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pjk 78, 4. April 1814. Redaktioneller Teil. Differcnzfalle, der sich in der Ostcrmessc ans diesein Anlasse etwa ergeben sollte, bitten wir nns Mitteilung zu machen. Das vom Münchener Bnchhändlerverein hcrgestelltc Weih- nachtsplakat haben wir auch im abgelaufcnen Jahre unfern Mitgliedern empfohlen und es gemeinschaftlich bezogen. Überall in Schaufenstern und Ladenlokalen hat es für das Buch und seine : Verbreitung geworben. Von einer Absicht des hiesigen Polizei-Präsidiums, den Ladenschluß an den beiden Sonntagen vor Weihnachten bereits »m 8 Uhr abends anzuordnen, hatten wir erfahren und sind sofort beim Polizeipräsidenten vorstellig geworden, um eine derartige schädigende Verfügung zu verhin dern. Die Verfügung ist denn auch nicht erlassen worden. Der Polizeipräsident hat ferner wie alljährlich die in der Weihnachts zeit bewilligten Ausnahmetage mit verlängerter Arbeitszeit nach Anfrage bei nns festgesetzt. Diese Ansnahmetage beschränken sich für den Buchhandel Weihnachten 1814 auf den 14. bis 19. und 21. und 23. Dezember. In größerer Zahl sind auch im Berichtsjahre Gutachten von nns erbeten und erstattet worden. In der Hauptsache han delt es sich da stets um abweichende Auslegungen der buchhändlc- rischcn Ordnungen bei Streitfällen zwischen Verleger und Sorti menter, die wir uns stets bemühen, zum friedlichen Ausgleich zu bringen. Von allgemeiner Bedeutung erscheint nns die in einem Falle uns vorgelegte Frage der Weihnachtsgratifika tion der Angestellten. Die Judikatur der Gerichte ist hier nicht einheitlich. Einmal wird die Weihnachtsgratifikation als Entschädigung fiir die vermehrte Tätigkeit im Dezember an gesehen, so daß sie anteilweise bei vorzeitigem Austritt aus der Stellung nicht zu zahlen ist. Anderseits wird sie aber auch ledig lich als Teil des Gehalts betrachtet, so daß beispielsweise beim Arrstritt eines Angestellten am 1. Juli die halbe Gratifikation zu zahlen wäre. Für Groß-Berlin halten wir die elftere Auffassung für handelsüblich und wer den Gutachten stets in diesem Sinne abgebcn. Es empfiehlt sich jedoch, um vor Überraschungen geschützt zu sein, in allen Anstcllungsverträgen unzweifelhaft deutlich znm Aus druck zu bringen, als welche Art Leistung die Weihnachtsgratifi kation angesehen werden soll. Im Mai 1813 konnte die Nicolaische Buchhand lung (Borstell L Reimarus) ihr MOjährigcs Bestehen feiern. Der Vorsitzende hat bei diesem Anlaß dem jetzigen In haber der Firma, der unser langjähriges Mitglied ist, eine Adresse des Berliner Sortimentervcreins überreicht, in der besonders auch auf die Verdienste hingewiescn war, die sich die Vorbcsitzer der Firma, Fritz Borstell und Hans Reimarus, um die Gründung und Leitung des Berliner Sortimentervereins erworben haben. Der ehrwürdigen Firma wünschen wir auch an dieser Stelle ein weiteres gesundes Wachse» und Blühen. Am 2. Januar 1914 war Herr Wilhelm Nocbncr, der Vorsitzende der Berliner Vereinigung, in der glücklichen Lage, gesund und rüstig ans eine 50jährige Berufstätigkeit zurück- blicken zu dürfen. Bei de» ununterbrochen freundschaftlichen Be ziehungen, die der Berliner Sortimentcrverein zum Vorstand der Berliner Vereinigung und besonders zu seinem jetzigen Vor sitzenden unterhält, sind unsere Glückwünsche, die wir erneut hier anssprcchen, von besonderer Herzlichkeit gewesen. Bei dem Fest essen, das die Berliner Vereinigung ans diesem Anlässe veran staltet hatte, waren denn auch die Mitglieder unsres Vereins be sonders zahlreich vertreten. Bei dieser Gelegenheit ist auch des 2 5jährige» Bcste - Heus der Berliner Vereinigung gedacht lvordcn, die von einer besonderen Feier ihres Jubiläums Abstand genommen hatte. Wir wünschen der Vereinigung auch fiir die Zukunft reiche Erfolge und geben der Hoffnung Ausdruck, daß das freund- nachbarliche Verhältnis znm Berliner Sortimentcrverein un verändert und dauernd fortbestehcn möge. Nicht vergessen wol len wir, an dieser Stelle auf die beispiellos treue Arbeit unseres Freundes Prager hinznweisen, der die ganzen 25 Jahre hin durch dem Vorstände der Berliner Vereinigung angehört und ihr sein Wissen und seine Tatkraft gewidmet hat. Den freudige» Ereignissen stehen die schmerzlichen gegen über, die den Sortimentcrverein im letzten Jahre bctrvffen haben. Am 28. April 1913 verstarb Herr Albert Ziege, am l. Dezember 1913 Herr Wilhelm Fußinger. Beide ge hörten zu unser» frühesten Mitgliedern, und an beiden verlieren wir tüchtige Sortimenter, wackere Männer von bester alter Art. Albert Ziege schulden wir noch besonderen Dank für die uner müdliche Tätigkeit, die er in verschiedenen Vorstandsämtcrn dem Sortimenterverein jahrelang gewidmet hat. Am 21. Januar 1914 ist Georg Bath, unser ehemaliges Mitglied, heimgc- gangen, der zu den Gründern und in jahrelanger Vorstandstätig- kcit zu den treuesten Förderern des Sortimentervereins gehört hat. Auch ihm sagen wir über das Grab hinaus »nsern Dank. Ausgeschieden sind ferner aus dem Verein wegen Geschäfts aufgabe oder aus anderen Gründen die Herren: Paul Rcuß, Magnus Schade, Julius Sche rin g c r. Neu ausgenommen worden sind die Herren: Herbert Fußinger, Otto Greve, Hermann Sack, Otto Weydcrt. Der Mitgliederbestand beträgt augenblicklich 84. Der Berliner Sortimenterverein hat im Berichtsjahre 1813/14 die satzungsgemäßen vier ordentlichen Vereinsversamm lungen abgehalten, und zwar am 12. März 1913, 9. Juni 1913, 29. September 1913, 24. November 1913. Die Versammlungen waren durchweg gut besucht. Vorstandssitznugcn und Konferen zen einzelner Vorstandsmitglieder waren häufig. Die Bricfein- und «ansgänge sowie die durch Fernsprecher erledigten Amts- geschäftc haben wieder eine erhebliche Steigerung erfahren. Dem Vorstande der Berliner Vereinigung hat der Vorsitzende auch im Berichtsjahre satzungsgemäß angchört und an allen Arbeiten der Vereinigung teilgenommen. Wir schließen diesen Bericht über unsere Jahresarbeit mit dem Wunsche, daß das Berliner Sortiment im neuen Vereins- jahrc vor Erschütterungen bewahrt bleiben und unter geordneten politischen und wirtschaftlichen Verhältnissen einer gesunden Weiterentwicklung sich erfreuen möge. Münchner Briefe. ii. (I siehe Nr. 27.» Zeiten, die uns nicht gesalle». — Die Kaschingsnnmmcr des »Simpli- cissinnis«. — Der »mnoralische Zupsgeigcnhansll. — Ludwig Thuina- Desscrt. — Evolution, nicht Revolution der »Brücke«. — München Messestadt? — Wie Nürnberg die Mnsikstadt München unterstützt. — Die Deutsche Alpenzeltnng. Die »l>«. Münchens größte Litcratnrverächter: der Fasching und die Bockbiersaison sind vorüber. Ist der Münchener schon an und für sich kein besonderer Bücherfreund, zu diesen Zeilen, in denen die Lebenslust so kräftig Pulsiert, hat er für Bücher noch viel weniger übrig. Wehe dem, der ihm mit der freundlichen Mah nung kommen wollte: Trinkt keinen Salvator, Bücher sind von bleibendem Wert! Ein verächtlicher Seitenblick und die Cha rakterisierung als »spiunatcr Tropf« wäre der Lohn für diesen lebensfremden Philanthropen. Auch der Münchener will seine »Saison« haben, und der Fasching und die Bockzeit sind eigent lich die Fcstzeiten, die ans der Bevölkerung herausgcwachscn sind; was nach ihnen kommt, ist für die Fremden. Deswegen läßt er sich auch beim Feiern jener durch nichts in seinem nrkräftigen Be hagen stören. Wer unter diesen Festen am ersten leiden muß, das sind natürlich die Geschäfte mit Luxusartikel», zu denen ja der Buch handel noch lange zählen wird. Wen» die Erziehung znm Buch auch einigen Fortschritt gemacht hat, dadurch, daß eben alle Ge- sellschastsschichtcn erst dafür gewonnen werden müssen, schreitet die Besserung nur langsam vorwärts. Der Absatz in de» Sorti menten wird daher im Januar, Februar und März überall schlecht gewesen sein, um so mehr, als die allgemeine Krisis trotz aller Verneinung doch »och besteht. Ansichtssendungen haben zu dieser Zeit recht geringen Erfolg, der Verkauf von Masken- bildcrn rentiert sich immer weniger, und Kostümwerke werden so wieso nicht häufig gekauft. 491