Warschau werden?" Wenn es nach dem Londoner Rundfunk geht, ja. Er läßt einen „hervorragenden Franzosen" erklären, daß „wenn Hitler jemals den Versuch machen sollte, Paris zu nehmen, sedes Haus und jeder Stein verteidigt werden würde. Lieber würden die Pariser ihre an Kunstschähen so reiche Stadt in Schutt und Asche lege» und völlig vernichten, als sie dem Eindringling über lassen: „Leichen von deutschen Soldaten würden bald in großen Haufen die Straßen von Paris bedecken". Also ein zweites Warschau? V Ihr Allerkostbarstes freilich wollen Juden und Plutokraten doch vor diesem, den Parisern zugedachten Schicksal bewahren. Darum meldet das jüdische Havasbüro, die Regierung habe die Verlegung der Pariser Börje in die Provinz beschlossen. 2n dieser Lage blickt und horcht alles hinüber nach London. Von dort aber kommt dünner Trost. „Die rasche und sinnlose Aktion des Duce", meint eine amtliche Erklärung des englischen Zwilche» TSvkOsss »Ad EsMMmig Zur Lage des Tages Weygand hat ja so recht: Es ist die letzte Viertel- Runde für Frankreich. Ja, nach der gestrigen Weltstunde vor dem Palazzo Venezia. Auf jeden Fall hat eine neue Zeit in Europa angefangen. Alle erkennen es. Nur Herr Reynaud er kennt und spürt nichts. Er vermag nur in Börjenkonjunkturen U denken. Er glaubt immer noch, das große Weltschicksal mit Eeschwätz betrügen zu können. Er macht aus der großen Flucht, aus seiner „Schlacht um Frankreich" ganz wie der General Brecard im „Jour" ein geniales „Rückzügsmanöver". Er macht sich die Weisheit des „Paris Soir" des „Oeuvre" und des „Journal" zu eigen, daß die Deutschen dieses ungeheuerliche Sie gen unmöglich noch lange aushalten können. Von dem großen Verbündeten England erhält diese Regierung und Frankreich auf alle verzweifelten Hilferufe nur Variationen über das Thema ,^eder ist sich selbst der nächste". Allenfalls kommt vom „Daily Telegraph" der „Trost", daß das heftigste Streben der Deutschen nach einer Entscheidung doch offenbar eine „verzweifelte Dringlichkeit" beweise, also ein Zeichen dafür sei, wie fatal es um die Deutschen stehe Aber die „Times" sagt rund heraus, was die anderen verhehlen möchten? „Frank teich in einer tödlichen, von Stunde zu Stunde sich verschärfen den Gefahr". Und in dieser Stunde erklärt das Italien Mussolinis diesem Frankreich und dem gerade in diesem Augenblick in Narvik mit Schmach, Schande und Schaden geschlagenen England den Krieg. Herr Reynaud kann das nicht verstehen. War das sanite Frank- I reich nicht immer die große, gute lateinische Schwester Italiens? I War es unter Schwestern nicht oou, aieich rn-r Tunis be^K s dnd das Mittelmeer beherrschte? Alles französische und englische ' Echo der italienischen Kriegserklärung ist Ängst Wut und Lüge. Held Reynaud, der vor ein paar Tagen noch ausgerechnet die Tschechen zu Hilfe riet, ist mit den Ministerien aus Paris aus gerissen. das er „nie zu verlassen" geschworen hatte Die Lmv- sindung der Pariser angesichts dieser Flucht der Verantwortlichen bringt ein offenbar nicht von Herrn Reynaud persönlich vorge sehener und besprochener „französischer Sender der nationalen Revolution" zum Ausdruck, mit der mehr klaren als höflichen Erklärung, Reynaud. Mandel und Genossen „diese Vogel scheuchen". müßten gehen, wenn Frankreich gerettet werden AiMnmTnifkerfums. „dürfke ver Devökkerüng^FkankrNchs 'sä' nicht überraschend gekommen sein". Uebrigens, so fügt eine Ver öffentlichung des Londoner Jnsormationsministeriums dem hinzu, ^verfolgt das britische Volk mit tiefer Sympathie die Schlacht in Frankreich. Das Sympatischste dabei ist den Engländern offenbar, daß es noch keine Schlacht in England ist. Aber nicht nur jein Ministerium als Körperschaft, auch Herr Duff Cooper persönlich, diese „M usterausgabe eines Plutokrate n", wie Bernard Shaw ihn nannte, springt dem Franzosen mit Redensarten bei Suchte er nicht eben erst, genau wie Herr Reynaud, die jagenhasten Tschechen des Herrn Benesch Mr sie auf die Beine zu bringen? Jetzt greift er im Londoner Rundfunk heldenhaft den Duce an wegen seines „mit charakteri stischer Feigheit und Verräter« geführten Schlages . eines Schlages „gegen Italiens Erbfreunde^ Der Gentlemen Duff Cooper beschimpft Italien wie ein Gassenbube. Das ist offenbar alles, was er für Frankreich tun kann Warum er schimpft, ist unerfindlich, falls er selber glaubt, was er sagt, daß nämlich die ganze Wirkung von Italiens Kriegseintritt die sein müsse, daß noch „in dieser Nacht svom Montag zum Dienstags die Lücke in der Blockade geeqn Deutschland geschlossen wird, über welche Deutschland in Italien noch verfügte, dadurch wird drr Wirksamkeit der englischen Blockade auf das Enormste gestei gert werden." Warum also schimpfen, Herr Duff Cooper, über die verbre cherische Handlungsweise eines gemeinen Mörders, statt sich über diesen „enormsten" Erfolg zu freuen. Deutschland Hilst den Flüchtlingen Auftrag des Führers an die RSV für die besetzten französischen Gebieie (?!<.) Während wir in Brüssel vor einem der zahl losen Kaffeehäuser sitzen und das sonntägliche friedliche Strotzenbild betrachten, hält plötzlich ein Wagen am Bürger steig, in dessen Fond wir den Reichshauptamtsleiter Hilgen- feldt etkenncn Eine kurze Begrüßung. Schon hören wir Näheres über den Auftrag, den der Führer dem Reichshauptamtsleiter und seiner NSV am 4. Juni erteilte und dessen Durchführung im besetzten Feindgebiet eine gute organisatorische Leistung bedeutet. Sorge für die Flüchtlinge, Sorge für die Bevölkerung, hauptsächlich für die Mütter und ihre Kinder — das war die Richtlinie, nach der in wenigen Tagen durch den Stab der NSV ein Hilfswerk orga- nifiert wurde, dessen erste praktische Arbeit schon be gonnen hat. „Wir haben es nicht leicht gehabt, uns hier einzurichten und durchzusetzen", meim der Reichshauptamtsleiter, „und was ich Ihnen jetzt an Tatsachen mitteilen kann, bedeutet das Ergebnis äußerster Arbeitsleistung meiner beauftragten Männer. Die Zusammenarbeit mir den militä rischen Dienststellen ist dadurch gegeben, daß einer meiner Gauamtsleiter als Beauftragter beim Oberquartier- meister für Belgien und Rordfrankreich sitzt, der wiederum bei den unterstellten Oberfeld- und Feldkommandanturen seine Männer hat. Dadurch ist gewährleistet, daß wir die erforder- lichen Nahrungsmittel überall dort bekommen, wo sie ent nommen werden können, ohne die militärische und auch die zivile Versorgung zu gefährden. Die nächste Telephonzelle steht in Köln! Die technischen Schwierigkeiten, die sich beim Aufbau ergeben, sind nahezu unvorstellbar. Nur die aller dringlichsten Angelegenheiten können von hier aus direkt mit dem Reich erledigt werden. Für jedes andere Telephon gespräch, für jeden Bries mutz ein Kradfahrer nach Köln ge schickt werden. Zum Glück haben wir jetzt wenigstens einige Fahrer", meint lächelnd der Reichshauptamtsletter, „zu erst war auch das unmöglich. Das ganze, von uns zu .betreuende besetzte nordfranzösische Gebiet wird ttk mer AvsMMr äüMkMks "To sebeNnäk'^W Gauamtsleiter und drei Kreisamtsleiter eingesetzt we« den. Dazu kommen Schwestern und Hilfsschwestern des Deut- scheu Frauendienstes, denen als Hauptaufgabe die Betreuung der Mütter und der Kinder, die dem Führer sehr am Herzen liegt, zusteht. Unser Gesundheitsdienst wird daneben noch eine zweite wichtige Arbeit zu leisten haben, dis sich aus der Tatsache ergibt, datz überall die Aerzte ge- flüchtet sind oder als Soldaten in die Armee eingezoge« wurden, dis ärztliche Fürsorge, wobei wir das Auftreten von Seuchen mit als wichtigstes verhindern wollen. Jede der in Städten oder auf dem Lande eingesetzten Schwestern wird in laufenden Berichten uns über de« Ge sundheitszustand in ihrem Gebiet Meldung erstatten, so daß wir stets in der Lage sind, durch Vorbeugungsmaßnahmen et wa auftretende Epidemien zu verhindern." Flüchtlingsverpflegung durch fliegende Kolonnen. „Glauben Sie nur nicht", fährt der Reichshauptamtsleiter fort, „datz wir nur organisieren. Die praktische Arbeit hat gleich begonnen. Die ersten Kolonnen sind zusammengestellt und hinausgefahren, um in Städten wie Lille oder Arras die letzten Flüchtlingssammeltransporte zu verpflegen. Wen« unsere Kradfahrer unterwegs auf einen Flüchtlingszug treffen, wird dies sofort gemeldet und eine fliegende Kolonne stößt 'vor, um erst einmal die Lebens mittel heranzu schaffen, die den Flüchtlingen erste Linderung in ihrer ent setzlichen Not bringen sollen. Wir selbst sind gestern tS Kilometer vor Lille ernor Flüchtlingskolonne von 3000 Menschen begegnet, die aus der Stelle verpfleg! wurde. Wenn jetzt beim weiteren Vormarsch der deutschen Truppen neue Flüchtlingsströme sich nach Nor den ergießen werden, stehen unsere fliegenden Kolonnen bereit, um zu verhindern, datz es diesen Menschen so geht wie de« fliehenden belgischen Zivilisten, die auf ihrem Elendsweg durch Frankreich Geld für ein Glas Wasser bezahle« mnßTn od-r v'»r verböSnt und anaesvuckt wurden Neben diesen Kolonnen verpflegen wir auch Ortschaften! im ständigen Einsatz, die durch Stockungen im normale« Wirtschaftsverkehr nicht mehr die erforderlichen LebensmittÄ erhalten. Auf diese Weise wird ein Ausgleich geschaffen inner halb der verschiedenen Verbrauchsgebiete tu Nordfrankreich.* Mit dem Wunsch für gutes Gelingen seiner Arbeit verab schieden wir uns von dem Reichshauptamtsleiter Hilaenfekd^ der sofort vom nächsten der vielen schon wartenden Besucher mit Beschlag belegt wird. So wird nach dem Willen des Führers von dem Deutsch land, das in seinem entscheidenden Kampf fleht, nicht nur weit hinter der Front in den eroberten Gebieten, sondern direkt in Feindesland, das noch unter militärischer Besehlsgewalt steht, ein Hilsswerk aufgezogen, das im Gegensatz zu den leeren,Phrasen und nichtssagenden Versprechungen der Wcst- mächte den Völkern am praktischen Beispiel zeigt, wie Deutsch land kämpft und gleichzeitig aufbaut. Während die Belgier erfüllt sind von Wnt und Er bitterung über die Behandlung, die sie durch die Frartzoseu und Engländer als elende Flüchtlinge erhielten, erleben die Franzosen in den besetzten Gebieten ungläubig und erschüt ternd dankbar das segensreiche Wirken der deutsche« Führung. Kriegsberichter Luserke. Opfer der feigen nächtlichen AeSerfÄle Wie das USA.-Staatsdepartement bevanntgrbt, ist nach einem Bericht des amerikanischen Generalkonsuls in Stuttgart bei dem Bombenangriff feindlicher Flugzeuge auf Klingenstern bei Ulm ein amerikanischer Junge, Paul Ritter, ums Leben gekommen, der dort bei seinen Großeltern z« Be- such weilte. Die Eltern des Jungen haben ihren Wohnsitz im Staate Pennsylvania. 8M Schloß ein französisches MMärkazarekk, das bas Nervenfieber einschleppte.' Me bangte da das Mutterherz um die beiden Mädel! Christiane Friedericke verwitwete Lehmannin, geb. Gernegroßin verheiratete sich ein Mveitesmal, heiratete den Bruder des Grumbacher Erbrichters, Johann Gottlob Dittrich, der die Branntweinbrennerei mit auf das Grundstück brachte. Sie wird ein Aveitesmal Witwe! Das Kaufbuch meldet, daß „am 5. Juli 1834 Frau Christiane Friedericke verw. Dittrich, geb. Gernegroß um 2400 Thlr. ihr am Freiberger Tore gelegenes brauberechtigtes Wohnhaus mit Seitengebäude und die vor dem Freiberger Tore gelegene Scheune (die früher fehlende halbe Scheune hatte sie am 31. Dezember 1828 um 50 Thlr. von Joh. Christian Lehmann hinzugekaust!), den Grasgarten am Stadtgraben, die beiden Beistücke und den Viertelacker auf der Zelle mit dem anstoßenden Feldgarten an ihre Tochter Jungfrau Juliane Wilhelmine Lehmannin" verkauft. Diese heiratet den Stellmachermeister Galle aus Opitz, bleibt aber Eigentümerin des Grundstücks. Ein Aktenstück aus dem Fahre 1839 gibt uns einen guten Einblick in die im Hanse betriebene Branntweinbrennerei: „Das Brennerei-Local befindet sich im Wohnhause und besteht aus einem rechts vom Eingänge gelegenen Raume, in wel- chem aufgestellt sind an Destillir-Geräthen: 1. Blase zu 429 Kannen, 1. Heim, 1. Kühler (Rohr), 2. Blase zu 92 Kannen, 2. Helm, 2. Kühler (Stichrohr), 4 Maisch- oder Gärbottich zu 720 Kannen, an anderen Gefäßen: 1 Vormaischbvttich zu 541 Kannen, 1 Kartoffeldämpfer, 1 Butterfaß, 1 Spülichtbütte. Unter dem 1 Mohnhause liegt ein Keller zur Aufbewahrung der Kartoffeln, über dem Hause ein Boden Mr Aufbewahrung des zum Branntweinbrennen zu verwendenden Ge treides. Der fertige Branntwein liegt im kleinen Gewölbe/ Erwägt man, daß das Haus als brauberechtigtes Haus von Zeit zu Zeit seinen Reihschank hatte, so kann man sich Manch fröhliche Zechstunde in der Wohnung links vom Eingänge vorstellen! In vielen Köpfen spukte „die neue Zett"! Anfang Oktober 1830 ein revol tierender Hauses der von Mays Gastwirtschaft auf der Rosenstraße her an der Tvrschmiede vorbei in die Freiberger Straße einbog, um zum Bürgermeister zu ziehen, man wolle keinen Herrenzins mehr zahlen, war unzufrieden mit der Stadt- regierung u. a. m. Boran der Kofer, der die Marseillaise bläst, Liebschner mit einer Larve vor dem Gesicht! Auch das Freiberger Tor müsse fallen, hindere den Verkehr! Es wurde noch einmal gerettet, da es seit undenklichen Zeiten als Kriminal gefängnis gedient hatte und vorläufig nicht zu ersetzen war. Aber 1845 hatte seine Stunde geschlagen: Dem Fuhrmann Thomas aus Meißen war das Tor zu klein für seine Hopsenfuhre. Er setzte die Hacke an, Gerichtsdiener Hempel schritt zwar ein, aber Gerichtsherr und Stadtrat werden sich einig, daß das Tor fallen müsse: Am 26. März 1845 wird es versteigert und dem Seilermeister Gottlob Lucius zum Abbruch zugeschlagen'. Ein schwerwiegender Tag für alle Umwohner! - Im kleinen Hause wohnte solch ein Fortschrittsmann, der Glasermeister CarlWilhelm Kändler, der für 400 Thlr. am 1. August 1820 das Haus von dem Vorbesitzer Lorenz gekauft hatte. 6m Hause aus- und eingehend der Gerichtsdirektor Robert Hennig, Gründer des „Baterlandsvereins", beinahe geschickt zum Frankfurter Parlament! — Die Um sturztage Anfang Mai 1849! Kändler führt die Wilsdruffer Kommunalgarde zum Barrikadenkampf nach Dresdens l HB. 1932/60. - HB. 1932/81. - HB. 1920/87. (Schluß folgt.) 40 Beilage zum „Wilsdruffer Tageblatt". Nachdruck sämtlicher Artikel auch unter Quellenangabe verboten Nummer 6 Juni 1940 LS. Jahrgang Schwalbenlied. Aus fernem Land, vom Meeresstrand, auf hohen, luftigen Wegen fliegst, Schwalbe, du ohne Rast und Ruh der lieben Heimat entgegen O sprich, woher über Land und Meer - hast Kunde du vernommen, daß im Heimatland der Winter schwand uud der Frühling, der Frühling gekommen? Dein Liedchen spricht: Weiß selber nicht, woher mir gekommen die Mahnung; doch sott und fort, von Ort zu Ott lockt mich die Frühlingsahnuug. So ohne Rast, in freudiger Hast, auf hohen, luftigen Wegen flieg ich unverwandt dem Heimatland, dem lenzgeschmückten, entgegen. Julius Sturm. (Fortsetzung statt Schluß.) Aber der Oculist Georg Mahler konnte sich nicht lange seines neuen Besitz« freuen: Am 10. Juli 1698 übernimmt sein Sohn Hans GeorgMahler dar 37