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Eme furchrbare ZiakiMk. Die Selbstmordhäufigkeit im Deutschen Reich, nach der Abnahme im Weltkriege im Jahre l922 wieder auf 21,9 auf 100 000 gestiegen, ist im Jahre 1923 mit 13 228 Selbst morden auf 21,1 — 91 Prozent der Selbstmordziffer vom Jahre 1913 (23,5) zurückgegangen. An diese Tatsache werden in der Halbmonatsschrift „Wirtschaft und Statistik" bemerkenswerte Feststellungen angeknüpft. Sie betreffen vor allem das Verhältnis der Geschlechter bei der Selbst mordhäufigkeit. Tie männliche Selbstmordhäufigkeit, dis weibliche übertreffend, ist in den Nachkriegsfahren um etwa 12 Proz. unter den Stand von 1891 zurückgegangen. Da gegen befindet sich die Selbstmordkurve beim weiblichen Ge schlecht in einer auch durch den Weltkrieg nicht gehemmten Aufwärtsbewegung. Dabei entfällt in den Nachkrisgs- sahren die Vermehrung der weiblichen Selbstmords auf die über 60jährigen Frauen. Beim männlichen Geschlecht da gegen weisen nur die über 70jährigen erhöhte Selbstmord ziffern auf. „Diese Erscheinung", schreibt „Wirtschaft und Statistik", „dürfte wesentlich mit den durch die Inflation, namentlich unter den alten erwerbsunfähigen Rentnern usw. eingetretenen Notständen Zusammenhängen." — Stellt man ferner die Selbstmordziffer des Reiches und die der in Ortsklassen zujammengefaßten Städte mit 15 000 und mehr Einwohnern gegenüber, jo zeigt sich, daß die Orte aller dieser Klassen eine über dem Reichsdurchschnitt liegende Selbstmordziffer ausweisen. Im allgemeinen steigt sie Selbstmordziffer mit der Ortsgröße an, nur in den Städten mit 50 000 bis 100 000 Einwohnern wurden in den Jahren 1920 bis 1922 geringere Ziffern als in den kleine ren Orten beobachtet. Auch unter den Eroßstadt- gruppen zeigen außer Berlin die sächsischen Groß städte und die nordwestlichen Hafenstäste die höchste Selbstmordhäufigkeit. Dagegen haben die niedrigsten Lelbstmordzissern Posen, Westpreußen. OLerschlesien, West falen und — von den Eroßstadtgruppen — die rheinisch- westfälischen Industriestädte. Im Jahre 1923 entfielen auf 100 000 Einwohner an Selbstmorden: in Berlin 43.5; in sen ostdeutschen Städten 15.3, in den nordwestlichen Hafen städten 34.6: in den rheinisch-westfälischen Industriestädten und in den sonstigen Städten Rheinland-Westfalens 10,5; m den Städten der Provinz und des Freistaates Sachsen 33,2; in den sonstigen deutschen Mittelstädten 28,9 und in den jüd- sowie jüdwestdeutschen Städten 20.7. TÜ!S dem Gsrichissasr. Vertagung des Bothmer-Prozesses. Da Oberstaatsanwalt Zsrlach und Landgerichtsrat Kaufmann, die beide an dem Be rufungsprozeß der Gräfin Bothmer beteiligt sind, durch einen tnderen Prozeß in Luckenwalde jestgehalien werden, wurde der reue Termin im Bothmer-Prozeß, der ursprünglich für den kommenden Montag angesetzt war, auf nächsten Mittwoch, den l6. d. M., verschoben. Urteil im Prozeß gegen sächsische Konmumisten. Im Prozeß gegen die Chemnitzer Kommunisten wurde das Urteil zesällr. Wegen Verbrechens nach 8 7 des Sprengstoffgcsetzes ind gegen das Republikschutzgesctz sowie wegen Verheimlichung wn Waffenlagern und unbefugten Waffenbesitzes wurden ver- rrteilt der Angeklagte Paetow zu drei Jahren Zuchthaus, Arno Lhumeyer zu 2l4 Jahren Zuchthaus, Fritz Thumeyer zu 3)4 Jahren Zuchthaus, Engelmann zu 2 Jahren 9 Moikaten Zucht haus, Kuhn zu 3 Jahren Zuchthaus, Neubauer zu 1 Jahr 1 Monaten Gefängnis und schließlich der Nüsse Tobiasch alias Meyer zu 5 Jahren Zuchthaus und Ausweisung aus dem Reichsgebiet. Ein Prozeß wegen zweier verschluckter Brillantringe. Bei !lnem Berliner Juwelier erscheint ein eleganter junger Mann md wünscht für seine Braut einen Brillantring zu kaufen. Seim Einräumender Ware bemerkt der Juwelier, datz zwei Ringe fehlen. Er eilt dem jungen Mann sofort nach und läßt ihn ieststellen. Der Verhaftete ist der stellungslose Kelliier Emil Krüger, der ganz entschieden leugnet, und trotz peinlichster Untersuchung können die Ringe bei ihm nicht gefunden werden. Nan nimmt hierauf eine Röntgendurchleuchtung vor und kon statiert, datz Krüger die beiden Ringe verschluckt hat. Der An geklagte Krüger, der ein ähnliches Stückchen schon einmal burch- -esührt hat, wurde mit neun Monaten Gefängnis bestraft. Die leiden Brillantringe „besitzt" er noch heule. Lie Lieferanten tzxs Weihnachtsmannes. . Ter deutsche Weihnachtsmann ist heule eine im besten Sinne des Wortes nicht nur auf kulturellem, sondern auch aus wirtschaftlichem Gebiet internationale Persönlich keit. Den schönen Brauch, in den Weihnachtstagen einen Lichterbaum anzuzünden und den Kindern mit Geschenken s und anderen kreme» Vergnügungen sm Weitznachlsparadres ; zu schaffen, wie man es zuerst am Nulastage und später am ' heiligen Weihnachtstage in Deutschland nach alter Sitte zu tun pflegte, trifft man heute fast in allen Ländern nicht nur Europas, sondern selbst in fernen Gegenden, wo Kultur menschen Hausen. Unter dem Lichterbaum, mag es nun die heimatliche Tanne oder die fremdländische Lärche oder Pinie sein, finden wir in den weitaus meisten Fällen Spiel- varen deutschen Erzeugnisses und deutschen Fleißes. Vor sein Kriege machte der deutsche Spielwarenexport einen richt unbeträchtlichen Teil der gesamten deutschen Ausfuhr rüs. Besonders die Thüringer Hausindustrie, aber auch dis ses Riesengebirges und die Nürnberger Maschinenindustrie var beachtenswert. Durch den Krieg wurde viel auch in diesem Wirtschaftszweig zerstört und erst nach und nach ge lang es den fleißigen Händen, die zum großen Teil in zer- nürbender Heimarbeit sich regten, mit einer gesteigerten Produktion auch eine erhöhte Exportziffer zu erreichen. ckMkkl WMMßUß Vonöst§^!>Mnssnfukn'iisWsn : . »Mrdlsn« ZspM knMö Ml 1M SN W Einer englischen Statistik zufolge, ist Deutschland als Lieferant des Weihnachtsmannes in Indien in letzter Zeit viederum an erste Stelle gerückt, was besonders bezeichnend ist, da in den letzten Jahren die deutsche Einfuhr in^Jndien bekanntlich für viele Erzeugnisse gesperrt und nur für j nanche, so für bestimmte Spielwaren, in beschränktem Um- s 'ange offen war. Tie Hauptlieferanten von Spielwaren s varen nach dieser Statistik für Indien im letzten Rechnungs- ! -ahre 1924 Deutschland mit Ausfuhrwaren im Werts von ! !854.7 Rupien, Japan mit 943, England mit 498,2, ll. S. A. s nit 87,9 Rupien (zu 1000 Rupien gerechnet, wobei zu be- s ichten ist, daß 1 Rupie 2 Schilling beträgt). Tie Steige- - Ang der deutschen Cpielwarenausfuhr nach Indien in den - letzten Jahren zeigen folgende Ziffern: 1921 1.1, 1922 421.9, >923 914,9,1924 1854,7, ebenfalls in 1000 Rupien zu 2 Schil- s ing — 1 Rupie errechnet. Aus diesen Ziffern kann man s mn keinesfalls eine besonders hohe Blüte gerade der dsut- , chen Spielwarenindustrie in dieser Zeit des wirtschaftlichen Stillstandes herleiten. Im Gegenteil müssen wir bedenken, mß diese Ziffern gemessen an den Vorkriegsstatistiken nur rst ganz bescheidene Ergebnisse zeigen. Unsere Spielwaren- ndustrie, besonders die Heimindustrie ist schwer notleidend >nd all. die Freude, die der Weihnachtsmann in den Augen jlücklicher Kinder unter dem Lichterbaum am heiligen Übend erweckt, wiegen die vielen Tränen der Not nicht auf, ne in den armseligen Häusern und Hütten der fleißigen Heimarbeiter durch den Absatzmangel vergasten werdens dort herrscht noch häufig der Hunger, den wir in den Eroß- iädten immerhin nur noch aus Erinnerungen an die böse Kriegs- und erste Nachkriegszeit kennen. Wer also heute Spielzeug für seine Lieben kauft, bedenke, wenn oft der ßreis ihm für das einzelne Stück allzu hoch erscheint, daß r nicht nur eine weihnachtliche Freude bei den Seinen da- jeim mit dem Erwerb des Spielzeuges bereitet, sondern mch eine soziale Pflicht erfüllt und sein Scherslein dazu bei- srägt, so manchen notleidenden Heimarbeiter und seine kamilie auch ein kleines Glück zu bereiten. — Was man von RauenW erzM. Aus der Alpengegend. Ein Bauer lag auf dem Krankenbette ohne Hoffnung auf Genesung. Als er merkte, seine letzte Stunde sei ge kommen. sprach er zu seiner iunaen Frau: „Liebe, du siebst. Vom Glück vergeffen. Roman von Fr. Lehne. i 82. Fortsetzung. Nachdruck verboten. „Willst du das nicht auch drucken lasten?" „Gedruckt werden, ein Ziel, aufs innigste zu wünschen — doch leider sehr schwierig, und außerdem —" er lächelte, zuckte und machte die Gebärde des Eeldzählens. „Ach so —: aber Schatzi, wenn es bloß daran liegt —" „Das Zahlen lasse meine Sorge sein! Oh. ich bin ehrgeizig, ich will dis mir gewidmeten Verse und Erzählungen auch gedruckt sehen —" „Nein, das geht doch nicht —" „Aber, Malte, Liebster, widersprich doch nicht —? Ist nicht das, was mein ist, auch dein —? Verfüge doch über mich. Wie oft soll ich dir das sagen!" In schrankenloser Liebe und Hingebung sah sie ihn an; er küßte sie schnell, da die Stimme der Kommerzienrat!» jetzt hörbar wurde, und er war froh, wieder einmal etwas erreicht zu haben, was er wollte! Klug hatte er die Spanne Zeit, die er mit Hanna allein war, ausgenutzt; mit seinen Zärtlichkeiten machte er sie ganz willenlos — — Der Gottesdienst war zu Ende. Blanka kam eilig heim m>t Gwendoline. „Sind Brucks schon da? Nicht? Das ist aber langweilig? Weißt du, Muttchen, wer heute in der Kirche war? Die alte dicke Professorsfrau mit den beiden semmelblonden Töchtern, die wir in Tegernsee getroffen hatten! Sie müssen jetzt hier in Kreuth wohnen! — Und dann waren die hohen Herrschaften aus Villa „Waldflucht" da. Zum ersten Male habe ich die junge Hoheit ganz in der Nähe gesehen — io blaß und schmal ist sie — aber ein entzückendes Gesichtchen!" so plauderte Blanka munter darauf los, auch ihre E'ossen über verschiedene Kirchgänger machend und sich eine Ziga rette anbrennend, die Malte ihr gereicht. Nach einer halben Stunde ungefähr näherte sich der Villa ein herrschaftlicher Diener, an der Livree als ein Diener des fürstlichen Hauses zu erkennen. „Der scheint gar zu uns zu kommen?" rief Blank« und sie hatte nicht unrecht mit dieser Mutmaßung. Er übergab der höchlichst überraschten Frau Likowski ein Briefchen, das Blanka mit der Mutter zu gleicher Zeit las. Dann rief sie, und Neid klang aus ihrer Stimme: „Das gilt dir, Line! Du bist nach Villa „Waldflucht" befohlen da, lies oder höre zu —" Euer Hochwohlgeboren! Ihre Hoheit Prinzessin Maria Christina Ehrenberg, würde sich außerordentlich freuen, die Dame persönlich ken nen zu lernen, die heute morgen in der Kirche und gestern nachmittag Ihre Hoheit durch ihren Gesang entzückt hat. Hoheit empfängt heute nachmittag 4 Uhr." Und unterzeichnet war der wappengeschmückte Brief bogen mit „Gabriele Gräfin Limbach." „Was sagst du dazu, Line? Es wird dir nichts anderes übrig bleiben als der hohen Aufforderung zu folgen —" Gwendoline war unangenehm überrascht. Gerade heute nachmittag, wenn Axel da war — aber sie konnte doch nicht ablehnen, und so schrieb sie schnell einige Dankesworte. Nach elf kamen Blankas Freunde, die zwei Fräulein von Brucks mit ihrem Bruder und dessen Kameraden von Lichtenfels und Kronau. Lustig lachend grüßte Blanka vom Balkon herunter und lies ihnen dann entgegen. Malte, der die beiden hübschen und feschen Schwestern Lili und Lola von Bruck sehr gut kannte, war gezwungen, neben der Braut auszuharren, die im Wohnzimmer des Besuchs harrte. Die Ungeduld prickelte in ihm Er lauschte auf die fröhlichen Stimmen und mußte dennoch an Hannas Seite bleiben und den zärtlichen Bräutigam spielen! Da wurde die Tür von Blanka weit ausgerissen. „Hier sind Jeannette und Baron Malte von Reinhardt, die neugebackenen glücklichen Brautleute! Ihr könnt also eure Glückwünsche persönlich wiederholen. Lili und Lola —" Johanna ging den Eintretenden entgegen und tauschte Kuß und Umarmung mit ihnen. Ueber Hannas Kops hin weg fing Malte einen mitleidig spöttischen, belustigten Blick auf, den die beiden jungen Damen miteinander austausch ten, so daß ihm das Blut in die Wangen trat und er in heimlichem Ingrimm mit den Zähnen knirschte. Oh, er konnte leicht die Gedanken der beiden erraten; sie machten daß ich sterben mutz. Wir haben keine Kinder, daher Hab ich dir znm Lohn für deine treue Liebe alles vermacht Das Testament ist auf dem Gericht hinterlegt und un anfechtbar. Eines aber habe ich vergessen, weil man in ge sunden Tagen nicht an alles denkt, was einem aus dem Sterbebette einfällt. Ich wünsche nämlich, daß du nack meiner Beerdigung unseren fettesten Ochfen verkaufst uni den Erlös an die Armen verteilst, damit sie sür miH beten und Gott Barmherzigkeit mit mir armem Sündei hat. Willst du mir das versprechen?" Die Frau tat es unter Tränen, und nun starb der Bauer ruhig. Gleich nach seiner Beerdigung erinnerte si« sich seines letzten Willens. Sie zog ihren fettesten Ochse» aus dem Stalle. Als sie ihn aber betrachtete und über legte, wieviel sie dafür einnehmen würde, bedauerte sie ihr Versprechen. Aber ihr guter Mann hatte es so gewünschi und sie mußte seinen letzten Willen erfüllen. Ehe sie fick aber auf den Weg nach der Stadt machte, um den Ochse« zu verkaufen, fing sie einen Hahn ein, band die Füß< und Flügel zusammen und hing ihn an die Hörner del Ochsen. Auf dem Markte brauchte sie nicht lange zu warten. Einem Fleischer gefiel der schöne fette Ochse und er fragt« nach dem Preise für dieses Staatsvieh. „Der Ochse ifi sehr billig," sagte die Frau, „aber er wird nicht ohne de« Hahn verkauft. Der Ochse kostet nicht mehr als zwei Taler der Hahn aber hundert Taler, und keinen Pfennig lasse iq ab." Der Fleischer zweifelte an dem gesunden Verstand« der Frau, aber es war nichts zu ändern. Er mußte für den Hahn einhundert, für den Ochsen nur zwei Tale« zahlen. Zufrieden mit ihrem Handel ging die Frau naH Hause, verteilte die zwei Taler unter die Armen und be hielt die hundert Taler für sich, glücklich, daß sie de« letzten Wunsch ihres Mannes fo getreu erfüllt hatte. K. S. Ms WohMNgselend in Berlin. Unerhörte Zustände in der Reichshauptstadt. Die große und vielfache Not in allen Teilen del Reiches und seiner Bevölkerungsschichten hat uns ab- aehärtet. Der übel und der Klagen sind so viele, daß a« keiner Stelle so durchgreifend geholfen werden kann, wi< es nötig wäre, selbst da nicht, wo das Übel „fortzeugeni übles gebärt", wie es bei der Wohnungsnot der Fall ist Auf dem Lande und in den Kleinstädten ist die Woh nungsnot nicht überall so gefährlich, weil die frische Lust noch immer ein Gegengewicht darstellt. In den Groß städten beweist das Aussehen der Bewohner solcher über füllten Wohnungen, die graue Hautfarbe, die eine Pa rallele zur „Gefängnisfarbe" ist, den gesundheitlichen Scha- sen einwandfrei und erschreckend. Man spricht von der zunehmenden Verwahrlosung und Entsittlichung der Großstadtjugend. Eine der Ursachen ist die Wohnungs- not, die z. B. in den Berliner Quartieren des Nordens, j Nordostens, Ostens, der Mitte und des Südens die Men schen zu einem Zusammengepferchtsein zwingt, wie es bis in die letzte Zeit hinein unbekannt war. Die Beamten der Ortskrankenkassen finden sehr häufig Behausungen, die in höchstem Maße gesundheitsschädlich sind, die aber von zwei Familien von drei bzw. vier Köpfen bewohnt werden, die weder durch Güte noch durch Gewalt aus die sen Räumen entfernt werden könnten. Sie wußten genau, daß man sie entweder in kalten Baracken oder im öffent lichen Asyl unterbrtngen würde, und zogen es vor, in diesen elenden Räumen, die sie Stube und Küche nannten, zu bleiben, bis ihnen entweder die Decke auf den Kopf fallen oder sie bei einem Neubau erträgliche Ersatzwohnun gen bekommen würden. In der Steinmetzstraße bewohnt« ein Mann mit neun Angehörigen zwei kleine Zimmerchen, bis es ihm gelang, bei Freunden im Auslande ein Unter- kommen zu finden. Es gibt in Berlin ganze Straßenzüge, die völlig abbruchreif sind und deren Bewohner so dicht beisammensitzen müssen, daß jede Trennung zwischen de« Geschlechtern anshört. Die Neubautätigkeit ist so gering, daß nach Ansicht des Leiters des Statistischen Amtes der Stadt Berlin mit einem Abflauen der Nachfrage nach Wohnungen erst zwischen 1935 und 1940 gerechnet werde» kann. Bis dahin sind aber soviel Häuser unbewohnbar geworden, daß neue, sehr erhebliche Nachfragen entstehen. In den Arbeitervierteln deckt eine nimmer weichend« Schicht von Rauch, Staub und Ruß die Gegend. Selbst an sonnigen Tagen kann der Beobachter von den Türmen der Stadt den grauen Schleier wahrnehmen. Besonders das Berlin der Gründerzeit kümmerte sich nicht um Bau- uni Wohnungshygiene. Zwischen fünfstöckigen Vorder- und ' Gartenhäusern klafft wie eine. SMuchüein Hof, mitunter sich über ihn lustig, über ihn, Malte von Reinhardt! Und ^ er hörte auch die ganz leise Ironie aus ihren Glückwün»! schen. Hanna stand neben ihm, hatte ihren Arm zärtlich um den seinen gelegt und begrüßte jetzt liebenswürdig die Herren. Axel von Kronaus dunkles Augenpaar suchte nach einem f blonden, hübschen Mädchen, um das er doch mitgekommen war. Endlich trat Gwendoline ein, gesolgt vom Stuben-! Mädchen, das den Gästen pikante Brötchen und Sherry servierte. Lustig ging das Geplauder hin und her. Blanka fühlte sich in ihrem Element; sie war übersprudelnder Laune. ! Axel trat neben Gwendoline, sie zu begrüßen. Da fing j. Blanka einen Blick auf, den die beiden miteinander aus tauschten, und sie sah das glückliche Lächeln, den warmen,,! vertieften Glanz in Gwendolines Augen — und sie hörte! einige geflüsterte Worte Axels. Eine rasende Eifersucht^ erfaßte sie. Stand es so mit den beiden? Z Gwendoline und Axel Kronau — Kronau, der ihr selbst so gut gefiel? Da wollte sie doch acht auf die beide« geben! f „Ihr fragt, was wir nachmittag machen wollen, Lola? Wir fahren selbstverständlich nach dem Bad Kreuth, trin«, ken dort Kaffee und gehen dann nach „Siebenhütten" zum Tanzen! Das wird famos." „Kommt das Brautpaar auch mit?" fragte Lili bos haft, der Malte eiye Zeitlang stark den Hof gemacht —- „Wie ist's, Baron''" / „Das richtet sich nach Hannas Wünschen —" „Wir bleiben hier, Liebster!" entschied die junge Braut, „ich kann so viele Menschen nicht ertragen —" Die beiden jungen Mädchen sahen Malte ausdrucksvoll spöttisch an und kicherten über ein Scherzwort, da» Leut nant Lichtensels hinwarf — aber im Grunde galt da» Kichern nicht dem Witz des Offiziers, sondern nur ihm, dem eleganten Malte Rheinhardt, der sich durch seine Ver» > lobung mit Hanna Likowski sehr lächerlich gemacht hatte. Er fühlte das wohl, und es peinigt« ihn unerträglich in seiner Eitelkeit. — —- - (Fortsetzung folgt.) . '