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Vas Wilsdruffer Tageblatt enthält die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meißen, des Amtsgerichts und Stadtrats zu Wilsdruff, Forstrentamts Tharandt, Finanzamts Nossen. für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter. : Vie S,«spalt«« B<mm,eile rv Doldpfenni,, di« r,«spaltenkD«IIe der amtlich«»BekanntmachungenIVLold- ps«»aia, die I,«sp«lteneReklame,eUe im teMchen Teil« >00 Doldpfennig. Nachmeisungsgebühr 20 Doldps«nnigk. vor- Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr. 6 LUMÄS amlahmebisvorm.tvUhr Für die Richtigkeit der durch Fernruf übermittelten Anzeigen übernehmen wir keine Darantie. Jeder Radattanspruch erlischt, wenn der Betrag durch Nlage eingezogen werden muß oder der Auftraggeber in Konkur, gcrüt. Anzeigen nehmen alle Vermittlungsstellen entgegen Jiationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend >»»«« »»» DefchSskstellen — ! nehm«» zu jeder Jett Be- «Lm,«» „tg^en. Im Fall« hüherer TewaU, Krieg oder sonstiger B-triebsftürnnge« besteht kein Anspruch anf Lieferung h»s«tck-, »der Kürzung d« Bezugspreises. - Rücksendung eingrsandter Schriftstücke ersolgt »ur, wenn Port- beiltegt. Nr. 149. — 84. Jahrgang. Telegl.-Adr.: „Amtsblatt- Wilsdruff-Dresden Postscheck: Dresden 2640 Dienstag, den 30. Juni 1925 „Wir übertreiben!" Von besonderer Seite wird uns zu der immer weitere Kreise erfassenden kulturfeindlichen H e tz e i m B e r u f s - und Geschäftsleben geschrieben: Gewiß ist es sehr erfreulich, daß die S t e r b l i ch k e i t iu Deutschland im Jahre 1924 so niedrig gewesen ist wie nie zuvor, auch nicht vor 1914. Das konnte kürzlich im Reichstag bei der Beratung des Haushalts des Reichs innenministeriums sestgestellt werden, dem ja auch die öffentliche Gesundheitspflege untersteht. Der Grund hierfür ist ja klar: es ist die Stabilisierung der Währung, die auch nach dieser Richtung hin wohltätig gewirkt hat. Gewiß hat die dem Reich und den Ländern jetzt überhaupt erst wieder möglich gewordene Be kämpfung namentlich der Berufskrankheiten große Erfolge erzielt —, aber hier gibt es eine Grenze, die zu überschreiten der staatlichen Gesundheitspflege nicht möglich sein kann. Und diese Grenze wird gezogen durch die Berufshetze. Das Dasein des modernen Menschen ist unter das Zeichen eines geradezu rasenden Tempos gestellt. Man hat nufer Zeitalter als das „Maschinen"zeitalter be- : zeichnet und man kann dieses Bild noch vervollständigen durch den Hinweis, daß sich das Tempo dieser Maschinen, damit das Tempo unseres beruflichen Lebens verhält wie eine Stephensonsche Lokomotive Zu einem modernen Flng- zeugmotor, der das Flugzeug im 250-Kilometer-Lauf pro Stunde durch die Lust reißt. Mit härtestem Schlage peitscht uns der Kampf um das Dasein vorwärts zu unerhörtesten geistigen und körperlichen Kraftanstrengungen. Und doch — der Stolz darüber, wie herrlich weit wir es gebracht haben, ist nicht rein, ist ein Rausch der Stunde, des Er folgs. Bleibt nicht immer ein bitterer Bodensatz zurück, eine leise oder laut sprechende Sehnsucht nach einer f ruhigeren, aber tieferen, den Menschen achtenden Form des Daseins? Trägt nicht jeder, den, Bernfshche Noch nicht den letzten menschlichen Gedanken ans dem Gehirn getilgt hat, die dunkle Empfindung in sich, daß alles das, was wir schaffen, zwar hochstrebende Zivili sation ist, mit Kultur, wahrhafter Menschenkultur, nicht das geringste zu tun hat? Das Sehnen nach dieser ist nicht ein Ermattungsgefühl, ist kein Ausdruck alt werden der Schwäche, sondern ein Zeugnis dafür, daß das Mensch Uche im modernen Menschen von der Zivilisation doch noch nicht ganz totgeschlagen ist, der Mensch sich doch noch nicht ganz als Maschine fühlt, nur mit der einen Aufgabe be tragt, iu sinnverwirrender Überstürzung die Berufsarbeit zu leisten. Die „Amerikanisierung" unseres Lebens ist solch ein Totschlagsversuch am Menschen und ihr Gegensatz ist ganz besonders die Kultur des deutschen Volkes. Wohl uns, daß wir uns dagegen noch wehren wollen und wehren Coerde«. Wohl uns, daß wir noch immer im Radio und im Turbinendampser, im Flugzeug und im elektrischen Funke« nicht der Güter höchstes zu erblicken vermögen, nicht einmal in der Zeitungsrotationsmaschine, mittels der die „öffentliche Meinung" gemacht wird. Öffentliche „Meinung" zugunsten der Breite und Flachheit, aber anf Kosten der Tiefe. Die für die „Amerikanisierung" Einge nommenen erblicken ja bei der Herstellung dieser öffent- Nchen Meinung das Ziel nur in einer Nachrichtenüber mittlung in besinnungslosem Zeitmaß. Aber allzuoft muß man dabei an das Wort, das Onkel Bräsig zu Karl Hawer- manu in Reuters „Ut mine Stromtid" über die Lösung der Aufgaben im gemeinsamen Rechenunterricht gesprochen hat, denken: „Karl, in der Fixigkeit war ich dir über, aber in der Nichtigkeit warst du mir über!" Wir übertreiben. An die Stelle des stofflichen Durchdringens tritt überhastete Geschäftigkeit, und der modern sein wollende Mensch läßt sich ohne Aktentasche überhaupt nicht sehen. Die Hälfte seines Lebens bringt er in Konferenzen zu. An die Stelle des kraftvollen, ruhig überlegenden und überlegenen Einzelwillcns ist die Orga nisation getreten, die nun ihrerseits ganz besonders gründ lich den einzelnen totschlägt und ihn in den Strudel des Eiltempos hineinreißt. Wir übertreiben auf Kosten der Nichtigkeit, des ernsthaften Denkens, der guten Arbeit. Doch in uns sträubt sich etwas da gegen, etwas, was man als das „Unmoderne" im Menschen bezeichnen kann. Warum liegen die letzten Wurzeln unseres Volkstums draußen auf dem Lande? Weil der Bauer, der den Boden bestellt hat, warten muß, was an Ernte ihm die Natur schenken wird. Weil er das Nachdenken über sich selbst noch nicht im hetzenden Trubel „modernen" Berufslebens verloren hat. Und durchzieht nicht auch unsere Arbeiterschaft das Gefühl der „Angst vor der Maschine", dieser Maschine, die der Mensch zwar be herrscht, die ihm aber die Seele herausfrißt? Das Buch Spenglers „Untergang des Abendlandes" ist weit mehr, als dieser zum Schlagwort gewordene Pessimismus sagt. Die Kultur wird zur „Weltstadtzivilisation" und verdorrt im hastenden, hetzenden Treiben der Steinwüsten moder ner Großstädte. Das ist eine Krankheit, aber eine, die in, Gegensatz zu Spenglers Auffassung nicht unheilbar ist. Weil die Wurzeln unseres Volkstums, die seelischen ebenso wie die körperlichen, noch längst nicht verdorrt sind. Davon gibt Zeugnis die innere Auflehnung gegen die Bc- . rufs Hetze, eine Auflehnung, die der Beginn heilender » Selbsterkenntnis und damit die Rückkehr von^ jener I Schnellzivilisation zur Kultur ist. VeWemg des deMen WMehrs. Neue Note der Botschasterkonferenz Berlin, 28. Juni. Zu den Beschränkungen des deutschen Luftfahrzeug- baues nimmt die Botschafterkonferenz in einer soeben ein- gegangcnen Note Stellung, wie amtlich mitgeteilt wird. Die vorläufige Überprüfung lässt erkennen, dass einige gering fügige technische Erleichterungen zugestanden werden, denen jedoch neue weitgehende organisatorische Bindungen gegenüberstehen. Die Reichsrcgierung wird sich in den nächsten Tagen eingehend mit dieser Frage befassen. Vom 29. Juni ab wird eine neue Luftpostlinie Lon don— Berlin mit Anschluß nach Königsberg und von dort über Memel, Riga, Reval, Helsingfors, Smolensk nach Moskau eingerichtet werden. Die Reisedauer wird 36 Stunden betragen, was eine große Zeitersparnis im Ver gleich mit der bisherigen Reisedauer von 4)4 Tagen be deutet. Verlängerung der Anftveriungsvorschriften. Berlin, 28. Juni. Der Reichsrat hat in seiner Sitzung beschlossen, gegen das vom Reichstag angenommene Gesetz zur Verlängerung der Geltungsdauer der dritten Stcuernotverord- nung Einspruch nicht zu erheben. In diesem Gesetz wird das Außerkrafttreten der Bufwertungsvorschriftcn der dritten Steuernotverordnung vom 30. Juni auf den 15. Juli d. I. ver- ' legt. Zugleich werden die daselbst vorgesehenen Fristen aufge hoben, und es wird ferner bestimmt, daß die nach jenen Vor schriften geschuldeten Zinsen nicht vor dem 1. August 1925 fällig > sind und der Gläubiger die Annahme einer früheren Zahlung ablcünen kann. Zucker- statt Vier- und Tabaksteuer. Berlin, 28. Juni. Im Steuerausschuß des Reichstages teilte Staaatssekrctär Dr. Popitz vom Reichsfinanzministe- rrum aus eine Anfrage mit, daß daö Finanzministerium sich vom Kabinett die Vollmacht habe geben lassen, die Regierungs vorlage über die Erhöhung der Bier- und Tabaksteuer für den Fall zurückzuziehen, daß der Initiativantrag der Re gierung zu diesen Steuern vom Plenum des Reichstages dem Ausschuß überwiesen wird. Der Steucrausschuß stimmte der Vorlage der Regierung über die Zuckersteuer zu. Die französische Presse gegen eine Pakt- Konferenz Paris, 29. Juni. Die Pariser Presse wendet sich mit offener Schärfe gegen die Möglichkeit einer Alliiertenkonferenz zur Fortführung der Garantiepaktverhandlungen. Nach Auf fassung des Temps würde eine solche Konferenz vor der Herbei- sührung eines grundsätzlichen Einvernehmens zwischen den inter essierten Mächten ihren Zweck vollständig verfehlen. Sie könnte sogar durch Erschütterung der ftcmzösisch-cnglischen Verständigung unabsehbare Konflikte heraufbrschwören. Ein Schritt Deutsch lands zur Herbeiführung einer solchen Konferenz würde nicht ver standen und keinesfalls als Beweis der Aufrichtigkeit gewertet werden. Im übrigen bleibe es Deutschland überlassen, unter den allgemein üblichen Bedingungen seine Ausnahme in den Völker bund zu beantragen, womit ein neuer Beweis seiner Aufrichtig keit erbracht werde. Deutschland ist vechandlnWhelM. Beratungen der Ministerpräsidenten über den Sicherheitspakl. n. Berlin, 27. Juni. Die Ministerpräsidenten der deutschen Länder sind hier eiu- gelroffen nnd heute unter dem Vorsitz des Reichskanzlers Dr. Luther zu einer Beratung über außenpolitische Fragen zu- sammeugetreten. Den Gegenstand der Verhandlungen bildet natürlich die Note des französischen Ministerpräsidenten Briand über das deutsche Sicher Heilsangebot und die darauf zu erteilende Antwort. Die schon bckanntgewordenc Absicht der Reichsregierung, sich an den in der Briand-Note angeregten Erörterungen über die französischen Vorschläge zu beteiligen, also in Verhandlungen einzutreten, wurde heute morgen durch die halbamtliche Veröffentlichung über diesen Gegenstand bestätigt. Das Reichskabinett gelangte da nach ü b e r e i n st i mm e n d zu dem Ergebnis, daß die in der französischen Note vorgeschlagenen Erörterungen zur Vorbe reitung der endgültigen Stellungnahme alsbald aufzu nehmen sind. Die deutsche Regierung, die im Einklang mit den Schlußworten der französischen Note auch ihrerseits das Zustandekommen von Verhandlungen begrüßen würde, die zu einer neuen und wirksamen Friedensgewähr führen, wird unentwegt an dem Ziel Deutschlands festhalten, zn einem wirklichen Frieden zu gelangen, der durch ein Sicher heitsabkommen «ns völliger Gegenseitigkeit begründet wer den soll. Diesen Willen der Reichsregierung bekundet auch eine weitere halbamtliche Notiz des W. T. B., die sich gegen die Bemerkung eines hiesigen rechtsstehenden Lokalblattes wendet. Das Blatt hatte bemerkt, daß die Reichsregierung innerlich aus einen Erfolg bei der Fortsetzung ihrer Initiative nicht rechne, und dab es sich bei der Fortsetzung der Verhandlungen wesent- Ockärung der DeuiscknaiioMlen. KeinAustrittciusderRegierung. Berlin, 28. Juni. Der Parieivorstand der Deuischnationalen Volkspartei, erweitert durch die Vorsitzenden der Landesverbände, hielt eine Sitzung ab. Nach einleitender Ansprache des Pactei- vorsitzenden Dr. Winckler hielten Referate Gras Westarp zur auswärtigen Lage, Dr Lejeune-Jung zur Zollpolitik, Abg. H e r g t zur Aufwcrtungsfrage. Eine eingehende, von zahlreichen Rednern bestrittene Aussprache ergab die volle Einmütigkeit der Versammlung. Es wurde .folgende Entschließung gefaßt: „Die Deutschnationale Volkspartei hält es angesichts der gewaltigen, gegenwärtig vorliegenden außenpolitische» uns innenpolitischen Aufgaben mehr denn je für ihre Pflicht, ihren Einfluß in der Negierung zu wahren und nachhaltig einzusctzen, daß die schwebenden großen Fragen der Politik ihre Lösung in einer Weise finden, die den Lcbensinteressen und der Würde des Deutschen Reiches entspricht. Schon deshalb sind alle Gerüchte, nach denen die Partei ihren Austritt aus der Negierung beabsichtige und vorberefte, völlig unbegründet." Ebenso falsch sind auch die Behauptungen einiger Blätter, wie weiter erklärt wird, nach denen die Deutsch nationalen den Rücktritt des Rcichsaußenministers Dr. Stresemann fordern. Die Erklärung ist sichtlich gegen die Gerüchte gerichtet, die in der letzten Zeit immer wieder von der Negiernngsmüdigkeit der Deutschnationalen wissen wollten. Die Deutschnationale Volkspartei stehe ferner einem gesunden Sicherheitsgedanken natürlich positiv ge genüber, soweit es sich dabei um eine Sicherung Deutsch lands anf dem Boden voller Gleichberechtigung nnd Gegen seitigkeit handelt, ohne Verzicht anf unverjährbare Rechte. Drei Tote bei einem Schadenfeuer Eigener Fernsprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes" Oppeln, 29. Juni. Am Sonntag nachmittag brach in Kreutzburg in Oberjchlesien bei einem Produltenhändler am Marktplatze ein Feuer aus. Von den sogenannten zwölf Apostel häusern sind neun vollständig niedergebrannt. In den Flammen kamen eine Frau und zwei Kinder ums Leben. Englische Besorgnisse über die Lage in China. Eigener Fernfprechdlenst des „Wilsdruffer Tageblattes". London, 29. Juni. Wie die Sunday Times drahten, haben sich zwei Kabinettssitzungcn in der vergangenen Woche mit der Lage in China beschäftigt. Das deutet auf den Ernst, mit welchem die Lage im fernen Osten an den maßgebenden Stellen betrachtet wird. Der erste Lord der Admiralität, Lord Beatha, ist wegen der Verteilung der Flottenstreitkräfte im fernen Osten befragt worden. Von der Admiralität sind Befehle an den Ober befehlshaber des englischen ostasiatischcn Geschwaders ergangen, denen zufolge eine Neugruppierung der englischen Seestreitkräfte cm der chinesischen Küste erfolgen soll. lich darum drehen würde, klar yerauszuarbeikcn, woran der Sicherheitspakl scheitern müße. Von einem Linksblatt war dazu gesagt worden, diese Ausführungen stammten vielleicht von einer amtlichen Stelle. Die offiziöse Notiz stellt fest, daß mit jenen „verantwortungslosen Äußerungen, die in vollem Gegensatz zu der Auffassung des Reichskabinetts ständen", keine amtliche Stelle etwas zu tun habe. Aller Voraussicht nach werden die bis in den Abend sort- gcsührtcn Beratungen der Länderministerpräsidenten die Neichsregicrung aus dem beabsichtigten Wege unterstützen. An der Beratung nehmen auch sämtliche Reichsminister teil. Reichsaußenminister Dr. Stresemann erstattete aussühr- lickei- Bericht über die Lage. * Konferenz -er MinisierpräsL-enien. Beschlüsse zur Sicherheitsfrage. Berlin, 28. Juni. In der Besprechung des Reichskabinetts mit den Staats- und Ministerpräsidenten der Länder, die mit einer kurzen Mittagspause von zehn Uhr morgens bis gegen abend dauerte, wurden nach amtlicher Mitteilung Vic wich tigsten zurzeit im Vordergrund stehenden außenpolitischen Probleme eingehend erörtert. Hierbei ergab sich eine grund sätzliche Übereinstimmung in der Beurteilung der Lage und der zu treffenden nächsten Maßnahmen. Reichskanzler Dr. Luther in Mainz. Berlin, 28. Juni. Reichskanzler Dr. Luther ist nach Main; zum Gutenbergsest gefahren, das im Rahmen der Jahr musendfeicr staltfindct. Auch der hessische Minister v. Brentano sowie der hessische Gesandte in Berlin, Dr. v. Biegeleben, haben sich zur Teilnahme an der Feier in Mainz begeben.