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46, 26. Februar 1910. Nichtamtlicher Teil. Nutzung der Anschlutzleitungen gefühlt, die über das Maß des wirtschaftlich Notwendigen oder Nützlichen weit hinausgehe. Mit Recht wurde hierauf erwidert, daß eine von jeder unnötigen Hemmung und Belastung befreite Benutzungsmöglichkeit der Fernsprecheinrichtung des Reiches ein Bedürfnis unserer Zeit sei und daß am allerwenigsten bei den vielbeschäftigten Kaufleuten, Gewerbetreibenden und anderen in ihrem Berufe sich öfters des Fernsprechers bedienenden Leuten, die weder Zeit zu unnützen Gesprächen noch Verlangen nach solchen haben, von einer mißbräuchlichen Benutzung der Fernsprech einrichtung die Rede sein könne. Die ans teilweise zu starke Belastung der Pausch- gebührenanschlüsse zurückgesührten Übelstände werden sich auch beseitigen lassen, ohne daß den jetzigen zahlreichen Pauschgebührenteilnehmern die für sie überaus lästige und für einen großen Teil von ihnen auch viel zu kost spielige Einzelgesprächsberechnung aufgebürdet wird. An Stelle der allgemeinen Einführung von Grund- und Ge sprächsgebühren, mit welcher übrigens die große Ungleichheit in den Kosten des einzelnen Gesprächs für die wenig und dis viel sprechenden Fernsprechteilnehmer keineswegs auf hören wird, könnte vielleicht die Staffelung der Pausch- gebühren nach dem Grade der Benutzung der ein zelnen Anschlüsse in Erwägung gezogen werden. Bei dieser Art der Gebührenberechnung würde die Reichspost verwaltung gegenüber der Einzelgesprächsberechnung wohl selbst nicht unbeträchtliche Ersparnisse machen und Mehr einnahmen erzielen können. Da indessen als Zweck der Neuordnung der Fernsprechgebühren außer der gleichmäßigeren Heranziehung der Teilnehmer auch die Verhütung der Über lastung eines Teiles der Anschlußleitungen angeführt wird, dürfte es sich empfehlen, für Teilnehmer, die jährlich mehr als eine zu bestimmende hohe Zahl von Verbindungen Her stellen lasten, die Verpflichtung zur Anmeldung eines wei teren Anschlusses einzuführen. Das wäre doch das einfachste Mittel, der zu starken Inanspruchnahme eines Teiles der Pauschgebührenanschlüsse zu begegnen, die das Reichspost amt auch im Interesse der Teilnehmer selbst beseitigen will, weil sie für diese die üble Folge hat, daß die Zahl der Fälle, in denen der verlangte Anschluß besetzt ist, mehr zu nimmt, als die Zahl der Anrufe. Es würde damit zu gleich eine angemessene Steigerung der Gebühren für die Teilnehmer erreicht, die die Fernsprechcinrichtung mehr als andere benutzen. Auf eine Staffelung der Pausch- gebühren würde dann wohl verzichtet werden können, was zur Erhaltung der bisherigen Einfachheit und Ein heitlichkeit des Pauschgebührensystems wünschenswert erscheint. EinzelneAusnahmesälle mit ganz besonders großer Benutzung können übrigens für ein Gesetz keinen gültigen Maßstab bieten. Es ist auffällig, daß die Postverwaltung solche Teilnehmer nicht bisher schon zur Benutzung mehrerer Leitungen angehalten hat, — wenigstens ist hiervon in der Begründung des Entwurfs nichts erwähnt. Es sind aber viele Fälle bekannt, wo einzelne Teilnehmer eine Anzahl Stellen be zahlen. Auch das Verhältnis von 2:10 in der Benutzung der beiden Arten von Anschlüssen kann einen Maßstab nicht ab geben. Eine annähernd gleichmäßige Heranziehung der einzelnen Teilnehmer nach Maßgabe des Gebrauchs ist überhaupt unmöglich; sie wird schon durch die hohen Anlagekosten der Fernsprecheinrichtung, die einem großen Ganzen zu dienen hat, verhindert. Nach der Reform wird ein Beamter nicht mehr er ledigen als jetzt. Was im Schaltdienst überflüssig wird, das wird aber zur Berechnung, Registrierung und zur Erledigung der voraussichtlich außerordentlich zahlreichen Reklamationen mehr als nötig sein. Die vorgesehenen Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. 77. Jahrgang. neuen Zähler werden vermutlich nicht gleichzeitig im Amt und bei dem Teilnehmer zählen, die Rekla mationen also nicht vermieden werden. Für die gegenseitige Abschätzung der beiden Beitragselemente des Doppelberechnungssystems fehlt in der Begründung des Entwurfs jede statistische Unterlage. Da aber aus der Leistung von Einzelgebühren bei einer sehr hohen Gesprächszahl (10 000) ohne weiteres hervorgeht, daß hier die Reichspost großen Nutzen bei verhältnismäßig kleiner Gegenleistung erzielt, sosolgt daraus wohl, daß die Stellen mit geringer Gesprächszahl keinen Überschuß ergeben oder aber einen Zuschuß verlangen. Der Einheitssatz von 4 H erscheint uns als ein ganz willkürlich bemessener, der gegenüber den Betriebs kosten einen viel zu teuren Preis bedeutet. (Wieviel mehr wird dagegen mit der Beförderung einer Postkarte für den Betrag von 8 H geleistet!) Daß der Betrag der Gesprächs gebühr schon immer als zu hoch empfunden wurde, geht daraus hervor, daß bereits 1900 unter seiner Einwirkung die Gesprächszahl außerordentlich (33"/>) zurückging. In der uns vorliegenden Eingabe eines anderen großen Jnteressenten- Verbandes, der ebenfalls gegen die Aufhebung der Pausch- gebühren Einspruch erhebt und im Notfälle mit einer Staffe lung der Pauschgebühren sich einverstanden erklärt, wird für den schlimmsten Fall, das ist bei Beseitigung der Pausch- gebühr, eine Ermäßigung der Gesprächsgebühr auf 2, Iffz und 1 H für die 1., 2. und 3. Staffel als angemessen er achtet. Wir meinen aber, daß es besser ist, die Pauschgebühr bleibt bestehen, damit die Reichspostverwaltung selbst und alle Fernsprechteilnehmer mit starkem Verkehr vor den bei der Einzelgesprächsberechnung unvermeidlichen unnützen Mehrkosten und Umständlichkeiten bewahrt bleiben. Gegenüber der in der Begründung des Entwurfs auf gestellten Behauptung, daß ebenso, wie beim Brief-, Paket- und Frachtoerkehr die Gebühren stets nach Maßgabe der Benutzung der Verkehrseinrtchtungen erhoben würden, auch beim Fernsprecher die Erhebung der Vergütung nach Maßgabe seiner wirklichen Inanspruchnahme berechtigt sei, ist auf die großen Unterschiede der Entfernung hinzu weisen, für die bei Briefen, Postkarten, Drucksachen und auch bei Paketen bis zu einer gewissen Gewichtsgrenze das gleiche Porto erhoben wird. Weiter ist auch in Betracht zu ziehen, daß es der Geschäfte, die täglich SO—100, jährlich also 15 000—30 000 Gespräche eignen Anrufs haben, sehr viele gibt und daß diese alle, wenn für die jedesmalige Her stellung einer Gesprächsverbindung eine Gebühr von 4 H berechnet, also in jedem einzelnen Falls für die kleine Leistung eine zu große Gegenleistung gefordert wird, mit den ins- gesammt von ihnen zu entrichtenden Gebühren ungerecht hoch belastet werden. Die jetzigen Pauschgebührenteil- nehmer mit jährlich 15 000—SO 000 Gesprächen würden dafür nach dem neuen Tarif außer der Grundgebühr von 50—90 die sich bei Verpflichtung zur Anmeldung eines zweiten bzw. dritten Anschlusses verdoppelt bzw. ver dreifacht, noch 600—1200 Gesprächsgebühren jährlich zu bezahlen haben. Da sich für die Berechnung der Fernsprechgebühren für Teilnehmer mir starkem Verkehr schwerlich ein einfacheres und zweckmäßigeres als das Pauschgebührensystem wird finden lassen; da neben diesem im Interesse der Teilnehmer mit schwächeren! Verkehr und der weiteren Ausdehnung der Fernsprecheinrichtung das Grund- und Gesprächsgebühren system wird beibehalten werden müssen, und da weiter so wohl die Pausch- wie die Grund- und Gesprächsgebühren so bemessen werden können, daß einerseits die Grundgebühren teilnehmer nicht zu hoch und anderseits die Pauschgebühren- 32«