Volltext Seite (XML)
^ 127, 6. Juni 1910. Nichtamtlicher Teil. Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. 6705 Ein Erfordernis für die Rechtsgültigkeit von Bertrags- erklärungen. Entscheidung des Reichsgerichts. (Nachdruck verboten.) — Die Rechtsgültigkeit von Verträgen und vertrag lichen Willenserklärungen ist neben der Erfüllung aller Form vorschriften auch davon abhängig, daß derartige Willenserklärungen rechtzeitig von beiden Teilen unterschrieben worden sind. Ist dies nicht geschehen, so kann nicht nur die Partei, die ihre Willenserklärung zu spät unterzeichnet hat, den Vertrag als ungültig bezeichnen, vielmehr hat auch die Gegenpartei das Recht, den Vertrag als ungültig abzulehnen. Hierzu interessiert eine Entscheidung des Reichsgerichts, die in den letzten Tagen ergangen ist: Die St. Johann-Saar- brücker Reklame- und Verlagsanstalt, G. m. b. H. in Saarbrücken, gab vom 1. März 1907 bis Anfang November 1907 eine »Wochenschau« heraus, die von der Aktiengesellschaft Saardruckerei zu St. Johann gedruckt wurde. Hierüber bestand ein Vertragsverhältnis vom 11. Januar 1907, nach dem vierteljährliche Kündigung zu dem Quartalsersten vereinbart war. Der schriftliche Vertrag ist nach den Behauptungen der Saar- druckerei ihr ununterschrieben von der Saarbrücker Verlagsanstalt zugegangen, von ihrem Direktor unterzeichnet und erst nach dem 30. Oktober 1907 von den Geschäftsführern der Saarbrücker Verlagsanstalt unterschrieben worden. Am 30. Oktober 1907 hat die Saardruckerei die fernere Herstellung der »Wochenschau« ab gelehnt. Die St. Johann-Saarbrücker Reklame- und Verlags anstalt ist klagbar geworden, weil die Saardruckerei die viertel jährliche Kündigung nicht eingehalten hatte. Sie verlangt Schadensersatz. Das Landgericht Saarbrücken erklärte den Anspruch für gerechtfertigt. Das Oberlandesgericht Köln wies die Be rufung der Beklagten als unbegründet zurück. Dagegen findet das Reichsgericht in der verspäteten Unter zeichnung des Vertrags einen Aufhebungsgrund. Es erkannte demgemäß auf die Revision der Beklagten hin auf Aufhebung des oberlandesgerichtlichen Urteils und verwies die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandes gericht Köln zurück. In seinen Entscheidungsgründen bringt das Reichsgericht zum Ausdruck, daß ein nicht Unterzeichneter Vertrag von der anderen Partei nicht wirksam angenommen werden kann. Es heißt: »Da gegen rügt die Revision mit Recht, daß eine wirksame Annahme der Bertragserklärung des Direktors L. seitens der Klägerin von dem Berufungsrichter nicht festgestellt ist. Ein Vertrag kommt regelmäßig keineswegs schon durch die bloße Tatsache, daß zwei zustimmende, auf Hervorbringen einer rechtlichen Wirkung unter den Erklärenden gerichtete Willenserklärungen vorliegen, zustande, sondern diese Erklärungen müssen regelmäßig gegenseitig zum Bewußtsein gebracht werden. Die Erklärung des einen Teils muß mit dessen Willen dem anderen zugegangen sein, sofern nicht bezüglich der Annahmeerklärung des Vertrags antrages einer der Ausnahmefälle des § löl des Bürgerlichen Gesetzbuchs vorliegt. Vorliegend enthält das Berufungsurteil aber nur Ausführungen zum Nachweis, daß die Erklärung des Direktors der Beklagten der Klägerin wirksam zugegangen sei, dagegen fehlt jede Darlegung, wodurch die Klägerin ihrerseits ihren Vertrags willen der Beklagten zu erkennen gegeben haben soll. Zum Nachweis des Vertragsschlusses hat die Klägerin weder behauptet, ihrerseits einen Vertragsantrag der Beklagten angenommen und von dieser Annahme die Beklagte in Kenntnis gesetzt zu haben, noch hat sie irgendwelche Umstände geltend gemacht, die nach der Vorschrift des § 151 des Bürgerlichen Gesetzbuchs eine Bekannt gabe der Annahme nicht erforderlich erscheinen lassen könnten. Sie hat vielmehr für den Vertragsschluß sich lediglich darauf be rufen, daß die Urkunde vom 11. Januar 1907 zunächst von ihren beiden Geschäftsführern und erst nachdem von dem Direktor der Beklagten unterschrieben und von diesem an sie zurückgegeben sei. Diese Darstellung der Klägerin ist zwar nur im Tatbestand des I. Urteils wiedergegeben, der im Tatbestand des Berufungsurteils nicht ausdrücklich als vorgetragen bezeichnet ist. Allein da der letztere Tatbestand in dieser Richtung über das Zustandekommen des Ver trages überhaupt irgendwelche Behauptungen der Parteien nicht enthält, so muß das frühere Vorbringen der Klägerin als in der II. Instanz wiederholt angesehen werden. Das Gleiche gilt dann aber auch von dem Bestreiten der klägerischen Darstellung seitens der Beklagten, die ausdrücklich unter Beweis gestellt hat, daß die s Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. 77. Jahrgang. zwei Geschäftsführer der Klägerin die Vertragsurkunde erst nach dem 30. Oktober 1907 unterschrieben hätten. Bei dieser Sachlage konnte der Berufungsrichter aber ohne Beweiserhebung über die Richtigkeit der klägerischen Darstellung und ohne die tatsächliche Feststellung, daß Direktor K. die bereits mit den Unterschriften der klägerischen Geschäftsführer versehene Urkunde nach Hinzu fügen seiner Unterschrift an die Klägerin zurückgelangen ließ, einen rechtswirksamen Abschluß eines Vertrages nicht annehmen.« (Akt.-Z. VII. 383/09. — 22. April 1910 ) L. LI.-I. Von der Organisation des dänischen Buchhandels und den Folgen seiner neuen Satzungen. — Die neuen Satzungen des dänischen Buchhändlervereins (deutsche Übersetzung siehe Börsenbl. 1910, Nr. 82) und seine neuen Verkehrsbedingungen (beides vom 4. Februar 1910) sind jetzt in einem Heft, mit Schlagwortregister versehen und vervollständigt durch eine Liste der 45 Mitglieder des Vereins (mit zusammen 70 Stimmen), ver sandt worden. Aus dieser Liste ist zu ersehen, daß der bedeutende Gyldendalsche Verlag im Verein allein 14 Stimmen hat (10 als Firma und 4 durch seine 4 Direktoren). Der Sortimenterstand ist darin durch 21 Firmen mit 35 Stimmen vertreten (wobei die höhere Stimmenzahl aber nur durch die als Verleger auf genommenen Firmen mit mehr als einer und bis 5 Stimmen, wie Hagerup, Gad, Salmonsen, Lehmann L Stage, erreicht wird), das Sortiment außerhalb Kopenhagens überhaupt uur durch eine einzige Stimme, den Vorsteher des Provinzbuch händlervereins. — Infolge der neuen Bestimmungen (insbesondere in § 27 der Satzungen und Abschnitt VIII ssiehe Börsenblatt 1910, Nr. 40/j der Verkehrsbedingungen) haben sich, um ihre Buch händler-Kundschaft nickt zu verlieren, schon etwa zehn Verlage außerhalb des Buchhändlervereins verpflichtet, dessen Satzungen und Verkehrsbedingungen einzuhalten, also u. a. nicht an Papier händler, Buchbinder, Zigarrengeschäfte, Kioske, Zeitungs- und Bahnhofshändler zu liefern, soweit § 27 das nicht für gewisse Artikel und für Zeitschriften, die mindestens halbmonatlich er scheinen, ausdrücklich erlaubt. — Eine weitere Folge war die, daß die junge, aber erfolgreiche, aktuelle illustrierte Monatsschrift »>l3,a.Q6ä8lliaSL8ill6t« (vgl. Börsenblatt 1909, Nr. 26, Seite 1407) jetzt ab 1. Mai 14tägig erscheint, wobei sie den Preis von 50 auf 25 Ore herabsetzte. Gleichzeitig ging sie von dem bisherigen Be sitzer und Herausgeber Frederik Hegel (einem Sohn des Senior chefs des Gyldendalschen Verlags) an eine hierzu gegründete Aktiengesellschaft über, deren Vorstand aus Fr. Hegel und Egmont H. Petersen besteht. Der letztere ist Herausgeber der verbreiteten Frauen- und Familienwochenschrift »üjemwet« und in seiner ange sehenen Buchdruckereiund Reproduktionsanstalt,Frederiksborggadel, wird das Blatt fortan hergestellt. Auch das monatlich erscheinende, sehr stark verbreitete Blatt »Üj6ww6t8 Hovelisr« (John Martin's Verlag, Kopenhagen, Nörre- gade 13), das, in großem Format, Novellen, Skizzen und Er zählungen (vorwiegend Übersetzungen, aber in jeder Nummer auch Originalarbeiten bekannter dänischer und norwegischer Schrift steller, wie Laur. Bruun, Harald Kidde, Bürge Janssen, Martin Andersen-Nexö, Herman Bang, Th. P. Krag), illustriert von dänischen Zeichnern, bringt, mußte sich entschließen, nur zweimal im Monat zu erscheinen und setzte zugleich den Preis der Nummer von 26 auf 10 Ore herab. Um sich Bücher zu verschaffen, wissen die Papierhändler usw. aber gleichwohl immer noch Auswege zu finden, wie aus folgen dem Rundschreiben des Kopenhagens Sortimentervereins hervor geht, das dieser Tage sämtlichen rabattberechtigten Buchhändlern Dänemarks zugegangen ist: »Durch die neuen Satzungen des Buchhändlervereins sind dänische Sortimenter davor gesichert worden, daß ihre schlimmsten Konkurrenten, die Papierhändler, mit Büchern versehen werden von den irregulären Verlagen, die sich jetzt nahezu alle ver pflichtet haben, nur mit den rabattberechtigten Buchhändlern in Verbindung zu stehen. Leider haben einzelne Sortimenter nicht den großen Vorteil, der hierdurch geschaffen ist, eingesehen, sondern die nach den Satzungen s§ 27^ zulässigen Partiepreise benutzt, um die Papierhändler mit John Martins Büchern zu versehen. Der Vorstand muß daher die Mitglieder ernstlich ermahnen, keinen solchen unlauteren Wettbewerb gegen ihre s Kollegen zu eröffnen. Partien zum Wiederverkauf zu verkaufen, 869