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Wilsdruffer Tageblatt : 27.03.1940
- Erscheinungsdatum
- 1940-03-27
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-194003270
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19400327
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19400327
- Sammlungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1940
-
Monat
1940-03
- Tag 1940-03-27
-
Monat
1940-03
-
Jahr
1940
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 27.03.1940
- Autor
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„Aihem'a"-Fatt der Lust Manöver der britischen Propaganda EiqHS der tollste« Stücke, dir sick die englischen Piraten der Lust letzthin leisteten, war die Beschießung dänischer Spa- ziergänger in Nymindegab am hellichten Tage. Dabei wurde durch einen glücklichen Zufall leine Person verletzt. Es wurde aber eindeutig von den Beschaffenen das englische Hoheits zeichen an dem Flugzeug erkannt. Nun beginnen die leiden schaftlichen Proteste der Neutralen gegen die ständigen frechen Neutralitätsbrüche der Engländer der englischen Propaganda selbst auf die Nerven zu fallen, und so erfindet sic flugs einen neue« „Athenia"-Fall — diesmal einen „Athcnia"°Faü der Lust. Mit dreister Stirn behauptet sie nämlich, daß das an tzreifende Flugzeug beileibe kein englisches gewesen sei. Denn englische Flieger würden niemals bewußt dänisches Hoheits gebiet verletzen, und außerdem sei gar kein englischer Flieger z« dieser Zeit in der Luft gewesen „So bleibe also nur übrig, daß die Deutschen ein Flugzeug mit einer englischen Kokarde bemalt hätten, um durch einen brutalen Angriff aus dänische Zivilisten die englischen Flieger ins Unrecht zu setzen " Der Ruf der deutschen Wehrmacht ist in der ganzen Welt z« gut begründet, nm durch derart infame Verdächtt- gungen beschmutzt werden zu können. Da aber die eng lische Propaganda nach dem im Weltkrieg bewährten Rezept („irgend etwas bleibt immer hängen") zu handeln pflegt, wird von zuständiger Seite eindeutig festgestelN, daß an jenem Tage kein deutscher Flieger den in Frage kommenden Luftraum be flogen hat. daß ferner selbstverständlich die oeutsche Luftwaffe derart niedrige und feige Kampfmethodcn ablehm und daß es endlich nicht Deutschland sondern England ist, das an einer Ausweitung des Krieges Interesse hat. ES wird also wie in dem „Atyenia"°F«N so auch diesmal das vergiftete Geschoß den hinterlistigen Schutzen selbst treffen. Ziehharmonikas sind da! Der Reichsführer ff stiftet den Soldaten Ziehharmonikas. (?K.) In jedem Bunker sind ein paar Kameraden, die so Musikalisch sind, daß sie eine Mundharmonika kunstgerecht be handeln Und ihr allerlei Melodien zu entlocken verstehen. Teufelsgeigen haben sich viele Besatzungen selbst dazu gebaut, was will man denn zu einem einfachen Orchester noch mehr? Natürlich eine Ziehharmonika. Das ist der höchste Traum aller — aber woher erstens das Geld und dann zwei tens das Instrument nehmen? Kein Wunder also, daß es eine wahre Freude auslöste, als tatsächlich Ziehharmonikas ankamen und verteilt wurden. Der Reichsführer ff hatte für jede Kompanie der Waffen-ff eine Ziehharmonika ge schickt. Im Triumphzug wurde das Instrument eingeholt. Natürlich war alles auf das höchste gespannt, was denn diese Schachtel und das weiße Papier für ein schönes Instrument enthielten. Ein der Handhabung des Instruments fähiger Kamerad gab die erste Darbietung. Wie das schmetterte! Der Ossi- zier, der den Transport der Harmonikas zu den einzelnen Kompanien leitete, äußerte: „Es ist ein sehr angenehmer Dienst, wenn man den Soldaten solch eine Freude machen kann. So viel strahlende Gesichter sieht man dabei, daß man sich wünscht, man könnte ihnen alle acht Tage solch rine Freude bereiten." „Mutz i denn, mutz i denn zum Slädtele hinaus .. ." klang's dem weiterfahrenden Ziehharmonikawagen nach, nnd dann setzten sich die Männer hinter dem Bunker zusammen. Drei meldeten sich sofort, um das Spielen zu erlernen. Dann wurden Pläne geschmiedet. Sonntagnachmittagkonzen, Abend- konzert, ach was, das Wichtigste ist. dah dem Kompaniechef übermorgen ein Ständchen zum Geburtstag gebracht wird, «in Ständchen des so überraschend verstärkten Orchesters. Joachim Till. Mißglückter Militärputsch in Solivien Aufstand nach wenigen Stunden niedergeschlagen. Nachrichten aus La Pas zufolge machten in der Nacht zum Dienstag 2000 Carabinieri unter Führung eines Majors Pinto einen Aufstand, der jedoch bereits im Keime erstickt wurde. Schon am Mitiwochvormittag haben sich die Aufständi schen ergeben. General Quintanilla und der neugewählie Staatspräsident, General Penjaranda, hielten nach der Nieder- schlagung des Putsches vom Balkon des Negierungsgebäudes Ansprachen. Gleichzeitig wird mitgeteilt, datz im ganzen Lande Ruhe und Ordnung herrschten, datz die Armee hinter der Re- Vierung stände und daß die Rädelsführer des Putsches schwerste Strafen zu erwarten hätten. Seltsame Faturerfcheirmngen Nordlicht und magnetische Störungen. In den Ostertagen sind in England und in Holland und auch in USA. seltsame magnetische Störungen fest gestellt worden, die man irgendwie in Zusammenhang bringt mit dem Nordlicht, das in verschiedenen Teilen Europas beobachtet worden ist. Die Folge der Erscheinungen waren Störungen der telegraphischen und telephonischen Verbindun gen und des Rundfnnkempfangs. Die Verbindungen mit Amerika waren zeitweise unter brochen. und in USA. selbst lag am Ostersonntag fast der gesamte Telephon- und Telegraphenoerkehr still. Der Kurz wellenempfang aus Europa und zum Teil auch aus Süd amerika, ebenso wie die Kabelverbindungen mit dem Aus land waren unterbrochen. Infolgedessen blieben über eine Million Ostertelegramme unbesördert. Selbst der Eisenbahn- und der Luftverkehr in den Vereinigten Staa ten wurde in Unordnung gebracht, da die Nachrichtenmittel versagten. Auch aus Neuseeland und Australien werden starke Störungen gemeldec, und in Kanada ist eine neue Kälte welle hereingebrochen, die von noch nie dagewesenen Schnee verwehungen begleitet ist. Verschiedene Städte sind völlig von der Außenwelt abgeschnitten. Die kanadischen Parla- mentswahlen sind stark behindert, da die Bevölkerung zum Teil nicht an die Wahlurnen gelangen kann. In Holland haben magnetische Stürme am Östersönntag den Telegraphen- betrieb eine Stunde lang lahmgelegt und die Kurzwellensen der erheblich gestört. Näber die Beobachtungen des Nordlichtes gehen aus Nord- und Südeuropa zahlreiche Nachrichten ein. In Oberbavern und im Allgäu wurde starkes Nordlicht am Osterfonnlag zwischen 19.30 und 20 Uhr festgestellt. Der nordwestliche Himmel zeigte eine starke Rötung, die in der Füssener Gegend zunächst einen großen Brand vermuren ließ. Die rötliche Färbung wechselte in ihrer Stärke mehrfach. Auch in verschiedenen italienischen Städten bis hinunter nach Sizi lien wurde am Ostersonnlagabend Nordlicht bcobachlet. Auch aus Anatolien kommen Meldungen von der Erscheinung eines starken Nordlichts von 20 Minuten Dauer, das von Störungen beim Nundfnnkempfang begleitet war. In der Steiermark nnd in der Slowakei wurde eine starke Rötung an einem großen Teil des. nördlichen Horizonts beobachtet, und aus Brüssel wird diese Naturerscheinung bestätigt. Oie Funkverbindungen setzten aus Am Abend des Ostersonnlags konnte in Berlin ein Nordlicht beobachtet werden. Der nördliche Himmel wies über den Zenit violette Färbung auf, in der gelegentlich scharfe Strahlen sichtbar wurden. Im Zusammenhang damit hatten bereits gegen 17.10 Uhr säst alle F u n k v e r b i n d u n g e n auf Kurzwelle ausgesetzt. Gegen 19.30 Uhr war die Er scheinung zu Ende. Die Störungen in der Funkausbreitung hielten, wie dies bei ähnlichen Erscheinungen wiederholt beob achtet worden ist, erheblich länger an. Noch am Ostermontag waren die Empsangsbedingungen aus Kurzwelle antzerordent- Uch schlecht Wie gewöhnlich war das Nordlicht von st ar- ken magnetischen Stürmen begleitet. Das am Sonntag ausgetretene Nordlicht war fast ebenso stark wie das vom Jahre (938, konnte aber hier wegen des guten Wetters erheblich besser beobachtet werden. Oe» L»res oke» Mehr als ein Viertel der bewohnbaren Erde ist in Eng lands Aand. Nicht genug damit, raubte es als „Mandate" auch noch den Großteil deutscher Kolonien, obwohl es nicht in der Lage ist, seinen eigenen Kolonialbesitz nutzbringend zu verwalten. Ein Engländer selbst bestätigt es in der Londoner Finanzzeitschrift „The Economist" «August 1939): „Der jüngste Bericht des Wirtschaftsbeirates für den Er nährungsstand im britischen Kolonialreich läßt einen gesähr- lickfen Zustand von Unterernährung in vielen Gebieten erken nen. Seine Ursachen sind wirtschaftliche Unzulänglichkeit, Gleichgültigkeit in der Bekämpfung von Scnchcn und frühe Sterblichkeit. Dasselbe England aber, das so gerichtet wird, sprach Deutschland „die Fähigkeit zum Kolonisieren" ab und stahl uns in seiner unersättlichen Gier den kolonialen Lebensraum. Um ihr Ausbeutungssystem zu verewigen, haben die Pluto- kraten dem Reich den Krieg erklärt, denn ihr Reichtum beruht allein auf der Verelendung der unterdrückten Massen. Mr. Henderson, dereinst Seiner Britischen Majestät W Botschafter in Berlin und gewissenloser Intrigant, der im W Auftrage der englischen Plutokratie Polen hinters Licht M führte und gegen Deutschland aufgehetzl hat, ist zur Zeit W ohne Amt und Würden. Bisher war es ihm nicht ge- W lungen wie anderen Plutokratensöhnen, aus diesem Krieg, g den England angezettelt hat, ein Geschäft zu machen. Das W Londoner Kriegsverbrccherkabinen kann ihn nicht ge- W brauchen, es Hal ihm auch keine Pfründe ausgesetzt, von W der er zehren kann. Also sieht sich der frühere Herr W Botschafter gezwungen, selbst Geld zu machen. Das tut W er. indem er seine Memoiren schreibt. Er ha« ihnen den W bezeichnenden Titel „Faiturs of a Mission" gegeben, aus W deutsch „Bankrott einer Mission". Henderson verbindet mit dem Geschäft die Propa- M ganda, und er Hai in Amerika eine Zeitschrift gefunden, W die aus seinem Buch einige Kapitel — gegen gebührendes W Honorar, versteht sich! — abdruckt. Mr. Henderson scheut W scheinbar nicht das Gelächter der Amerikaner, wenn er in W seinem Buch ein sür ihn recht peinliches Erlebnis preis- W gibt. Er schildert nämlich seine Wui über den deutschen Einmarsch in Oesterreich und erzählt, datz er aus seiner W Empörung heraus sich gewissermatzen als „Demonstration" W entschloß, nicht an der Berliner Heldengedenkseier teilz«- M nehmen. Stau dessen sei ei mit wehender britischer Flagge M am Kühler seines Autos zum österreichischen Gesandten W gefahren, um ihm fein Beileid auszudrücken. Und was erlebte Mr. Henderson da? Entsetzt schildert W er es: ,^zch sand den österreichischen Gesandten in voller W Uniform und gerade im Begriff, selber zur Heldengedenk- W feier zu fahren. Nachher hörte ich, daß er den Nazigruß W gegeben und mit allen anderen „Heil Hitler" gerufen habe. Ja, Mr. Henderson ist kein großes Licht, das wissen W wir längst und haben es mehrfach festgestellt. Er ist ein W verkalkter Plutokrat und ein bösartiger alter Mann, wie W sein großer Herr, der Mr Chamberlain. Er kann scheinbar M sein Berliner Fiasko immer noch nicht verwinden, und um W seine Galle zu beruhigen, die ihm in Erinnerst«« an seine W Berliner Mission immer wieder aufzusteigen scheint. Hai W er nun das Buch geschrieben. W Armer törichter Henderson Er merkt nicht einmal, M datz er zu der alten Lächerlichkeit, der er sich in Berlin W als Botschafter Englands ausgesetzt hat, eine neue fügt, W indem er auch noch seine Berliner Torheiten preisgibt. M Schade, daß man das Gesicht Hendersons nicht festgeyal- M ten hat, als er beim österreichischen Gesandten in Berlin M Rntrat. Aber das ist vermutlich so lang gewesen, datz es W nicht aus die Platte gegangen wäre. Trotzdem hätten wir W gern ein Dokument gehabt, um an diesem Gesicht Hender- sons Englands Bosheit und Dummheit einmal in Bild» W festgehalten zu sehen. Unmißverständliche Richtigstellung Harry Piel weist einen verlogenen Juden zurecht. In dem jüdischen Budapester „8-Uhr-Blatt" ist behauptet worden, daß der Filmschauspieler Harry Piel Oberstleutnant im französischen Generalstab und als solcher Leiter einer Spionageabteilung sei. Harry Piel habe seinen Dienst bereits angetreten. Hierzu teilt Harry Piel mit: „Wenn ein deutscher Kilmschauspieler einmal krank ist und eine Zeitlang nicht filmt, dann ist das sür einen Juden aus Budapest ein glatter Regenwurm zum Schlucken. Irgendwo muß doch meine Wenigkeit stecken. Also dreht man schnell einen Wilden Film: Szene: französischer Generalstab. Spionageab teilung; Zeit: Plutokratenkrieg gegen Deutschland; Held: französischer Oberstleutnant Harry Piel; Thema: Verrat an Deutschland; Buch und Regie: ein Jud aus Budapest. Das genügt. Ich stelle dazu fest: Ich weiß aus meiner Praxis, datz der Tiergarten Gottes viele sonderbare Vierfüßler beherbergt; aber anzunehmen, daß es Hornochsen von einem solchen Ausmaß geben könnte, die diesen jüdisch- Budapester Mist auch nur beschnüffeln könnten, das wäre doch zuviel Spott getrieben mit dem Instinkt der Hornviehkreatur. Ich kann nur sagen, ich bedauere, dem Jud aus Budapest und seinen finanziellen und geistigen Urhebern in Paris ihr schäbiges Hirnprodukt nur symbolisch um die Ohren schlagen zu können. Man möge sich darauf verlassen, daß ich wie jeder anständige Deutsche lieber bei meinem Führer die bescheidenste Rolle spiele als die selbst eines Generals in der französischen Armee. Damit dürste die Angelegenheit sür mich erledigt sein. Harrv Piel." Mütter, gebt eueren Kindern mehr dunkles Brot. von «ans uiruköcir-krcnr»L<Avrr vuircu vksuco c>K</ck zaeibrek.weko/w/z (39. Fortsetzung.) AVer nein, welch ein verrückter Einfall! Herr Becher, kamp schrieb -och keine solchen Briefe, der war ein ganz anderer Mensch! Sie erschauerte noch jetzt, wenn sie an den Händedruck dachte, mit dem er sich gestern nacht Lrunten an der Haustür von ihr verabschiedet hatte. Die anderen alle hatten ihr die Hand geschüttelt, wie man das eben machte — Herr Becherkamp aber hatte vrit der einen Hand die ihre genommen, und war dann mit der anderen über ihren Handrücken hingeglitten, hatte eine Sekunde lang ihr Gelenk umspannt und dann die Hand wieder zurückgeführt, bis zu ihren Fingerspitzen. Oh, sie erinnerte sich noch an alles: wie sie mit einem Ängstlichen Blick auf die anderen Herren versucht hatte, ihm die Hand zu entziehen, wie er sie jedoch unent- windbar m der seinen festhielt, daß sie vor Schmerz hätte aufschreien mögen. Wie aber dieser Schmerz gleichwohl etwas unsagbar' Süßes in sich barg, eine Liebkosung, eine süßere Liebkosung noch als sein Hin streichen über ihre Hand. Nachher war sie über die finstere Treppe zu ihrer Stube hinaufgestiegen, hatte ein paarmal diese noch immer schmerzende Hand befühlt und darüber nach gedacht, wie das Leben doch voll Geheimnis und Wun der war. Und später beim Auskleioen hatte sie einen scheuen und heimlichen Blick in den Spiegel getan. Und jetzt war da dieser Brief von Jörgen Korn- reuther, dieser beängstigende Brief, mit dem sie nichts anzufangen wußte. Plötzlich geschah etwas Unerwartetes. Evas Gesicht verzerrte sich, sie nahm den Brief und zerriß ihn. Im nächsten Augenblick bereute sie die unbeherrschte Tat, deren Beweggrund sie sich in keiner Weise zu er klären wußte. Hn ibrer Ratlosiakeit versuchte sie Lie einzelnen Stückchen wieder zusammenzulegen,' aber dann sah sie das Unsinnige ihres Tuns ein, sie las die Schnipsel zusammen und warf sie in den Ofen. War es nicht das einfachste, an Pius Vrinkler zu schreiben und ihn um Nat zu fragen? Er würde am besten wissen, wie sie sich in dieser Sache zu verhalten habe. Es wurde ein ziemlich langer Brief, denn es war ja auch von ihrem neuen Leben vieles zu berichten, von der Arbeit im „Tageblatt", von Herrn Bibliothekar Dürrbößl und seinen Freunden, von dem gestrigen Konzert, das von einem gewissen Eugen Becherkamp veranstaltet worden sei. Sonst aber stand von diesem Becherkamp nichts in dem Brief. Darüber ging die Zeit hin, und als Eva sich an gezogen, den Brief zur Post gegeben und ihre Einkäufe für den Sonntag besorgt hatte, war es später Nach mittag geworden. Nun konnte sie ein bißchen auf dem Harmonium spielen und sich auf den Abend freuen. Sie nahm die Noten vor, die sie vom Bibliothekar mitbekommen hatte. Es ging aber noch ein wenig holprig, besonders im letzten Teil war eine knifflige Stelle, bei der sie regelmäßig umschmiß, aber es machte ihr große Freude — und bis zum Dienstag mußte es klappen. Vielleicht spielte sie deswegen nicht gut, weil sie nicht bei der Sache war. Sie wußte nicht, ob sie sich mehr auf die Oper freute, die sie aus München hören würde, oder mehr darauf, daß sie Herrn Becherkamp Wiedersehen durfte. Ueber diesem Nachdenken glitt sie wieder in ihren ge liebten Donauwalzer hinein. Sie mar gerade beim dritten Satz, da klopfte es ziem lich kräftig an die Tür. Eva hielt erschrocken inne, und es gab ein paar gräß lich pfeifende Töne, weil sie die beiden Füße auf die Pedale stellte und zu gleicher Zeit die flache Hand auf die Tasten legte. „Ja?" rief sie zaghaft. Kam etwa die Fran Dürrbößl schon wieder, um sich wegen der Musik zu beschweren? Nein, diesmal war es nicht Frau Dürrbößl. Eva starrte den Eintretenden mit weit aufgertssenen Augen an. Es war Euaen Becherkamp. 28. Der Einfall war ihm während Les Essens gekommen, als er. noch ganz unter dem Eindruck seiner Schöpfung, über den Beginn seiner Verwandlung nachdachte. Er mußte sich eingestehen, daß er alles diesem jungen Mädchen verdankte, diesem mütterlichen Kinde — ja, der Ausdruck patzte zi? ihr. War sie nicht ein Kind, ein harmloses, entzückendes kleines Mädchen? Und doch war auch wieder etwas von einer Mutter in ihrem Wesen. Man konnte sich sehr gut vorstellen, datz man mit seinen Nöten und Sorgen zu ihr flüchtete, und datz man geborgen war, wenn sie einem die Hand gab. Ah, wie wäre es, wenn er sie abholen würde? Er spürte das Verlangen, ihr von dem zu erzählen, was ihm heute widerfahren war, denn sie hatte einen wesent. lichen Anteil daran. Nach dem Essen zog sich Eugen Becherkamp in sein Zimmer zurück und stand, eine Zigarette rauchend, lange Zeit am Fenster. Ja, es wäre sehr hübsch, Eva Volkmer in ihren vier Wänden aufzusuchen, zu sehen, wie sie lebte, noch tiefer in ihr Wesen, in die Gliederung ihres Herzens einzn- dringen . . . Aber — er überschritt damit die Grenzen, in deren Bereich seine Begegnung mit Eva Volkmer eben nur eine Begegnung, eine harmlose und zu nichts verpflich tende Angelegenheit blieb. In dem Augenblick, da er über die Schwelle ihres Zimmers trat, gab er ein Ver sprechen, schuf eine Gemeinschaft zwischen sich und ihr. Sollte man es aZo doch nicht lieber dabei bewenden lassen, sie lediglich bei Wiesner zp treffen? Es lietz sich zweifellos einrichten, datz man sie nach Hause brachtet inan konnte ihr dann erzählen, was man ihr zu sagen wünschte — und blieb doch frei. In dem Augenblick aber, als Eugen Becherkamp wie der nach den Notent.'ättern griff, wußte er, daß seins Kraft nicht mehr aus'reichte, sich der Gewalt des über ihn hereinbrechenden Schicksals entgegenzustemmen. Und auf einmal, als hätte ein Blitzstrahl sein Inneres erleuchte^ wußte er die Wahrheit, die ungeheure, sein Leben entscheidende Wahrheit: — er brauchte Eva Volk mer, wenn er dies neue Leben verwirklichen und vollenden wollte! . . . Er griff sich an den Kopf, preßte die Hände an die Stirne, als bemühte er sich, eines tollen Spukes Herr zu werden. »Fortsetzung total.»
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