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Wilsdruffer Tageblatt : 08.05.1940
- Erscheinungsdatum
- 1940-05-08
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-194005082
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19400508
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19400508
- Sammlungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1940
-
Monat
1940-05
- Tag 1940-05-08
-
Monat
1940-05
-
Jahr
1940
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 08.05.1940
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Chamberlain Zielscheibe der Kriiik Frankreichs Verlrauen dahin — England sagt, der Premierminister eine nationale Gefahr Die plutokratischen Diktatoren in London haben, seit die schmähliche Niederlage der britischen Truppen in Norwegen und ihre feige Flucht in England publik ge worden sind, keinen leichten Stand gegenüber der Kritik aus dem britischen Volke. Aber auch von ihrem französischen Bundesgenossen müssen sie sich allerhand sagen lassen Frank reich schimpft über die Londoner Diktatoren und behauptet, England fei an dem norwegischen Fiasko schuld Einige Pariser Blätter geben dabei zu verstehen, das, es angebracht wäre, bei der nächsten Gelegenheit die Frage des Oberkom mandos genauer zu prüfen, weil man zu der englischen Kriegführung lein Vertrauen mehr habe. Besonders scharfe Kritik wird an Chamberlain geübt, der durch seine falschen Siegesnachrichten die Oeffcntlichkeit irregeführl habe. Auch in England steht Chamberlain im Mittelpunkt der Angriffe. Llovd George, der aus dem Weltkrieg bekannte englische Politiker, erklärt in einem Artikel, daß Chamber lains Prahlereien die Engländer irregeführl hätten Das Ende vom Lied sei die Mitteilung über die „erfolgreiche Räumung Norwegens" gewesen. Dies kennzeichne die Un fähigkeit und die Dummheit der Westmächte, deren Krieg führung derjenigen ihrer mächtigen Feinde hoffnungslos unterlegen fei. Drei Ränkeschmiede der Katastrophe Selbstverständlich sind auch die Abgeordneten der eng lischen Arbeiterpartei mit ihrer Kritik auf Touren gekommen. Auch sie haben sich Chamberlain zur Zielscheibe ihrer Angriffe erwählt und stellen ihn als verantwortlichen Sündenbock hin Der Labour-Abgeordnete Wilmot erklärte in London daß Chamberlain, Simon und Hoare, die drei Ränke schmiede der Katastrophe, die bereits den Frieden verloren hätten, jetzt ihre fatalen zitternden Hände an die Krieg führung legten. Bezeichnend für die Stimmung in England, das einen furchtbaren Schock über die Niederlage in Norwegen erhalten hat, sind Aeußerungeu des „Manchester Guardian" Die Wirkung sei uni so schlimmer, so schreibt das Blatt, als der Premierminister noch vor kurzem gesagt habe, der deutsche Einmarsch in Norwegen werde Deutschland zum Nachteil ge reichen. Chamberlains Fähigkeit zur Selbsttäuschung mache ihn zu einer nationale »Gefahr. Oie Niederlage emgesianden Bescheidene Trostworte Ironsides an das geschlagene LandungSlorps. Der britische Generalstabschef Ironside richtete eine An sprache an die britischen und französischen Truppen, die nach ihren» kläglichen Verschwinden aus Norwegen in einem schot tischen Hasen angekommen sind. Ironside sagte dabei: „Ich kenne wohl die Schwierigkeiten, gegen die ihr habt kämpfen müssen. Schnelligkeit war das Wesentlichste (!). Hätten wir eure Abfahrt um 24 Stunden oder gar 48 Stunden ver schoben, so wäre der Zusammenbruch noch schlimmer, als er es in Wirklichkeit ist." Nach diesem offenen Eingestäuonis der Niederlage fuhr der General u. a. fort: „Wir glaubten, euch die notwendigen Geschütze und Flugzeuge mitacben zu können, die euch in die Lage versetzt hätten, gegen die Kriegsmaschine zu kämpfen, der ihr gegenüberstandet. Aber ihr wißt, daß das Rennen sich gegen uns entschieden hat. Es war unmöglich diese Dinge rechtzeitig herbeizuschaffen. In der Tat denke ich. daß euer Rückmarsch von Dombaas und eure Einschiffung eine An- gelegenheit ist, die in der Geschichte weiterleben wird" Ironside erklärte schließlich mehr als bescheiden: „Keiner von euch braucht zu denken, ihr wäret ans Norwegen heraus- getrieben worden. Ihr seid von dort abkommandieri worden, und es ist eine .große Leistung', daß ihr znrückkommen konntet." MG.-Feuer auf Zivilisten So sah die britische „Hilse" für Norwegen aus Die norwegische Provinzzeitung „Toensberg Blad" berichtet von einem Feucrübcrsall englischer Flugzeuge auf flüchtende Norweger. Der Vorfall ereignete sich in der Ort schaft Valloe bei Toensberg ani Oslo Fjord. Die aus dieser Ortschaft flüchtende Bevölkerung wurde mit Maschinen gewehren aus englischen Flugzeugen beschossen. Das Ganze spielte sich des Nachts ab. Die englischen Flugzeuge erhellten die Gegend mehrmals mit Leuchtraketen, um die fliehende Zivilbevölkerung bester treffen zu können. Neber den Köpfen der Fliehenden brauste dann Maschinen- gewehrieuer bin. wie es in oem Auaenzeuaenbericht des Blattes beißt Die auf der Flucht begriffene Bevölkerung suchte Deckung, wo sie konnte: die Osloer Zeitung „Fritt Folk" schreibt zu diesem sei-ren englischen Lustüberfall auf fliehende Zivilisten, das sei die „Hilse" Englands, so wie man sie in orlebi habe. S-ttere Gerichte aus Lo^doa Wenn man aktuelle Filme zurückhält Einen bezeichnenden und erheiternden Fall, wie in England gearbeitet wird, iührt der Berichterstatter von „Dagens Nyheter" in Stockholm an Er berichtet, daß in den Londoner Kinos der -Film über die Abfahrt der britischen Truppen nach Norwegen erst am Donnerstag gezeigt worden sei Das Jnsormatwnsmini- sterium habe die ^-ilme zwei Wochen lang zurückgehalten mit dem Erfolg, daß diese an demselben Tage gespielt worden seien, an dem Chamberlain im Unterhaus die Zurückziehung der bri tischen Truppen bekanntqegeben habe. Weiter berichtet der Kor respondent des Blattes, daß sämtliche britischen Kriegskorre spondenten von der französischen Front durch ihre Zeitungen nach London zurückberusen worden seien, und zwar als Protest dagegen, daß die Korrespondenten nichts anderes an ihre Zei tungen wiederqeben durften als die offiziellen Bekanntgaben. Zwei SomLsn und der Kreuzer explodierte Zwei deutsche Flieger versenkten englischen Flakkreuzer im Namsossjord. — Angriff im stärksten Abwehrfeuer. ... 7. Mai. (p. st.) Im Namsossjord wurde am 30. April ein englischer Flakkreuzer versenkt. Die Flugzeugführer, zwei Unteroffiziere, waren die glücklichen Bomben schützen. Sie erzählen von ihrem Erfolg: Wie schon immer in den letzten Tagen erhielten wir gegen Mittag des 30. April einen Einsatzbefehl, der allgemein ge halten den Angriff aus feindliche Schisse befahl. Wir starteten zu drei Maschinen, voran unser Kettenführer. Als wir uns der Stadt Namsos näherten, bekamen wir starkes Flak» , euer. An uns vorbei flitzten die Geschosse. Ma» gewöhnt sich an alles, und so fingen wir fast automatisch an, scharse Links- und Rechtskurven zu drehen Dabei sehen wir unter uns ein Kriegsschiss, das ossenfichtlich in den Hasen eiulaufen wollte, bei unserem Erscheinen aber wendet und mit voller Kraft im Zick-Zack Kurs den Fjord hinausfährt. Und dann beginnt der Bursche aus uns aus allen Rohren zu schießen, so daß wir so richtig eingedeckt werden Durch wildes Kurven und weit auseinandergezogen bieten wir dem Gegner ein schlechtes Ziel. Vorher aber hatte er uns eine Geschoß- garbe wenige Meter vor die Motoren gesetzt. „Da sehe ich", erzählt der eine Unteroffizier, „wie mein Kettenführer die Maschine auf den Kops stellt und mitten im Feuer den Kreuzer angreifl Ich kann auch erkennen, daß die abgeworfene Bombe ins Wasser fällt. Rasch bringe ich mich in eine günstige Position. Und dann gehe auch ich aus den Kreuzer tos und werfe meine Bombe. Den Aufschlag selbst konnte ich nicht beobachten, aber schon beim Abdrehen sehe ich zwei Explosivnen. die mir deutlich zeigen, daß ich gut getroffen hatte". Der zweite Unteroffizier fährt dann fort zu erzählen: „Nachdem unsere Kette auscinandergespritzt war, beobachtete ich genau, was mein Kamerad und der Kettenführer tun wür den. Die Reihenfolge, in der angegriffen wird, stand fest. Nachdem ich gesehen hatte, wie die anderen beiden Maschinen in das Flalfeuer hineingeflogen waren und wie mein Kame rad den Kreuzer getroffen halte, war die Reihe an mir. Immerhin war ich soweit entfernt, daß ich meine Bombe etwa eine Minute später als mein Kamerad los wurde. Ich sah sie deutlich bis zum Ziel fallen. Auf dem Achterdeck schlug sie ein, detonierte und eine schwere Rauchwolke zeigte ihre Wirkung, Jetzt hieß es aber abhauen. Ob der Kreuzer noch Kaufaulheit führt zur Zahnfäule. Gründliches Kauen stärkt die Widerstandskraft der Zähne gegen diese Volksseuchc. cni.ono.vour schoß, weiß ich nicht, aber von Land her knallten st^ ganz «iv verschämt. In niedrigster Höhe folgte ich d-.^ oeidcn anderen Flugzeugen. Ein Anziehen des Steuerknüppels. ein Satz über einen Berg und in Sicherheit waren wir. Ein Aufklärer stellte zwei Stunden später fest, daß del englische Flakkreuzer durch eine nngel cure Explosion zerstört wurde. Eine riesige Rauchwolke, ein greller Feuer schein und die dem User zustrebenden Rettungsboote zeigten, daß er vollständig vernichtet war. Die beiden glücklichen Bombenschützen wurden noch am gleichen Tage zu Feldwebeln befördert und zum Eiserne» Kreuz erster Klasse eingereicht! v. Kayser. Weitere Opfer polmWer Selsten gefunden Neue Massengräber ermordeter Volksdeutscher geöffnet Im weiteren Verlaus der von der Zentrale sür die Gräber ermordeter Volksdeutscher durchgeführten Bergungsfahrten wurden im Gebiet des Regierungsbezirks Hohensalza weitere Massengräber aufgefunden und aus ihnen neue Opfer der polnischen Morde geborgen. In Grenzdors bei Bort schin wurden drei Töle ausgegraben, mit deren Identisi- zierung auf Grund der Vorgefundenen Anhaltspunkte später zu rechnen ist. In Hohensalza untersuchten die Bergungs kolonnen die Massengräber aus dem katholischen Friedhof, in denen 40 Tote begraben sind Füns von ihnen, die nach ärzt lichem Befund durch Kolbenfchläge auf den Schädel den Tod gefunden haben, konnten sofort einwandfrei als er mordete Volksdeutsche festgestellt werden. Von den übrigen Toten wurden zur Identifizierung Stoffproben und andere Erkennungszeichen mitgenommen. Im Anschluß an die Untersuchung dieser 40 Toten wurden in der gleichen Gegend weitere Massengräber mit ungefähr 20 Leichen geöffnet. Auch im Kreise Alerandrowo wurden der Zentrale zahlreiche Einzelgräber gemeldet, in denen min destens 20 Volksdeutsche vermutet werden, die nach vorliegen den Berichten von Augenzeugen von der polnischen Soldateska ermordet worden sind. Neues MS aller Wert. Berlin—Belgrad mit dem „Großen Dessauer". Auf dem Belgrader Flughafen traf zum erstenmal der „Große Dessauer", eine viermotorige Iu. SO, ein, welche nunmehr regelmäßig den täglichen Verkehr zwischen Berlin und der jugoslawischen Haupistadl versehen wird Ein opferfreudiges Regiment. Zum Zweiten Male hat der Kommandeur eines im Westen stehenden Regiments 3000 Mark im Namen seiner Offiziere und Mannschaften der Gauleitung Saarpsalz übergeben. Die Summe soll für rückgeführte Ein wohner dreier Grenzgemeinden verwendet werden, wie es in dem Begleitschreiben hieß. Bcrussvcrbrecher hingerichlet. Am 7. Mai 1940 ist der 35jährige Paul Witzack hingerichlet worden, den das Sonder- gerichi im Bezirk des Oberlaudesgerichls Rostock als Volks« schädling zum Tode und dauerndem Ehrverlust verurteilt hat- Witzack, ein vielfach vorbestrafter Berufseinbrecher, verübte kurz »ach Verbüßung einer fünfjährigen Zuchthausstrafe, ohne in Not zu sein, zahlreiche Diebstähle und Einbrüche, rum Teil unter Ausnutzung der Verdunkelung. Sport Wien—Berlin im Olympiastadion. Einer der sportlichen Höhepunkte der Pfingsttage der Leibesübungen in der Reichs hauptstadt wird der 31. Fußballstädtekamps Berlin sein, ver am Montag, dem 13. Mai, im Olympiastadion zur Durch führung kommt. Neusel—Kölblin am 85. Mal. Nack» lanaen Verhandlun gen ist ver Kampf um die deutsche Meisterschaft im Schwer gewicht der Berufsboxer zwischen dem Titelverteidiger Walter Neusel und seinem anerkannten Herausforderer Arno Kölblin zum Abschluß gebracht worden Schauplatz des Titelkampses wird am 25. Mai der Frcilufiring der Berliner Bockbrauerei sein. Die deutsche Fußballmeisterschaft wird am Pfingstsonntag, dem 12. Mai, mtt folgenden füns Vorrundenspielen fortgesetzt: ^Gruppe la) Union Oberschöneweide—BsB. Königsberg im Berliner Olympiastadion, tGruppe Id) Rapid Wien—NSTG. Graslitz in Wien, (Gruppe II) VfL. Osnabrück—1. SV. Jena in Osnabrück, (Gruppe IV) Offenbacher Kickers—1. FC. Nürn berg in Frankfurt a. M. und Stuttgarter Kickers—SV. Wald- bof Mannheim in Stuttgart. M Hkunt iiSec r ' von wlsrls Otrsrlin Lopyria!» dq vrom-thruL-Bertao Eichau« wröd-n^U bei München 25. Fortsetzung 23. Juni 1915. Mein Leben ist jetzt sehr arbeitsreich, und ich bin froh darüber. Immer mehr fühle ich, daß wir Frauen mit helfen müssen, daß unser Dasein nicht mehr in der alten Sorglosigkeit und Oberflächlichkeit dahinfließen darf. Neben dem Bahnhofsdienst habe ich jetzt auf Lipperloh einen Kindergarten eingerichtet, für die Kinder, deren Väter im Felde sind und deren Mütter durch die starke Mitarbeit in Feld und Hof nicht mehr genug Zeit für sie haben. Es ist ein frohes Geschrei und Gelärme um mich herum. Die Kinder kommen dreimal in der Woche, an den Tagen, an denen ich keinen Bahnhofsdienst habe. Aber es ist noch nicht genug, ich muß sehen, wie ich es einrichte, sie täglich zu versorgen. 23. Juni, abends. Heute morgen habe ich ein paar Zeilen in mein Buch geschrieben, aber dann fehlte mir die Zeit. Heute nach dem Bahnhofsdienst war ich bei Dora. Ich bat sie, ob sie nicht an drei Tagen, an denen ich Bahnhofsdienst habe, nach Lipperloh kommen wollte und mich bei den Kleinen ver treten? So hätten wir die Kinder die ganze Woche unter gebracht, und die Frauen könnten auf den Feldern sorglos arbeiten. Dora empfing mich in einem wundervollen Kleid aus schwarzem Taft mit Rosen drin, sie hatte ein paar Freundinnen da, alles sprach von Ausflügen und Tennis- Partien. Ich War so, wie sch vom Dienst kam, zu den Degeners gelaufen: in meinem graublauen Sergekleid, weißer Kittelschürze und Häubchen, nur einen leichten Mantel trug ich darüber. Unter all den eleganten Mädels fühlte ich mich denkbar unbehaglich. Draußen im Vorsaal fragte ich Dora nochmal, ob sie kommen würde? Sie schwieg und befah sich angelegentlich ihre gepflegten Hände. Schließlich meinte sie: „Ich könnte es ja mal versuchen, — allerdings, das Hin- und Herfahren ist so anstrengend —. Wenn du aller dings Wert darauf legst " Ein halbes Versprechen, eine halbe Zusage. Sie hätte sicher glatt nein gesagt, wenn sie sich Lans-Lermanns wegen nicht verpflichtet fühlte 24. Juni 1915. Dora ist ein paarmal gekommen, die Kleinen zu be treuen, wenn ich im Bahnhofsdienst bin. Ihr Verhältnis zu den Kindern ist seltsam: sie scheint sie wirklich gern zu haben, sich an ihnen zu freuen, aber ihre Liebe ist herrisch und hart, sie gehorchen ihr musterhaft, sie bewundern sie, manchmal glaube ich aber, daß sie sie mehr fürchten als lieben. Allerdings, es geht gesitteter und stiller zu als bei mir, wo alles jauchzt und schreit und durcheinanderkreischt. Immerhin — sie wird einmal eine tüchtige Mutter und Erzieherin werden. Tante Tina sagte heute: „Na, ist die Alleinherrscherin schon weg?" Das Wort ist mir lange nachgegangen, ich kann es nicht vergessen. Tante Tina hat recht: Dora wird hier „Alleinherrscherin" werden wollen, — Tante Tina wird sich ganz zurückziehen, — und ich? Kann ich hier bleiben? Ich fühle immer mehr: nein.. 28. Juni 1915. Heute nachmittag, als ich vom Dienst kam und müde über die Promenade schlenderte, um ein wenig Luft zu schöpfen, stand Henner Claaßen plötzlich vor mir. Ich glaube, wir sagten beide lange Zeit nichts und hielten uns nur an den Händen, in stiller Freude. Er ist sehr blaß geworden und sah angestrengt aus, sein Gesicht hat einen harten kantigen Zug. Schließlich erzählt er, daß der Dienst in der Ausbildung sehr anstrengend sei, daß er deshalb noch nicht habe kommen können. Aber für morgen hätte er einen Besuch in Lipperloh geplant. Ich schlug ihm vor, daß wir uns lieber hier in der Stadt treffen sollen, am Spätnachmittag, ich habe allerlei einzukaufen. Und ob er nicht am Sontttag nach Lipperloh kommen wollte. So habe ich schon zwei Tage, auf die ich mich freuen kann. Ich fühlte mich unendlich glücklich und geborgen, als ich so neben ihm ging und seiner klaren festen Stimme zuhörte. Schließlich nahm er in der Dunkelheit meinen Arm und zog ihn fest an sich. So gingen wir langsam immer weiter. Ich wollte, der Weg hätte kein Ende gehabt, ich spürte, er führt mich in ein tiefes echtes Glück 29. Juni 1915. Mit einem ganzen Berg Schachteln, Tüten und Päckchen kam icb heute nachmittag ins Cafe, wo Henner saß und auf mich wartete. Er lachte, als er mich sah, warf alles aufs Sosa und setzte sich nahe zu mir. „Du sichst jo stbön aus!" sagte er plötzlich und nahm meine Hand. Ich wurde ganz roi über das unerwartete Du, ber auj einmal war mir das alles so selbstverständ lich. Ich trug mein snniclblaues Jackenkleid und den blauen Suohhui mtt ver Rosenranke, ich weiß, daß mir das alles besonders gut steht, und ich freute mich, daß ich ihm gefiel Wir sahen uns dann lange in die Augen und sprachen nicht viel. Als es sieben schlug, stand ich auf. „Ich muß gehen!" sagte ich. „Mein Zug fahrt gleich... Er stand mit mir auf, nahm meine Pakete, und langsam schlenderten wir zum Bahnhof. Als ich ins Abteil stieg, nahm Henner meine Hand und küßte sie zärtlich... Jetzt sitze ich am offenen Fenster, lasse den Weichen Juniabend über mich hcrströmen und denke an ihn. Ich fühle, wie er mich liebt, und ich fühle meine Liebe zu ihm. Es ist traumhaft schön, dieses Geborgensein, dieses Einswerden... 2. Juli 1915. Tante Tina hat heute früh mit der Mamsell eine lange Besprechung gehabt' wegen des Mittagessens. Als ich ihr sagte, daß ich Henner Claaßen gesehen habe, daß er heute zu uns kommen wolle, sah sie mich mit ihren lieben Augen schelmisch an: ' „Machen wir also für unseren lieben Gast etwas ganz besonders Schönes...!" Ob sie Wohl gedacht hat, daß dieses Mahl das Ver lobungsmahl für ihre Henny sein sollte? Ich weiß es nicht. Um neun Uhr kam Henner schon. Tante Tina stand auf der Treppe und streckte ihm herzlich beide Hände ent gegen. „Wir haben sie wirklich schon vermißt, Herr Leut nant!" sagte sie, und ihre grauen Löckchen tanzten vor Freude. Henner sah sie mit dem tiefen ernsten Blick seiner guten Augen an. „Sie glauben nicht, wie wohltuend Ihre Anteilnahme für einen einsamen Soldaten ist!" sagte er halb ernst, halb im leichten Scherz. . Wir sind dann nach dem Frühstück gleich losspaziert. Es war herrliches Sonnenwetter, alle Rosen standen in Blüte, und das Korn wiegte sich schwer im leisen Sommerwind. Bon Wendsbach her klangen die Kirchenglocken über Land. Henner und ich legten uns mitten auf eine unserer Koppeln, zwischen Gras, Blumen und Heckenrosen sträucher. Ich betrachtete lange sein liebes, vertrautes Gesicht» vas Helle blonde Haar, den festen ernsten Mund, die kantigen Linie» um Kinn und Wangen. Er legte fest den Arm um mich. „Meine Henny!" Wir küßten uns, wir waren sehr froh. (Fortsetzung folgt)
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