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Wilsdruffer Tageblatt : 17.12.1925
- Erscheinungsdatum
- 1925-12-17
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-192512175
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19251217
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19251217
- Sammlungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1925
-
Monat
1925-12
- Tag 1925-12-17
-
Monat
1925-12
-
Jahr
1925
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 17.12.1925
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was Grutte-Lehoer >m Prozcj; gesagt pave, erstunken unL «logen. Oie Darmat-Angelegenheit. Vorher hatte Staatssekretär Friuc dir Grosse Anfrage »er Kommunisten wegen Barinat dahin beantwortet, dass das Strafverfahren gegen Barm <1 nicht eingestellt sei, dass viel- «ehr Beschluss zu fassen sei wegen Eröffnung des Hauptver- iahrens. Anlass zu der Vermutung, dass Barinat Vermögens- itüüc in Sicherheit gebracht habe, liege nicht vor. Das Verfahren gegen die Brüder Isaak und David Bai' «mt sei eingestellt worden, weil die Staatsanwaltschaft leinen Slnlass mehr sah, die Anklage aufrechtzuerhalten. Bei dieser Sachlage habe die Ausreise der erwähnten Varmats natür lich nicht gehindert werden können. Das Haus geht zur Beratung d?s Wohlfahrts« et als über. Frau Kunert (Soz.) berichtet über die Ausschukberatun- »cn zu dem Anträge über Wochenhilfe und Mutterschaftshilfe, während Frau Abg. Ege (Soz.) den Bericht über den Antrag erstattet, der sich mit der Erwerbsarbeit der schwangeren Frauen und Mädchen beschäftigt. Der Ausschuß verlangt Ein wirkung auf die Reichsregierung für eine ausgedehnte Schwangeren- und Wochenhilfe und -fürsorge. Wohlfahrtsministcr Hirtsiefer weist in Beantwortung einer Großen Anfrage darauf hin, vaß für Siedlungszwecke in den vergangene» Jahren vom Staate den Fürsorgegesellschaftcn genügende Mengen staat liches Festholz zu mäßigen Preisen nachgcwiesen seien, deren Verbrauch auch festgestellt sei. Dabei hätten die Gesellschaften sogar erhebliche Fehlbeträge aufzuweisen gehabt. Der Mi nister äußert sich daun noch zu dem Bclcidigungsprozeß der Mitteldeutschen Heimstättengesellschaft gegen die Zeitschrift Der Holzmarkt. Der Behörde war Unlauterkeit und Eigen nutz vorgeworfen worden. Trotz ungünstiger wirtschaftlicher Zustände sei es der Heimstätte gelungen, den durch verlust reiche Holzgeschäfte drohenden Schaden abzuwenden. Die Große Anfrage der Wirtschaftlichen Vereinig»» g über die Hergabe größerer Waldteile u»d bedeutender Geldmittel ai: die Kriegerheimstätten-A.-G. zur Aussühruug von Industrie anlagen bei Velten beantwortet der Minister dahin, daß vasür insgesamt rund 4,'4 Millionen Mark Staatsmittel bis her zur Verfügung gestellt seien. Rund 224 Millionen Mark stammten davon aus Rcichsmitteln, der Rest aus preußischen Staatsmittel». Abg. Zachert (Soz.) setzt sich im Sinne eines Antrages seiner Partei für die Arbeitslosen und Kurzarbeiter in der mittelschlesische» Tertilindustrie ein. Abg. Ladendorfs (Wirtsch. Vgg.) erklärt sich mit den Äußerungen des Wohlfahrtsministers über die Mißwirtschaft bei den Wohnstättengeseüschafte» nicht einverstanden. Damit ist die dritte Etatberätung beenvet. Das Hans wendet sich sodann den Abstimmungen zu. Dabei findet eine Entschließung Annahme, die das Staats- ministerium ersucht, mit allem Nachdruck auf die Reichst gierung immer wieder einzuwirken, daß sie bei jeder sich bietenden Gelegenheit versuche, eine Revision der Lstgrcnzcn herbeizusühren. Annahme findet ferner ein Antrag, daß zum Zwecke der Abgeltung von Putschschäden in Oberschlesien besondere Richtlinien herausgegeben werden sollen. Den jüdischen Svnagogengemeinden werden 250 000 Mark zur Ver fügung gestellt. Ein Antrag der Deutschen Volkspartei und der Demokraten auf Errichtung einer simultanen pädago gisch c n A k a d e in i e in Frankfurt a. M. wird angenommen. Die Anträge zum Fall Schillings, die fristlose Entlassung des Intendanten zurückzunehmen und eine baldige Lösung des Lonslikts herbeizusühren, wurden abgelehnt. Aus der Leioesiadt. (Von unserem ständigen Mitarbeiter.) — Hannover, Mitte Dezember. Der Vorhang über den ersten Akt dieses Winters ist gefallen. Er ist herniedergerauscht in des Wortes wahrster Bedeutung, denn es war ein Negenvorhang. Der Zwi schenakt brachte den „Dreck vor Weihnachten", von dem einstmals die Geschäftsleute sagten, daß er nun einmal zum Weihnachtsgeschäft dazugehöre. Die Freunde des Wintersports flaggen natürlich auf halbmast; sie sind be geistert, wenn an der Stange vor dem Bahnhof die weitz- grün gevierteilte Fahne hängt, die verkündet, daß am Sonntagmorgen in aller Frühe ein billiger Sonderzug ,um Harz fährt, der die „langen Bretter", Rodelschlitten und sonstiges Sportgerät unentgeltlich mitnimmt. Wem als Nichtbeteiligten ein Bobsleigh oder Skeleton aus den Kopf fällt, hat es sich, so sagt die Eisenbahn, selber zuzu- chreiben. Das einzige Mal, an dem bisher der Winter- portsonderzng nach Goslar und Wernigerode ge- ahren ist, hat die Eisenbahn ein gutes Geschäft gemacht. Inzwischen ist das Thermometer gestiegen und rauscht der >Rcaen auch im Harz, daß die Hoteliers, die jetzt den Schnee als Verbündeten brauchen, lange suchen müssen, bis sie etwas finden, was einer Skiföhre ähnlich sieht. Die jungen Damen mit den wohlproportionierten Breeches und die darin verliebten jungen Herren sowie die älteren,' meist am Bahnhof zurückbleibenden Damen mit den schwiegermütterlichen Anwandlungen bedauern den Wit? ürungsumschlag sehr. Wir gewöhnlichen Erdgeborenen sind darüber etwas anderer Meinung. Zwar war der Wald, die Eilenriede, der Stolz aller Hannoveraner, prächtig in seinem winter lichen Schmuck, aber gewöhnlich sind wir doch auf die Straßen der Stadt angewiesen, und diese waren nicht gerade einladend. Die Vorkriegszeiten sind auch in dieser Beziehung noch nicht wiedergekehrt. Zwar sind unsere Straßen im allgemeinen wieder schön sauber, aber so starke» Schneefällen, wie wir sie Ende vorigen und Anfang .dieses Monats erlebt haben, ist die Stadt nicht gewachsen. 'An arbeftsbereiten Händen fehlt es angesichts der großen Betriebseinschränkungen der hiesigen Fabriken nicht, wohl aber an den nötigen Moneten, nm sie zu bezahlen. Heinrich Tramm, bis zur Revolution Hannovers unumschränkter Stadtdirektor oder, wie man ihn auch wohl im Tone er gebenster Bewunderung nannte, ungekrönter König vou Hannover, hat insofern recht behalten, als er die Einge meindung der Fabrikstadt Linden aus finanziellen Gründen ablehnte, denn das Heer der Arbeitslosen wohnt natürlich in Linden. Vom städtebaulichen Standpunkt aus war aber die selbständige, von Hannover nicht kon trollierte Entwicklung Lindens ein großer Fehler, der in Zukunft selbst unter großen finanziellen Opfern kaum wieder gutgemacht werden kann. Heinrich Tramm war dann während der Ära Leinert der Führer der Opposition im Nathause. So war er auch Gegner der Übernahme des Hoftheaters, zumal die dazu vom Staate gegebene Morgengabe durch- weg sehr problematischen Wert hatte. Der Stadt blieb aller dings kaum etwas anderes übrig, wenn sie sich und der weiteren Umgebung überhaupt eine wirkliche Stätte der Kunst erhalten wollte. Inzwischen ist die Stadt noch einen Schritt weitergegangen, denn sie hat neben dem schönen großen Hause an der Georgstraße auch die Schauburz als zweites Theater in ihren Besitz gebracht. Das große Haus untersteht jetzt dem Generalmusikdirektor Professor Krasselt, der hier die Oper pflegt, während in der Schau burg Dr. Rolf Nönneäe als Direktor des Schauspiels regiert. Mau muß es den beiden städtischen Bühnen lassen, vaß sie durchaus nach künstlerischen Gesichtspunkten geleitet werden und wirklich Ausgezeichnetes leisten, so daß der nicht unbedeutende Zuschuß aus der Stadtkasse nicht weg geworfen ist. Prof. Krasselt hat in dieser Saison haupt sächlich deu „Niug" iu einheitlicher Neueinstudierung her ausgebracht, wobei allerdings die leere und illusionslose Stilbühne nicht allgemeine Anerkennung gefunden hat. Die Schauburg ist außerordentlich fleißig gewesen. Neben einer ganzen Reihe von Neueinstudierungen, die zum Teil nötig wurden, weil im Gegensatz zu früher die städtischen Bühnen auch das moderne Drama pflegen müssen, das wir ehemals den privaten Bühnen überlassen mußten, sind auch Uraufführungen veranstaltet worden. Von den pri vaten Bühnen spielt das Mellini-Theater die Operette; schlecht und recht, wie es die Bilanz erlaubt. Im Deut schen Theater, das eins glänzende Tradition bat, tanzt Direktor Kaufmann mit bewundernswertem Mut über dem Abgrund der Pleite. In dem alten Residenztheater führen schon seit mehr als Jahresfrist nicht mehr die Autoren, sondern die knatternden Autos ihre eindringliche Zwiesprache. Nun müßte ich Wohl noch etwas über die Lage der hannoverschen Wirtschaft berichten. Aber wozu zum tausendundeinten Male dasselbe Lied singen, das überall gesungen wird? Also schweigen wir. M. A. T. Aus dem GerichSssaal. Der Tod Pöhners vor Gericht. Vor dem Strafgerich München begann die Verhandlung gegen den Chausser Robert Kauper, dem die Anklage zur Last legi, durch Fatu lässigkeit den Tod des Oberlandesgerichtsrats Ernst Pöhner aus einer Kraftwagenfahrt nach Prien in den Ostertagen dieset Jahres verschuldet zu haben. Nach dem Gutachten des Medi zinallomitees ist es vollständig ausgeschlossen, daß die an der Leiche festgesteüten Verletzungen nach dem Unfall durch Drin hervorgerufen sein könnte». Der enigegenstehenden Behaup tung der Kran Pöhner widerspricht auch die Wahrnshnum. der unbeteiligten Zeugen des Vorfalls. Die Angaben de Frau Pöhner sind nach den, Gutachten des Prof. Dr. Reh, Wahnvorstellungen. In letzter Stunde vor unschuldiger Zuchthausstrafe bc wahrt. Die Gefährlichkeit eines bloßen Indizienbeweises Hai in einer sensationellen Wendung eines vor dem Hamburger Schwurgericht stattfindenden Mordprozesses Ausdruck ge sunden. Im Frühjahr 1924 war in Alt-Rahlstedt ein Wächter von zwei unbekannten Männern erschossen nnd beraubt wor den. Der Verdacht richtete sich durch allerlei Aussagen mir Indizien aus einen gewissen Haberland und zwei andere Männer, so daß der Staatsanwalt im Laufe des Prozesses bereits auf die höchstzulässige Zuchthausstrafe von 15 Jahren plädiert hatte. Da erschien in letzter Stunde ein neuer Zeuge Er gab eine anschauliche Schilderung der Ermordung und nannte die beiden Täter, von denen einer bereits wegen eine, anderen Straftat in Polizeigewahrsam ist. Unter allgemeine, Bewegung wurde aus Freisprechung Haberlands er kannt. Spiel und Sport. Deutscher Schwerathletiksieg in Paris. Das Zk- fammentreffen der drei besten Schwerathleten von Deutsch land, Frankreich und der Schweiz in Paris hatte dem ver-, anstaltenden Verein ein volles Haus verschafft. Dem Schweizer Jacquenod gelang es, seinen eigenen Welt» rekord im einarmig Reißen links von 72,5 auf 74 Kilo gramm zu verbessern. Im Gesamtergebnis mußte er je- voch dem dreimaligen deutschen Leichtgewichtsmeister, Europameister und Wettrekordmann Willi Neinfranl vom Verein für Körperpflege-Mannheim den ersten Platz überlassen. Neinfranl siegte mit 723 Punkten gegen Jacquenod mit 717 und Arnaud-Frankreich mit öS- Punkten. Deutscher Fußballklub in Holland. Die erste Mann schaft des D ü r e n e r F. C. verbringt die Weihnachts-s tage in Holland. Für den 25. Dezember ist ein Wettspiel mit Blauw Wit-Amsterdam abgeschlossen worden. Wahr-, scheinlich werden die Rheinländer noch ein zweites Spie? auf holländischem Boden austragen. Kongresse und Versammlungen. Beginn des Internationalen Radivkongreffes. In Brüssel begann der Internationale Radiokougreß, dellen wichtigste Aufgabe die Vornahme einer planmäßigen Ber» teilung der Wellenlängen sein wird, und der sehr wahrscher-r- lich auch die Zahl der Sendestationen begrenzen wird. Elf Länder sind vertreten, darunter Deutschland. Arhesier und Angestellte. Essen. (Die Rot der Arbeitslosen im Ruhr gebiet.) Durch die Stillegung der Zechs Alte Haase und anderweitiger Arbeiterentlassungen ist die Not in der Ge meinde Sprockhövel sehr gestiegen. Von 5500 Ein wohnern sind rund 1100 arbeits- und verdienstlos. Um der Not einigermaßen zu steuern, wurde von der Amisversamm- lung die Auszahlung eines einmaligen Zuschusses an die Er werbslosen und die Entsendung einer Abordnung nach Berit» beschlossen, die um eine Erhöhung der Erwerbsrosenfürsorge- sätze und Gewährung von Neichszuschüssen dnrch Notstandsar beiten nachsuchen soll. Vermischtes. Den Genfern geht es schlecht. Ein Genfer Statistiker hat ausgerechnet, daß Genf gegenwärtig nicht weniger als fünfunddreißig iuicruaiioualc Einrichtungen beherbergt, darunter so „prominente" wie den Völkerbund, die Inter parlamentarische Union, das Internationale Arbeits- bureau, das Internationale Rote-Kreuz-Komitee, das Internationale Esperanto-Bureau, den Weltbund der christlichen Jungmännervereinigungen usw. Genf ist also cine kosmopolitische Stadt, die unter ihren 130 000 Ein- wohnern eine Menge Stadtgenossen fremden Ursprungs besitzt, Wozu noch eine ganz bedeutende Zahl Ausländer, die sich vorübergehend in Genf aufhalten, hinzugereckmel werden muß. Es ist alles da und man hat sich durchaus auf Weltstadt eingestellt, Lurushotets gebaut, große Theater eröffnet, Warenhäuser errichtet, die Preise an ständig heranfgesetzt, und es könute den Genfern glänzend gehen, wenn es ihnen — banal, aber wahr — nicht schlecht ginge. Es fehlt nämlich für all den internationalen Luxus das entsprechende zahlende Publikum. Die Fremden allein machen es nicht, und was die Genfer, die ja immer noch in der überzahl sind, betrifft, so sind sie von jeher als äußerst sparsam verschrien. Die Sache liegt infolgedessen so, daß der ganze große Luxus vertan ist und daß auch über der Stadt des Völkerbundes das Gespenst der Pleite schwebt . . . Vom Glück vergessen. Roman von Fr. Le h n e. 38. Fortsetzung. Nachdruck verboten. „Ja, gnädiges Fräulein! Und dann übernehme ich in A., der reizenden Hauptstadt des Herzogtums Herushcim, die Praxis eines anderen Oheims — wir Ivers sind eine alte Arztfamilie — die Söhne werden Aerzte und die Töchter heiraten Aerzte," lachte er. „In A. ist ein sehr angenehmes Leben; es ist ein gutes Theater dort, viel Geselligkeit, und die herrliche, waldreiche Umgebung ge stattet die schönsten Ausflüge — ich freue mich aus den Wirkungskreis dort," in allen Tonarten pries er die Stadt und ihre Vorzüge: als ob er einen besonderen Grund dabei hatte, so war es beinahe. Die Hände im Schoße gefaltet, faß Maria Christina da uud sah ihn mit den großen, strahlenden Nehaugen an. „Und dann werden Sie sich eine Hausfrau nehmen," sagte sie leise, wie tastend — brennend gern mochte sie wissen, ob er schon gebunden war. „Ja, das möchte ich wohl, gnädiges Fräulein! Und ich weiß auch, wen ich mir dazu wünsche — seit gestern weiß ich es!" Da schlug eine flammende Nöte über ihr Gesicht bei diesen nicht mißzunerstehenden Worten, die er mit einem heißen, innigen Blick seiner klugen, gütigen Augen be gleitete. Ihre langen, dunklen Wimpern lagen wie breite Schat ten auf ihren Wangen, das Herz klopfte ihr, daß sie meinte, man müsse es hören. Er neigte sich gegen sie und suchte im Schein der flammenden Blitze in ihrem Gesicht zu lesen. Gwendoline stand in der halbgeöffneten Tür. Sie war unfähig zu einem Gespräch, da sie vor Nervosität, Ungeduld und Sorge förmlich bebte. Ganz von ihren Ge danken in Anspruch genommen, achtete sie nicht aus die Unterhaltung der beiden. Sie sah nicht, wie Dr. Ivers jetzt nach der weißen, schlanken Hand der Prinzessin griff uud zärtlich und leise darüber hinfuhr — und sie sah auch nicht, daß Maria Christina ihm ihre Rechte ließ. „Ja, seit gestern weiß ich es," wiederholte der junge Arzt seine letzten Worte. Die unbeschreibliche Anmut uud Holdseligkeit des fremden Mädchens hatten ihn ganz ge fangen genommen. Wußte er nur erst, wer sie war! Mit drciunddretßig Jahren verliebte man sich doch nicht mehr wie ein junger Student in das erste hübsche Gesicht. Da schreckte Maria Christina vor einem grellen Blitz zusammen, dem krachend ein heftiger Donnerschlag folgte. Beruhigend wagte er seinen Arm um ihre Schultern zu legen. Und sie ließ es geschehen, schmiegte sich förmlich hinein in einer süßen Schwäche. Und sie schlug vor seinem heißen, werbenden Blick ihre Augen nicht nieder. Stür misch klopfte ihr Herz. War das die Liebe, von der die Dichter fangen ? Sie hatte ganz vergessen, wer sie war — nur der eine Gedanke lebte bewußt in ihr: der Mann an ihrer Seite! Noch keiner hatte solchen Eindruck auf sie gemacht, wie der junge Arzt mit dem energischen und doch gütigen Gesicht. Und das war so blitzschnell über sie ge kommen, daß sie gar nicht Zeit hatte, darüber nachzuden ken. Gestern, beim ersten Blick, als er ihr den Vierklee überreichte, hatte sie schon gefühlt, welche Macht von die sem Manne ausging — und jetzt saß sie hier bei ihm, als sei das ganz selbstverständlich — versunken war Zeit und Naum für sie; sie hatte nur das beglückende Gefühl seiner Gegenwart, seiner Nähe. Und da tauchte ein Gedanke in ihr auf, ein Gedanke, der ihr das Blut in die Wangen trieb — möchte er dich doch küssen! Wie süß müßte das fein! Sie sehnte sich da nach. Sie hatte noch keinen geküßt — ihr Mund war rein! Eie blickte ihn an und las den gleichen Wunsch in seinen Augen. Scheu sah sie nach Gwendoline, und beinahe störend empfand sie deren Anwesenheit jetzt. Warum ging sie nicht hinaus und sah nach dem Wetter, wie vorbin? War es Maria Christinas Wunsch oder Gwendolines Unruhe, die das schöne, blonde Mädchen Hinaustrieb in den strömenden Regen, nachzuschen, ob der Himmel nicht bald ein Einsehen habe? Nun waren Sie allein. Er hielt ihre Hand fest. „Christa," flüsterte er, „so heißen Sie doch — so hörte ich Sie nennen," und er legte feine Lippen auf ihre Hand. Sie schauerte zusammen. Da hob er ihr Kinn in die Höhe und sah mit heißem, zärtlichem Blick in ihrs strahlenden Augen. „Liebe, süße Christa!" Ihre Blicke wurzelten ineinander. Näher kam sein Ge sicht dem ihren; sie bog ihm nicht aus — und dann fühlte sie plötzlich in süßem Schauer feinen Mund auf ihren Lippen. Sie wehrte ihm nicht. Und da küßte er sie noch einmal und noch einmal. Er riß sie an sich, und einen Herzschlag lang lag sie an seiner Brust. „Christa, gelte ich Ihnen etwas?" »Ja, ja," und sie bot ihm in einer unbeschreiblich süßen scheuen Hingabe die Lippen, daß er sie wieder küßte. Hätte er geahnt, daß dieses fremde schöne Mädchen in diesen wenigen Minuten das einzige, flüchtige Glück ihres Lebens suchte, das sie verschwiegen und verstohlen auskosten wollte, um davon ihr ganzes künftiges Leben lang zu zehren! Nur widerstrebend gab er sie frei. „Sind Sie mir böse, Christa?" fragte er, wie von Reue erfaßt, daß er wohl das Alleinsein mißbraucht. „Nein, gar nicht!" lächelte sie ihn an. In zarter Huldigung küßte er abbittend die schmale, weiße Mädchsnhand, an der ein kostbarer Brillantring funkelte Die dämmerige Hütte war voll strahlenden Lichte« für Christina. Nun hatte sie das Wunderbare erlebt, wo nach sie sich gesehnt, und sie empfand keine Reue darüber, daß sie ihren Mädchenstolz vergessen. Gwendoline kam wieder herein. „Kein Aufhören, Christa!" Sie sah so trostlos und verzweifelt dabei aus, daß die Angeredste lachte. „Aber Liebste, was ist da schlimm? Und morgen wird dis Sonne wieder scheinen!" Gwendoline war sehr verwundert; die Sorglosigkeit der Prinzessin schien ihr unbegreiflich. „Christa, man ängstigt sich um uns! Wollen wir nicht doch lieber gehen?" „Aber Gwendoline, du wirst ja naß!" „Mehr als ich es bin, kann ich es nicht werden! Dr» bist durch einen Regenkragen geschützt, und das Gewitter ist so ziemlich vorbei!" (Fortsetzung folgt.)
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