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Zächlischt Eltzeilmg. Amts- unö AnZeLgehTOtt . für das Königl. Amtsgericht und den Stadtrath zn Schandan nnd den Stadtgemeinderath zu Hohnstein» Schandau, Sonnabend, den 19. Januar Ü884. Modernes Verbrecherthum nnd sociale Nothstände. Das grauenhafte, an dein Wechsclstubcnbcsitzcr Eisert und seinen Kindern in Wien verübte Vcrbrc- chcu, sowie die Entdeckung einer seit Jahren in schreck licher Wirksamkeit stehenden Mädchcmnördcrbandc, der Gebrüder Schenk und Genossen, ebenfalls in Wien, haben in der ganzen gebildeten Welt eine cinmüthige Entrüstung hervorgcrnfen und die DiScnssion auf die moderne Verbrecherwelt gelenkt. Wir glauben »nn dabei gleich hcrvorheben zu müssen, daß cö ganz über flüssig ist, über diese in Wien verübten Verbrechen sich in besonderen oder allgemeinen Klagen zu gefallen, denn wenn auch die Wiener Polizei an Kopfzahl noch einmal so stark wäre als sie gegenwärtig ist, so würde daraus die Sicherheit, daß dergleichen Verbrechen nicht mehr Vorkommen, doch noch nm keine» einzigen Pro- ccnt wachsen, da cö vollständig unmöglich ist, neben jeden Verbrecher und Lumpe» der menschliche» Gesell schaft eine» Polizisten zu stellen. In dem vom Schö pfer mit moralischer Freiheit begabten nnd seiner Würde entsprechend selbst verantwortliche» Mc»schc» kau» ja mich der Wille statt des Guten das Böse z» thttn, nicht ansgerottet werden nnd sind eben die Ver brechen die natürliche Schattenseite der moralischen Freiheit, aber zugleich auch das fürchterliche Brcnn- ciscu für die Verbrecher selbst. Befindet sich sonach die menschliche Gesellschaft in einer absoluten Unfähigkeit, die Verbrechen nnd Ver brecher vollständig anöziirottcn nnd liegen die Verhält nisse sogar derartig, daß ein Dutzend allen Ehrgefühls barer Schurken mit Dynamit nnd Petroleum in den zwölf größten Städten der Erde nncrmcßlichcS Elend Hervorrufe» könnten, so soll damit doch noch lange nicht gesagt sein, daß der Staal nnd die mensch liche Gesellschaft zur Vcrmindcrimg der Verbrechen nicht erfolgreich thätig sein könnte. Wohl mag bei manchen Mensche» die Neigung zum Bösen stark ans. gebildet schon als ein unglückseliges Erbe seiner der Immoralität ergebenen Eltern vorhanden sein, aber als Verbrecher wird deshalb noch lange kein Mensch ge boren, er wird cS erst durch schlechte Erziehung, böse Beispiele, Lieblosigkeit und Noth, mit einem Worte durch die socialen Nolhstände, die wir nicht etwa nnr mit der Nahrungssorge idcntificirt sehe» wollen, son dern die sich noch viel schlimmer durch eine moralische uud geistige Verwilderung kennzeichnen, welche eben gerade viele Individuen veranlaßt, bei Existcuzsorgcu statt zn sanrer, cmporhclfcudcr Arbeit znm Verbrechen zn greifen. Was znr sittlichen Erziehnng aller Men schen durch Religion und Schule, Elter», Lehrer, Lchr- hcrrc» und Arbeitgeber gctha» werde» kau», »ins; also noch mehr als bisher geschehen, mn gewisse Lücken in der Anöbildnug der Heranwachsenden Geschlechter auö- zufüllcn. Strenger als bisher sollten aber auch alle schädlichen Einflüsse von den jugendliche» »och wc»ig UrtheilSkraft besitzenden Menschen fern gehalten werden, zmnal waö die Ausbildung bis znm achtzehnten Lebens jahre anbelrifft, denn wir begegnen jetzt ziemlich häu fig jugendlichen Verbrechern, die dnrch eine tolle Ver gnügungssucht und geistige Unreife ans eine Bahn ge lenkt worden sind, vor der sie bei richtiger Erziehnng noch mit einer Art kindlichen Entsetzens znrückbcbcu sollten. Ferner bleibt cö aber auch eine solidarische Verpflichtung der menschlichen Gesellschaft, sich aller moralisch Strauchelnden neben strenger Zucht anch in hnmancr Weise anzuuchmcn. Jndividnen, welche keine Existenzmittel haben und gleichzeitig Arbcitsmangcl vorschützend, dürfen nicht mehr vagabnndircnd das Laud durchziehen, sic müssen zwangsweise in Ar- beitcrcolonien gebracht werden, wo sic so lange zn bleiben haben, bis ihnen dnrch die Anstaltövcrmittclnng oder anch dnrch die Vermittelung ehrenhafter Privat personen Arbeit und Unterkommen im freien Berufe zu Theil werden kann. T a g e s q e s ch i ch t e. Sachsen. Schandau." Ju der Sitzung des Königlichen Schöffengerichts allhicr vom 8. Januar d. I. wurde der Fuhrwcrköbcsitzer Friedr. Wilhelm Seltmniin in Schmilka auf die von dem Lohnfuhr- wcrköbcsitzcr Wilhelm August Ehrlich in Schmilka er hobene Privalklagc wegen Beleidigung zn Dreißig Mark Geldstrafe und der Lohufnhrwcrtöbcsitzcr Wilhelm August Ehrlich in Schmilka ans die von genanntem Sellmann erhobene Widerklage wegen Beleidigung zn Fünf Mark Geldstrafe, Beide auch zn Tragung der Kosten des Verfahrens vcrurthcilt. Als Schöffen fuu- girtcn die Herren Scifcnsicdcrmcistcr Mehne in Schau- dnn uud Gutsbesitzer Schinke in Neiiihardödorf. Eine weitere Sitznng fand am 15. Jannar 1884 statt. Znr Verhandlung gelangte zunächst die Straf sache gegen den 16jährigcn Blumcuarbcitcr Karl Gustav Thomas ans Sebnitz. Ihm lag zur Last, am 23. Dec. 1883 dem Prodnctcnhündlcr Nößler hier ans der Laden- kassc Sechs Mark nnd drei Büchsen mit Pomade nnd dem Anchbindcrmeislcr Bossack hier aus dessen Gc- schäftölocal eine Eigarrciispitzc im Wcrlhe von 1 ,./el 25 gestohlen zu habe». Der Angeklagte ränmtc i» der Verhandlung daö ihm zur Last Gelegte ei» uud wurde wegen Diebstahls zn Fünf Tagen Gcfäug- niß und zn Tragnng der Kosten des Verfahrens vcr- nrlhcilt. Daranf wurde die erst im Mouat Dcccmbcr v. I. allhicr bestrafte Dicustmagd Hclcnc Wollmann ans Gricsdorf in Böhmen wegen LandstrcichcnS zn Einer Woche Hast vcrurthcilt, anch auf deren Uebcr- wcisnng an die LnndcSpolizcibchördc erkannt. Als Schöffen waren die Herren Kaufmann Müller nnd Bangnier Nößler in Schandau thätig. — Der Gcwcrbcvcrcin hat zn den interessan ten Genüssen nnd Vergnügungen, welche die letzten Tage besonders reichlich boten, in ganz hervorragen der Weise insofern bcigctragcn, als er in vergangener Woche einen Vortragsabend und nm letzten Don nerstag einen Familicnabcnd für seine Mitglieder veranstaltete. Sind die Ansprüche, welche an einen Ncdncr in miscrcm Gcwerbevercinc gestellt werden, dnrch die vorzüglichen Vorträge, welche in den letzte» Jahre» im Gcwcrbcvcrei»c gchaltc» wurde», ganz un- gcmci» gesteigert, so verstand doch der Ncdncr dcS lctzic» Vortragsabends, Herr Chcmikcr Vr. Hcppc ans Leip zig, sich die lebhafteste Aufmerksamkeit der Zuhörer wäh rend seiner Inständigen Ncde zn erhallen nnd all gemeinen Beifall zn erwerben. In der That war anch sein Vortrag über „die Vcrgiftungögcfahrcu im hänslichc» Leben" überaus interessant und das Product reicher Kenntnisse nud Erfahrungen. In klarer und verständlicher Ncde schilderte Herr vr. Hcppc dic verschiedenem Gefahren, welche im häus lichen Leben dem Menschen culgcgcntrctcn nnd seine Gesundheit gefährden, hob insbesondere an der Hand zahlreicher Beispiele dic gefährlichen Einflüsse hervor, welche dnrch dic Metalle, und namentlich das Kupfer, Blei, Zink und Arsenik, sowie durch da« Wasser und dic Lust m der maimigfaltigstcn Weise hcrvorgerufcn werden können und gab endlich allenthalben vortreff liche Nathschläge nnd Mahnnugcii, nm dic bcstchcndcn Gefahren für Jeden erkenntlich zn machen nnd ihn dadurch in dcn Stand zn setzen, sic zn vermeiden. Ter reiche Beifall, welcher dem gewandten Ncdncr gespendet wurde, war ein wohlverdienter. — DcrFa- milicimbcnd des Gewerbcvercinö Halle am vergangenen Donnerstag die Nänmc dcS Hcgcnbarth'schcn Eta blisscmcnlö vollständig gefüllt. Die Zuhörerschaft, unlcr welcher sich sehr viele Damen befanden, spen dete dcn Prodnetivnm des Herrn Prof. Stengel im Gebiete der höheren Magic lebhaften Beifall. Der geschützte Künstler rechtfertigte aber auch dcn vorzüglichen Nnf, der ihm voraufgcgaugcu war, im vollsten Maße. Er bewegt sich nicht in dcn ausgctrc- tcncn Bahucn so vieler Zauberkünstler, welche unter Benutzung zahlreicher Apparate sich producircu und bei dcr Schwierigkeit, neue Apparate zn erdenken nnd zn erwerbe», oft genug Altes und wiederholt Gesehc- iicö darbictcn. Vielmehr ist Alles, was Herr Prof. Stengel leistet, durchaus neu, uud dabei arbeitet er zumeist ohne Apparate. Sein Vortrag ist fließend und entbehrt dcr hnmoristischcn Würze nicht. Dick Prodnetioucn gelangen sämmtlich anögczcichiiet und^ waren oft geradezu frappircndcr Natur. Es erfreute sich sonach dcr von Herrn Prof. Stengel auögefüllte Familicnabcnd cincr schr auimirtcn Stimmung. — Anch i» dcn Jahren 1884 und 1885 will dic sächsische Negierung je 300000 Mark für Elbslrour corrcction anögebcn und dic Deputation dcr Zweiten Kammer empfiehlt diese Snmmcn imbcanstandct zu bewilligen. Es sollen dafür fcrtiggcstcllt bcz. fortgesetzt werden die Stromeorrcclionöbautc» bei Schmilka (25000 Mark); bei dcn Postclwitzer Stcinbrüchcu (39000 Mk.)); rcchtönfrig zwischen Nathcn und Weh len (87000 Mk.); zwischen Wehlen Zeichen und bci Pötzscha (17500 Mark); zwischen Niederwartha und nnd Konstappcl (15000 Mark); bci Meißen rcchtö- nnd linkönfrig (109000 Mk.); zwischen Promnitz nnd Groß-Zschcpa (150000 Mk.); bcidnfrig unterhalb dcr Dresdner Maricnbrückc (100000 Mk.); für Verland ung in dc» fiöcalischcn Stromabschniltcn (45000 Akk.); nnd endlich für sonstige Ausgabe» 12500 Mark. — Dcr Beginn des Unterrichts in dcn vicr Schiffcrschnlcn des oberen ElbbczirkS für dcn Enrsnö 1883/1884 fand am 27. Dcccmbcr v. I. statt nnd bethciligcn sich an dcmsclbcn Mannschaften dcS Schiffer- standcS in dem Alter von 17 bis 34 Jahre» »»d zwar i» Puma 24, in Schandan 22, in Königstein 13, in Wchlcn 9. Zn verwundern bleibt übrigens, daß in dem viel Schifffahrt treibenden Städtchen Wchlcn bloS 9 Pcrsoncn dic Schiffcrschnlc fregucntiren, während in dcn anderen Orten ein viel regerer Be stich derselben staltfindet. . — Ueber den nn vergangenen Jahr auf der Elbe statt- gesundenen Schisffahrtöverkehr berichtet dcr „Dr. Anz." Folgen des: Derselbe umfaßte im vergangenen Jahre einen Zeitraum von mehr als 10 Monaten und konnte sich während der ganzen Zeit, wie wir schon darlegten, eines ziemlich günstigen Wasfcr- staudeS erfreuen. Dcr crstc Monat machte zwar dcr Hochsluth, später auch dcS Treibeises wegen die Schifffahrt unmöglich, doch gleich mit Beginn des Februar wurde cs auf dem Strome lcbcndig. Am 1. Fcbruar war die Dampsschifffahrt zwischen Dresden und Pirna wieder ausgenommen, am 3. eröffnete die Kette ihren Betrieb, vom 7. nn kamen aus Böhmen wieder die Braunkohlen-Fahrzeuge nach Sachsen herein. Schon am 16. Febr. konnten die Perjoncndampfer ihre Fahrten bis Strehla einer seits und bis Schandau andererseits ausdehnen, vom 22. an gingen sic bis Leitmerih. Da dem Fcbruar mit seinem milden Wetter aber ein strenger März mit echt winterlichem Charakter folgte, so musUc vom 12. bis 18. März alle Schifffahrt ein gestellt werden. Dann aber wurde sie mit großer Rührigkeit wieder ausgenommen und konnte nun ohne Hindernisse fort gesetzt werden. Erst im letzten Monate machte sich (den 7. bis 13. Dcccmber) eine Unterbrechung in Folge von Treibeis nvlh- wcndig. Man darf die vorjährige Schifffahrtsperiode sonach zu 10'sr Monaten annehmen. In derselben ward die Personen beförderung freilich durch das Wetter nicht sonderlich begünstigt. Der März und April waren zu Ausflügen gar nicht geeignet, später Ivar die eigentliche Reisezeit, nämlich die zweite Hälfte des Juli uud die ersten zwei Drittel des August, meistens lühl, trübe nnd regnerisch, ebenso war der ganze September, wenn auch nicht zu kalt, so doch zu trübe und feucht. Die Fracht schifffahrt, für welche derartige Einflüsse weniger maßgebend sind, entfaltete sich in recht erfreulicher Weise. Gleich in den ersten Monaten nahm sie einen guten Anlauf, besonders lebhaft wurde sie im April und Mai, später zeichneten sich namentlich der October und November aus. Gegen das vorhergegangene Jahr hat die Gütervcrfrachtung auch diesmal wieder ganz er heblich zugcnommen. Das Hauptzollamt Schandau passirten, wie neulich kurz erwähnt wurde, in der Zeit vom 18. Februar bis zum 31. December im Ganzen 8066 beladene Fahrzeuge. Wollen wir unö an diese Zahl halten und dic 81 Kähne, welche vor dem 18. Februar schon Schandau passirt hatten, unberück sichtigt lassen, so stellt sich gegen das Vorjahr immerhin eine Zunahme von 1306 Fahrzeugen, d. i. über 10 Proc., heraus. Von Jahr zn Jahr hat bisher dcr Güterverkchr zugcnommcn. Rccht ausfällig wird dicscr Aufschwung, wenn man gleich »m etliche Jahre zurückgreift. 1876 wurden nur 3661 Fahrzeuge gezählt und voriges Jahr also -1102 mehr, d. i. eine Zunahme von 120 Proc. in 7 Jahren. Abgesehen vom Monat December, gingen im vorigen Jahre in jeder Woche mehr als 100 beladene Fahrzeuge an Schandau vorüber, in 1-1 Wochen betrug die Zahl über 200; die höchste Ziffer, nämlich 273, kam auf die Woche vom 2-1. bis 30. Juni. — Dic Finanzdcpntation (^) dcr zwcitcii Kammer bewilligte 46000 Mark für dic van dcr Negierung beantragte Erbauung eines nenc» Kaffcc-Salvnö in Bad Elster. Durch diese» Neubau werden ciu kleiner Taal von 124 Quadratmetern und ein größerer Salou von 185 Quadratmetern Nauminhalt mit außerhalb an den «Seiten befindlichen offenen Veranden geschaffen, welche nicht nnr dcn zur Zcit in cincm Hotcl ermie- lhcteu ungccignctcu Kursaal zweckentsprechend ersetzen werden, sondern auch den mit einem Aufwand von 250—260000 Mark vcranschlaglcu Bau eines Kur hauses auf längere Zeit wahrscheinlich ganz entbehrlich machen dürften, da von der königlichen Staatöregier- nng eine Vergrößerung dcö Badeö nicht cmgcstrebt wird. — Das evangelisch-lutherische Laudcsconsistorium beabsichtigt eine Taschcuauögabc dcö LandcögesangbucbcS mit clwnö stärkcrm Druekc Herstellen nud dieselbe