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Wilsdruffer Tageblatt
- Erscheinungsdatum
- 1925-08-14
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-192508146
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19250814
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19250814
- Sammlungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1925
-
Monat
1925-08
- Tag 1925-08-14
-
Monat
1925-08
-
Jahr
1925
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt
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zweite MeeiMitt verschiedentlich in Frage gestellt wurden. Leu- weise sind Wiesen, Weiden und Kleeschläge vollständig ausge brannt und ist Mangel an Grünfutter eingetreten. Infolge der Regenfälle zu Ende Juli haben sich die Verhältnisse wie der etwas gebessert, doch steht im allgemeinen nur aus schweren Böden ein noch besriedigendes Ergebnis der Futtermittelernte zu erwarten. Unter Zugrundelegung der Zahlcnnoten 2 - gut, 3 — mittel, 4 — gering ergibt sich im Reichsdurchschnitt fol gende Begutachtung: Winterweizen 2,6 (im Vormonat 2,4), Sommerweizen 3,1 (3,1), Wintcrspelz 2,4 (2,3), Winterroggen 2,5 (2,5), Sommerroggen 3,0 (2,9), Wintergerste 2,5 (2,5), Som mergerste 2,8 (2,9), Hafer 3,1 (3,2), Kartoffeln 2,8 (2,7), Zucker rüben 2,9 (2,8), Runkelrüben 2,8 (2,9), Klee 3,1 (2,7), Luzerne 3,0 (2,7), Pewasserungswiesen 2,6 (2,4), andere Wiesen 3,2 (2,9). GkrosMse Kinder. Von Sanitätsrat Dr. E. Graetzer in Friedenau. Skrofeln sind eine weitverbreitete Kinderkrankheit. Allerdings wird häufig von Laien für Skrofeln gehalten, was etwas ganz anderes ist; die Kinder werden mit „Kuren" gequält, die natürlich ihren Zweck vollständig verfehlen. Andererseits wird leider oft genug das Leiden nicht rechtzeitig erkannt, und arg vernachlässigte Fälle kommen dem Arzt zu Gesicht. Endlich gibt es Ellern, die Wohl wissen, daß ihre Kinder mit Skrofulose behaftet sind, die aber das „bißchen Skrofeln" selbst behandeln zu können glauben oder das Leiden unbehandelt lassen, weil „so etwas ja ganz von selbst ausheilt." Daß diese Meinung eine irrige ist, wird zu spät erkannt. Freilich gibt es leichte Fälle, die Wohl auch einmal von selbst ausheilen, Fälle, wo das Leiden edlere Organe ver schont. Aber vernachlässigt, können auch diese Erkrankun gen äußerst schwere, später unheilbare Veränderungen Her vorrufen, edle Organe können völlig der Zerstörung an heimfallen nnd solche Kinder zeitlebens Krüppel bleiben. Skrofulose ist ein Leiden, das in den verschiedensten Organen, in den Drüsen, an Haut, Knochen, Auge, Ohr, Nase, Lungen usw. sich festsetzen kann. Bald ist es dieses Organ, bald jenes, das hauptsächlich befallen wird, oft werden mehrere in Mitleidenschaft gezogen. Und zwar beginnt die Krankheit in dem einen Falle an der Haut, in einem anderen an den Knochen oder an der Nase — das ist ganz regellos. Am häufigsten zeigen sich im allgemeinen die Krank- heitserfcheinungen an den Drüsen, welche anschwellcn. Vor allem sind es die Halsdrüsen, am Kieferwinkel, auch die unter dem Kinn und an den seitlichen Hals partien, am Nacken, welche sich vergrößern, meist ohne be sonders zu schmerzen (mitunter ist allerdings mehr oder weniger starke Empfindlichkeit gegen Druck vorhanden). Diese Drüsenknoten können klein bleiben, nicht selten er reichen sie aber erhebliche Größe, so daß ganze Drüsen pakete sicht- und fühlbar werden. Auch die Drüsen in der Achselhöhle, an den Leistenbeugen usw. können in dieser Weise erkranken. Nun muß man aber nicht glauben, daß geschwollene Drüsen in jedem Falle „Skrofeln" bedeuten. Wenn jemand einen harmlosen Ausschlag im Gesicht oder auf dem Kopf ' hat, so können die Drüsen am Halse ebenfalls größer werden. Ebenso führen schlechte Zähne, kleine Verletzun gen (z. B. das Durchstechen der Ohrläppchen bei Mädchen) und manches andere zu Drüsenanschwellungen am Halse. Es ist dann Sache des Arztes, festzustellen, ob Skrofulose vorliegt oder nicht. Meist zeigen sich auch Zeichen des Leidens noch an- derswo, z. B. an der Haut, wo Ausschläge, Flechten, Geschwüre, Eiterblasen, Furunkel auftreten, mit Vorliebe an Gesicht und Kopf. Bei anderen Kindern sind es mehr Nase und Rachen, wo die Skrofulose in Erscheinung tritt. Hartnäckiger Schnupfen, chronische Rachenkatarrhe entwickeln sich, und auch die äußere Nase wird allmählich dick, an den Nasenlöchern haften gelbgrüne Borken, welche kleine Geschwürchen bedecken. Solchen Kindern sieht man es von weitem an, daß sie skrofulös sind, besonders, wenn auch die Augen angegriffen sind: die Augenlider sind dann gerötet und verdickt, die Kinder vermögen nicht ins Licht zu sehen, die Augen tränen. Sind dann noch — wie es oft der Fall ist — die Lippen verdickt und aufgeworfen, so hat man ein Bild der Skrofulose vor sich, das kaum zu verkennen ist. Andere skrofulöse Kinder bieten allerdings die ge nannten Erscheinungen am Kopfe nicht dar und unterschei den sich beim ersten Blick kaum von normalen. Ja, sie können rote Backen haben und wohlgenährt erscheinen. Allerdings erkennt man bei näherem Zusehen meist, daß Liebeszauber. Roman von Oswald Bergener« L3j (Nachdruck verboten.) Am nächsten Abend betrat er das grüne Schatten reich des Hauses mit den dorischen Säulen. Wie es ihm jetzt sn seinen schattenhaften Linien, von ungewissem Licht gestreift, stumm entgegengrüßte, erschien es ihm aus inni ger Vereinigung altgermanischer Kraft und griechischen Formensinns erwachsen. Der Schein der Straßenlaterne erhellte nur den vor deren Teil des Gartenweges. Dahinter hatte der Voll- mond sein stilles Geisterreich. Silberblaue Lichtstreifen rieselten durch das dichte Laub der Kronen auf den sanft ansteigenden Boden. Regten sich die Blätter im Abend- Hauch, so begann ein Elfenschweben im Tanzreihen, um so gleich wieder stillzustehen und mit großen glänzenden Augen auf den Eindringling zu starren. Vor ihm auf der hügeligen Erhöhung streifte das Mondlicht die wuchtig strebenden Steinsäulen und glitt scheu an dem dunklen Innern vorüber. Durch die geschlis senen Glasscheiben der hohen Flügeltür schimmerte der ge dämpft« Rosenschein einer Ampel heraus. Als er die breiten Sandsteinstufen zur Vorhalle betrat, siel sein Blick links hinüber in den von Parkbäumen hoch umrahmten Gartenplatz. Aus dem von Efeu und Farn kraut üppig bewucherten Steinbrunnen schoß die lebendige EUbrrsäule eines Wasserstrahls in die Mondluft und fiel als ein glitzernder Sternenschleier in das Felsgewucher zurück. Er sah ein Märchen und stand von dem Anblick be- zaubert. Eine leise Bewegung vor ihm in der dunklen Säulen- Halle lenkte ihn ab. Er wollte die letzte Stufe rasch hinauf, schreiten — und erblickte die aus dem Schatten hervor- iretende weiße Gestalt, in deren Seele Johannistraum und Brockenfeuer so tief vermauert lagen wie in der sei- nigen. das Gesicht aufgedunsen, schwammig ist, man findet, daß die Muskulatur eine auffallende Schlaffheit besitzt. Viele skrofulöse Kinder sind schlecht genährt und blutarm, so daß Haut und Schleimhäute blaß aussehen. Wird vorhandene Skrofulose nicht rechtzeitig und energisch behandelt, so können bestehende Krankheitser scheinungen leichteren Grades so an Ausdehnung ge winnen, daß gewisse Gefahren entstehen; es können neue, schwer ins Gewicht fallende Symptome auftreten, welche ebenfalls eine augenblickliche Gefahr bedeuten und even tuell üble Folgen zurücklassen. Ungemein häufig vereitern die Drüsen, es kommt zu langdauernden Geschwüren; finden nicht größere Operationen statt, so kommen die Kinder durch die immer weitergehende Eiterung sehr herunter und behalten oft große, höchst unangenehm entstellende Narben für ihr ganzes Leben zurück. Hautausschläge im Gesicht setzen sich nicht selten auf die Augen fort, wo sich Entzündungen, Geschwüre bilden, Hornhauttrübungen zustande kommen, eine starke Beeinträchtigung des Sehvermögens eintritt, ja das ganze Organ bisweilen zerstört wird. Vom Nasenrachen können die skrofulösen Erscheinungen sich nach dem Ohr fortpflanzen; auch hier kommt es dann nicht selten zur Eiterung, zur Vernichtung des Trommelfells, und Schwer hörigkeit oder gar Taubheit ist fürs ganze Leben die Folge. Aber auch ein Teil der Nase selbst geht manchmal zugrunde, so daß grobe Mißgestaltungen zurückbleiben. In anderen Fällen erkranken die tieferen Luft wege, chronische Luftröhrenkatarrhe, ja Lungen, schwindsucht entwickeln sich. Die Neigung zu tuber kulösen Leiden ist überhaupt stark hervortretend, und bei nicht sachgemäßer Behandlung der Skrofulose im Kindes alter sind die Betreffenden auch im späteren Leben häufig der Gefahr ausgesetzt, schwindsüchtig zu werden. Fügt man noch hinzu, daß auch Knochen und Gelenke durch die Skrofulose arg bedroht sind, daß schwere Knochenentzündungen und Knochenmarkseiterun gen Vorkommen, die mit Verkrüppelungen oder gar tödlich enden, so muß man schließen: die Skrofulose ist keinharmlosesLeiden, und Eltern, die ein skrofu löses Kind ohne ärztliche Behandlung lassen, nehmen eine schwere Verantwortung auf sich. * vennifchtes . ? Die Schlange als Armband. In Paris feiert eine neue Modetorheit Triumphe. Es handelt sich um ein eigenartiges „Armband", das weder aus Gold noch aus Platin noch aus irgendeinem andern Metall ist, und das man vergeblich in den eleganten Juwelierläden suchen würde. Das neue Armband — lebt nämlich: es ist eine kleine grüne Schlange, die ganz harmlos ist und sich ohne Widerstand um den Arm der Pariser Modedamen schlingen läßt. Eine amerikanische Tänzerin Namens Mary Miller hat die merkwürdigen Schlangenarmbänder in Paris ein geführt. Anfangs fanden sich nur wenig mutige Damen, die die Modetorheit mitmachten. Plötzlich aber änderte sich das Bild, und die wenigen Spezialgeschäfte, in denen neben anderen exotischen Tieren die kleinen grünen Schlangen zu haben sind, wurden von den Modedamen, die unbedingt ein Armband L la Miller haben mußten, geradezu belagert. Es trat infolgedessen eine Hausse in grünen Schlangen ein, und heute ist ein solches „Arm band" beinahe teurer als eins aus edlem Metall. Hoffen wir, daß diese närrische Mode nicht eines Tages auch zu uns gelangt. Material dafür hätten wir allerdings, denn es gibt z. B. in Schlangenbad eine besondere Sorte kleiner Schlängchen, die sich zu Armbandzwecken sehr gut eignen würden. Neuer Bolksstamm. Eine sibirische Expedition der Moskauer Akademie der Wissenschaften und der Russischen akademischen Gesellschaft hat einen neuen Volksstamm, der die Ufer des Nuraflusses bewohnt, entdeckt. Die Sprache und das Äußere dieser Menschen unterscheiden sich voll kommen von der Sprache und dem Äußern der die Gegend nm die Mündung des Nura- und des Tasflusses be wohnenden Samojeden. Der neuentdeckte Volksstamm unterscheidet sich von den blonden Samojeden durch seine schwarzen Haare. Die Samojeden nennen sie „Wald menschen", während diese Eingeborenen selbst für sich keinen, anderen Namen als „.Menschen" haben. Sie sind Nomaden, und ihre Zahl beziffert sich aus kaum meyr ais Seelen. Bisher war noch kein Europäer in ihr Gebiet eingedrunaeu. Tödliche Fliegerunfälle. Während eines Beob achtungsfluges für das meteorologische Institut stürzte aus dem Militärflugplatz Kjeller (Norwegen) ein Flug- zeug aus beträchtlicher Höhe ab. Die beiden Insassen, der Fliegerleutnant Arentz und der Meteorologe Cal- wagen waren sofort tot. Das Flugzeug wurde völlig zertrümmert. — Aus dem Flugplatz von Centocelle bei Rom ist ein Flugzeug beim Landen gegen die Drähte der elektrischen Leitung gestoßen und zu Boden gestürzt. Der Pilot, ein bekannter Fliegerhauptmann, sprang vom Flugzeug ans einige Meter herab, konnte sich aber nicht retten, da das Flugzeug auf ihn fiel und ihn tötete. Ein Denkmal für Adam. Ob die Nachwelt bei all den Kläglichkeiten, die mit dem Menschsein verknüpft sind, einen dringenden Grund hatte, dem Urvater der Menschen durch ein posthumes Denkmal besondere Anerkennung zu zollen, mag dahingestellt bleiben. — Tatsache ist, daß man vor kurzem in einer der Parkanlagen von Philadelphia dem alten Adam ein Monument errichtet hat. Die sieben Meter hohe Statue weist auf dem Sockel folgende Inschrift auf: „Dieses Denkmal, das erste in der Neuen Welt, ist Adam geweiht, dem ersten Menschen, als Zeichen der Dank barkeit später Jahrtausende." Unter der Inschrift steht man eine Sonnenuhr mit der Aufschrift: „Lio trausit Aloria munäi." (So vergeht die Herrlichkeit der Welt.) Ler Schöpfer des Denkmals, der amerikanische Bildhauer Brady, erklärte, daß er es geradezu skandalös gefunden habe, daß bisher noch niemand auf den Gedanken gekom men sei, den ersten Menschen durch ein Denkmal zu ehren, wo doch so viele überflüssige Denkmäler für Staatsmänner, Heerführer usw. errichtet würden. Brady hat übrigens auch den Geburtstag Adams festgestellt: es ist der 28. Ok- tober. Auf Grund welcher Berechnungen er das heraus bekommen hat, wissen wir nicht. Es ist aber beschlossen worden, daß das Denkmal am 28. Oktober als an dem Geburtstage unseres Stammvaters eingeweiht werde. Harold Lloyd mit den fünfzehn Sekretären. Wer je ein Kino besucht hat, kennt die amerikanische Filmgrötze Harold Lloyd mit der großen Hornbrille und den Clown späßen. Charlie Chaplin ist berühmt, aber Harold Lloyd ist, wie es scheint, noch um etliche Längen berühmter, wenn man nach den Gagen, die er verlangt und erhält, urteilen darf. Bewundernd erzählen die Kinokenner, daß ihr Harold in der Woche so ungefähr 40 000 Dollar verdiene. Selbst wenn dieses Honorar durch ein Vergrößerungsglas gesehen worden sein sollte, scheint Harold Lloyd immer hin soviel zu verdienen, daß er anständig durchkommen kann. Er lebt aber nicht bloß anständig, sondern sogar sehr anständig und bringt das Geld, das er verdient, wieder unter die Leute. So hält er sich z. B. nicht weniger als fünfzehn Sekretärei Weiß Gott, was der komische Mann zu schreiben haben mag! Einen kleinen Rest seines Geldes aber bringt er an der Börse unter, und er macht das offenbar sehr geschickt, denn er soll sich bereits mehrere Millionen Dollar erspekuliert haben. Inzwischen ist der kleine Jackie Coogan, auch eine von den Filmgrößen, unter die Petroleumkönige gegangen: sein betriebsamer Herr Papa hat ihm in Kalifornien zwei Petrolenmgruben gekauft — erzählen die amerikanischen Filmzeitschriften. Unsere Umgangsworte, über die Herkunft einer ganzen Anzahl unserer Umgangsworte macht der Berliner Universitätsprofessor Kuntze interessante Mitteilungen. Einige seiner Nachweise seien hier wiedergegeben. Das vielgebrauchte Wort „auf die lange Bank schieben" ist ein Furistenausdruck aus der Römerzeit — auf der langen Bank lagen nämlich die zu erledigenden Aktenstücke. — Bis zum Überdruß ist das Wort „Pazifizisten" (meist in „Pazi fisten" verstümmelt) in den letzten Jahren in unsere Ohren gedrungen. Man nannte im Kirchenstaat so um 1500 ruhige Bürger, die sich bemühten, die Ordnung aufrechtzuer halten, und dieserhalb . . . bewaffnet ausgchen durften!- ' Für eine Erfindung des modernen Leitartikels halten wohl manche den „Staat im Staate", nachdem Zieses Wort in den letzten Jahren allen Parteien so ausgiebig als Waffe im politischen Kämpft gedient hat. Der Vater dieses Wortes ist aber Johann Gottlieb Fichte, der in seinen Bei trägen zur Berichtigung der Urteile des Publünms über die französische Revolution die Juden einen „Staat im Staate" genannt hat. Das Wort „Drohne" in der Be- oeutnng „Nichtstuer, unnützer Fresser" findet sich bei dem griechischen Philosophen Plato, wo man auch „das Tier im Menschen" entdecken kann. Das stille rötliche Licht, das aus der Diele heraus leuchtete, umrahmte die umschattete Figur. Bet seiner raschen Bewegung trat sie leicht zur Seite. Zwei dunkel glänzende Augen blitzten ihm gespannt ent gegen, der Widerschein des Mondlichts hielt sich darin blitzend gefangen und erhellte matt das liebliche Antlitz. Erziehung und Reife engten ihre rasche Bewegung ein. Aber doch streckte sich die Hand der seinigen so froh entgegen wie einst im Dämmerschatten der Heimatlinden. „Ich wollte Ihnen nur danken, Herr Landsmann/ sprach ihre erregte, mit ihrem leisen Singen so unbeschreib lich anheimelnde Stimme, „das rechtfertigt gewiß meine Wegelagerer." Er lauschte wie auf eine ferne, seit langem ver schollene, nun wieder aus unendlichen Tiefen hervor rauchende Musik und hörte den entflohenen Glockenklang auf sonnigen waldumkränzten Heimatbergen. Mit hefti ger Bewegung beugte er sich über die warme kleine Hand, die sich wie ein Schicksal aus dunklem Tannenraum von neuem in die seinige schmiegte, und küßte sie ungestüm. „Mir danken?" sagte er, sich wieder aufrichtend, hielt die Hand fest, die die seine innig umschloß, und blickte ihr mit heißen Augen nahe in das vom Mondschatten fein umdämmerte Gesicht. Die gemeinsame Erinnerung wanderte vom Auge zum Auge und vom Herzen zum Herzen. Bis sie endlich mit einem tiefen Aufatmen ihm ant wortete: „Ich danke Ihnen, daß Sie das Sonnenbrennen des Brockenseuers noch immer in Ihrer Seele tragen. Ich habe es wieder aufblühen sehen in Ihrer lebendigen Schilderung aus dem Parke von Dieskau. Dort sahen Sie die Sonne hinter der Waldharfe in Feuerflammen unter gehen, und als sie Zoll um Zoll versank, stieg in Ihnen die Erinnerung an das uralte Sagenfeuer auf dem Brocken gipfel herauf. Und wie die Uhr vom Schloßturm die Abendstunde schlug, hörten Sie in ihrem Hellen Schall den Klang der Zellerfelder Turmuhr aus den tiefen Stein klüften der Vergessenheit wieder lebendig Ihnen gemein sam von den Harzhöhen heraufquellen. Als ich dies las, habe ich mit Ihnen aemeinsam von den Harzhöhen wieder in das ferne rotgoldene Blitzen schauen dürfen, dafür danke ich Ihnen!" Sie stand aufrecht, leicht zurückgeneigt vor ihm, noch immer mit ihm Hand in Hand. Es lag etwas unbeschreib lich Herzliches in der Art ihres Dankes, er fühlte den! raschen, heftigen Druck, aber gleich darauf war ihm die Hand enischlüpft. Dann war die weiße Gestalt in einer Seitenpforte der Vorhalle verschwunden. Der Abend im Heim des Professors Dr. Schütze ging wie ein Traum vorüber; kaum daß ihm bestimmte Bilder davon im Gedächtnis blieben. Sie sang Lieder von Robert Franz und er begleitete sie am Flügel. Sie sagte ihm, daß der ehrwürdige Halltsche Liedermeister ein Freund ihres Vaters sei. In seinen, Wolframs, Augen aber glühte der stille Gedanke e u sein Eigenes Lied. Was alles wirbelte hier durch sein Hirn und Herz, da sie ihm so nahe stand und der Quell ihres Innersten ihn umzauberte und er begeistert hörte, wie sich aus ihrem gestrigen halb kind lichen Mädelgesang unter dem Johannisbaum diese in Höhen und Tiefen glockenklare Liederstimme entfaltet hatte. Als ob sie damit Geister zu zitieren vermöchte, stand plötzlich der schwerhörige, weißköpfige Robert Franz in eigener Gestalt in der Tür und wurde mit Freuden be grüßt. Wie einst beim Großvater Dorfkantor im herbstleuch- tsnden Harzdorf am alten Tafelklavier, so fanden sich die Harzer Erdenfahrer hier am Flügel. Robert Franz saß dem Professor gegenüber im bequemen Polsterstuhl beim Glas Rotwein, hielt die Hand ans Ohr und sah und hörte ihnen lächelnd zu. Doch hatte er seine eigenen Gewohnheiten, nahm Ab schied und ging wieder bedächtig davon, als für den jun gen Gast und Studiosus, wie der cisenbärtige Professor erklärte, die Stunde des Heimgangs noch lange nicht ge kommen war. Was und wovon man sich unterhielt bei Zigarre und Wein, es blieb davon nichts zurück wie der tiefe Ein druck, als seien alle Menschen- und Geisterstimmen des Oberharzes in dem lichten roten Gemach der Villa mit den dorischen Säulen lebendia aeworden. lKori« wra^.
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