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Auch die Ab el Krim gehörenden Häuser sind von den Flammen ergriffen worden. Ava rl Krim bittet um 5riraen Eigener Fernsprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes" Berlin, 2. Oktober. Wie das „B. T." aus Madrid meldet, soll Abd el Krim die Spanier um Frieden gebeten haben. Eine Bestätigung der Meldung liegt in Madrid noch nicht vor. SW-enabkommen Frankreich-Amei ila? 68 Jahreszahlungen. Nach Meldungen aus Washington wurde in der für die Behandlung verschiedener Fragen eingesetzten Uuter- kommission der amerikanisch-französischen Schuldenver handlungen eine Einigung betr. der Jahresraten erzielt, indem die Zahlungsfrist ans 68 Jahre und die ver minderten Jahresraten auf 12 Jahre erhöht wurden. Frankreich hätte demnach in den ersten fünf Jahren 40 Millionen Dollar, in den folgenden sieben Jahren 60 Millionen Dollar und in den restlichen 56 Jahren 100 Millionen Dollar jährlich zu bezahlen. Die Amerikaner würden zustimmen, daß Frankreich während der ersten fünf Jahre auf zwei Jahre und in der restlichen Zeitdauer insgesaint auf drei Jahre seine Zahlungen unterbricht. Diese Vereinbarung in der Unterkommission hätte allerdings noch die Zustimmung des Präsidenten Coolidge und des Senats zu erlangen, was nicht ganz sicher ist. Explosion Lm Hamburger Hafen. ^147 Kisten Filme in Brand geraten. Hamburg, 1. Oktober. Ans dem japanischen Dampfer „Jufuku Maru" ex plodierten ans bisher nicht geklärter Ursache 147 Kisten Filme, die aus dem Laderaum an Deck gebracht wor den waren, um abgesetzt zu werden. Eine gewaltige Stichflamme schlug plötzlich bis hoch über die Masten empor, verbrannte 15 deutsche Schauerleute teils schwerer, teils leichter und zerstörte Takelage und An- tennenanlage. Die Feuerwehr löschte mit vier Zügen. Eine Untersuchung über die Entstehung der Explosion ist eingeleitet worden. Es ist nicht ausgeschlossen, daß sich die Zahl der Verwundeten noch erhöht. Japaner sollen angeblich nicht zu Schaden gekommen sein. — Darf man sein Kind Hindenburg nennen? Die Frage ist durch das Mitglied einer westprcußischen Gemeinde aktuell geworden, das seinem Neugeborenen den Vor namen „Hindenburg" geben wollte. Der betreffende Staatsbürger gab von seinem Wunsch dem Reichsprä sidenten Kenntnis und bat ihn, ihm dazu die Genehmi gung zu erteilen. Hindenburg gratulierte dem wackeren Mann zu seinem gesunden Sprößling und hatte auch nichts einzuwenden, daß das Baby mit seinem, des Reichsprä sidenten, Namen angeredet werde. Nur bat er seinerseits, den Namen „Hindenburg" nicht in die Kirchenbücher em- tragen zu lassen, da dieser ein Familien- und kein Vor name sei. Das zuständige Pfarramt bringt diesen Ent scheid des Präsidenten durch das Verbandsorgan allen preußischen Pfarrämtern zur Kenntnis, damit sich diese danach richten, falls ähnliche Wünsche glücklicher Väter au sie herantreten sollten. Einen „amtlichen" Vornamen „Hindenburg" darf es also nicht geben. Geniestreich zweier Beirüger. Köpenickiade im Berliner Polizeipräsidium. Eine Firma in Berlin ist durch einen in vcr Verbrechergeschichte kaum überbietbaren Gaunerstreich um eine hohe Geldsumme geschädigt worden. Die Firma hatte zwei Kassenboten zu einer Bank geschickt, die die Lohn gelder holen sollten. Als die beiden Kassenboten die Bank verließen, traten auf der Straße zwei Männer auf sie zu, die sich durch gefälschte Marken als Krimi nalbeamte auswiesen, gefälschte Haftbefehle vor zeigten und die Kassenboten zwangen, mit ihnen den Weg ins Polizeipräsidium anzutreten. Die beiden Kassenbotcn wurden in ein leeres Zimmer im ersten Stockwerk des Polizeipräsidiums geführt, wo die beiden falschen Beamten ihnen die gesamten Lohngelder in Höhs von vielen tausend Mark abnahmen, in ein Nebenzimmer gingen und sagten. oie «eryasieien mochten warten. Nachdem die Kaffen boten mehrere Stunden vergeblich gewartet hatten, schöpften sie Verdacht und mußten zu ihrem Schrecken feststellen, daß sie im Polizeipräsidium Verbrechern in die Hände gefallen waren. Die Nachforschungen der Polizei nach den Ver brechern sind bisher ohne Erfolg gewesen. Die geschädigte Firma hat auf die Wiederbeschaffung des Geldes 20 000 Mark und auf die Ergreifung der Täter 3000 Mark aus gesetzt. i Letzte Melüungen j Die ette Verhandlung vor dem Karleügericht. Berlin, l. Oktober. Heute fand vor dem Kartellgericht die erste Verhandlung gegen die seitens des Reichswirtschafts ministeriums in Anklagezustand versetzten sechs Textilverbände statt. Da die Vertreter dieser Verbünde eingangs erklärten, sich auf den Standpunkt der vom Reichsverband der Deutschen Industrie neu herausgegebenen Richtlinien der Kartellstelle des Reichsverbandes zu stellen, so wurde seitens des Reichs wirtschaftsministeriums eine neue Lage anerkannt und die Verhandlung vertagt. Ein Massenbetrüger verurteilt. Eisleben, 1. Oktober. Nach dreitägiger Verhandlung wurde der Kaufmann Hilbert vom hiesigen Schöffengericht we gen zahlreicher Betrugsfälle zu drei Jahren Gefängnis, tau send Mark Geldstrafe und fünf Jahren Ehrverlust verurteilt. Dem Angeklagten wurde in dreftausendachthundert Fällen nachgewiesen, daß er durch besonders angenommene und durch ganz Deutschland reisende Vertreter Kreditsuchenden Hilfe an geboten hatte, obwohl er über keinen Pfennig Betriebskapital in seiner angeblichen Hypothekenbank verfügte. Preisermäßigung für Aluminiumhalbfabrikate. Köln, 1. Oktober. Der Aluminium-Walzverband in Köln setzte nach einer Meldung der Kölnischen Volkszeitung in An betracht der heute in Kraft tretenden Ermäßigung der Umsatz steuer die Grundpreise für effektive Lieferungsgeschäfte um je zwei Reichsmark für 100 Kilo herab. Ferner wurden die Um arbeitungsgrundpreise um je 50 Pf. für 100 Kilo ermäßigt. Die ausländischen Delegationen für Locarno Paris, 1. Oktober. Die französische Delegation für die Locarno-Konferenz wird folgendermaßen zusammengesetzt sein: Briand, Berthelot, Generalsekretär im Ministerium des Äußeren, Leger, Kabinettschef Briands, Fremageot, juristischer Sachverständiger, Massigli, Sekretär der Botschafterkonferenz. — Hier eingetrofsene Meldungen aus Rom besagen, daß Mussolini wegen des großen faschistischen nationalen Kongresses endgültig auf die Teilnahme an der Locarno-Konferenz verzichtet. Italien wird durch Grandi, den Unterstaatssekretär im Ministerium des Äußeren, durch den Baron Romano Avezzana, den Gesandten in Paris, und den Marquis della Torretta, den Botschafter in London, vertreten sein. Es ist jedoch>nicht unwahrscheinlich, daß Mussolini zur Unterzeichnung des Paktes auf der Kon ferenz erscheinen wird. Die Ankunft der deutschen Delegierten in Washington. Washington, 1. Oktober. Unter Führung des Abgeordneten Professor Schücking trafen gestern die deutschen Delegierten zur Tagung der Interparlamentarischen Union im Sonderzug mit anderen Delegationen in Washington ein. Unter den Delegierten sah man den Reichstagspräsidenten Löbe, den früheren Reichskanzler Dr. Wirth, den früheren Gouverneur von Deutschostasrika Dr. Schnee sowie die Abgeordneten Frau Pfuel, Frau Mende, Hollmann, Emminger, Erkelenz, Gilde meister, Adolf Braun und andere. Zur Begrüßung der Par lamentarier war der deutsche Botschafter Freiherr von Maltzan mit dem gesamten Stabe der Botschaft am Bahnhof erschienen. Die Delegierten wohnen in dem neuerbauten schönen MaY- slower Hotel. Morgen früh findet die Eröffnung der Kon ferenz statt. s Au» unlrrer Keimst i Wilsdruff, am 2. Ohtvber 1925. Merkblatt für den 3. Oktober. Sonnenaufgang 0° !! Mondaufgang 6^ N. Sonnenuntergang 5^ jj Monduntergang 7^ B. 1813 Kämpfe des Aorckschen Korps bei Wartenburg an de Elbe, — 1884 Der Maler Hans Makart in Wien gestorben. * Kartoffelernte. Weiße Nebelschleier wallen im Morgengrauen über die Erde. Schlaftrunken piepst ein Vogel im Gesträuch. Am Feldrain stehen große Tragkörbe, mit blauweih-karierten Schürzen zugedeckt. — Langsam weicht der Wolkendunst. Die Gestalten auf dem Felde nehmen festere Formen an. Es sind Frauen. In halb- gebückter Stellung schwingen sie die scharfzinkige Hacke, wühlen die Erde auf und sammeln weiße, rote und blaue Kartoffeln in die weidengeflochtenen Körbe. Der Rücken schmerzt. Ausruhend richtet sich bald die eine, bald die andere auf. Es ist Tag geworden. Die Sonne leuchtet vom Himmel herab. Auf dem Nachvarfelde ziehen zwei braune Bauernpferde eine sich drehende Kartoffelschleuder über den Acker. Auf schau kelndem Sitz treibt der Knecht die stampfenden, schnaufenden Pferde an. Aufgewühlte Erde wirbelt schwarz in der Luft, Kar toffeln fallen wie große Ostereier zu Boden. Frauen folgen ge bückt der klappernden Maschine, Kinder kriechen hinterher, sam meln, sammeln . . . Eine dünne schwarze Erdkruste klebt an den Händen. Die alten Schuhe sind lehmbeschwert. Volle Kar- tvffeffäcke wachsen wie Pilze aus dem Erdboden. Drüben tm Walde, auf einem schmalen kleinen Feldstreifen hackt ein Mann Kartoffeln. Nur spärlich scheint der Ertrag seiner Ernte zu fein. Ein Vorübergehender fragt ihn, ob die Kar toffeln lohnen. „Ich bin zufrieden," spricht er, „ich habe für mich und habe auch fürs Vieh." „Genügsamer Aster", denkt der an dere und geht seines Weges. Ein Sack Kartoffeln steht erst auf dem Felde und die Sonne steht bereits am höchsten. Seine bei den Enkelkinder kommen fachend und singend daher, bringen ihm im Topf ein warmes Mittagsmahl und heißen Kaffee. Nach vollendeter Mahlzeit bereitet der Alte den Kindern eine große Freude, indem er trockenes Kartoffelkraut gusammenträgt, ent zündet und Kartoffeln in den züngelnden Flammen bratet. Es ist dunkel geworden. Eine Frau tritt ins Zimmer, zündet Licht an und trägt das Abendbrot auf den Tisch: Schalkartoffeln und Hering. Da kommt mir unwillkürlich das alte Berschen von Matthias Claudius in den Sinn: „Schön mehlig die Kartoffeln sind und weiß wie Alabaster, sie find für Mann und Weib und Kind ein rechtes Magenpflaster!" Der Arbeitsmarkt in Sachsen. Das Landesamt für Arbeits vermittlung veröffentlicht über die Lage auf dem sächsischen Ar beitsmarkt für die Zeit vom 20. bis 26. September 1925 folgen den Bericht: In dieser Berichtswoche ist eine wesentliche Aende- rung auf dem Arbeitsmarkt nicht eingetreten. In der Landwirt schaft, im Bergbau, im Friseur- und Baugewerbe und in der Gruppe für Hausangestellte werden weiterhin brauchbare Kräfte bezw. Fachkräfte gesucht, ebenso mangelt es in den einzelnen Branchen der Textilindustrie noch an Facharbeiterinnen. Vor 25 Jahren. Am 2. Oktober 1900 wurde in einer von sämtlichen Mitgliedern besuchten Sitzung des Kirchenvorstandes in geheimer Abstimmung ohne vorhergegangene Diskussion Herr Pastor Wolke aus Wolkenstein zum Pfarrer von St. Nikolai einstimmig gewählt. Am 11. Oktober verabschiedete sich der all gemein beichte Pfarrer Ficker von der Gemeinde und am 18. November wurde Herr Pfarrer Wolke durch Superintendent Grieshammer eingcwiesen. Am 18. November d. I. find also 25 Jahre verflossen, seit unser Pfarrer, von Gottes reichstem Segen begleitet, sein geistliches Amt in Wilsdruff ausübt. Der Turnverein D. T. beschließt kommenden Sonntag seinen Sommerturnbetrieb mit einem Sommerabturnen, verbunden mit Wetturnen in allen Abteilungen. Während von vormittags 8 Ahr ad in der Turnhalle die Geräts-Wettkämpfe ausgetragen werden, sammelt der Verein mittags 1 Ahr in der „Tonhalle" und mar schiert nach dem Sportplatz in der Meißner Straße, wo Frei übungen, volkstümliche Abteilungs- und EinselwetMmpse statt finden. Gelegentlich einer fidelen Nachfeier mit Tanz ab 6 Ahr im „Adler" werden daselbst die Sieger verkündet. (Vgl. Ins.) Die Vereinigten Kegelklubs von Wilsdruff planen für Ende des Monats die Veranstaltung eines großen öffentlichen Preis- tegelns im „Löwen" mit äußerst wertvollen Preisen. Am die endgültigen Beschlüsse darüber zu fassen, findet Montag abends 8 Ahr im „Lindenschlößchen" eine Sitzung ab. Meldungen zur Meisterprüfung. In den ersten acht Mo naten des Jahres 1925 sind 930 Gesuche um Zulassung zur Meisterprüfung eingegangen. 1924 betrug die Zahl während des gleichen Zeitraumes 719. Bestehen der Meisterprüfung. Die Meisterprüfung nach 8 133 der Gewerbeordnung haben im Bezirk der Gewerhekam- mer Dresden in letzter Zeit bestanden vor der Prüfungskommis sion für Fleischer: Alfred Borsdorf in Dittma n n s - d o r f (Post Reinsberg) und Walter Haub o l d in Wils druff; für Tischler: P a u l S ch mi d t in W il sd r uff; für Wagner und Stellmacher: Walter Erdmann in Lam persdorf (Post Wilsdruff). ! Das Glücksai»mbanä. Roman von Nenttoh. 59) (Nachdruck verkoken.) Hatte er — ohne daran zu denken — das alte Lied chen vor sich hingesummt? Frau Christine Herton horchte jäh auf. Hob sich da -ine Stimme aus dem Dunkel des Einst? „Lassen Sie das Lied!" — sprach sie befehlend. — „Dieses Lied, das so ost an mein Ohr klang! Dieses Lied, das die Christel Altenburger jo ganz bezwang, daß sie alles, alles vergaß!" „Lieder sind Gift, das in die Seele träufelt," fuhr die alte Frau fort, „aber Hans Norbert singt so schön! Und wenn er singt zu seiner Gitarre, da klingt das ganze Zimmer von Lebensfreude, und alles Dunkle wird licht, hell und fröhlich. Er ist viel älter gewesen als die törichte Christel Altenburger, vielleicht doppelt so alt, aber ein schöner Mann von Geist, Feuer, Temperament —" Sie hielt einen Augenblick inne. „Natürlich verstehn Sie nichts davon" — sagte sie Vann wegwerfend. — „Oes petits smvurs" von heute sind ja nichts gegen „la grancle pnssion". Die Männer liebeln mur, sie lieben nicht. Er aber - - Md wen?" Sie lächelte glückselig, und ... Anitttz fast jung und blühend, so stark war der c.ner tiefen, inneren Glückseligkeit, der darauf lag. „Die kleine, junge Christel Altenburger liebte er. Sie ging auf ihren ersten Ball, und das war etwas ganz anderes als heute. Was weiß inan jetzt vom Tanzen? Aber damals l Der schöne Saal, ganz weiß mit Gold. 1Ino die schönen Mädchen mit den weißen und rosa Batistkleidchen, mit gesteckten Locken und den Bänder schuhen, in denen die Füße so winzig klein ausschauten. Und die Herren in den blauen Röcken mit Goldknüpfen. Liebes Kind" — sie wandte sich sicht an Christa, die einen Arm um sie cM-gt hatte —, „ich hab's dir immer ge- fugt. Es ist unnötig, letzt zu ranzen. Man tanzt ja nicht mehr, man jagt. Pfui l Und es gibt keine Männer mehr! Er ging durch den Saal. Sie spielten just ,die Schön brunner' von Lanner. Ah, das war Musik, das war Rhythmus! Und da sah er das junge Bürgersmädchen, das Christel Altenburger hieß" — wieder schweiften ihre Gedanken in eine ferne Zeit, Schatten dämmerten aui und wurden zu Wirklichkeiten, dann fuhr sie fort: — „Es war nur ein einziger Augenblick, Kind, ein Ansehen, hin und her ein Blitz, dann verbeugte er sich und tanzte mit jener kleinen dummen Christel Altenburger; und dann nochmals und nochmals und immer nur mit ihr. Und es gab keinen Saal mehr und keine Menschen und keine Welt, es gab nichts als sie und ibn—" „Und dann —Großmutter? Erzähl' mir mehr von — von Hans Norbert!" — bat Christa, und sie sprach den geliebten Namen aus wie ein Kosewort, was dem scharfen Ohr der alten Frau nicht entging. „Ich will nicht, daß du ihn nennst" — sagte sie mit schwerer Betonung. — „Ich will's nicht! Dich will, ich schützen vor ihm. Ich weiß es zu gut, was leiden heißt, leiden durch einen Hans Norbert. Du sollst nicht leiden! Und auch nie so glücklich sein! Ich duld's nicht. Man wird irre durch die Liebe, ganz irre. So wie jene Christel Altenburger. Die hat ihr ganzes Herz verschenkt und nichts zurückbehalten — nichts. Es hatte freilich auch niemand auf sie geachtet wie ich auf dich. Der Herr Vater?" — Sie lächelte flüchtig! — „Ach du mein Gott! Der hatte seine Bücher und seine Schriften: er war ja Bibliothekarius beim Fürsten Liechten stein. Oder hieß dieser Herr Fürst vielleicht anders?" — Sie legte die Hand an die Stirn. — „Nun, einerlei. Der Herr Vater bat auch eins grancks passion gehabt. Das war die Frau Mutier selig. Acht Jahre hat er um sie gefreit und auf sie gewartet. Endlich Haler sie geheiratet. Und vier Jahre war er so glücklich, wie ein Mensch nur sein kann. Dann ist die kleine Christel zur Welt gekommen, und die Mutter hat ihre schönen Augen zugemacht für immer, wie das Kind zum erstenmal geschrien hat. Auf dem Kind hat schon ein Fluch gelegen. Die Mutter tot. Und der Herr Vater war froh, wenn ihm die Christel nicht in den Weg kam. Ihren Litern Bruder — o ja — den hat der Herr Vater mögen. Der war ja auch nicht schuld daran, daß die junge, schöne Mutter gestorben ist. Aber die Christel. — Und so wächst man halt auf neben- einer alten, grandigen Frau Tant'l Keinq Kindheit, keine Jugend, kein Glück!" Die alte Frau sah Christa fest an. „Jst's dir am End' auch sogegangen neben mir?" —- fragte sie wie unter einer Momenteingebung. — „'s ist freilich hart: Immer nur bei alten Menschen!" Christa schüttelte den Kopf, strich ihr liebreich über d's silberne Haar und wiederholte doch im stillen wie e>i* Echo: „Keine Kindheit, keins Jugend, kein Glück!" „Und dann" — suhr die alte Frau fort — „dieser eine Balll Denn nur ein einziges Mal hat es der Herr Vater erlaubt, daß ich tanzen gehen durfte, und dieses eine Mal war ja auch just zuviel I Man soll das Schicksal nicht herausjordern. Ich hab's getan." Hübinger schob sachte den alten Hausplan näher an die alte Frau heran und begann ganz unvermittelt mit ruhiger, eintöniger Stimme zu sprechen, als sei dies das Natürlichste von der Welt. „Ja, ja" — sagte er behaglich —, „die Liebe! Und die Liebe, Frau Herton, hat dann um die beiden, den ge- ! reiften Mann Hans Norbert und die schöne, junge Christel ! Altenburger, ein starkes Band geschlungen. Sie brauchen mir das gar nicht zu erzählen, ich weiß es schon. Sie hat auch manches von ihm erhalten, so zum Beispiel das eigenartige Armband, die Plaue Schlange', das schon ein mal in einem Grab gelegen —" Die alte Frau suhr auf, als wollte sie etwas sagen, Hübinger sprach jedoch ruhig weiter. (Fortsetzung folgt.) !