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jlm deimilcden fierd! llntervsttungrbeNage rum „ÄUsüruNer Lsgeblatt" — Kmtsvlstt. j HanZ Urian. Von Max Geißler. Hans Urian, der Sperber, war ein weitgereister Herr. Sehr elegante Erscheinung. Er trug einen schwarzgrauen Frack. Dazu hellfarbige Beinkleider und Weste mit dunkel rostroten Ouerstreifen. Eine lichte Krawatte, in die ein ge fälliges Strichmuster eingewirkt war, vervollständigte seinen Anzug. Trug sich wie einer aus der Gesellschaft. War zuletzt aber weiter nichts als ein gottvergessener Hochstapler und Tagedieb. Geboren war er im Ural. Dort hatte ihn ein Mensch aus dem Neste gehoben und zur Beiz' abgerichtet. Auf Wachteln. Aber auch auf Lerchen und Finken. Solch ein Mensch kann mit Hilfe eines gefiederten Jägers, wie es Hans Urian war, an einem Nachmittag einen ganzen Korb kleiner Vögel erbeuten. Im Dienste dieses Wilderers war Hans Urian ein sehr brauchbarer Gesell geworden. Auch auf Drosseln — im Herbst, wenn sie rund sind wie die Rollmöpse. „Hans Urian, mein Freund," sagte sein Herr im November- anfnng zu ihm, „du hast mich seit dem Spätsommer ernährt. Du bist ein fixer und tüchtiger Junge. Aber siehst du, den Winter über könnt' ich dich nur mit Mäusen oder Roßfleisch füttern. Würde dir das behagen? Nein; denn du bist ein Feinschmecker. Und wenn ich dich im nächsten Jahre wieder zur Beiz' tragen wollte, wäre dein fröhliches Iägerherz wohl am Verblühen. Darum, Hans Urian, fahr wohl! Du bist von heut an selbständig. Ich schenke dir die Freiheit." Hans Urian verstand diese Rede natürlich nicht bis zum letzten Wort. Er schwang sich von der Hand des Wilderers auf einen nahen Baum und versuchte, in die Runde zu äugen. Er versuchte es. Denn es war dickes Wetter. Die Welt sah fürchterlich öd aus. Nebel standen — sie flatterten nicht ein mal. Weder ein Karnickel noch ein Eichhörnchen war zu sehen. Und keine Wachtel schlug im Feld. „Was soll denn das heißen?" Nun, er hatte ja allerlei Kenntnisse erworben. Oh, er getraute sich, den Kampf mit dem Leben allein aufzu nehmen. Irgendwo über ihm in dem grauen Gewimmel der Nebel piepte eine Reisegesellschaft von Finken in raschem Fluge vorüber. Südlandfahrer. Zu sehen war natürlich nichts. „Merkwürdige Geschichte," sagte Hans Urian. Zum erstenmal in seinem Leben war er auf Mutmaßungen be schränkt. Wenigstens was seine Augen angingen. Zu hören war natürlich mancherlei. Zum Beispiel: es unterhielten sich im Nebel ein paar Krähen. „Sehr unangenehm," sagte der Krähenmann. „Ich pfeife auf dies dicke Wetter. Nicht einmal ein warmes Früh stück kann man haben." „Da muß man sich mit den Vorräten bescheiden," sagte die Krähenfrau. „Hä! Vorräte!" „Siehste, hab' ich es dir nicht immer gesagt? Hättest du doch für die schmalen Tage gesorgt." „Ach, hattest du — hättest du!" „Na, ich will mal nicht so sein! Ich habe gestern dem Bauern einen Käse gestohlen und unter dem Schlehenbusche aufgehoben. Den werden wir frühstücken. Komm!" Die Unterhaltung ward an anderer Stelle fortgesetzt. Offenbar unter dem Schlehenbusch. „Teufel auch!" sagte die Nebel- krähe verärgert. „Ich weiß doch ganz genau, hier halt' ich den Käse hingelegt. Und jetzt ist er fort. Mußt du nun da- nebenstehen und den Schnabel aufsperren? Hilf suchen!" „Ich suche ja schon!" behauptete der Mann. „Das wäre mir auch ein Suchen!" „So mach' deinen Kram allein! schalt er. „Lächerlich! Den Käse hat einfach die Elster gemaust." 4 Hans Urian auf der Erle hatte nicht übel Lust, eine Unterhaltung mit den Krähen anzuknüpfen. Er wollte Vor schlägen, die diebische Elster zu überfallen. Aber er war zu unbeliebt bei den Krähen. Und schlechte Laune hatten die überdies. Da wippte hoch Uber ihm wieder ein Finkenflug durch den Nebel. Hans Urian war von raschem Entschluß. Er stieg aufs Geratewohl empor. Dann pfeilte er in der Richtung, in der die Finken gezogen waren, vorwärts. Immer nach Süden. Er sah den Weg, den die Finken ge nommen hatten, an dem quirlenden Gewölk. Kein Windlein atmete in der rauchgrauen Trübseligkeit. Eine ungeheure Abenteurerlust erfaßte den Sperber. Zwar hatte er auch noch nicht gefrühstückt, aber das verschlug ihm nichts. Der Freiheit Hauch wehte ja sehr durch die Welt. Auf dieser Reise kam Hans Urian nach Aegypten. Er kam auch nach Algier. Den Winter über trieb er sich an den blauen Bergen des Atlas umher. Und im Februar segelte er wieder über das Meer. Er reiste da nach Deutschland. Hinter den ersten Starenflügen her, hinter den Lerchen und hinter den dreieckigen Flugbildern der Wildenten. Da war der Strolch und Spitzbube, der Wegelagerer und inter nationale Hochstapler fertig in ihm. Er traute sich nun alles zu, was ein richtiger Meisterdieb verstehen muß. Jetzt ver zehrte er im Monat wohl an hundert Vögel. Glückte es auf Wachteln, so war sein Bedarf natürlich geringer. Er hatte sich entwickelt ganz seiner kolossalen Begabung gemäß! Zweierlei Bestimmung. Skizze von Hans Waldau. Hart an der Chaussee steht eine kleine Kapelle, weiß ver putztes Mauerwerk, in der Wölbung darin unter naiv gemaltem Himmel ein bunt verzierter Altar, frische Blumen darauf und kleine Sprüche an den Wänden. Die Kapelle gehört dem St. Anton und hat eigentlich gar nichts mit der Straße und den vielen Menschen zu schaffen. Die kommen in Wagen und Automobilen gefahren, um das große Schloß zu besichtigen und in dem Gasthof, der gerade gegenüber der Kapelle liegt, zu essen und zu trinken und Karten zu schreiben. Mit den Wagen, die die Ausflügler aus ziemlich weit ent fernten Badeorten bringen, pflegt auch die Post für den Gastwirt zu kommen; denn die wenigen Menschen, die in den vier oder fünf anderen Häusern wohnen, erhalten wohl selten nur eine Nachricht. Heute aber tra' das Ungewöhnliche ein, daß der Wirt bei der Post einen Brief für die Kreszenz Dieringer fand, den er ihr durch eine Magd herübertragen ließ. Die Kreszenz schrie auf, zerriß den Umschlag, las mit bebenden Lippen, und weinte und lachte zugleich, während die Magd noch verwundert dabei stand. „Marthel", rief sie mit einer Stimme, die vor Erregung flatterte, „er ist gesund! Denke dir, mein Junge ist gesund! Tag und Nacht habe ich gebetet und gebangt, keine Ruhe habe ich mehr gehabt; sechs Wochen lag er im Krankenhaus, und ich konnte nicht einmal zu ihm! Ich konnte nur immer hoffen und beten — und nun, Marthel, kommt er bald." Als die Tische vor dem Gasthof leerer geworden waren und die Fremden staunend das hinter den alten Bäumen des Parks verborgene Schloß besichtigten, sah man die alte Kreszenz über die Chaussee trippeln; ohne sich umzusehen ging sie auf die kleine Kapelle zu und kniete im Schatten des Daches auf dem zerfurchten Holz vor dem Kruzifix. Als sie ausstand, zog sie unter der Schürze ein kleines Schildchen aus Pappe hervor, ein billiges, buntes Ding mit einer schwarzen Schnur, und hing es an einen der vielen im Gemäuer steckenden Nägel. Dann ging sie mit glücklich heiterem Gesicht wieder in ihr Haus zurück. Aus dem Schildchen aber stand gedruckt: „Der heilige Antonius hat geholfen." Unter den Fremden, die bald darauf aus dem Park zurückkamen, war auch ein großer, wohlgenährt aussehender Herr in einem eleganten, neuen Touristenanzug. Die Zigarre im Mundwinkel, schlenderte er an dem Kapellchen vorbei, blieb stehen und sah geringschätzig auf den primitiven Schmuck. Dann trat er, als werde er sich plötzlich einer Pflicht bewußt, über die Holzstufen, zog einen starken Blei stift hervor und schrieb ab. die weißgetünchte Wand: „Fritz Meyer, Berlin, 25. 7. 25." Als er dies getan hatte, wandte er sich um, schrie laut über den Platz: „Chauffeur, wie lange trinken Sie denn noch? Wir wollen weiter!" — und stieg in seinen Kraftwagen mit der Miene eines Herrschers, für den allein dies alles nur geschaffen ist. kleine geküklvo^ MÄtung. Von Otto Buchman n. Was ist in deiner Stimme, Das mich so tief erschüttert? Heine. In der Dämmerung kam der Dichter von kurzem Spaziergange nach Hause. Auch der ziellose Schlsnderweg hatte nicht vermocht, in das Chaos wüster und wilder Gedanken Ordnung zu bringen. Der neue Stoff wollte trotz aller eruptiven Gärung sich nicht in eine logische Ordnung künstlerischer Form zwingen lassen. Einflüsse von draußen drängten zu stark auf des Dichters Empfinden. Wie ekelhaft alles war, überhaupt das ganze Leben, diese nie abreißende Kette widerwärtiger Möglichkeiten. Früher, wie er sich noch als unbekannter Redakteur in kleinen Provinznestern umhertrieb, waren es pekuniäre Nöte. Die ließen sich ertragen, überwinden. Mit dem Alltag kann man stündlich Kompromisse schließen. Ein Narr, wer es nicht kann! Kompromisse mit seelischen Dingen waren schwieriger. Wie unsagbar häßlich diese ganze, von ihm in Szene gesetzte Ehescheidung! Nun lebte die Frau, die noch seinen Namen trug, da irgendwo in einer Großstadt, oder hatte ein neues Engagement als Sängerin. Was wußte er! Briefe flogen von Anwalt zu Gegenanwalt. Ein kleiner Ball war mut willig ins Rollen gebracht und lawinenartig angeschwollen. Sich, wie früher, mit gereifter Gelassenheit auf künstlerische Dinge einzustellen, war dem Dichter nicht mehr möglich, so lange diese Prozeßkette seiner Ehescheidung am Fuße klirrte. Mochte den Verleger der Teufel holen und seine Verlags verträge dazu. — Der Dichter warf den Halter auf den Tisch, zerriß den Bogen mit den paar wild dahingeworfenen Zeilen und griff gedankenlos zum Radioapparat. Matt schimmerte das Silberlicht der Röhren auf. Der Dichter drehte die Stations skala. Knattern, Brummen. Dann ein Zischen. Ein „Rück koppler" trieb da wieder Unfug. Dann tönte Orchesterklang auf. Irgendein abgedroschener Jazz. Der Dichter suchte weiter. Plötzlich ertönte eine sonore Männerstimme. Nur die letzten Worte vernahm der Dichter: „.... gesungen. ,Traum durch die Dämmerung' von Richard Strauß." Stille. Leises Einsetzen des Klaviers. Dann begann es: „Weite Wiesen im Dämmergrau . . ." Wie es dem Dichter durch die Seele riß! Das Lieblings lied seiner Frau! Sein Lieblingslied! In aufflutendes Sehnsuchtsempfinden jagte ein Schrecken. Er kannte doch die Stimme, die das Lied sang: „Das war doch? .. . das war doch?" Wie zarter Duft klang die Frauen stimme da irgendwo Hunderte Meilen von dem einsamen Hörer getrennt. Dann die Schlußverse: „... Durch Dämmer grau in der Liebe Land — In ein mildes, blaues Licht." Dann wieder die sonore Stimme des Ansagers: „Frau Kammersängerin L singt ferner noch . . ." Der Dichter nahm die Hörer ab. Er tat alles mechanisch. Wie ein Nachtwandelnder, unter einer Hypnose Stehender. Packte den Handkoffer, schlug im Kursbuch nach. Nur schwach schob sich ins Bewußtsein der Gedanke: „Alles ist Wahnsinn, was du tust, was du tun willst!" Aber eine zweite Stimme war stärker. Die sprach: „Und wenn du bis an das Ende der Welt fliehen und tausendmal sagen würdest: Ich bin frei von ihr, ich hasse sie, die jetzt noch meine Frau ist, aber in Kürze nicht mehr sein wird! . . . Du bist ja nicht frei von ihr, du hassest sie nicht, du kommst niemals los von ihr. Denn dein Haß ist Liebe! Liebe und Haß sind Geschwister! Vom „Liebeshaß" spricht Strindberg!" Als der Dichter im Auto nach dem Bahnhofe fuhr, gingen ihm die Stimme und das wundersamste Lied nicht aus den Gedanken . . . Die Fahrkarte, die sich der Dichter löste, lautete nach der Großstadt M Von dort waren Stimme und Lied ge kommen, wie die Skala auf dem Radioapparat anzeigte. Und in der Großstadt angekommen, würde es ein leichtes sein„ die Sängerin zu finden. Seine Frau!... Und alles würde gut werden! Nordamerika als krädebenlanä. Von R u d o l f H u n d t. Die nordamerikanischen Erdbeben konzentrieren sich immer nur auf die Westküste des Kontinents. Sie sind keine vulkanischen Erdbeben, sondern ihrem Charakter nach gehören sie zu den sogenannten tektonischen Beben. Sie hängen dem nach eng mit dem Bau der Erdrinde zusammen. Nun ist im allgemeinen der geologische Bau Nordamerikas ziemlich ein fach. Die höchsten Gebirgsketten durchziehen Nordamerika von Norden nach Süden in sogenannten Meridionalketten. Diese Gebirgsketten häufen sich an der Westküste und deshalb ist diese auch am meisten von Erdbeben heimgcsucht, während das Innere des Landes im gewissen Hinne erdbebenarm ist. Dazu kommt noch, daß die Nähe des Pazifischen Ozeans mit seinen Großbebenherden sowohl seine Ostküste (Nordamerika), als auch seine Westküste (Japan) mit Erdbeben beunruhigt, t Man nennt die westlichen Gebirge Nordamerikas Kor dilleren. Sie sind im Erdmittelalter durch Faltungsvorgänge der Erdkruste entstanden und wurden im darauffolgenden Tertiärzeitalter, de^ sogenannten Braunkohlenzeit, erneut gefaltet. Durch diese letzten Faltungsvorgänge wurden den alten Gebirgsketten neue hinzugefügt und die so entstandenen Spannungsverhältnisse sind auch heutzutage noch nicht völlig beseitigt, so daß sich in den Kordilleren solche Entspannungs- erscheinungcn in Form von Erdbeben häufen. Diese Kordilleren beginnen schon auf der Inselgruppe der Aleuten. Die Tiefseerinne, die sich in der Nähe dieser Inselgruppe vorfindet, ist berüchtigt durch einen Erdbeben herd, der schon wiederholt Veranlassung zu sogenannten Weltgroßbeben gegeben hat. In Alaska und dem Kaskaden gebirge treten Erdbeben seltener auf. Erst vom 45. Breiten grads nach Süden hin kann man eine bedenkliche Zunahme von Erdbeben wahrnehmen. In den kalifornischen Kordilleren letrügt die mittlere Iahreshäufigkeit gefühlter Erdbeben 80. Davon sind 0,8 schwere Beben. Durch den Erdbebenmesser sestgestellte schwerere Beben erlebt das Gebiet 0,5 im Jahre. Nach dem mexikanischen Hochschollengebiet sind die kalifor nischen Kordilleren das Haupterdbebenland des nord amerikanischen Kontinents. Kalifornien war auch der Schauplatz des großen Bebens der letzten Iunitage. Das ist insofern nichts Auffälliges, da sich gerade in den kalifornischen Kordilleren im Gebirgsbau Anzeichen erbeben, die besagen, daß das Land an dieser Stelle noch nicht zur Ruhe kommen konnte. Das Gebiet ist im fortschreitenden Einbruch unter das Meer begriffen. Hier kreuzen sich zwei Gebirgsspaltungssysteme. Dadurch sind zahlreiche Querbrüche entstanden, die noch Jahrhunderte von Jahren brauchen, um entspannt zu werden. Besonders reich lich sind mit Erdbeben das Goldene Tor, das Santa-Clara- Tal, das Kalifornische Tal, der Querbruch von Los Angeles (der Schauplatz der letzten Iunibeben), der Golf von Kalifor nien bedacht. - . Während im nördlichen Teil der Kordilleren die Erdbeben sich nicht häufen, beträgt in diesem Gebiete die mittlere Iahreshäufigkeit achtzig Erdbeben und auf fünf Jahre ver teilen sich vier schwere Beben, von denen eins in den letzten Iunitagen die kalifornische Landschaft heimsuchte. 6eäenke äes Ioäe8, äamit er äick nickt ins Unreckt setrt. Von Ilse Franke. Fast an jedem Totenbette steht in irgendeiner Gestalt die Neue und vergiftet uns den Schmerz um den Gestorbenen und oft unser ganzes ferneres Leben. Glühend fällt es uns aufs Herz, wie wir den Heimgegangenen gekränkt und ver nachlässigt haben, wie viel mehr Liebe, Freude und Hilfs bereitschaft wir ihm hätten geben können, ohne daß es uns mehr gekostet hätte als ein bißchen guten Willen, Herzens freundlichkeit und Ueberwindung unserer Selbstsucht und Bequemlichkeit. Das bittere Wort: „Zu spät! Unwieder bringlich zu spät zum Gutmachen!" bohrt sich wie ein aift- getcankter Stachel in unser wundes Gemüt. Wenn es uns während seines Lebens vielleicht nie klar zum Bewußtsein kam, wenn wir unser Verhältnis für das denkbar innigste hielten, vor dem erhabenen Ernst des Todes, der den höchsten Maßstab an uns anlegt, der uns unverhüllt und von allem äußeren Schein entkleidet, zeigt, was wir in Wahrheit sind, — vor diesem unerbittlichen Richter erkennen wir, daß wir eine Schuld gegen den Toten haben, daß er im Recht ist und wir im Unrecht. Daß er an uns etwas versäumt hätte, fällt uns nicht ein; wir sehen nur unser eigenes Verschulden und unsere menschliche Schwäche und Begrenztheit, die uns im Lichte der Ewigkeit — sud specie aeternitatis — wie in einem Zauberspiegel zum Erschrecken vergrößert erscheint. Der Tod eines geliebten Menschen zerreißt für uns d-e schwere Nebeldecke, die uns vom ewigen Lichte scheidet, uno durch den klaffenden Spalt, der sich uns für einen Seelen augenblick zeigt, sehen wir Wahrheit und gewinnen Er kenntnisse, zu denen wir sonst Jahre der Entwicklung ge. braucht hätten. — Um uns vor solchen bitteren Erfahrungen zu schützen, ist es gut, wenn wir einem unserer Nächste r wehgetan haben oder uns von ihm gekränkt glauben, wir ihn uns als Toten im Sarge vorstellen. Dann werden wir weich und milde werden, und aller Groll wird verfliegen wie Nebel im Sturm. — Die meisten Menschen haben ein natürliches Grauen vor dem Tode und schieben den Gedanken daran weit von sich. Wenn er dann jäh in ihren Kreis einbricht, stehen sie ihm entsetzt, fassungslos und voll Reu? gegenüber. Darum gedenke des Todes beizeiten, nicht nur um deiner selbst willen, sondern auch aus Liebe zu deine:. Nächsten, weil der Gedanke dich besser, tiefer, gerechter und liebevoller macht. — Ueber jeder menschlichen Gemeinschaft ab« sollte der Spruch stehen: „Streut Blumen der Liebe bei Lebenszeit, Bewahret einander vor Herzeleid! Der Tod streicht die Schulden der Liebe ein Und leat zur Trauer nock Reuenein."