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Wilsdruffer Tageblatt 2. Blatt. 2S7. Mittwoch, 23 Dezember 1925 dcrne Lwrii^von Beuueyen; ans sein Platz cingeeapcn :p Da ist ein Soldat mit Bajonett; er wehrt mit der Wast> die überzudringlichen ab... Wieder sind wir bei oeH Antos. Wieder schreien die Händler: .Kauft, kauft, kanftl Einer zielst mich am Ärmel. Kommen Sie doch, Sie sir? doch ein Deutscher, oder sind Sie etwa aus Ehstreich'' So sieht das Bethlehem von heute ans! M. S. Komme, Weihnachtsmann! Weihnacht erfreut jedes Menschenherz tm Leben, In Stadt und Land, Palast und in der ärmsten Hütte. Es hofft der Greis im Silberhaar, Es hoffen Kindlcin in der Eltern Mitte. Ach, komme zu allen dieses Jahr, O Weihnachtsmann, erfülle unsre Bitte! I. Richter. Bethlehem vsn heute. Die Autofahrt eines Weltfahrers. In diesen weihnachtlichen Tagen wendet sich die B» Pachtung der Stätte zu, an der der Welt der Heiland ge boren wurde. Nicht nur frommgläubiger Sinn gedenk Bethlehems, der Stad Davids, mit stiller Liebe und bewundernd, auch der Historiker sieht es nu Lichte der Ver< llärung und von eigenem Reiz umgeben. Alljährlich um die Weihnachtszeit pilgern Tausende zur Krypta, der unterirdischen Kirche von Bethlehem, nm auznbeten uni des Wunders, das einst hier geschehen ist, zu gedenken. Unt alle, die von weither kamen, nm zu Christi Geburtsort zu wallfahrten, hoffen heilige Erinnerungen fürs ganz? Leben mit hinauszunehmen in die poesielose Wirklichkeit, in die sie wieder zurüükehren müssen. Was sie aber sehen, heutigestages wenigstens in dem kleinen Bethlehem z:> sehen und zu hören bekommen, ist leider nicht geeignet, sff mit frommen Schauern zu erfüllen, denn das Bethlehem von heute ist des Zaubers von einst ganz entkleidet, ist z > einer Stätte geworren, in der, wenn man so sagen darf, frommer Glaube industrialisiert worden ist. Mitreisender Erichvon Salzmann, der zu der, bester. Kenneru Chinas und Japans gehört, aber auch i r Indien, Kleinasien und Palästina sich umsah, hat in dieser Tagen unter dem Titel „Gelb gegen Weis;" ein Buch er scheinen lassen, in dem er anschaulich schildert, was er alt Orientforschcr, der jahrelang in den dunkelsten Winkel» Asiens herumspüren durfte, erlebt bat. Der Titel de; Buches sagt schon, das; es hier um die Kämpfe der gelben gegen die weiße Rasse, um die Schilderung der großes asiatischen Freiheitsbewegung geht. Aber es wird auch noch mancherlei anderes dargelegt und zu diesem ander- gehört die sehr lebendige Schilderung einer Autofahr' durch Bethlehem. Als der Weltkrieg auch nach dem Orient getrager wurde, gab es in ganz Palästina nur ein einziges Auto; heute ist die Zahl der palästinensischen Autos Legion - mit einiger Übertreibung gesprochen —, und die meister ' von ihnen hat Amerika geliefert. Die Autostraße von dej ^tadt, in der der Heiland starb, nach der Stadt, in der s das Licht der Welt erblickt hat, ist tadellos. Einst kack inan in einem kleinen arabischer; Wägelchen, das ein faule? türkischer Kutscher lenkte, nach Bethlehem, und die Straßen jugend begrüßte den Fremdling aus dem Abendland ste t mit dem Gesang „Stille Nacht, heilige Nacht", mochte es au/ nicht gerade Weihnachten, sondern Ostern oder Pfingsteis oder,sonst etwas sein. Natürlich mußte der Gesang mis einen; anständigen BaÄschifch, dem mit Recht so beliebte» orientalischen Trinkgeld, bezahlt werden. Wer nichts gah wurde mit einem Steinhagel weitergeleitet. „Heute," s^ schreibt Salzmann,,,saust man in einer Viertelstunde vo^ Jerusalem nach Bethlehem. Die Jungens sind wieder dq Mittlerweile haben sie alle Englisch mit amerikanische!» Akzent gelernt. Steine werden nicht mehr geworfen. DH Autos fahren zu schnell. Ringsum sägt, hämmer; nutz schreit es: ,Sehen Sie meine Werkstätte. Bei mir werd« die allein echten Perlmntterpcrlen hergestellt/ ,Kommen Sic in mein Caso, da gibt es den allein echten arabisches Kaffee/ .Besichtigen Sre meinen Laden. Ich verkaufe dit allein echten Dosen aus Olivenholz, aus den Bäumen ge; schnitten, die schon bei der Geburt des Heilandes hier stach den? .Komoren Sie mit mir, ich zeige Ihnen die alleiH echte Gebnrtsgrotte, in bin von der Negierung konzessiv niert, all? andern Führer sind-Schwindler.' Tarif, Tarij Taris! Die zehn- und zwölfjährigen Bengels schützen de» Neuankömmling mit bewundernswerter Sicherheit ein.. In der Krypta sind erwachsene Führer, die die Jun» gens abwehren. Konkurrenzneid! In allen Sprache» drängen sich die Führer, mit dem Fes auf dem Kopfq heran. Marr kommt auch kaum zur Stätte, wo der sib Der zweite Boihmer-Prozeß. ß Berlin, 2r. Dezember. Zu Beginn der Sitzung wurde der Landgerichtspräsident Rieck vernommen. Seine nunnen Beziehungen zu der Both, Mischen Familie und insbesondere zu der Gräfin sind bekannr, Kr hat in dem ersten Prozeß zugunsten der Gräfin ansgesagh und auch jetzt betastet er sie in keiner Weise, sondern versucht' im Gegenteil, sie zu entschuldigen. Auf die Frage des Vor. sitzeirden, ob die Gräfin ihn einmal belogen habe, äußert sich Präsident Rieck: „Ich stehe hier unter Eid, und ich bin ge zwungen, die Wahrheit zu sagen. Die Gräfin hat am Kranken, bett meiner Frau ein Schriftstück angefertigt in Form eines- Schuldscheines, wonach meine Frau gesteht, daß sie eine Schuld von 300 Mark hinterlasse." Das Schriftstück trägt auch die Unter, fchrift einer katholischen Schwester Veronika. Diese mysteriöse Angelegenheit löst große Bewegung im Gerichtssaal aus. Präsident Rieck bezeichnet diesen Bries als ein Lügenmanöves der Gräfin, um in den Besitz von Geld zu gelangen, denn man Hal ihr tatsächlich Geld darauf geborgt. Unter großer Be, wegung der Zuschauer überreicht Präsident Rieck dem Ver« Handlungsleiter ein Original dieser Briese. Die Gräfin spring» mit verwirrtem Gesicht auf und bittet, Einsicht in den Brief nehmen zu können, Sie kann sich aber nicht recht darauf bc, sinnen, ob sie ihn geschrieben hat. Landgerichtspräsidcnt Rieck teilt noch mit, daß die Unterschrift der Krankenschwester gefälscht ist. Er hätte sich mit ihr in Verbindung gesetzt, als er Kenntnis von diesem Bries bekommen habe. Sie wisse weder etwas Vock dem Inhalt des Brieses noch von der Tatsache selbst. DaH Gericht beschloß natürlich, die Schwester Veronika zu laden, um sie über den Brief zu vernehmen. r politische kuMchsu 's Das Kattowitzer Attentat. Die Räumlichkeiten der dentschgesinnten „Kattowitzer Zeitung" sind durch das Vombenattentat aus das schwerste beschädigt worden. Die Attentäter waren augenscheinlich über die Lokalitäten genau unterrichtet. Sie warfen die Bombe auf den Hos der „Kattowitzer Zeitung", auf dem sich das Mafchineugebäude des Blattes befindet. Offen bar war es auf die Zerstörung der Maschinen abgesehen. Die Maschinen sind jedoch unversehrt geblieben. Sämt liche Fenster des Hanses sind zertrümmert. Die Explosion war so gewaltig, daß die Tür, dis von de; Toreinfahrt nach dem Hof führt, aus den Angeln gehoben wurde. Das im Hose befindliche Baugerüst ist zusammengestürzt. Menschenleben sind nicht zu beklagen. Der „Deutsche Volksbund für Oberschlesien" hatte Sonnabend in der Zei tung einen Aufruf erlassen, in dem er darauf aufmerksam machte, daß das verfassungsmäßige Recht und die mora lische Pflicht der Deutschen in Polnisch-Oberschlesien sei sich in den jetzt ausgelegten Listen für die Volkszahlnv am 31. Dezember als Deutsche zu bezeichnen. Vorläufiges deutsch-türkisches Handelsabkommen In Angora ist ein vorläufiges deutsch türkisches Handelsabkommen geschlossen worden, das einstweilen bis zum Abschluß des in Aussicht genommenen endgültigen Handelsvertrages die Handelsbeziehungen zwischen beiden Ländern regeln soll. In dem Abkommen sichern sich beide Staate;; gegenseitige Meistbegünstigung zu. Deutschland bat «sich ferner verpflichtet, den Zollsatz für Rosinen aus Position 52 des deutschen Zolltarifes mit rückwirkender Kraft ab 17, Oktober d. I. auf 8 Mark herabznsetzen. Eine Rede Dr Wirths. In H e i l i g c n st a d t hielt Reichskanzler a. D. Di. Wirth vor einer großen Versammlung eine Rede über Erfüllungspolitik. Er führte u. a. aus: „Locarno zu ver neinen, wäre der Selbstmord Deutschlands und die Ver dichtung Europas. Nachdem die "Deutschuationalen die Gesetzmäßigkeit des Locarnopaktes verneint haben, sind Kur noch die Republikaner da, um Politik zu machen. Nur über Locarno ist der drohenden Zerrüttung der ganzen Weltwirtschaft, die den Untergang Europas im Gefolge taben müßte, zu begegnen." Wirth schloß mit einem Be lenntnis zur Deutschen Republik. Dr. Schacht reist nicht Amerika. Amerikanische Meldungen wollten wissen, daß Neichs- bankpräsideunt Dr. Schacht sich im Januar wieder nach den Vereinigten Slaalen begeben werde, nm an einer Zu- sammenlunst zwischen dem Reparalionsagcnleu, dem Gon- bcrncur der Bank von England, dem Leiter der Belgischen Staatsbank uns anderen leitenden Finanzmäunern teil- znnehmcn. Arr diesen Gerüchten ist. wie von zuständiger Seite verlautet, 'ein wahres Won. Der Fall Lesfing in Hanvover. Neuere Nachrichten dementieren dis durch die Presse gegangene Mitteilung, nach welcher der Priväidozeni Dr. Lessing vom preußischen Kultusminister gemaßregelt wor ben sein soll. Dr. Lessing war die Veranlassung zu der l-kannten Erregung an der Technischen Hochschule, da er sich seinerzeit gegen die Wahl Hindenburgs znm Reichs räsidenten ausgesprochen hatte. Wie jetzt gemeldet wird, ei Dr. Lessing, lediglich einer früheren Vereinbarung zu olge, in Urlaub gegangen, ohne daß in; übrigen Maß nahmen des Ministeriums vorliegen. Frankreich. X Hlünc des neuen Finanzmimsters. Finanzminister Sommer hat im Kabinettsrat zwecks Ausgleichs des Bud- jzets Zufatzstenern gefordert. Er beabsichtigt eine provi sorische Abänderung der Umsatzsteuer, doch will er von der Erhöhung die lebenswichtigen Produkte ausnehmen; lür die Umsatzsteuer soll auch die Aus fuhr heraugezogen werden. Auch beabsichtigt er eine Erhöhung des Tabak- Preises. Er ist der Ansicht, daß er durch diese Reformen das Budget ausgleichen könne. Tschechoslowakei. ( Deutschfeindliche Kundgebungen in Prag. Im An- ? schluß an eine tschechischnatiouale Versammlung kam es s ?u deutschfeindlichen Demonstrationen in den Straßen i Prags. In geschlossenem Zuge begab sich eins große i Menschenmenge nach dem Cafö Continental, einem be- , jannien Sammelpunkt der Deutschen Prags, und brach i «u stürmische Rufe gegen die Deutschen uns Juden ans. Der Versuch, in das Kaffeehaus einzudringen, wurde von her Polizei verhindert. Ebenso hinderte eine starke Polizei» leite die Demonstranten daran, znm Deutschen Haus vor- sudringen. Die Versammlung war von tschechischer Seite kinberufen worden znm Protest gegen das Absingen des Deutschlandliedes in der Nationalversammlung. Aus In- und Ausland Koburg. Der Bruder des bekannten RcichsiagSabgeord- j »clen Generalleutnant Graf Adolf Westarp ist aus einer Vor- i lragsreise in Kaltenkirchen ün Alter von 71 Jahren an einer s Lungenentzündung gestorben. s München. Der württembergische Staatspräsident Bazille ! l't in München eingeiroffen, nm den Besuch, den der bayerische i Ltinisterpräsidcnt Dr. Held im Mai der würtümbergischen - Landeshauptstadt abgcstaltet hat, zu erwidern. Paris. Im Marnedepartement hat die Ersatzwahl für )cn verstorbenen Senator Leon Bourgeois staltgefunden. An leine Stelle wurde im zweiten Wahlgang der radikale Abge ordnete Haudos mit 502 Stimmen gewählt. Das Mandat -leibt also im Besitz der Radikalen Partei. Paris. Nach dem „Echo de Paris" wird der Oberste . Lriegsrat Mittwoch zusammentreten, um mit der Übcr- > t r ü s n u g d e r H e e r c s r e s o r m zu beginnen, die bekannt lich eine Herabsetzung der Dienstzeit auf ein Jahr Vorsicht, j Neues aus aller Welt : l Nachkommen von Fernando Cortez verunglückt. Bei/ , k u e r n a v a c a in Mexiko veruuglückten der Prinz Na-s ! kerio und die Prinzessin Viktoria Pignatelli bei einer tlutomobilfahrl. Die Prinzessin w-uvs getöt^ der Prinz schwer verletzt. Er ist ein Nachkomme des Fen r.udo Cortez, der zu Beginn des 16. Jahrhunderts Meriko entdeckte und fjir Spanien eroberte. Tkavcnhandcl und Menschenopfer in Judien. In der indischen Provinz B i r m a hat sich ein Wiederauf leben des Sklavenhandels sowie der Sitte der Menschen opfer gezeigt. Die Negierung hat daher eine Expedition unter Führnng von fünf Europäern ausgerüstet, die nach dem Tale Hukawang marschieren soll, um die Frei lassung der Sklaven zu erzielen und sie, falls sie es wün schen, außerhalb anzusiedeln. Den Sklavenhaltern sollen - liberale Abfindungen gezahlt werden. Vom Glück vergeffen. Roman von Fr. Lehne. 47. Fortsetzung. Nachdruck verboten. In den nächsten Tagen reisen die Herrschaften ab, weil die Verlobung unverzüglich veröffentlicht werden wll. — Ende September soll schon die Hochzeit sein — der Herzog wünscht es so! Ich habe ihn gesehen — gestern — er ist nochmals dagewesen. Christa hat anscheinend großen Eindruck auf ihn gemacht. Er nickte vor sich hin. Aus wen wohl nicht! „Und will sie mich wirklich so gehen lassen? Das neu lich kann doch kein Abschied gewesen sein! Mir ist sonst, als sei in meinem Leben eine Lücke, die nie ausgefüllt werden kann! Was sagt sie? So sprechen Sie doch, Baronesse!" Gwendoline zögerte mit der Antwort. Dann seufzte sie tief auf. „Ach, Christa, sie! Sie spinnt die abenteuerlichsten Pläne, um Eie noch einmal zu sehen! — Eigentlich hätte ich das wohl nicht sagen dürfen." „Machen Sie es möglich! Ich bitte Sie, Baronesse." Die sichenden Männeraugen machten sie schwach, wan kend gegen ihre bessere Einsicht. Und sie dachte daran, wie erst kurze Zeit vorher eine andere sie gebeten, ein letztes Wiedersehen zu vermitteln. „Du weißt doch, wie das ist mit der Sehnsucht im Her zen, Gwendoline! Gib mir Gelegenheit, ihn noch einmal zu sehen! Fordere dafür, was du willst, ich will es dir geben, wenn es in meiner Macht steht," „Du bist Braut, Christa —" bedeutete Gwendoline mit schwerem Ernst. „Noch nicht, noch nicht!" Maria Christina streckte ihr die schmale, kinderhaste Linke entgegen. „Noch ist es kein Unrecht — sieh, noch schmückt mich nicht der bindende Peif — aber später, dann wäre es Unrecht — und ich kann doch nicht anders! Bitte, hilf mir —" Und Gwendoline ermaß an der eigenen Not und Schn- l sucht die der anderen, und sie ermöglichte für den nächsten § Tag ein Wiedersehen. Nicht weit von der Villa „Wald- i flucht" durfte es sein, da die Prinzessin Ehrenberg auf kei nen Fall ausgedehnte Spaziergänge der Tochter duldete. Es war Maria Christina gelungen, die Hofdame irrezu führen — und da -ah sie Bernd Ivers an der verabredeten Stelle stehen. „Bernd!" Sie taumelte förmlich, wie hilfesuchend, in seine Arme hinein. Und er hielt sie fest, als wollte er sie schützen vor der ganzen Welt. Sie umschlang seinen Hals. „Bernd, ich muß dich las sen." Er drückte sein Haupt fest in ihr duftendes Haar. Ein kurzer Eommertag hatte ihnen ein großes Glück ge zeigt, um es ihnen an: nächsten hohnlachend wieder zu ent reißen. Wie mit elementarer Gewalt war die Leidenschaft über die beiden gekommen, so daß einer im andern seine Ergänzung sah — und dennoch mußten sie sich, durch die Verhältnisse gezwungen, lassen. Er war der Vernünftigere; er sprach ihr gut zu. Sie hörte nicht, was er sagte — sie lauschte nur auf den Klang der geliebten Stimme. „Ach, könnte ich doch immer bei dir bleiben!" flüsterte sie vergehend. Da übermannte ihn sein Gefühl. Zum letzten Male hielt er ja sein Lieb im Arme, und er küßte das weiße Ge sichtchen, bis rote Rosen die blassen Wangen färbten und die zarten Lippen purpurn glühten. Gwendoline, die sich in diskreter Entfernung gehalten, kam da eilig herbei. „Christa, die Gräfin ist in Sicht — wir müssen zurück!" rief sie, sich gleich wieder umdrehend; diese letzte Minute sollte Christa noch allein gehören! Sic wartete in der Nähe aus einer Bank. Und da kam Christa. Sie wankte. Bleich wie der Tod sah sie aus; schweigend setzte sie sich nieder. Ihr ganzer Körper bebte und ihre Augen standen voller Tränen. Die Gräfin Limbach war nahe. Sie sah die beiden Damen ans der Bank sitzen. Ein wenig echauffiert und ein wenig ärgerlich sagte sie: „Baronesse Reinhardt, ich muß Sie schelten! Sie wis sen, Ihre Hoheit haben ausdrücklich gewünscht, daß dieser Spaziergang nicht so weit ausgedehnt wird! Man ist jo leicht unerwünschten Begegnungen ausgesetzt — wie zum Beispiel jetzt ist ein Herr an mir vordeigegangen; leider konnte ich ihn nicht recht erkennen! Sie müssen ihn auch gesehen haben, ganz unbedingt!" Mißtrauisch schweiften ihre kurzsichtigen Augen oc.' einer zur anderen. Es war da etwas vorgsgangcn, wü ste wohl ahnen, aber am liebsten nicht wissen, durfte — Christas Verstörtheit bemerkte sie wohl. „Ich bitte Sie um alles, liebe Gräfin, quälen Sie mich nicht durch Ihre übertriebene Besorgnis —" sagte dis Prin zessin nervös. „Sie können vollständig beruhigt sein, da Fräulein von Reinhardt ja bei mir ist! — Wir werden noch ein Stück gehen." Gräfin Limbach zog die Uhr. Nach einem Blick darauf sagte sie: „Ich bedauere, Hoheit, aber die Zeit ist schon überschrit ten — und die Baronesse Reinhardt wird sicher von der Frau Kommerzienrat erwartet werden." Maria Christina preßte die feinen Lippen fest zusam men. „Gut, gehen wir denn! So gestatten Sie wenigstens,' Gräfin, daß ich mit der Baronesse bis zur Kirche mitgehe § — es ist wirklich kein Umweg, ob ich diesen oder jenen j Weg wähle —" erwiderte sic kalt, und schmerzlich und kränkend empfand die Hofdame den Unwillen ihrer jungen Herrin. Wohlweislich hielt sie sich zurück, nahm sich aber vor, doppelt Obacht zu geben — denn die beiden Damen teilt irgend ein Geheimnis miteinander. „Unerträglich dieses Spionieren! Wie bin ich doch unfrei!" sagte Maria Christina leise und aufgeregt zu Gwendoline, „es ist schrecklich, jeder Gedanke wird belauscht — —" Sie schob ihren Arm unter der Freundin. „Nun! hab' ich Abschied genommen — — aber ich werde ihn doch Wiedersehen." Sie lächelte vor sich hin und auf den erstaunt fragenden Blick Gwendolines erzählte sie, daß Dr. Ivers die'Äbsicht habe, sich in A., der Hauptstadt von Hernsheim, als Arzt niederzulassen. „Er hatte davon gesprochen, noch ehe ich eins Ahnung hatte, daß ich dort — —" sie schauerte in sich zusammen, vollendete nicht. .An der; Eewittertagen sprach er mir von seinen Plänen." (Fortsetzung folgt.)