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Zeitspruch Gar fröhlich tret' ich in die Welt Und grüß' den lichten Tag, Mit Sang und Liedern reich bestellt, Sagt, was mir fehlen mag? Viel Menschen schleichen matt und trag' Ins kalte Grab hinein, Doch fröhlich acht des Sängers Weg Durch lauter Frühlingsschein. Theodor Körner. Mussolinis Panzerzug. Ein Kapitel aus der Weltgeschichte. Bon einem zurzeit in Locarno weilenden besonderen Mitarbeiter erhalten wir folgende Zuschrift über die Gründe sür di« Wahl gerade dieses Konferenzortes. dln. Locarno, 3. Oktober. Erstaunlich lange hat es gedauert, bis sich der Schleier über dem Ort der ersten Zusammenkunft deutscher und Ententeminister gelüstet hat. Wochenlang war es ein großes Rätselraten. Nacheinander wurden genannt: Genf, Lausanne, Luzern, Bern, Basel, Lugano, Locarno und noch einige italienische Städte. Selbst Mitglieder des Schweizer Bundesrats konnten vor acht Tagen' noch keine genaue Auskunft geben. Es ist ganz offenbar, daß hinter diesem sonst ungewohnten und anscheinend zwecklosen Ver- tuschungsversahren eine bestimmte Absicht verborgen war. Genf lag vielleicht am nächsten. Aber wenn man sich in der Stadt des Völkerbundes vereinigt hätte, wo alle Vorbedingungen für die Abhaltung großer politischer Konferenzen und für die Ankurbelung des in solchen Fällen unerläßlichen Nachrichtenapparates vorhanden waren, so hatte man den Einzug Deutschlands in Genf ge wissermaßen schon vorweggenommen. Die internationale Diplomatie aber hat auch ihre ganz bestimmten zarten Gesetze der Tradition. Das ging nicht. Also kam als nächstes Lausanne an die Reihe. Aber gegen Lausanne mußte Deutschland Bedenken er heben. Vom Kriege her und noch heute gilt Lausanne, welches seinen Aufstieg nicht zum mindesten dem Besuche der Deutschen, der Benutzung der dortigen Bildungsan stalten durch die deutsche Fugend verdankt, als der Haupt stützpunkt der außerhalb Frankreichs gelegenen deutsch- feindlichen Propagandaunternebmungeu. Die Schweiz soll deshalb einen anderen Ort vorgeschlagen haben. Bern, welches mehrfach genannt wurde, ist freilich bestimmt nicht von Schweizer Seite in Aussicht genommen worden. Man kann nie wissen was sich aus einer solchen internationalen Konferenz znträgt und die Bundeshaupt stadt der Eidgenossen dient nicht'einmal innerschweizeri schen Parteifehden gern als Tummelplatz. Basel, für England, Deutschland und Frankreich gleich günstig zu erreichen, paßte den Franzosen ebensowenig wie Luzern mit seiner starken reichsdeutschcn Bevölkeruugszifser. Da wurden plötzlich einige oberitalienische Städte genannt. Nun hat aber Italien einstweilen nichts mit dem Sicker- hcitspakt zu tun, ist aber parteiisch stark an den Abmachun gen interessiert. Es hatte zedem politischen Herkommen widersprochen, die Zusammenkunft nicht in einem neu tralen Lande abzuhalten, und als solches kam eben nur die Schweiz in Betracht. So blieb es zuletzt bei Locarno, und es hat eine Weile gedauert, bis man den richtigen Grund dafür c'- kannte. Locarno ist an sich so ungeeignet wie möglich. Die Stadt ist zu klein, um zahlreiche Delegationen würdig unterbringen zu können. Sie liegt weitab von den poli tischen Zentren. Sie besitzt nicht einen einzigen Saal, wo die Delegationen vor einer auch nur beschränkten Öffent lichkeit tagen könnten. Die Drahtverbindungen sind trotz der fieberhaften Ergänzung durch die gastliche Schweizer Regierung sämmerlich. Und dennoch, es ist bei Locarno geblieben! Und zwar ist das geschehen lediglich aus Rück sicht auf Mussolini. Die faschistische Politik in Italien hat bekanntlich zur Folge, daß Mussolinis Leben stets mit Attentaten bedroht ist. Innerhalb Italiens kann er sich durch einen ungeheuren Polizeiapparat schützen, aber jen seits der Grenzen kann ihm niemand die Sicherheit bieten, die er verlangt. Darum ließ er ein schwerbefestigtes Hauptquartier inStresa nahe der schweizerischen Grenze anlegen und mit tausenden seiner bewährtesten Schwarz hemdgardisten besetzen. Erst seit in Stresa schon der Panzerzug steht, der Mussolini täglich nach dem nahen Locarno und zurück bringen soll, gibt Italien zu, daß auch sein Ministerpräsident teilnehmen werde. Nur seinetwegen wurde Locarno ausgewählt. Es hat zuweilen Reiz, in die Karten der Weltgeschichte zu gucken, noch ehe das große Spiel begonnen hat. AeWregierung und Kriegsschuldstage. Neue Erklärungen der deutschen Regierung. Vor ihrer Abreise nach Locarno hat die Reichsrs- zierung noch eine Erklärung verbreiten lassen, in der sie die Gründe für die Überreichung der Verbalnoten in Paris, London und Brüssel darlegt. In diesen Verbalnoten war bekanntlich auch zur Kriegsschuldfrage Stellung genommen. In der letzten offiziösen Darstellung wird nun gesagt, vast diejenigen, die die Antworten der fremden Mächte «ls einen Mißerfolg der Reichsregierung hingestellt haben, ven Zweck der deutschen Aktion völlig ver kannt hätten. In den Kreisen der Reichsregierung habe niemand erwartet oder erwarten können, daß die alliierten Regierungen die Erklärungen des deutschen Memorandums zustimmend beantworten würden. Für die Reichsregierung habe es sich darum gehandelt, „das jetzt geplante große Friedenswerk des Sicherheitspäktes nicht zu beginnen, ohne noch einmal mit aller Deutlichkeit zum Ausdruck zu bringen, daß sich das deutsche Voit moralisch nicht an das in Versailles erzwungene Schuldbekenntnis gebunden fühlt, und daß es nicht nur in den äußeren politischen Formen, sondern auch in seiner ganzen inneren Einstellung seinen Verhandlungs partnern mit dem Anspruch auf volle Gleichachtung und Gleichberechtigung gegenübertritt." Das Ziel, das die Reichsregierung bei ihrer Aktion im Auge halte, sei, so wird weiter gesagt, durch die Über reichung und Entgegennahme des deutschen Memorandums erreicht worden, während dis Erklärung des Reichskanzlers Marx aus dem Jahre 1924 noch nicht zur amtlichen Kenntnis der Ententemächte gebracht war. Die deutsche Regierung werde auch weiterhin an ihrem Stand punkte fest halten. „Deutschland kann," so heißt es am Schluß der Er klärung, „niemals einen politischen Akt vollziehen, der als Anerkennung irgendwelcher, eine moralische Belastung des deutschen Volkes in sich schließender Feststellungen anzu sehen wäre. Das wird bei einem etwaigen Eintritt Deutschlands in den Völkerbund, aber auch dann, wenn es nicht dazu kommen sollte, den Signatarmächten des Versailler Vertrages, denen gegenüber die jetzige mit den bevorstehenden Verhandlungen zusammenhängende Er klärung nicht abgegeben ist, unmittelbar zum Ausdruck ge bracht werden. Das ist nichts anderes als ein selbstverständlicher Ausdruck der Überzeugung, daß sich die Mitglieder der Völkerbundgemeinschaft nicht nur äußerlich, sondern auch moralisch als gleichberechtigt anerkennen müs sen, wenn sie das Friedensziel des Völkerbundes ver wirklichen wollen." ( politische Huncklckau ) Abba« der Werktarife? Im Reichswirtschaftsministerium soll in dieser Wechs eine Besprechung zwischen Vertretern der Länder, oc: Kommunen, der Fachverbände und der Verbraucher swu- finden, deren Ziel ein Abbau der Tarife für Gas, Wasser und Elektrizität ist. Die Mieten, die in ganz Deutschland heute von den Elektrizitäts- und Wasserwerken für die Aufstellung der Zähler genommen werden, sind nach An sicht vieler Fachleute um ein Vielfaches zu hoch. Selbst in Fachkreisen werden diese Gebühren als verschleierte Tarife bezeichnet. Namentlich bei den Elektrizitätswerken sind die Gebühren für die Zähler so hoch, daß die gesamten Appa raturen bereits nach ein bis zwei Jahren amortisiert sind. Aus diesem Grunde will das Ministerium möglichst ein heitlich für- das Reich eine Verbilligung der Tarife schaffen 62s ver» jetzt in der Erinnerung bloß das Schwarze; die Sache war damals sicher nicht so arg! Gott! Eine Liebes geschichte wie tausend andere! Und vielleicht war's gut, daß jener Hans Norbert und Sie nicht zusammsnkamenl Ihr Gatte, Frau Herton, war ein Ehrenmann —" Sie präludierte noch immer, und ihre schwarzen Augen blickten ihn seltsam an. „Ein Ehrenmann ?" — Schrill tönte eine hohe Saite, und dazu lachte Christine Herton, ein klangloses, sonder bares Lachen. „Ja — das war er. Gott hab' ihn selig! Nüchtern und klug und brav und anständig! Und Geld war da! Nur eines war nicht da" — sie stand plötzlich auf den Füßen „eines nicht: das bißchen Liebe! Das hat gefehlt, und ich hab' ein totes Herz gehabt in der Brust, ganz tot, kalt wie ein Stein. Das Herz hat er mir erdrückt, der andere, Hans Norbert! Das war damals, als er mir zum erstenmal gestand: Du,' kleine Christel Altenburger, kannst nie die Meine werden; denn ich bin längst verlobt mit einem reichen Mädchen, mit einer Tochter aus allererstem Haus l Und ich brauch' ihr Geld, Christel, sonst kann ich nicht leben, wie ich doch leben soll und muß. Ich habe Schulden, war leichtsinnig und — und" — Die Stimme der Greisin brach säh ab; wieder griffen die hageren Finger ein paar Akkorde, dann sprach die alte Frau weiter: „Ja — das alles war wahr, Hans Norbert, und doch hab' ich's nicht geglaubt! Hab' immer noch auf dich ge baut, hab' immer noch gemeint, ein Mann findet wohl noch einen andern Ausweg, ein Leben — bis dann die Glocken von Sankt Stephan geläutet haben zu deiner Hochzeit, Hans Norbert. Und da hab' ich im tiefsten Schatten gestanden und hab' mir alles angeschaut: all die Menschen und die prächtigen Kleider und die blasse, ernsthafte Braut. Die Orgel hat gespielt, und ein Chor hat gesungen, mir aber war alles wie ein Traum; und dann hat der Pfarrer geredet und hat den Segen über euch gesprochen im Namen Gottes. Wie du aus der Kircke gegangen bist, Hans Norbert, da ist ein blassis. junges Mädel gestanden und hat dich angeschaut ein w c tztes Mal, mit einem Blick, der Segen Das Glücksai'mbrmä. Roman von Nenttoh. (Nachdruck verboten.) d" Jugend — wie rasch vorbei I Liebe, du brachst mir das Herz entzwei! Ueber die Welt der Herbstwind geht, Jugend und Sonne und Glück verweht! Rosen verblüht, verrauscht der Mai Liebe, du brachst mir das Herz entzwei I Es war wie ein Schrei, wie ein lang zurückgedrängker Jammer, der nach Erlösung ringt, ergreifend, erschütternd. Alle standen unter diesem Eindruck, nur der kleine, behäbige Doktor Robinson empfand nicht den seltsamen Ernst des Augenblicks; ihm war die ganze Wendung, welche die Sache genommen hatte, sogar sehr peinlich. Du lieber Gott! Was kümmerten ihn eigentlich die alten, verstaubten Geschichten? Nicht einmal um diesen lang» weiliaen Hans Norbert würde er sich ,e gekümmert haben, wenn dieser nicht all seine schönen Pläne Christa be treffend, durchkreuzt hätte. Und nun kam diese schrullen hafte, alte Frau mit ihren uralten Liebesliedern! Was ging ihn all dies an? Nichts! Weniger als nichts! Er wollte nur eines: Christas Jawort, doch schien ihm dieser Enderfolg aller seiner Bemühungen heute weiter als ;e entfernt zu sein. Natürlich I Nun hatte das Madel auch noch schwere Tränen in den Augen! Sentimentalitäten und kein Ende! „Fraü Herton" — sagte er etwas scharf —, „Sie sehen Ein zitternder Ton klang durch das Zimmer dann ein leises, ganz leises Präludieren. Die Finger waren steif geworden in all den Jahren, aber sie fanden trotz dem noch die Saiten wie einst; und dann hob sich eine Stimme aus der Stille, eine zitternde, greisenhafte Stimme, m der doch, trotz all der Jahre, noch ein Echo bsbte "hcht^war^ GlrE' das einst gewesen und längst Kolbes Ebert-Büste im Preußische« Landtag. Die sozialdemokratische Fraktion des Preußischen Landtages hat beschlossen, die von Prof. Kolbe modellierte Bronzebüste des verstorbenen Reichspräsidenten Friedrich Ebert anzukaufen und in ihrem Fraktionszimmer aufzu stellen. Der Präsident des Preußischen Landtags hat bereits die Genehmigung zur Aufstellung erteilt. Wie be kannt, war die Büste für den Reichstag bestimmt, die Kunstkommission des Reichstages hatte aber den Ankauf der Büste nach einem von Prof. Lederer erstatteten Gut achten abgelebnt. Schweigepflicht i« Steuersache«. In einem gemeinsamen Runderlaß des preußischen Ministers des Innern und des Finanzministers wird ans Beschwerden hingewiesen, denen zufolge Gemeindevor steher oder Gemeindevertreter, die zu den Sitzungen des Steuerausschusses zugezogen werden, die Schweigepflicht nicht strenge innegehalten hätten. Hierdurch wird die Be völkerung beunruhigt und die Verwaltungsarbeit der Finanzbehördcn erschwert. Die Minister weisen deshalb daraus hin, daß auch auf die Personen, die namens der Gemeinden im Besteuerungsverfahren Mitwirken oder als Beamte, Angestellte oder Beauftragte von Gemeinden oder als Inhaber von Ehrenämtern Kenntnis über Verhält nisse, Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse eines Steuer pflichtigen erhalten, die Bestimmungen zur Wahrung des Steuergeheimnisses Anwendung finden und sie sich bei Ver letzung des Steuergeheimnisses strafrechtlichen und diszi plinarischen Folgen aussetzen. Aus In- und Ausland. Berlin. Wie von unterrichteter Seite gemeldet wird, trifft ! die Nachricht, daß Staatssekretär Meister vom preußischen Ministerium des Innern aus dem Ministerium ausscheiden ! würde, nm einen hohen Verwaltungspostcn in der Provinz zu ; übernehmen, nicht zu. Berlin. Das Präsidium des Hansabundes für Gc- f werbe, Handel und Industrie hat eine Entschließung gefaßt, in j der es vom Reichsfinanzminister dringend fordert, daß er an- s gesichts der den Voranschlag weit übersteigenden Einnahmen f des ersten Halbjahres des Etatsjahres 1925 sofort im Wege einer Steuer Milderungsverordnung durchgreifende Ermäßigungen der von Gewerbe, Handel und Industrie zu lei stenden Vorauszahlungen der Einkommen- und Körperschafts- stcuer hcrbeisühie. Finsterwalde. Hier ist cs bei einem anläßlich des Ge burtstages des Reichspräsidenten veransichteten Fackelzug zu schweren Zusammenstößen gekommen, bei denen es zahlreiche - Verletzte gab. Santiago de Chile. Das neue Ministeri u m ist nun mehr gebildet. Ministerpräsident ist Luis a Concha, Außen minister Barros Jarpa. Einige Minister aus dem vorigen Kabinett sind in dem jetzigen verblieben. Washington. Präsident Coolidge empfing im Weißen Haus 405 Delegierte der Konferenz der Interparlamentarischen Union und begrüßte jeden einzelnen durch Händedruck. Prozeß derpreuß. LandespfaMriefanM Berlin, 3. Oktober. Zu den Aussagen des Angeklagten v. Karstädt äußerte Geheimrat Nehring: „Ich muß mich aber gegen den Vor wurf wenden, daß ich unfair gehandelt hätte. Wenn Karstädt schon damals der Ansicht gewesen sein will, daß ich von de» Forderungen des Direktors Lüders wisse, so hätte er das Geschäft abbrechen und danach meiner Behörde oder der Polizei Mitteilung machen müssen. Die Herren haben damals aber die gesellschaftlichen Beziehungen anfrechterhalten. Ich muß also annehmen, daß sie erst jetzt zu ihrer geäußerten An schauung gekommen sind." Der Angeklagte v. Carlowitz erklärte auf Befragen Les Rechtsanwalts Dr. Sack, auch er habe den Eindruck gehabt, daß die Direktion der Landespfandbriefanstalt persönlich an Len Krediten habe verdienen wollen. Als erster Zeuge wurde der Präsident des parlamentari schen Untersuchungsausschusses des Preußischen Landtages, der ' Abgeordnete Leinert, aufgerufen. Der Zeuge stellte zunächst fest, daß er mit Lüders nicht gesprochen habe. Herr v. Etzdorf ? habe mit ihm über das Verhältnis der Herren Lüders und s Nehring gesprochen; v. Etzdorf habe ihm persönliche Mit teilungen gemacht. Hierauf wurde der Landtagsabgcordnete Generalsekretär Oswald Riedel, der seinerzeitige Bericht erstatter im parlamentarischen Untersuchungsausschuß, ver nommen. Er bekundet folgendes: Wir hatten die Herren i v. Etzdors und v. Karstädt vor dem Ausschuß vernommen. Am i nachstc» Tage kam Etzdorf zu mir in das Geschäftszimmer der f demokratischen Fraktion und bat mich um eine Unterredung, ' allerdings ohne jeden Zeugen. Wir gingen in einen anderen f Raum und dort sagte mir Etzdorf, daß der Direktor Fleifch- f mann ihn ausgesucht und ihm mitgeteilt habe, was Fleisch- r mann vor dem Untersuchungsausschuß über die Londoner und Fluch zugleich war, und du hast wieder hergeschau!, und da haben wir's gewußt, alle zwei: Wir gehören doch zusammen, jetzt und in alle Ewigkeit; denn wir haben uns lieb!" Die Saiten klangen leise, immer leiser. „Machen Sie ein Ende, Christa!" — sagte Doktor Robinson leise, doch Christa hatte kein Ohr für ihn; sie kniete vor der Großmutter, barg ihren Kopf in den Falten des schwarzen Kleides und weinte heißen Träne über ein Glück, das vor nun schon zwei Menschenaltern in Scherben gebrochen, weinte aber auch um ihr eigenes Geschick, das vielleicht gleichfalls zerbrechen sollte an verjährtem Leid. Die alte Frau aber stand wie der Gegenwart entrückt; in ihrer Seele war nichts als das Neuerleben jener schweren Zeit, da ihr junges, heißes Herz es zum ersten mal erkennen gelernt, daß es auch eine Liebe gibt, deren Krone nicht das Glück des Besitzes ist, sondern hartes Entsagen. Ihre dunklen Feueraugen blickten zurück in längstvergangene Zeiten. Leise, ganz leise klangen die Saiten, dann aber riß sie sich jählings heraus aus ihrer Weichheit. Mit einer Kraft, die man diesen alten Händen kaum mehr zugetraut hätte, warf sie das Instrument weit von sich auf den Tisch, daß es hart aufschlug uud durch den Raum ein weher Laut von geborstenen Saiten kkang, worauf indes dis alte Frau nicht achtete. Der ganze Ausdruck ihres Ant litzes war jetzt wie verwandelt, ein starrer Stolz lag darauf, die eiserne Ruhe, die diese Züge fast immer ge tragen hatten seit jenen Tagen. „Leb' wohl, Hans Norbert!" — sprach sie schneidend. — „Weißt du es noch, wann ich dir dieses Wort zum letztenmal zurief? Das war nicht, als du das reiche, stille, ernste Mädchen zum Astar führtest, o nein! Das war um Jahre später, als du glaubtest, noch einmal die Hand nach mir ausstrecksn zu dürfen. Dir war's zu eng in deinem schönen Haus, dich fror neben deiner Frau, du suchtest ein heißes Menschenglück und hattest nur Geld und Gut. (Fortsetzung folgt.)