Volltext Seite (XML)
Firma Kreipe, Alvrecyt L ^»,0., ver MN ver Ulrma Alveri L Schappach L Co. Borsenkommissionsgeschäfte machte, lernte . Direktor Lüders kennen, der sich einmal brieflich an ihn wandte, nachdem ihm bekanntgeworden war, daß der Zeuge ein Bankgeschäft eröffnet hatte; Lüders sei sein Vorgänger dB- der Girozentrale Pommern gewesen. Der Zeuge babe dann tägliches Geld von der L. P. A. gegen doppelte Essektendeckung erhalten. Mit der L. P. A. habe er Geschäfte machen müssen, weil die O-Banken es ablehnten, mit jungen Firmen Geschäfte zu machen. Alss dem GerLchSssaaZ. Freispruch des Mörders von Bettauer. Im Prozeß gegen Otto Rothstock, der den Schriftsteller Hugo Bettauer ge tötet hatte, wurde das Ureil verkündet. Die Geschworenen hatten die erste Hauptfrage aus Tötungsabsicht mit zwölf Stimmen bejaht, dagegen die Znsatzfrage, ob der Angeklagte des Gebrauchs der Vernunft ganz beraubt war, mit sechs Stimmen bejaht und sechs Stimmen verneint Der Vorsitzende verkündete hieraus den Freispruch des Angeklagten. Ans Antrag des Staatsanwalts beschloß das Gericht, daß ver - Freigesprochene in einer Irrenanstalt unicrgebracht werden soll. Verurteilung eines Landesverräters. In Breslau ver handelte der Strafsenat des Obcrlandesgerichts gegen den 29 Jahre allen Buchhalter Eduard Jasinski aus Kattowitz wegen Landesverrats. Jasinski war vor der Abstim mung deutscher Staatsangehöriger, trat dann in den Dienst der Interalliierten Kommission in Kattowitz als Kriminal beamter. Im Februar 1925 versuchte er von einem deutschen Polizeibeamten Nachricht, Dokumente und Akten über geheime Verbände zu erhalten. Jasinski leugnete zwar vor Gericht, wurde aber auf Grund der Beweisaufnahme für überführt erachtet. Das Gericht verurteilte den Angeklagten zu sechs Jahren Zuchthaus. , . Zuchthausstrasantrag gegen NcrchSbanncrlcute. In dem Prozeß gegen Mitglieder des Reichsbanners und Männer und Frauen, die im April dieses Jahres bei einer Wahlkund gebung in eine Schlägerei mit Roßbachleutcn geraten waren, beantragte der Staatsanwalt gegen die Angeklagten bis zu 1>L Jahren Zuchthaus und 3 Jahren Ehrverlust. Das Urteil ist erst in einigen Tagen zu erwatren. s Lanawi!H6)a1Mcher - Beachtenswertes für die HerbstKeltZAnnq. Mehr alS das bisher ver Fall war, weisen uns Herren der Wissenschaft darauf hin, welch ungeahnt großen Jugend- dedarf unsere Halm- und Hackfrüchte an Nährstoffen' haben. Wenn, und zwar unwidersprochen, behauptet wird, daß z. B. die Roggenpflanze Anfang Mai etwa vier Fünftel aller der Nährstoffe, welcher sie bis zur Vollreife bedarf, in sich, ganz besonders ober ihren bereits überaus stark entwickelten Wurzel- j bestand ausgenommen habe, dann muß uns wohl klar werden, daß dort, wo die natürliche und 1)ie mineralische Düngung nicht den erhofften Mehrertrag brachte, die Aufnahme zu spät erfolgte. Winterhalmfrüchte restlos erst im Frühjahr mit Zuschußdünger zu versorgen, muß Lotteriespiel und in hohem Maße abhängig sein von der mehr oder weniger milden s Bodenart, sowie den Niederschlagsverhältnissew Wenn wir bald nach dem Aufgang vorsichtig ein Pflänzchen ausheben, werden wir an dem noch sichtbaren Saat korn einen verhältnismäßig kurzen und schwachen Blattrieb über der Erde, in dieser aber, soweit es uns überhaupt möglich ist, das zarte Gebilde ganz zu erfassen, eine Wurzelbildung finden, über deren Masse wir erstaunt find. Alles das weist uns darauf hin, daß eine sichere, eine volle Ausnutzung der mineralischen Zuschußdüngung bei den Winterhalmfrüchten nur dann gewährleistet ist, wenn schon dieser erste Wurzelballen alle zum Aufbau der Pflanze nötigen Stoffe bereits verteilt und in aufnehmbarer Form vorfindet. Man wende nicht ein, daß ja der Winter dem PflaNzen- tvuchs und somit der Ausnutzung der Nährstoffe Halt gebiete.' Wenn wir, was in Rübenwirtschaften oft der Fall ist, spät hinaus, etwa erst um die Jahreswende, Weizen säen, dann friert und schneit es kurz darauf, sobald aber im zeitigsten Frühjahr der Schnee wegschmilzt, steht der Weizen, wenn auch noch gelb, so doch vollkommen in der Bürste vor uns. Hat demnach die Erde, hat das dieser anvertraute Saatkorn in den Wintermonaten geruht? Nein! Und wenn es ja der Fall z märe, würden wir imstande sein, im Frühjahr, sobald der Trieb j sich regt, mit dem Düngerstreuer oder mir der Streubutte über : den Acker zu fahren bzw. zu laufen? Wiederum Nein! Wir müssen warten. Und je länger wir das tun, desto mehr . beeinträchtigen wir die Entwicklung ver Pflanzen. Es must z dann eine Zeit der Unterernährung eintreten, und diese wieder - ruszugleichen, ist bei kurzlebigen Gewächsen vollständig aus- ^schlossen. Deshalb sollte die in allen Bodenarten notwendige, den Lrirag erhöhende und verbessernde Kalizufuhr im Verein mit kwtsprechender Menge von Phosphorsäure mit der Saatfurche angebracht und dann später bei der Bestellung mindestens die Hälfte der Stickstoffzufuhr verabfolgt werden. Die Gefahr der Auswaschung ist, das geben heutzutage auch Herren zu, welche sie früher scharf betonten, ganz erheblich überjckkätzt worden. Weit- und Dünnsaat wird mit Recht sehr empfohlen und jeder Wirtschafter hat die Verpflichtung, auszuprobieren, wie weit er nach der Richtung hin gehen kann. Aber auch jeder wuß sich dessen bewußt sein, daß, falls die Einzelpflanze, welche natürlicherweise erstklassigem Saatgut entsprossen sein muß, die großen Zwischenräume ausfüllen soll, sie schon in ihrer ersten Entwicklung, in ihrem Fundament und von Haus -us so gekräftigt sein muß, daß sie imstande ist, in die Breite ju gehen und eine große Anzahl Triebe zu erzeugen, welche ,uf kräftigen, gegen Lagerung widerstandsfähigen Halmen »elunde und aehaltreiche Körner bringen. Spiel und Sport. . 4000 Meldungen zum Berliner HerbstreMmnier. Das in der Zeit vom 30. Oktober bis 9. November in der „Arena" am Kaiserdamm stattfindende große Berliner Herbstreitturnier hat gegen 4000 Meldungen erhalten. Sehr lebhaft wird auch in diesem Jahre wieder die Be teiligung des Auslandes fein. Es werden sich von fremden Staaten Holland, die Schweiz, Ungarn, Österreich, Schweden und zum erstenmal auch Spanien beteiligen. 115 Stundenkilometer auf dem Fahrrad. Unter den verschiedenen Dauerfahrern, die auf der Pariser Mont- l'hürhbahn bestrebt sind, den Stundenweltrekord hinter Motorschrittmachern zu verbessern, war Löon Vanderstuyft der Glückliche, denn es gelang dem Belgier bei prächtigem Wetter und Windstille, Bruniers Weltrekord von 112,440 Kilometer um über 2)4 Kilometer auf 115,098 Kilometer zu verbessern. Vom sportlichen Standpunkt aus ist diese Leistung zwar anzuerkennen, aber als offizieller Rekord hat sie nicht zu gelten, da sie nicht auf einer Radrennbahn erzielt ist, ganz abgesehen davon, daß Vanderstuyft an liegende Rolle und Windschutz benutzte. . , Breitensträter boxt mit Paolino. Nach langen Ver handlungen ist es Breitensträters Manager Th. C. Buß ge lungen, den Spanier Paolino für einen Kampf mit dem deutschen Meister zu verpflicht«:. Paolino hat zuletzt den besten englischen Boxer, Phil Scott, besiegt und gilt als einer der schlagkräftigsten Schwergewichte der Welt. Das Treffen mit Breitensträter wird Anfang November in Berlin stattfinden Arbeiter und AngestEs. Essen. (Neue Lohnforderungen der Berg arbeiter.) Wie verlautet, steht eine Konferenz der vier Bergarbeiterverbände bevor, die sich mit neuen Lohnforderun gen befassen wird. Infolge der Ablehnung des letzten Schiedsspruches durch die Bergarbeiterverbände und die nicht ausgesprochene Verbindlichkeitserklärung des Schiedsspruches besteht im Ruhrbergbau augenblicklich ein vertragsloser Zu stand. Es ist wahrscheinlich, daß die Bergarbeiterorgani- sationen eine Forderung von 15—202L Lohnerhöhung stellen werden. Breslau. (30000 Mann gekündigt.) Wie der Ver ein für die Bergbaulichen Interessen Niederschlesiens mitteili. haben die Grubenverwaltungen in dem Walvenvurg-Neuroser Steinkohlenrevier den gesamten Belegschaften von rund 30 000 Mann ohne Ausnahme die Kündigung zugesteltt. Die Kündi gung ist als Protestaktion gegen den vom ReichsarbeitsmV- nisterium für verbindlich erklärten Schiedsspruch erfolgt, der eine Lohnerhöhung von 7A vorsteht. Brüffel. (Automatische Lohnerhöhungen -u der belgischen Metallindustrie.) In der Metall industrie wurde ein Abkommen zwischen den Arbeitgeber*, und den Gewerkschaften abgeschlossen, das sür den Fall d«°r Lebensmittelverteuerung automatische Lohnerhöhungen vor- sieht. Wsti und WMsn. Eine neue Krankheit. Man sollte meinen, daß wir bereits genug Krankheiten haben. Trotzdem haben die Ameri kaner jetzt eine neue hinzuerfunden und ihre medizinischen Zeitschriften berichten darüber in ausführlicher Weise. Die durch Bazillen — selbstverständlich Bazillen — verursachte Krankheit heißt Tularämie und ist auf Menschen durch blut saugende Insekten oder durch direkte Berührung mit dem Blut infizierter Tiere übertragbar. Bisher hat man die Krankheit nur in den Vereinigten Staaten sestgestellt; man hat ihr die verschiedenartigsten Namen gegeben: Kaninchsn- fieber, pestartige Nagerkrankheit, Drüsentyphus usw. Man weiß zurzeit von einigen fünfzig Fällen, die sich in zwei Gruppen teilen lassen: die eine Gruppe zeigt geschwollene Drüsen und örtlichen Sitz der Infektion, während die andere in allen ihren Erscheinungen dem Typhus ähnelt. Es er krankten an dieser Art Typhus fast ausschließlich Personen, die in Laboratorien beschäftigt waren. Heilmittel und Heil seren sind bis jetzt nicht bekannt, so daß man der Krankheit, die übrigens nur in wenigen Fällen zum Tode führte, noch ein bißchen hilflos gegenübersteht. Vermischtes. Der mißverstandene „römische Gruß". Einer der Hauptpunkte des faschistischen Programms ist der so genannte „römische Gruß". Mussolini hat ihn in Italien eingeführt, und er besteht darin, daß man den Arm zuerst lang nach vorn und dann lang nach oben streckt. Jetzt be haupten nun aber italienische Blätter, daß es den alten Römern nie eingefallen sei, in solcher Weise zu grüßen. Die Alten kannten, genau so wie wir, dreierlei Arten der Begrüßung: Umarmung, Kuß und Händedruck. Was die Grußgeste mit der Hand angsht, so pflegten sie nur mit einem Finger zu grüßen, dem Erußsinger: man machte das bei geschlossener Faust und nicht sehr weit vorgestrecktcm Arm mit dem Zeigefinger der rechten Hand. Die Geste mit dem gestreckten Arni aber, die irrtümlich für den römischen Gruß gehalten wird, wahrscheinlich, weil man sie bei vielen Statuen aus der Römerzeit findet, war die klassische Geste des Redners, dis Bewegung, die das Wort des Tribunen oder des Heerführers, der zur Volksmenge oder zu den Soldaten sprach, begleitete. (Es mag darauf hingewiesen werden, daß der mißverstandene „römische Gruß" auch bei uns Eingang gesunden hat.) Die Königin aus dem Morgenland. Rach all den Maharadschas, die in den letzten Jahren in Europa herum gefahren sind, ist jetzt endlich einmal auch eine regierende indische Dame in England eingetrofsen. Es handelt sich um die Königin von Bhopal, wo seit mehr als fünfzig Jahren nur Frauen auf dem Throne sitzen. Die Vhopalcr möchten aber zur Abwechslung hin und wieder auch vou einem Manne regiert werden, und die Königin wäre ge neigt, den Wünschen ihrer Untertanen entgegenzukommen und abzudanken, wenn sie wüßte, daß ihr Sohn, der Prinz Hamidulah Khan, den sie nach London mit genommen hat, um ihn den Engländern zu zeigen, den Thron besteigen könnte. Nach den in Bhopal geltenden Gesetzen käme aber nach ihrer Abdankung nicht ihr Sprößling, sondern ihr ältester Bruder auf den Thron, und das sollen die Engländer verhüten. Nebenbei bemerkt: die Königin ist eine alte Dame von weit über siebzig, und ihr Sohn, der von ihr präsentierte Zukunftskönig, ist ein alter Knabe, der keine männlichen Nachkommen hat, so daß nach seinem Tode wiederum eine Fran in Bhopal den Herrschersiab schwingen müßte. Im übrigen ist die hochbetagte Königin keine Duckmäuserin, sondern eine durchaus moderne Frau: sie hat sich sofort nach ihrer Ankunft in London kurze Röcke und Seiden strümpfe gekauft und sich in diesor neuen Tracht photo graphieren lassen. Wahrscheinlich wird sie auch bald einen Bubikopf tragen, wenn sie ihn nicht schon hat. Vas Glücksarmbanä. Roman von Renttoh. 67) (Nachdruck verboten.) Hübinger ballte ihn zusammen, steckte ihn ohne alle ' Skrupel in die Tasche seines Rockes und ging dann wieder zurück, wobei der seltsame Blick des gemalten Bildes ihm zu folgen schien. Der Polizeibeamts seufzte schwer. „Na also" — sagte er, zu Lucie tretend — „jetzt bist du ein braves Müderl und sagst mir: War hent oder gestern der Papa da? Ich muß das wirklich wissen, Herzerll Weißt, wegen der Bestellung." Lucie lachte. „Ja — wenn er aber nicht da war l Wenn ich nichts weiß —, gar nichts l" ( Dann wurde sie ernsthaft; ein tiefer Schatten zog über ihr rosiges Gesichtchen. „Sehr lang hab' ich den Papa nicht mehr gesehen, und mein kleiner Bruder weiß nicht einmal recht, wie er ausschaut." l „Aber es hängt doch sein Mantel draußen im Vor zimmer! Und da ist sein Hut!" Hübinger hielt der Kleinen das verdrückte Knäuel hin, das kaum mehr einem Hut ähnlich war. ; „Ob" — sagte Lucie empört —, „so was, das tragt mein Papa doch nicht! Was glaubst du denn? Ich weiß nicht, wo der Hut her ist! Aber wart'" - sie legte nachdenklich den kleinen Finger an die Nase —, „gestern abend, wie die Marie und ich schon im Bett waren, da hat's geläutet, ganz fein, weißt du, damit wir nicht munter werden sollten. Ich hab' aber noch gar nicht geschlafen gehabt; gerade nur so ein bißchen eingenickt war ich. Die Mami ist hinausgelaufen, hat jemanden hereinge lassen und sehr leise geredet; dann hab' ich gebärt, daß sie etwas aus der Kredenz nahm, und dann hat sie über die Lampe den Schirm gesteckt, so.daß es ganz finster war, und ich hab' nichts sehen können und hären auch nichts: nur ganz leis geflüstert hat die Mami mit wem." „Das war aber doch sicher der Papa", meinte Hü binger überzeugend. Lie Kleine sah ihn ernsthaft an. „Oh, gar keine Spur! Denn weißt, die Mami ist dann i herein'kommen und, wie sie, gesehen hat, daß ich munter bin, du — da ist sie erschrocken! Und wie ich sie gefragt hab', wer denn da ist, hat sie gesagt: Ach, nur der Vetter Eduard! Er reist durch Wien und bleibt bloß ein paar Stunden hier. Schlaf nur weiter! Der Vetter Eduard ist aber ein sehr langweiliger Mensch, weißt, und die Mami hat nie eine Freud', wenn er kommt. Immer wenn er hier durchfahrt, bleibt er ein paar Stunden hier. Aber mitgebracht hat er mir noch nie was. Na — ich hab' gleich geschlafen, wie ich das hör'. Und in der Früh, wie ich aufwach',* da war er schon fort; noch eh' die Marie aufgestanden ist. Die Mami''hat ihm auf der Spiritusmaschine Kaffee gemacht, und um sieben Uhr ist schon sein Zug gegangen." „Er wohnt in Pohrlitz. Na — also von dem muß der Hut sein und der Mantel. Die Mami wird ihm wohl trockene Kleider vom Papa gegeben haben, oder was weiß ich?" Die kleine Lucie lachte ihr Helles, frohes Kin verlachen, sagte so beiläufig, der langweilige Vetter heiße Stephan Kortz und habe eine große Wirtschaft und ein Gasthaus in Pohrlitz, dann tanzte sie ausgelassen mit Buzi durchs Zimmer: „LuLumpl Du kleiner Lump! Gelt, davonlaufen hast wollen? Gelt? War's dir vielleicht fad draußen bei der Großmutter und dem Emil in Hietzing, daß d' auf und davon bist? Oder halt Sehnsucht gehabt nach mir?" — Schmeichelnd legte sie die Wange an das struppig? Fell. — „Der Emil hat den Hund ein bißl draußen gehabt jetzt" — plauderte sie —, „und da muß er fortgelaufen sein." Hübinger stand sinnend; es ging ihm allerlei im Kopf herum. Und dies war auch noch der Fall, als er nach herzlichem Abschied von der kleinen Lucie die drei Treppen wieder hinunterstieg. In dem Brief an Frau Herta Herton hatte er nur geschrieben, daß er den Hund gefunden, und daß er sie bäte, ihn am folgenden Tage zu erwarten. Nun erst, als er, sehr müde und doch seltsam angeregt, wieder durch die abendlichen Gassen schritt, suchte er alle die Eindrücke dieses Tages zu einem festen Bild zu sammeln, doch war zunächst noch alles dunkel und verschwommen. Nur eins hob sich scharf umgrenzt aus all dem Wirrsal: der feine, geistvolle Kopf des Mannes mit dem seltsam irren Blick, und daneben tauchten das liebe Gesicht Herta Hertons auf und des Malers edle Züge. Der Vater — die Frau — kämpften diese beiden Menschen nicht einen stillen, erbitterten Kampf, um dem einen, ver ihnen beiden so viel war, zu helfen, ihm die Wege zu ebnen aus dem Wirrsal der Gegenwart in eine Zukunft? War dieser als verschollen ausgegebene Sohn und Vater nicht vielleicht näher, als man glaubte und glauben machen wollte? Und sollte nicht von ihm ein Weg führen zu der schönen toten Frau, zu Mimi von Salten? Selten hatte Hübinger seine Pflicht, den Irrwegen menschlicher Leidenschaften nachzuspüren, so schwer empfunden wie diesmal. Immer sah er die Augen Herta Hertons innig flehend auf sich gerichtet, aber daneben sah er auch Hans Norbert, sah ein zerrüttetes Menschenschick sal, ein hartes, unverdiente<Los. Und es war sein bester Freund, der dieses Los trug! Und Mimi von Saftens Tod forderte Rache. Rache? Der einsame Mann schritt weiter, in tiefe Ge danken versunken. Will man nicht so oft für Geschehenes Rache, Vergeltung und kann dann doch nichts tun, als all mählich begreifen, verstehen, verzeihen lernen? Er war ein alter Praktikus und war trotzdem ein Menschenfreund geblieben, und dies vielleicht nur deshalb, weil er immer aller Schuld folgte bis zu den tiefsten, verborgensten Ur sachen. (Fortsetzung folgt.)