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MMufferTageblatt Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Das «Wilsdruffer crjcheint täglich nachm. 5 Uhr für den folgenden Tag. Bezugspreis: Bei Abholung in der Geschäftsstelle und e, i .i soadeftellen 2MK. im Monat, bei Zustellung durch die Boten 2,39 Mft., bei Postbestellung 2 Mk. zuzüglich Abtrag „ .. gebühr. Einzelnummern 15Mx. AllcPostanstaüe- Moche"blatt für Wilsdruff n. Umgegend P-ftb°,cnundun!ereAu-- iräger und GcjchäjisstcUn, !—- - 7- , nehmen zu I'der Je» Bc- ftellungeu entgegen, höherer Gewalt, Krieg oder fonstig-r Betriebsstörungen besteht Kern Anspruch auf Lieferung der Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. — Rücksendung eingejandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Porto beilregt. für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter. Anzeigenpreis: die 8gespaltene Naumzeile 20 Goldpfennig, die 4 gespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen 40 Gold pfennig, die 3 gejpaltene Rcklamezeile im textlichen Teile 100 Goldpfennig. Rachweisungsgedühr 20 Goldpfennig. 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Sie hat einen Beschluß gefaßt, der ausspricht, daß sie in dem Ergebnis der ge führten Verhandlungen keine geeignete Grundlage für die Bil dung der Großen Koalition erblickt. Der Beschluß wird morgen früh bei der auf 10 Uhr angesetzten Besprechung den beteiligten Fraktionsvertretern überreicht werden. Bereits vor dem Brkanntwerden des sozialdemokratischen Beschlusses wurde die Lage als wenig aussichtsvoll beurteilt. Ueber die Nachmittagsverhandlungen lauteten die Meldungen folgendermaßen: Die Besprechungen des vom Reichspräsidenten ruft der Kabinettsbildung betrauten Reichsministers a. D. D r. Koch mit den Parteiführern gingen Mittwoch in Anwesenheit des Reichsarbeitsministers Brauns weiter. Die Besprechungen erstreckten sich über die einzelnen Punkte des von Herrn Koch ausgearbeiteten Pro gramms, über die er die Meinungsverschiedenheiten unter den Parteien auszngleichcn suchte. Er wurde schließlich beauftragt, eine neue Formulierung seiner Richtlinien vorzunehmen. Donnerstag wird Dr. Koch die Partei- fürcr zur weiteren Besprechung wieder versammeln. Na mens des Zcntums soll Reichskanzler a. D. Marx er klärt haben, seine Partei stehe grundsätzlich aus dem Bo dden des Kochschen Programms. Schwierigkeiten beste hen noch in den Fragen der Sozialpolitik und der Er- ^werbslosenfürsorge. Auch die Vertreter der Wirt- jschastlichen Vereinigung nehmen an den Bera- »ungen teil. * Kochs bisherige Richtlinien. Die Richtlinien, die der Abg. Koch den Parteiführern .oorlegte, sollten im Wortlaut erst veröffentlicht werden, wenn ihre endgültige Formulierung feststeht. Da Dr. jKoch für Donnerstag ein neues Programm vorlegen will, werden di'.e bisherigen Richtlinien wohl Veränderungen 'erfahren. Schon jetzt kann aber mitgeteilt werden, daß -die Richtlinien außenpolitisch daraus Hinzielen, eine Lebendigmachung des Locarnogeistes zu erreichen, und Haß der Hoffnung Ausdruck gegeben wird, daß die Be- setzung möglichst bald beseitigt wird. Weiter wird getont, daß ein Zusammenarbeiten der europäischen Län der notwendig ist, und daß eine Weltwirtschaftskonferenz geeignet fei, hier fördernd zu wirken. Was die innerpolitischen Feststellungen be trifft, so wird hervorgehoben, daß der Zolltarif kein 'Selbstzweck sei, sondern ein Instrument, um eine möglichst 'große Ausdehnung des deutschen Handels in der Welt -zu erreichen. Ferner wird die Frage der Siedlung angeschnitten, die mehr als bisher gefördert werden müsse, besonders um den Jnlandsmarkt zu stärken. Es wird die Notwendigkeit betont, daß die Wirtschaft rationalisiert ,werde. Um bei diesen Bemühungen zu einer höheren Wirt schaftlichkeit zu kommen, wird ein enges Zusammenarbei ten zwischen der Wirtschaft selber und der Neichsregie- rung sowie den Negierungen der Länder gefordert, damit sie sich gegenseitig in die Hände arbeiten. Es wird dann die Einsetzung eines Sachverständigenausschusses zur Prü fung der Steuergesetze verlangt. Eine Reihe von Forderungen wird auf sozialpolitischem Ge biete gestellt. Die Besprechungen mit dem Arbeitsminister Haben hier eine Grundlage gegeben. Im Arbeitsmini sterium liegt bereits ein Gesetzentwurf vor, der alle Ar che i t s z e i t fr a g e n znsammenfaßt (Kinderschutz, Schutz .Ker Frauenarbeit, Sonntagsarbeir usw.). Hinsichtlich der Ratifikation des Washingtoner Abkommens wird gesagt, daß sie gleichzeitig mit Frankreich, Belgien und England erfolgen sollte, damit eine gewisse Gegenseitigkeit der hauptsächlichsten Industrieländer gewährleistet wird. Kochs neuer Versuch. Eigener Fernsprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes". Berlin, 16. Dezember. Gegen 6 Uhr nachmittags hat der Abg. Koch seine neubearbeiteten Richtlinien den Führern der Fraktionen übergeben. In der Besprechung von heute mittag hatten einzelne Punkte des ursprünglichen Programms besonde ren Anstoß erregt, so z. B. die von den Sozialdemokraten ver langte rückwirlende Kraft der gesetzlichen Regelung der Fürsten abfindung. Die Hauptschwierigkeit bereiteten aber einige von den Sozialdemokraten vollkommen neu formulierte Forderungen. Hier ist es wieder vor allem die Erwerbslosenfürsorge, in der die Gegensätze sehr groß sind. Der Abg. Koch will nun diese neuen sozialdemokratischen Forderungen ebenfalls umarbeiten und sie morgen nochmals zur Debatte stellen. Man erwartet allge mein, daß die morgigen gemeinsamen Beratungen die definitive Entscheidung bringen, glaubt aber nicht an einen positiven Aus gang der Bemühungen um die Große Koalition. enckgiiltig gescheitert. Eigener Fernsprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes". Berlin, 17. Dezember. Die heute geführte Besprechung unter Vorsitz des Abgeordneten Koch (Demokrat) war nur von kurzer Dauer. Am Schluffe der Sitzung wurde folgendes Lom- munique ausgegeben: In -er heute abgehaltenen Parteiführer- besprechung gab der Abgeordnete Müller-Franken (Sozialdemo krat), folgende Erklärung ab: Die sozialdemokratische Reichstags fraktion erkennt an, daß Abgeordneter Koch, besten republikanisch demokratische Zuverlässigkeit außer Zweifel steht, sich aufs äußerste bemüht hat, für eine Regierung der großen Koalition eine Basis zu finden, welche die Sozialdemokraten, das Zen trum, die Demokraten und die Deutsche Bolksparlei cmnehmen könne. Selbst zu dem Programm des Abgeordneten Koch habe die Deutsche Volkspartei jede klare Stellungnahme vermieden. Die Fraktion kann in der Formulierung eine geeignete Grund lage sür die Bildung einer Regierung der Großen Koalition nicht erblicken. Das Zentrum erklärt, daß es sich auf dem Boden der Richtlinien gestellt habe. Die Deutsche Volkspartei erklärt, daß sie sich gleichfalls auf den Boden der Richtlinien stellen könnte. Der deutsch-volksparteiliche Abgeordnete Leicht erklärt, daß sie von einer endgültigen Annahme absehen müssen. Der Abgeordnete Koch stellte darauf fest, daß die Versuche zur Bildung der Großen Koalition gescheitert seien. Er wird seinen Auftrag alsbald dem Reichspräsidenten zurückgeben. Mr-Mn gegen Stresemann. Eigener Fernsprechdienst des „Wilsdrufser Tageblattes". Berlin, 17. Dezember. Gestern abend wurde in Berlin ein Attentatsplan bekannt, der gegen den Außenminister Dr. Stresemann gerichtet war. Ein Rechtsanwalt Kaltdorf und ein gewißer Lorenz, angeblich Anhänger Htttlers, find verhastot worden. Beide haben in der Vernehmung auch zugestanden, daß ein solches Attentat beabsichtigt war. Wie an amtlichen Stellen verlautet, scheint jetzt schon festzustehen, daß der Attentatsplan gegen Stresemann über Vorbesprechungen nicht h'nausgediehen ist. Irgendwelche Beziehungen zwischen den Verhafteten und po litischen Parteien sind nicht festgestellt worden. Da die weitere Aufklärung der Angelegenheit dem Untersuchungsrichter obliegt, können andere amtliche Stellen zunächst keine Mitteilung machen. Es muß daher eine amtliche Erklärung des Untersuchungsrichters abgewartet werden. Mofful. Man weiß jetzt, warum sich kürzlich England und (Frankreich nicht bltß über das Vorgehen gegen dis .aufständischen" Syrer geeinigt haben, sondern darüber Hinaus auch sich für Vorderasien innige Freundschaft Mworen: der Völkerbundentscheid über das M o s s u l - gebiet stand bevor. Nun ist er gefallen und bedeutei »ine Überraschung nnr für den, der in blaßblauem Op- Kmismus immer noch geglaubt hat, man werde in Gens srdlich einmal das Recht auch der kleineren Nationen bei rücksichtigen. England ist so freundlich, sein Mandat über das meso potamische Zweistromland gütigst noch weitere 25 Jahrs öeizubehalten —, woran Wohl schon deswegen niemand gezweifelt hat, weil so die Ausbeutung der Olfelder »n der Grenze gegen Persien viel bequemer für England ist. Bekanntlich ist die Besetzung des strittigen GebieN nördlich Mossuls ein Nechtsbruch gewesen, weil nach dem Waffenstillstand im Oktober 1918 die Engländer sich über die damals festgelegte Demarkationslinie einfach hinüber« 'bewegten, bis sie im Besitz des ganzen Gebiets waren. „Hier bin ich und hier bleibe ich", sagt zwar ein französi- -hes Sprichwort; aber das gilt auch und galt immer als Oberster Grundsatz englischer Politik. Wo der Engländer erst einmal sitzt, da bleibt er, da bringt ihn niemals heraus. England hat es außerdem — was die Situativ! noch verschärft — rundweg abgelehnt, vor der Fällung de-. -Schiedsspruches der Türkei irgendwelche Wirtschafts oder zollpolitischen Zusagen zu machen. Das tolle Völkergemisch an jener Südostecke Klein asiens hat es den Engländern leicht gemacht, dort ein Feuerchen zu unterhalten, das nie zum Erlöschen zu kom men brauchte. Der neueste Trick war, die Türken alH „Christenverfolger" hinzustellen, weil die christliche Sekts der Nestorianer — die von den Engländern bewaffnet wurde — sich in offenem Aufstand auch auf anerkannt türkischem Gebiet befand. Der Kurdenaufstand — gleich falls englisches Werk — ist ja mißglückt, da die Türken »schnell damit fertig wurden, obwohl ihnen die Franzosen den Truppentransport auf der Bagdadbahn versperrten! Was wird nun die Türkei tun? Noch jüngst, bej .Per Parlamentseröffnung, hat Kemal Pascha aus-« »drücklich erklärt, die Türkei werde nie einen Spruch an erkennen, der ihr das Wilajet Mossul nehme. Er hat dieses auch in Genf durch seine Delegation erklären lassen. ,Daß in Diarbekir und in anderen dem umstrittenen Gebiet -nahen Orten die Türken starke Streitkräfte zusammen- - gezogen haben, ist bekannt. Also — Krieg ? Ein tür kisches Losbrechen in das Mossulgebiet hinein? Ist gar »gar nicht ausgeschlossen. In jedes Türken Auge flammt «der Haß auf, spricht oder hört er das Wort England. Das ist für ihn der Feind, der Verfolger, der Gegner, der die junge Türkei ebensowenig zur Ruhe kommen läßt wie die alte des Sultans Abdul Hamid. Nur — einen 'Freund, einen offenen oder auch nur einen versteckten, wie es einst im Kampf gegen Griechenland Frankreich war, hat Kemal Pascha jetzt nicht mehr. Ans Sowjet- -rußland kann er nicht rechnen, denn zurzeit weilt der ^Volkskommissar für das Auswärtige, Tschitscherin, in Paris, um die russisch-französischen Beziehungen zu bereinigen. Auch die englische Politik den Sowjets gegen über scheint vor einer Schwenkung zu stehen im Sinne einer Annäherung. Kemal Pascha sieht sich also allein, ist nur auf die eigene Kraft angewiesen. Frankreich vermutet — wohl nicht ganz mit Unrecht —, daß wenigstens inoffiziell tür kische Offiziere im syrischen Aufstand tätig sind. Kemal Pascha würde seinem Ansehen einen geradezu vernichten den Schlag zufügen, würde er sich praktisch dem Schieds- ispruch unterwerfen, es bloß bei theoretischen Protestdekla- lmationen belassen. Doch nicht nur ihm, sondern der ganzen Türkei würde die tatenlose Hinnahme gewaltig -schaden in den Augen des gesamten Islams. Vielleicht Iwar das mit dem Spruch überhaupt beabsichtigt. Wird !Kemal Pascha, auch wenn er das überaus Gefährliche 'eines aktiven Vorgehens erkennt, sein Volk überhaupt noch zurückhalten können? Der Völkerbund war schlimm daran. Entschied er «gegen England, dann setzte er seine „Autorität" hoffnungs los aufs Spiel. Jetzt und darum hat er gegen die Türkei entschieden und damit nur erreicht, daß sich wieder ein mal tiefschwarze Kriegswolken über Vorderasien auf- türmen. Heftige Kampfe -ei Mukden. Japanische Truppen in der Mandschurei. Reuter berichtet aus Schanghai, daß es etwa dreißig Meilen von Mukden zu heftigen Kümpfen zwischen Tschangtsolin und Litschinglints gekommen sei. Von den- Ergebnis dieser Kämpfe werde wahrscheinlich das Schick sal Tschangtsolins abhängcn. Die Erregung in Mukden ist außerordentlich groß, besonders unter den ausländi schen Einwohnern ist eine Panik ausgebrochen. Das Kriegsministerium in Tokio teilt mit, daß man angesichts der ernsten Lage in der Mandschurei die japa nische Garnison dort sofort verstärken müsse. Keine puischgefahr in Bayern. Das Selbstbestimmungsrecht des bayerischen Volkes. , Der bayerische Ministerpräsident Dr. Held kam im Landtag im Verlaufe einer staatspolitischen Rede auf die Ausführungen sozialdemokratischer Redner über einen beabsichtigten Putsch für den Monarchismus in Bayern zu sprechen und erklärte, es bestehe das Wort des baye rischen Kronprinzen: „Nicht dynastische Interessen berüh ren mich, sondern die Wohlfahrt des Volkes ist für mich entscheidend." Für dieses Wort könne man dem Kron prinzen nur dankbar sein. Der Verband der Bayerntreue bezwecke die Förderung der Idee der monarchistischen Staatssorm in legaler Form und vcr- sasiungsmaßlger Weife. ES «er vas gute Necyl ver Sracns- bürger, die Idee einer anderen Verfassung zu vertreten. Es sei aber auch Pflicht der Bürger, solange die gesetz mäßige Verfassung besteht, diese anzuerkennen. Der Ministervräsident wandte sich scharf aegen die Haltnng der Sozialdemokratie zur Verfasiungssrage und erklärte, schließlich habe doch das bayerische Volk darüber zu entscheiden, welche Staatsform es wünsche. (Lebhafte Unterbrechungen von den sozialdemokratischen Bänken.) Er sei stolz, ein Legitimist zu sein, er achte und re-- spekkiere aber die Gesetze, solange sie zu Recht bestehen.^ i Der Ministerpräsident erklärte weiter, er habe von Putschabsichten im Jahre 1924 nicht das geringste gehört und gespürt. 1923 habe man lediglich den Hitler-i Putsch erlebt, und was vom Jahre 1925 gesagt wurde, so! sehe er in diesem Gerücht nichts als den Niederschlag einer! Gespensterseherei recht unberufener Vaterlandsreiter. Der Ministerpräsident erklärte ans das bestimmteste, daß er im Leuchtenbergpalais (Kronprinzenpalais) weder einen Be such gemacht, noch von dort ein Handschreiben bekommen! habe.